„My home is my castle!“ Ein sicheres Zuhause ist der Inbegriff eines positiven Lebensgefühls und gilt seit jeher als Synonym für Geborgenheit und Identität. Keine dreißig Sekunden braucht es, um diese Sicherheit zu zerstören. Denn nicht länger dauert der Vorgang, bis ein Einbrecher über Türen und Fenster in die schützenden vier Wände eingedrungen ist. Welche Schwachstellen genutzt werden, wie man sich gegen Einbrüche in der dunklen Jahreszeit wappnen kann und zu welchen Sicherheitsmaßnahmen der ehemalige Einbrecher und heutige Drehbuchautor Peter Zingler aus eigener Erfahrung rät, haben wir herausgefunden. Von Annika John
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Urlaubszeit ist Einbruchszeit? Ein überholter Mythos! Ob Hamburg, Berlin oder Frankfurt – alle drei Minuten geschieht in Deutschland ein Einbruch, und wenn die Tage im Herbst kürzer werden, beginnt die Hochkonjunktur für Einbrecher. Das Zwielicht der frühen Dämmerung bietet Kriminellen den idealen Schutz, um sich unbeobachtet durch Türen und Fenster Zutritt zu verschaffen.
Die Zahlen der Kriminalstatistik sind alarmierend: Im Jahr 2015 ist die Zahl der Einbrüche bundesweit um 9,9 Prozent angestiegen; über 160.000 Fälle wurden in Deutschland im letzten Jahr registriert. Auch in Hessen zeichnet sich dieser Trend ab. So wurden mit 11.600 Einbrüchen über 600 Delikte mehr gezählt als noch im Vorjahr,während die Aufklärungsrate in vielen Kommunen, so auch in Frankfurt, gesunken ist. Dort konnte nur noch jeder fünfte Einbruch aufgeklärt werden. Das jüngste prominente Opfer: Die FDP-Politikerin Lencke Steiner, deren Wohnung im Frankfurter Westend aufgebrochen wurde. Entwendet wurde ein kompletter Panzerschrank, in dem sich Schmuck im Wert von über 70. 000 Euro befand – Gesamtschaden: 90.000 Euro.
Einbruch in die Seele
Sprechen wollte die ehemalige „Höhle der Löwen“-Jurorin auf Anfrage darüber nicht. „Zu emotional“ sei das Ereignis für sie gewesen. Kein Einzelfall, wie Bianca Biwer, Bundesgeschäftsführerin des Weißen Ring Deutschland, weiß: „Ein Einbruch in die eigenen vier Wände ist für viele Menschen ein Schock. Dabei machen den Betroffenen die Verletzung der Privatsphäre, das verloren gegangene Sicherheitsgefühl und die damit verbundenen psychischen Probleme oft mehr zu schaffen als der materielle Schaden und der Verlust von Gegenständen mit ideellem Wert.“
„Die psychischen Folgen machen den Betroffenen häufig mehr zu schaffen als der materielle Schaden “ – Bianca Bier, Bundesgeschäftsführerin Weißer Ring Deutschland
Kriminalstatistiken belegen diese Einschätzung: Über ein Drittel der befragten Einbruchsopfer gibt an, noch einen Monat nach der Tat Verunsicherung in der eigenen Wohnung zu verspüren, während jeweils über 20 Prozent mit Angstgefühlen, Schlafstörungen und anderen psychischen und körperlichen Beschwerden konfrontiert waren.
Wird dem Opfer schlagartig die Kontrolle über seine Privatsphäre entzogen, indem eine fremde Person in den intimsten aller Räume eindringt, so setzt häufig ein Gefühl der Macht- und Wehrlosigkeit ein, das oft nur durch psychologische Hilfe wieder aufgehoben werden kann. Wie ein Opfer damit umgeht, ist von zahlreichen Faktoren abhängig. So spielt es eine ausschlaggebende Rolle, wie in der Kindheit der Umgang mit Konflikt- und Stresssituationen vermittelt wurde, aber auch, ob der psychische und körperliche Zustand stabil ist.
Hinzu kommt der materielle Verlust: Durchschnittlich werden pro Einbruch 3.250 Euro erbeutet, Tendenz steigend. Hier zeigt sich die Digitalisierung von ihr Schattenseite: Immer mehr Haushalte sind mit hochwertiger Technik ausgestattet, die leichtes Diebesgut darstellt. Fast überall finden sich Geräte wie Laptops oder Smartphones, die einfach zu transportieren sind und einen hohen Wiederverkaufswert haben.
Nach wie vor stehen aber auch Schmuck und Bargeldhoch im Kurs, die die Hälfte der gestohlenen Güter ausmachen. Die einfache Regel lautet: Was sich leicht verkaufen lässt, wird gestohlen. Die Methoden, um an das Diebesgut zu kommen, sind vielfältig. Geübte Einbrecher erkennen die Schwachstellen eines Gebäudes schnell und oft machen es die Bewohner den Eindringlingen viel zu leicht, indem insbesondere die Tür als komfortabelste Einstiegsstelle unzureichend gesichert wurde.
Über 50 Prozent der Zugriffe erfolgten in Mehrfamilienhäusern durch die Eingangstür – eine Quote, die durch zuverlässigere Sicherheitsmaßnahmen leicht gesenkt werden könnte. Nachlässigkeit ist aber auch bei den Bewohnern von Einfamilienhäusern zu beobachten: Ganze 15 Prozent der Einbrecher gelangen in die schützenden vier Wände, indem sie sich gekippte Fenster und Türen zu Nutzen machen.
Brechen, hebeln, picken
Während das Eindringen in Einfamilienhäuser überwiegend durch Fenstertüren oder Fenster erfolgt, ist die Eingangstür bei Mehrfamilienhäusern in über 50 Prozent der größte Schwachpunkt. In beiden Fällen werden die Türen und Fenster vorwiegend direkt aufgehebelt oder durch Öffnungen wie Katzenklappen oder Briefschlitze zur Entriegelung der Tür von innen genutzt. Weitere Tricks: Das Drücken des Schnappers, Abbrechen des Schlosszylinders oder ein Durchbruch der Tür, der allerdings eine offensichtliche Zerstörung mit sich zieht.
Um lautlos und schnell einzudringen, wird häufig auf sogenannte Elektropicks zurückgegriffen, die nach dem Perkussionsprinzip funktionieren. Hier wird eine Picknadel in den Schließkanal des Schlosses eingeführt, anschließend werden die Sperrstifte im Inneren des Zylinders durch Strom und Perkussionen zum Schwingen gebracht, bis diese die Trennebene freigeben und sich der Kern drehen kann. Diese Methode ist nahezu lautlos, hinterlässt bei geschickter Anwendung keine Spuren und ist darum bei geübten Einbrechern das favorisierte Werkzeug.
Fatal: Häufig wird der Einbrecher jedoch nicht einmal mit der Herausforderung konfrontiert, sich mittels Werkzeugeinsatz Zugang zu Wohnung oder Haus zu verschaffen, weil Fenster oder Türen geöffnet sind oder die Haustür schlichtweg nicht abgeschlossen wurde. Nicht nur aufgrund der eigenen Unbedachtheit ärgerlich: Solche Nachlässigkeiten können auch die Höhe der Erstattungszahlungen beeinflussen, sofern eine Hausratsversicherung abgeschlossen wurde.
Es empfiehlt sich, die Bedingungen der eigenen Versicherung genau zu studieren, um im Schadensfall über die individuellen Erstattungsgrenzen im Bilde zu sein. Grundsätzlich gilt: Auch der Versicherte hat bestimmte Pflichten zu erfüllen, um die Schadensregulierung vollumfänglich in Anspruch nehmen zu können. Zunächst muss nachgewiesen werden, dass die gestohlenen Gegenstände überhaupt besessen wurden. Darum ist es von großem Vorteil, Wertgegenstände regelmäßig im Rahmen eines Wertgegenstandsverzeichnisses aufzulisten und gegebenenfalls zu fotografieren, um zu vermeiden, dass erst im Nachhinein registriert wird, welche Beute mitgenommen wurde.
Auch sollte individuell überprüft werden, welche Rahmenbedingungen bestehen müssen, damit die abgeschlossene Versicherung greift. Nicht immer wird die Erstattungssumme vollständig gezahlt, wenn Türen nicht abgeschlossen oder Fenster gekippt zurückgelassen wurden. Ob in einem solchen Fall gezahlt wird, hängt vom Vertrag ab. Ebenfalls sollte die Versicherungssumme nicht zu niedrig angesetzt werden, um Kosten einzusparen. Denn wenn ein sogenannter Unterversicherungsverzicht vereinbart wurde, wird seitens der Versicherung nicht überprüft, ob die auszuzahlende Summe dem tatsächlichen Wert der gestohlenen Gegenstände entspricht.
Schwachstellen Tür und Fenster
Doppelte Verriegelung, Türspaltsperren, Alarmanlagen – die Liste der Sicherheitsvorkehrungen ist lang. Doch welche Maßnahmen sind tatsächlich sinnvoll? Mechanisch oder elektronisch? Kameraüberwachung oder doch die bewährte Nachbarschaftshilfe? „Grundlage ist in der Regel der Schutz durch entsprechende mechanische Elemente. Spezielle einbruchhemmende Türen und Fenster, die gegen die herkömmlichen ausgetauscht werden, bieten wirksamen Einbruchschutz.
„Die beste Prävention ist ein Schutz durch mechanische Elemente.“ – Dr. Helmut Rieche, Vorsitzender der Initiative für aktiven Einbruchschutz
Man kann aber auch seine bisherigen Türen und Fenster mit Zusatzsicherungen nachrüsten“, so Dr. Helmut Rieche, Vorsitzender der Initiative für aktiven Einbruchschutz. Die Kriminalpolizeiliche Beratungsstelle der Länder und des Bundes rät zu Türen, bei denen sichergestellt ist, dass es in der Gesamtkonstruktion, bestehend aus Schloss, Zarge, Türblatt und Beschlag, keinen Schwachpunkt gibt.
Diese zeichnen sich durch ihre Beschaffenheit „aus einem Guss“ und idealerweise einen quer verbauten Panzerriegel aus und können in verschiedenen Widerstandsklassen erworben werden. Wichtig bei Einfamilienhäusern: Nicht nur die Haustüre sollte ausreichend gesichert werden – ein Großteil der Zugriffe erfolgt nicht über die Eingangstür, sondern über den rückwärtigen Zugang.
Ebenfalls beliebt als Einstiegsstelle sind Fenster, insbesondere jene, die einen Kunststoffrahmen aufweisen und lediglich durch das Ineinandergreifen von Rollzapfen und die passenden Schließteile verschlossen werden. Hier haben Einbrecher leichtes Spiel, weiß Peter Werkmüller, Polizeihauptkommissar und Experte für Einbruchprävention: „Der Einbrecher hebelt einfach mit dem Schraubendreher an der Seite, an der man das Fenster schließt, das Fenster auf. Er drückt die Rollzapfen über die Schließteile weg, die aus Gusseisen bestehen. Das ist ein sehr sprödes Material. Wenn man etwas mehr Kraft aufwendet, platzen diese Gussgrate weg und das Fenster ist offen.“
Darum rät er zu rundum beschlagenen Fenstern, deren Schließteile nicht aus Gusseisen, sondern aus Stahl bestehen und deren Pilzkopfzapfen sich unter die Schließteile schieben und sich auf allen vier Seiten des Fensters verhaken. Zudem sollte ein sicheres Fenster über eine einbruchhemmende Verglasung und einen abschließbaren Fenstergriff verfügen.
Mit den richtigen mechanischen Sicherheitsvorkehrungen wird die Wahrscheinlichkeit, dass ein Einbruch gelingt, erheblich minimiert. Dennoch können elektronische Maßnahmen den mechanischen Basisschutz zusätzlich ergänzen. So dienen Überfall- und Einbruchanlagen dazu, einen unbefugten Eindringling zu registrieren und dessen Anwesenheit durch Sirenen oder eine automatische Alarmweiterleitung an die Polizei oder Sicherheitsdienste weiterzugeben.
Doch welche Anlagen sind zuverlässig und über welche Funktionen sollten sie unbedingt verfügen? Das unabhängige Online-Portal „Einbruchschutz und Alarmanlagen“, das regelmäßig neue Sicherheitssysteme testet und vergleicht, bietet hier einen übersichtlichen Leitfaden. Als wichtigstes Kriterium wird genannt, dass die Anlage sowohl über eine Innen- als auch über eine Außensirene verfügt. So wird gewährleistet, dass einerseits die schlafenden Bewohner geweckt und zum anderen Nachbarn aufmerksam gemacht werden.
Hier sollte darauf geachtet werden, dass die externen Sirenen in sicherer Höhe montiert werden, um eine Sabotage zu verhindern. Weiterhin werden Fenster- und Türsensoren sowie ein Glasbruchmelder als sinnvoll erachtet. Um sich und die Bewohner des Hauses durch die Maßnahmen aber nicht selbst einzuschränken, sollte die zeitliche Scharfschaltung des Alarms individuell einstellbar sein und idealerweise über einen Home-Modus verfügen, der alle Türen und Fenster über Sensoren sichert, bei Bewegungen im Haus aber keinen Alarm auslöst.
Smart-Home-Systeme – die intelligente Lösung?
Wenn sich ein Einbrecher bereits Zugang zu den eigenen vier Wänden verschafft hat, ist die Wahrscheinlichkeit, dass er Diebesgut entwenden wird, entsprechend hoch. Eine Kamera wird das nicht verhindern können. Sind im Vorfeld aber andere Präventionsmaßnahmen gescheitert, ist der Einsatz einer Überwachungskamera dahingehend sinnvoll, dass bestenfalls noch ermittelbar ist, wer sich in den privaten Räumen zu schaffen gemacht hat. Hier bietet sich ein Innenraumüberwachungssystem an, dessen Aufnahmen live über eine Cloud abrufbar sind.
Zu beachten gilt aber: Wenn dieses rund um die Uhr aktiv ist, müsste sich zunächst jeder Besucher mit der Aufnahme einverstanden erklären, was kaum umsetzbar ist. Möchte man jedoch im Urlaub oder bei längerer Abwesenheit regelmäßig kontrollieren, ob alles ordnungsgemäß ist, kann eine Überwachung der Räume für ein sicheres Gefühl sorgen. Ist das Grundstück weitläufig, so kann dieses zusätzlich mit Outdoor-Kameras überwacht werden, wobei auch hier einige rechtliche Bestimmungen zu berücksichtigen sind.
So ist es nicht erlaubt, das Nachbargrundstück oder Teile davon sowie öffentliche Bereiche wie Bürgersteige oder Straßen zu filmen. Eine weitere Option, die nicht ausschließlich dem Zweck der Prävention dient, sondern auch den häuslichen Alltag komfortabler machen soll, ist die Installation eines Smart-Home-Systems, das neben der digitalen Steuerung diverser Funktionen wie Licht, Heizung oder Musikanlage per App auch einen höheren Einbruchschutz verspricht.
So könnte ein Anbieter das Szenario schildern: „Der Einbrecher nähert sich dem unbelebt wirkenden Haus und versucht sich durch das Aufhebeln eines Fensters Zugang zu verschaffen. Die systemintegrierten Sensoren registrieren die Bewegungen und aktivieren das Licht im Raum. Zusätzlich können akustische Signale wie Stimmen oder Hundegebell über Lautsprecher ausgesendet werden – der Einbrecher wird sich vermutlich einem anderen Objekt zuwenden.“
Doch auch wenn die smarte Haustechnik das Leben zweifelsfrei angenehmer macht, gibt es berechtigte Einwände, die gegen diese Form des Einbruchschutzes sprechen. So haben Hacker bereits demonstriert, wie leicht fremde Smart-Home-Systeme gehackt und somit außer Kraft gesetzt werden können. Haben Einbrecher außerdem ein Haus über einen längeren Zeitraum im Visier, so wird ihnen auffallen, dass keine Bewohner anwesend sind. Neben den Sicherheitsmaßnahmen, die jeder Bürger individuell treffen kann, reagieren derzeit jedoch auch die staatlichen Organe, um die steigende Quote der Einbrüche zukünftig wieder zu senken.
„Die Bekämpfung der Wohnungseinbrüche hat für mich wegen der schwerwiegenden Folgen für die Opfer höchste Priorität.“ – Bundesinnenminister Thomas de Maizière
So fand Bundesinnenminister Thomas de Maizière nach einem Treffen mit seinem georgischen Amtskollegen Giorgi Mghebrishvili, in dem auch über die steigende Kriminalität georgischer Staatsbürger in Deutschland diskutiert wurde, deutliche Worte: „Die Bekämpfung der Wohnungseinbrüche hat für mich wegen der schwerwiegenden Folgen für die Opfer höchste Priorität. Es ist nicht hinzunehmen, dass reisende Banden in Deutschland auf Beutetour gehen. Dies habe ich auch mit meinem georgischen Kollegen besprochen. Wir werden unsere sehr gute Zusammenarbeit bei der Kriminalitätsbekämpfung deshalb weiter ausbauen!“
Auch die Hessische Polizei reagierte und setzt nun zwecks einer effektiveren Prävention auf die Prognose-Software „KLB- operativ“, die durch eine Datenanalyse des Vortages eine Übersicht über das städtische Kriminallagegebiet erstellen kann. So werden für die Bürger Informationen darüber ausgewertet, in welchen Gebieten und Wohnvierteln die Täter am Vortag zuschlugen, um eine Prognose zu erstellen, in welcher Gegend die Täter als Nächstes zugreifen könnten.
In den Gefährdungsgebieten werden dann verstärkt Streifenwagen und Verkehrskontrollen durchgeführt. In der Betaphase waren die Ergebnisse positiv: Die Zahl der Wohnungseinbrüche reduzierte sich im Testgebiet um ganze 14 Prozent. Tendenzen, die Anlass zu Hoffnung geben, dass das eigene Zuhause – gesichert durch solide mechanische Systeme und erhöhte Polizeipräsenz – auch in der dunklen Jahreszeit vor allem eines bleibt: ein Home safe Home.
Interview mit Ex-Einbrecher Peter Zingler
Zwölf Jahre lang saß Peter Zingler hinter Gittern. Einbrüche im großen Stil hatten ihn dorthin gebracht. Ob Gemälde, Teppiche oder edle Pelze – er nahm mit, was sich gut verkaufen ließ. Aus dem düsteren Geschäft stieg er schließlich aus, weil er nicht den Rest seines Lebens im Knast verbringen wollte. Eine filmreife Geschichte, die ihn schließlich in ebendieses Metier führte: Heute arbeitet der 72-jährige Rheinländer als preisgekrönter Drehbuchautor. Mit uns hat er über seine Vergangenheit gesprochen, aber auch persönliche Einschätzungen zu häuslichen Sicherheitsvorkehrungen und Schwachstellen gegeben.
Herr Zingler, die Zahl der Wohnungseinbrüche ist in Hessen derzeit so hoch wie zuletzt vor 20 Jahren. Haben Sie eine Erklärung dafür?
Damals war die Wende der Grund, weshalb viele Menschen aus dem Osten kamen und sich somit die Anzahl der möglichen Täter erhöhte. Heute ist es so, dass viele Fremde nach Deutschland gekommen sind und somit auch mehr potenzielle Täter hier leben. Es brechen nicht mehr nur die „klassischen“ Einbrecher, wie ich es bin, ein, sondern überwiegend Banden oder Einzeltäter, deren Vorgehen aus der Not geboren ist. Die haben nichts und die können nichts, deshalb machen sie es.
Wie unterscheidet sich der „klassische“ Einbrecher von Amateuren?
Zu meiner Zeit habe ich die Einbrüche genau geplant. Da hieß es „Gelbe Seiten raus“ und schauen, welche Gegenden und Geschäfte günstig gelegen und finanziell erfolgversprechend sind. Das Einbrechen war harte Arbeit und mit großem Aufwand verbunden. Manchmal haben wir wochenlang an der Vorbereitung gearbeitet, die Sicherungen in Erfahrung gebracht und uns Fluchtwege erarbeitet. Bei den Amateuren läuft es so ab: Die schwärmen aus und klingeln, wenn jemand aufmacht oder einer eine gute Sicherung hat, geht’s an die nächste Tür.
Apropos: Mit welchen Vorkehrungen schützt sich ein Einbrecher gegen seine Artgenossen?
Ich selber habe ein solides Türschloss eingebaut und eine Rahmenverstärkung vorgenommen, nachdem auch schon bei mir eingebrochen wurde. Es gibt kein größeres Leid auf Erden, als als Dieb bestohlen zu werden! Viele Leute brauchen sich aber wirklich nicht zu wundern, dass bei ihnen eingebrochen wird. Man muss sich nur mal auf der Straße umschauen – die Zylinder stehen an jedem zweiten Schloss raus, da braucht man einen Zehnerschlüssel, klack, und die Tür geht mit einem Schraubenzieher auf. Mit einer vernünftigen Blende geht das nicht. Und so einfach es klingt: Abschließen! Sonst geht man da einmal mit dem Draht durch und die Tür ist auf.
Und was halten Sie von Kameras und anderen elektronischen Maßnahmen?
Zur Aufklärung kann das schon ganz sinnvoll sein. Aber verhindern können die in der Regel nichts, wenn sie nicht direkt mit der Polizei oder Sicherheitsdiensten verbunden sind. Denn wer achtet denn heutzutage noch auf Alarme oder Sirenen? Selbst wenn die laut blöken kommt kein Mensch! Die Leute regen sich auf, aber niemand kommt gucken.
Bereuen Sie heute, was Sie getan haben?
Nein, bis heute habe ich kein Unrechtsempfinden. Mit 15 Jahren habe ich mit dem Stehlen angefangen und wurde mit der Mentalität großgezogen, dass das nichts Unrechtes ist. Ich höre sie immer wieder, diese Frage nach Mitleid und Reue, aber ich kann damit nichts anfangen. Als bei mir eingebrochen wurde, war ich genervt, dass ich alles wieder aufräumen musste, aber ich fühlte mich nicht intim verletzt. Die Leute, die sich aufregen, sollen sich anständige Sicherungen besorgen. Denn Einbrüche gehören zum Leben wie Unfälle. Über die regt sich auch keiner auf, sie werden als gegeben betrachtet. Es gab nur einen Fall, der mich wirklich berührt hat. Da hat ein Kumpel von mir ein bislang unbekanntes Gemälde gestohlen und ich habe dafür gesorgt, dass es wieder zu seiner Besitzerin zurückkehrt. Das Gemälde hatte nämlich ihr Großvater gemalt, der in den 30er Jahren in Frankfurt am Theater als Bühnenbildner gearbeitet hat. Später ist er nach Hollywood gegangen und war dort so erfolgreich, dass er 1948 einen Oscar für das beste Bühnenbild gewann. Es war für sie eine wichtige Erinnerung, und ich habe dafür gesorgt, dass sie es zurückbekommen hat.
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