Die Region Churfranken bietet eine ganz besondere Kur: Viel Wein und gutes Essen, romantische Kulissen und schöne Landschaften gratis. Von Frankfurt ist man in einer Stunde zwar immer noch am Main, aber in einer ganz anderen Welt.
Von Ludwig Fienhold
Den Franken ist vor allem für Wein zu danken. Sie selbst sind ein wenig sperrig und hölzern, während ihre Weine dann doch erstaunlich geschmeidig und charmant ausfallen können. Miltenberg ist das zauberhafte Zentrum der Region. Wegen seiner Geschichte und der weltweit gerühmten Fachwerkromantik ist der Ort zwar auch zeitweise überlaufen von Touristen, aber auch diese Sandalenfüßler können das schöne Bild nicht zertrampeln.
In Miltenberg reiht sich ein Lokal an das andere, existieren noch immer alteingesessene Cafés und Bäckereien. Aus den geduckten Gassen bäumt sich wie ein Goliath das historische Gasthaus Zum Riesen empor.
Lange Zeit berüchtigt für Touristennepp, inzwischen endlich in guten Händen. Es gilt mit einem Entstehungsdatum Mitte des 12. Jahrhunderts als das wahrscheinlich älteste Gasthaus Deutschlands, bereits Kaiser Barbarossa und Kaiserin Maria Theresia sollen dort bewirtet worden sein, später dann Hans Albers und Elvis Presley. 2001 fand eine gründliche Renovierung statt, da der stolze Fachwerkbau am verfallen war. Betrieben wird das gastliche Haus von der Miltenberger Brauereifamilie Faust.
Man sollte die sieben Bier-Probiergläschen bestellen, um seinen Favoriten herauszufinden – unserer ist das Riesen Spezial, wie alle anderen auch vom Fass. Gut sind zudem die würzigen Frikadellen mit Dunkelbiersauce und Kartoffelsalat sowie die fränkischen groben Bratwürste mit mildem Sauerkraut und Schwarzviertlerbrot.
Ein Streifzug durch Miltenbergs Gassen gleicht einem Museumsbesuch.
Die solide Qualität und der nette Service lassen auch wieder die Franken selbst kommen, die sich die Tische mit internationalen Gästen teilen. Intimster Platz ist das Verlies, ein kleines Separee für bis zu fünf Personen. In dem Prachtbau sind auch einige Zimmer zu haben. Ein Streifzug durch Miltenbergs Gassen gleicht einem Museumsbesuch. Aus jedem Winkel lächeln den Besucher Fachwerkhäuser an. Eine Wohltat sind die alteingesessenen Bäckereien und Cafés, vor allem Hench, Meyer und Sell. Aber auch die zeitgeistige Kaffeerösterei Mika von Michael Schulz ist einen Besuch wert. Das Jagdhotel Rose am Main ist die erste Adresse in Churfranken.
Niemand hier kocht derzeit besser als Jean Philipp Schneider, der zwar auch bei Dieter Müller und Nils Henkel im Schlosshotel Lerbach arbeitete, doch vor allem durch den barocken Ingo Holland geprägt wurde, der mit dem Alten Rentamt in Klingenberg eines der spannendsten Restaurants Deutschlands betrieb.
Jean Philipp Schneider schlägt in der Provinz keine kreativen Kapriolen und will mehr mit präziser Handwerklichkeit und klaren Geschmacksaussagen gewinnen. Rindertatar mit geräuchertem Aal, Rotweinschalotten-Confit und marinierter Kohlrabi ist eine offensive Kombination von geschmacklicher Finesse. Beim perfekt gegarten Schottenlachs mit rosa Kern nebst köstlichem Kalbskopf-Risotto, Pfifferlingen und Saubohnen steht alles in großer Harmonie zusammen. Die ausgezeichnete Patisserie rundet das Bild positiv ab.
Gute regionale und lokale Weine zeichnen die Weinkarte aus, auf der daneben großartige Champagner und Cava sowie Apfelwein-Erzeugnisse vom Obsthof Schneider aus Frankfurt stehen. Das Restaurant mag adrett eingerichtet sein, könnte aber mehr Wohlfühlatmosphäre vertragen. Flüsternde Gäste sind einfach langweiliger als lachende. Die Preise sind für die Provinz sehr selbstbewusst, 3 Gänge für 70 Euro liegen schon über dem Frankfurter Stadtniveau.
Man kann aber auch einen Gastronomen verstehen, der für seine hervorragenden Leistungen und die erstklassigen Produkte entsprechend honoriert werden möchte. Das anspruchsvolle Restaurant 1622 könnte seine Betreiber allein nicht ernähren, Bistro, Hotel, Gesellschaften und anderes mehr füllen die Kasse.
Churfranken ist ein Landstrich zwischen Aschaffenburg und Wertheim mit 23 Ortschaften im untersten Unterfranken. Der touristische Verbund greift die Geschichte auf und erinnert an die kurmainzischen Fürstbischöfe, die einst die Landesherren dieser Region waren. Miltenberg und Bürgstadt gehen beinahe unmerklich ineinander über.
Dort waltet der wahre Chur-Fürst, Paul Fürst. Seine Weine finden in der ganzen Welt Beachtung. Fürst steht zwar für Burgunder-Sorten, vinifiziert aber auch einen charaktervollen und süffigen Müller-Thurgau, der dieser – mehr von Konsumenten als durch Winzer – vernachlässigten Rebsorte zu einer Resozialisierung verhelfen müsste.
Rieslinge wie der Centgrafenberg gehören im Weißweinbereich neben den Weißburgundern zu den Paradestücken des Weinguts, doch die Spätburgunder können noch mehr begeistern. Gewiss, die als „Große Gewächse“ klassifizierten entsprechen diesem Rang, auch preislich. Doch auch der Spätburgunder Centrafenberg ist ein famoser Tropfen, mit schöner Würze und einer Frische, die auch einen solch präsenten Rotwein eine den Trinkfluss steigernde Leichtigkeit verleiht.
Der Klingenberger Spätburgunder wiederum zeigt, wie unterschiedlich die Lagen ausfallen können. Mit seiner spitzfindigen Kräuternote fällt er anders und doch ebenso großartig aus. Man sollte sich aber auch gerade bei diesem Weingut einmal der weniger bekannten Rebsorte Frühburgunder annehmen. Der Centgrafenberg „R“ ist regelrecht fleischig und faunisch.
Im Weinhaus Stern in Bürgstadt wird in robust-heimeliger Gasthausatmosphäre recht anspruchsvolle Küche geboten. Das historische Haus aus dem Jahr 1638 ist ein altertümliches Kunstwerk aus Fachwerk und Sandstein. Mit Sandstein aus Bürgstadt und Miltenberg wurden übrigens Frankfurter Monumente wie der Kaiserdom und die Paulskirche verbaut. Im Weinhaus Stern serviert Klaus Markert eine solide Auswahl an fränkischen Weinen und Edelobstbränden, insbesondere von Ziegler aus dem nahen Freudenberg.
Die Küche darf man als gelungene Verfeinerung fränkischer Bodenständigkeit empfinden. Klassiker sind Rehbratwürstchen mit Kartoffelbrezeln, Waller in Weißweinsauce und gefüllter Spanferkelfuß. Prall-saftigen Hackbraten gibt es auch oft, die Saucen sind oft zum Reintunken gut. Der Cappuccino mit Tabak-Eis, bei dem ein Teelöffel Pfeifentabak verarbeitet wird, erinnert daran, dass in Bürgstadt einst Tabakanbau betrieben wurde.
Großheubach wäre kaum der Rede wert, gäbe es dort nicht das Gasthaus Zur Krone mit seiner Kachelofen-Gemütlichkeit. Ralf Restel sorgt dort für genau die Küche, die man in einer solchen Landschaft erhofft: Eine Küche der intelligenten Herzhaftigkeit. Man spürt bei jedem Bissen, dass hier jemand das dörfliche Terrain nicht verlassen will und doch zur Haute Cuisine in der Lage ist. Egal was, es schmeckt einfach klasse.
Vom Salat bis zu den Tranchen vom Kalbsrücken auf Portweinsauce mit frischem schwarzen Trüffel und Schupfnudeln. Das leicht panierte Kotelette vom Schwäbisch Hällischen Landschwein mit tollem Wirsinggemüse und richtig guten Kartoffeln ist ein unwiderstehlicher Wonneproppen und so kaum mehr in den Städten Deutschlands zu bekommen. Weitere Pluspunkte: Nette Gaststubenatmosphäre, hübsche Terrasse, gute Weine, sympathischer Service.
Wie eine Fata Morgana erscheint vor dem Auge das moderne Vinotel Helmstetter am Waldrand von Bürgstadt. Man kann dort in adretten Zimmern übernachten, am besten nach einer Probe in der kunstsinnigen Weinstube oder auf der Terrasse. An bestimmten Tagen im September, Oktober und Dezember wird außerdem eine Häckerwirtschaft betrieben, das Gegenstück zur Straußwirtschaft im Rheingau.
Die Öffnungszeiten sowie andere Veranstaltungshinweise findet man auf der übersichtlichen Webseite des Weinguts. Bei den Weinen kann man kaum danebengreifen, Erhard und Max Helmstetter scheint alles zu gelingen. Müller-Thurgau und Riesling sind gut, trocken und preiswert. Der Spätburgunder Churfranken bietet viel Geschmack für wenig Geld, doch richtig klasse wird es dann beim Spätburgunder Centgrafenberg „R“.
Dieser wird handverlesen und stammt aus der besten Parzelle der Weinbergslage. Viel Extrakt und Schmelz, gepaart mit dem Geschmack von Waldbeeren und Röstaromen lassen den Preis von 18 Euro als angenehm empfinden.
Klingenberg bietet von seiner Burg einen fantastischen Blick über die Weinberge und den gemächlich gleitenden Main. Im Städtchen führte einst Ingo Holland sein fabelhaftes Lokal Zum Alten Rentamt. Der ehemalige Sternekoch und Gewürzexperte hat inzwischen ein Imperium geschaffen und konnte kürzlich seine neue große Manufaktur in Klingenberg am Main eröffnen.
Das Gebäude mag vielleicht auf den ersten Blick wie eine normale Halle aussehen, doch innen sind beste Materialien und viel Kunst zu sehen. Im unteren Bereich befinden sich Produktionsstätte und Versuchsküche, einen Stock höher breitet sich die Genuss-Etage mit Showküche, riesigem Kamin, Kochschule, Tagungsbereich und langgestreckter Terrasse aus.
Das Alte Gewürzamt wird von Ingo Holland und seinem Sohn Kilian geführt, die als kreative Gewürzmüller längst ein eingespieltes Team sind. Die Eröffnungsfeier zog sich drei Tage hin, über 450 Gäste waren dabei, darunter Juan Amador und Nils Henkel sowie Mr. Champagner, Günter Schöneis. Das Alte Gewürzamt ist kein Restaurant und wird ausschließlich als Produktionsstätte und Eventlocation betrieben und liegt auf einem Grundstück von 4000 Quadratmetern.
Ein Rausch der Aromen: Rund 300 verschiedene Gewürze sind beim Alten Gewürzamt im Angebot, die grünen Dosen scheinen in Deutschland allgegenwärtig, gehen aber auch ins Ausland. Raz el Hanout, Curry Goa, Ducca oder Mole kennt jeder Profi- und Hobbykoch. Die BBQ Mischungen für Pork, Chicken und Beef sind Bestseller.
Gut ist auch das Crevetten-Gewürzsalz. Kilian Holland streut es sich gerne auf ein Butterbrot. Für Pfeffer-Einsteiger wird eine kleine Probierkiste offeriert. Hollands Lieblingspfeffer ist der schwarze aromatische Kerala. Die Gold Edition richtet sich an Kenner. Diese exklusive Linie präsentiert edlen japanischen Sanshopfeffer aus der Frühlingsernte, das duftige Crevetten-Salz sowie rare Fenchelpollen.
Daneben gibt es bei den Hollands aber auch noch Chutneys, Fruchtaufstriche, Pasten, Senfsorten und weitere Feinkost. Neben der neuen Genusswerkstatt gibt es nach wie vor das gutsortierte Ladengeschäft des Alten Gewürzamts in Klingenberg im ehemaligen Teddybär-Museum. In diesem wunderbar duftigen Schmuckkästchen berät Yoko Popper sachkundig und charmant die Kunden. Die Japanerin steht als Spice Girl schon lange an der Seite von Ingo Holland und weiß mit ihrer Begeisterung jedes Gespräch zu würzen.
Bei Straubs schöne Aussicht ist der Name Programm. Vom Restaurant und seiner Terrasse blickt man auf die Weinberge, den Main und die Clingenburg. Das Panorama breitet sich wie eine unwirkliche Bildtapete aus, ist aber echt. Da schadet es nicht, wenn das Lokal keine weiteren großen Eyecatcher bietet.
Der wahre Augenschmaus liegt ohnehin auf dem Teller. Rafael Straub ist ein Genusshandwerker, der mit wenigen und klar strukturierten Komponenten optimalen Einsatz zeigt. Auf der Karte stehen in schönster Eintracht Regionales, Mediterranes und Klassisches. Wir finden es großartig, dass es hier geschmorten Kalbshals auf gerührter Polenta oder hausgemachten und gebackenen Kalbskopf mit Frankfurter Grünen Soße und eingelegten Radieschen gibt. Alles bestens zubereitet.
Der Wein fließt hier schneller als der Main.
Beim Dessert muss es die Schokoladen-Rumcreme mit Kakaobohnen, Kirschragout und gebranntem Rosmarinschaum sein. Rafael Straub wurde im Restaurant Treusch im Odenwald ausgebildet, hat in den Weyberhöfen bei Juan Amador gearbeitet und stand mit Olaf Pruckner im Alten Amtshaus in Ailringen am Herd – allesamt ehrenwerte Adressen. Sabine und Rafael Straub schätzen aber auch Wein, wie die gutsortierte Karte und ihre 150 Positionen belegen. Die vernünftigen Preise animieren auch zum Trinken, der Wein fließt hier schneller als der Main.
Top Adressen Churfranken
Gasthaus Zum Riesen
Miltenberg, Hauptstraße 219. Tel. 09371 989948
www.riesen-miltenberg.de
Jagdhof Rose
Miltenberg, Hauptstraße 280, Tel.09371 40060
www.jagdhotel-rose.de
Weingut Knapp, Häckerwirtschaft
Miltenberg, Bürgstädter Straße 71, Tel. 09371 3989
www.weingut-ottoknapp.de
Weinhaus Stern
Bürgstadt, Hauptstraße 25, 09371 40350
www.hotel-weinhaus-stern.de
Weingut Fürst
Bürgstadt, Hohenlindenweg 46, Tel. 09371 8642
www.weingut-rudolf-fuerst.de
Weingut Walter
Bürgstadt, Freudenberger Str. 21, Tel. 09371 948766
www.weingut-josef-walter.de
Weingut Stich, Häckerwirtschaft
Bürgstadt, Freudenberger Str. 73, Tel. 09371 5705.
www.weingut-stich.de
Vinotel Helmstetter
Bürgstadt, Bainweg 1, Tel. 09371 3341
www.main-vinotel.de
Weingut Sturm, Häckerwirtschaft
Bürgstadt, Freudenberger Str. 91, Tel. 09371 67854
www.weingut-sturm.com
Gasthaus Zur Krone, Großheubach
Miltenberger Straße 1, Tel. 09371 2663
www.gasthauskrone.de
Altes Gewürzamt
Klingenberg am Main, In der Altstadt 7, Tel. 09372 13 47 57
www.ingo-holland.de
Straubs Schöne Aussicht
Klingenberg, Bahnhofsstraße 18, Tel. 09372 930300
www.straubs-schoene-aussicht.de
Weingut Klingenberg
Klingenberg, Wilhelmstr. 107, Tel. 09372 2438
www.weingut-klingenberg.de
Der Schafhof
Amorbach, Schafhof 1, Tel. 09373 97330
www.schafhof.de
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