Der schnelle Sport hoch zu Ross gilt seit jeher als elitäre Disziplin. Wer sich aber mit Stick und Stiefel in den Sattel wagt, sollte keineswegs zart besaitet sein, denn auf dem Poloplatz gilt die Devise „schnell, hart und schmutzig“. Wir haben die Geschichte der Sportart unter die Lupe genommen und den Bucherer Polo Cup 2016 in Frankfurt besucht, um den leidenschaftlichen Polo- und Schauspieler Heino Ferch zum schnellsten Teamsport der Welt zu befragen. Von Annika John
Inhalt
Der rasante Polosport wird als ältester Mannschaftssport der Welt gehandelt. Bereits vor über 2.500 Jahren fand das Ballspiel im rasenden Galopp bei den persischen Reitvölkern großen Anklang und auch der Adel des Mogulreiches erfreute sich an dem edlen Zeitvertreib. Mit der stetig schwindenden Bedeutung der Aristokratie verlor das majestätische Spiel aber zunehmend seinen Glanz und überlebte als Volkssport nur in den kleinen Dörfern im Nordosten Indiens unter dem tibetischen Namen „Pulu“ – benannt nach dem hölzernen Ball.
Eine Renaissance erlebte das einst so hoch gehandelte Spiel, als die Briten im Zuge der englischen Kolonialherrschaft nach Indien vordrangen. Mitte des 19. Jahrhunderts beobachtete ein Offizier das dörfliche Treiben und war begeistert von der schnellen Jagd zu Ross. Rasch verbreitete sie sich unter den Offizieren und wurde bald als Maßnahme der reiterlichen Weiterbildung betrieben. Die zunehmende Popularität des Sportes führte im Jahre 1859 schließlich zur Gründung des ersten Poloclubs in Silchar, bald darauf folgte mit dem Hurlingham Polo Club die erste Association auf der englischen Heimatinsel.
Von nun an verbreitete sich der Pferdesport wie ein Lauffeuer. Auch die Nordamerikaner konnten sich für Polo begeistern und baten die Hurlingham Polo Club Association im Jahre 1876 um eine Vereinheitlichung der Vorschriften. Später führten sie die Handicap-Regelung ein, um eine Klassifizierung der reiterlichen Fähigkeiten zu gewährleisten. Zu Beginn des 20. Jahrhunderts wurde diese sowohl von den Indern als auch den Engländern anerkannt. Kurz darauf schwappte das Polo-Fieber nach Südamerika über, wo sich insbesondere um Buenos Aires herum ein Zentrum des Reitsports bildete.
Die Argentinier züchteten eine spezielle Polorasse, die die Erfordernisse des schnellen Spiels ideal erfüllten. Schnell, wendig und nervenstark.
Die Inder und Engländer legten den Grundstein für die Etablierung des Sportes, doch es war Argentinien, das ab 1877 zunehmend zum Epizentrum des Polos avancierte. Setzten die Briten im Spiel bislang auf englische Vollblutpferde, so züchteten die Argentinier eine spezielle Polorasse, die die Erfordernisse des schnellen Spiels ideal erfüllten. Schnell, wendig und nervenstark – das Polo-Pony resultierte aus einer Kreuzung des südamerikanischen Crollos mit dem englischen Vollblut und machte das südamerikanische Land fortan zur führenden Polonation.
Ende des 19. Jahrhunderts hatte der rasante Sport nahezu den ganzen Globus erfasst, auch in Deutschland etablierten sich zunehmend Vereinigungen, darunter der erste Club in der Hansestadt Hamburg. 1900 war Polo erstmalig eine Disziplin bei den Olympischen Spielen in Paris, die bis zum Jahre 1936 im Rahmen des traditionellen Sportwettkampfes ausgeführt wurde. Mit der Machtübernahme der Nationalsozialisten endete jedoch der Siegeszug des Polos in Deutschland, da sie den Sport abwertend als den der Juden, Liberalen und Plutokraten betrachteten.
Bis heute hat der Polosport in Deutschland diesen Einschnitt nicht verkraftet. Obwohl die schnelle Mannschaftssportart unter anderem durch Angebote von Reitschulen mittlerweile auch von weniger solventen Pferdefreunden betrieben werden kann, gibt es bundesweit gerade einmal 400 aktive Spieler, die dem kraftvollen Teamsport nachgehen.
Um Polo wieder stärker in den Fokus der Öffentlichkeit zu rücken und das „Spiel der Könige“ gebührend zu zelebrieren, wird seit 2010 die German Polo Tour veranstaltet, die auch in Frankfurt Nied im Rahmen des Bucherer Polo Cup 2016 Halt gemacht hat. Im vergangenen Jahr feierte der Polo Cup Hessen im Rahmen der German Polo Tour mit sechs Stationen in Düsseldorf, Hamburg, München und Berlin in Frankfurt eine erfolgreiche Premiere. „Unser Ziel ist es, diesen großartigen Sport nach vorne zu bringen und nachhaltig in der Region zu verankern“, erklärt der Veranstalter des Bucherer Polo Cup, Christopher Kirsch, der sich selbst dem rasanten Reitsport verschrieben hat.
Ein Vorhaben, das bislang gut gelingt: Über 2.000 Zuschauer verfolgten das Turnier im letzten Jahr und auch zwischen dem 20. und 22. Mai 2016 versammelten sich zahlreiche Pferdefreunde auf dem Georgshof in Nied, um der Jagd nach dem kleinen Ball beizuwohnen. Der Umzug von Oberursel zum Polo Club Hessen erwies sich dabei als voller Erfolg: „Wir haben unsere Partner Berenberg, Bucherer und Land Rover mit an den neuen Standort gebracht und auch die Spielbank Bad Homburg war als Sponsor wieder dabei“ berichtet Kirsch.
Auf dem Platz gingen in diesem Jahr die Teams „Bucherer“, „Land Rover“, „Polo Club Hessen“ und „Caterings Best“ mit dem Handicap 6 an den Start, während die Teams „Süddeutsche“ und „Polo +10“ mit dem Handicap 5 antraten. Nach zwei rasanten Spieltagen gingen die Teams „Bucherer“ und „Land Rover“ als Finalisten hervor, am Sonntag um 17:30 standen Heino Ferch, Moritz Gädeke, Ignacio Garrahan und Niklas Jan Steinle von der Mannschaft „Land Rover“ mit einem Endstand von 5,5:2 als ruhmreiche Sieger fest.
Das kleine Polo Einmaleins
Das Team
Ein Poloteam besteht aus vier Spielern, denen entsprechend ihrer Position eine Trikotnummer zugeteilt wird. Die Nummer 1 hat die Position des Angreifers, die Nummer 2 fungiert als Mittelfeldspieler, die Nummer 3 gilt als taktischer Dreh- und Angelpunkt während die 4 den Verteidiger auf der hintersten Position markiert. Die Aufgabenverteilung sieht vor, dass sich die Spieler 1 und 2 zur Spitze hin orientieren, während Nummer 3 und 4 die für die Verteidigung im hinteren Feld zuständig sind.
Das Spielfeld
Die Hurlingham Polo Association schreibt vor, dass ein Polofeld von Tor zu Tor 300 Yards lang und 200 Yards breit sein muss. Dies entspricht einer Fläche von 274 x 183 Metern, die somit sieben Mal größer ist als ein Fußballplatz. Die zwei Torpfosten sind drei Meter hoch, haben einen Abstand von 7,2 Metern und sind aus Sicherheitsgründen nicht fest verankert. Als Tor wird jeder Ball gezählt, der zwischen den imaginären Verlängerungslinien der Pfosten hindurchgeschlagen wird. Die Höhe des Balls ist dabei nicht von Bedeutung.
Das Handicap
Um die Leistungsfähigkeit der jeweiligen Spieler zu benennen, wurde – ähnlich wie im Golf – das Handicap eingeführt, das Aufschluss über das
individuelle Können eines Spielers gibt. Die Skala reicht von -2 (Anfänger) bis +10, wobei es weltweit nur knapp ein Dutzend Spieler gibt, die das maximale Handicap erreicht haben. Im Team ergibt sich das kollektive Handicap aus den einzelnen Handicaps der Spieler, wenn Mannschaften mit einem abweichenden Handicap aufeinander treffen, erhält das Team mit dem geringeren Handicap eine Torvorgabe.
Die Regeln
Die oberste Priorität ist es, das Pferd während des Spiels trotz des rasanten Tempos nicht zu verletzen. Darum ist vorgeschrieben, dass ein Pferd jeweils nur ein Chukka lang geritten werden darf und dann von einem weiteren Pferd abgelöst werden muss. Erlaubt sind im Rahmen der Torjagd folgende Aktionen: Der „Hook“ – Die Spieler dürfen den Schläger eines gegnerischen Spielers mit dem eigenen Stick unterhaken, um die Bewegung zu blockieren – und der „Push“–der Spieler darf einen gegnerischen Spieler mit seinem eigenen Körper oder dem des Pferdes abdrängen. Verboten ist es hingegen, mit Ellenbogeneinsatz zu arbeiten, einen Gegner von zwei Seiten einzuzingeln oder ihm das Wegerecht als zentrales Spielelement zu nehmen. Auch darf die sogenannte Linie des Balls, eine weitergedachte Linie des geschlagenen Balls, vom Gegner nicht gekreuzt werden.
Die Ausrüstung
Der wohl wichtigste Ausrüstungsgegenstand des Polospielers ist der
sogenannte Stick, der alternativ auch Mallet genannt wird. Er besteht in der Regel aus dem Palmengewächs Rattan, manchmal auch aus Weidenhölzern oder Fibercane und darf nur in der rechten Hand geführt werden. Die Länge des Sticks variiert zwischen 122 cm und 137 cm. Das Endstück des Sticks, mit dem der Ball geschlagen wird, nennt sich Zigarre. Der Ball besteht traditionell aus gepresstem Bambus, wird heutzutage jedoch zunehmend aus Kunststoff gefertigt und wiegt bei einen Durchmesser von zehn Zentimetern leichte 130 Gramm. Auch der Sicherheitsaspekt ist wichtig: So trägt der Reiter einen den Tropenhelmen ähnelnden Kopfschutz, während das Pferd mit Bandagen und einem geflochtenen Schweif vor Verletzungen geschützt wird.
Die Spielzeit
Maßgeblich für den Ablauf des Turniers sind die vier bis acht Spielabschnitte, die im Fachjargon als Chukka bezeichnet werden. Ein Abschnitt dauert 7 Minuten und 30 Sekunden, wenn es Unterbrechungen gibt, wird die Zeit angehalten und als Nachspielzeit angerechnet. In Deutschland ist ein Turnier mit vier Chukka üblich, das nach jedem Spielabschnitt für fünf Minuten unterbrochen wird, um die Pferde zu wechseln. Erzielt eine Mannschaft ein Tor, so wird die Spielrichtung gewechselt, was für einen Poloneuling zunächst verwirrend sein kann. Unterbrochen wird das Spiel auch, wenn ein Pferd stürzt.
A man on top – Heino Ferch
Nicht nur als Schauspieler spielt der 53-Jährige aus Bremerhaven, der durch Filme wie „Der Untergang“, „Vincent will Meer“ oder „Der Baader Meinhof Komplex“ zu internationaler Bekanntheit gelangte, weit oben mit. Auch hoch zu Ross liefert er als Polospieler Spitzenleistungen ab, die er zuletzt auf dem „Bucherer Polo Cup“ mit seinem Team „Land Rover“ als finaler Gewinner des Turniers präsentierte. Dabei gelangte er einst ganz unverhofft zum Polosport: „Vor 14 Jahren habe ich meine Leidenschaft zum Polo durch Zufall entdeckt – man kann sagen, dass ich zu der Sportart gefunden habe, wie die Jungfrau zum Kinde“, verriet uns Ferch lachend.
Seine Faszination für den schnellsten Teamsport liege in seiner Schnelligkeit, der engen Verbindung zum Pferd und dem erforderlichen Höchstmaß an Konzentration begründet, weshalb er jede freie Minute im Sattel verbringe. Ein konsequentes Training des komplexen Spiels sei wichtig, denn es erfordere vorausschauendes Denken und gute reiterliche Fähigkeiten, um die schnellen Richtungswechsel meistern zu können, weiß der erfahrene Spieler. Derzeit hat Ferch, der mit vier Pferden zum Bucherer Cup nach Frankfurt gereist ist, noch Drehpause und ausreichend Zeit, sich seinem leidenschaftlichen Hobby zu widmen.
Vor einiger Zeit reiste der Schauspieler, der zuletzt im Fernsehfilm „Ku’damm 56“ zu sehen war, sogar selbst nach Argentinien, um die Heimat des Sports zu erkunden: „Es ist eine besondere Welt mit einer ganz speziellen Aura, gerade rund um Buenos Aires herum“, erzählt Ferch, der seit einigen Jahren mit seiner Frau, der Vielseitigkeitsreiterin und Polospielerin Marie-Jeanette, auf einem Bauernhof in Bayern lebt.
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