Schlichte Eleganz – von Hand gefertigt. Wer einen guten Wein genießt, wählt ein edles Weinglas, erst recht, wenn er es beruflich tut. Denn bei hochwertigen Tropfen kommt es oft auf feinste Nuancen an. Da kann das richtige Glas den Genuss entscheidend erhöhen. Auf der Suche nach dem perfekten Glas reisten wir nach Kufstein, wo uns Maximilan J. Riedel die Kunst seiner Glasmacher zeigte, trafen den berühmten Glasdesigner Kurt Josef Zalto und sprachen mit der Sommelière des Jahres Alexandra Himmel.
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Nicht nur Profi-Köche haben ihre eigenen Messer in der Tasche, wenn sie auf Tour sind. Auch Sommeliers schwören auf ihre eigenen Gläser. Denn hochwertige Weine benötigen ein entsprechendes Gefäß. „Servieren sie einen Wein in sechs verschiedenen Gläsern, werden sie merken, wie unterschiedlich er sich präsentiert“, stellt Alexandra Himmel, Sommelière des 2-Sterne-Restaurants Lafleur im Frankfurter Palmengarten, fest. Es komme bei einem hochwertigen Weinglas auf viele Dinge an: „Wie lang ist der Stil, wie dick ist das Glas, wie groß die Tulpe, biegt sich die Lippe nach innen oder außen.
„Servieren Sie einen Wein in sechs verschiedenen Gläsern, werden Sie merken, wie unterschiedlich er sich präsentiert.“ – Alexandra Himmel, Lafleur
Je größer die Oberfläche für den Wein ist, je mehr verdunsten kann, desto mehr nehmen Sie zum Beispiel die Aromen wahr“, erläutert die aktuelle Sommelière des Jahres und Fünfte bei der diesjährigen Rolling Pin-Convention Germany. Sie vergleicht den Wein in einem einfachen Glas mit einem Kind, dem man ein Spielzeug gibt. „Gibt man ihm aber 50 Spielzeuge, kann es sich mehr austoben und besser entfalten.“

Bereits in den ersten Jahren ihrer Laufbahn hat die Winzertochter aus Hochheim die Bedeutung des Weinglases beim Verkosten in der gehobenen Gastronomie kennengelernt. „Als ich im Tantris in München Commis Sommelière war, hatten wir schon unterschiedliche Gläser für die Rebsorten, damit jeder Wein seine eigene Bühne bekam“, erinnert sie sich.
Anschließend besuchte sie die Deutsche Wein- und Sommelier Schule in Koblenz und sorgt seit August 2019 im Lafleur für die richtige Weinauswahl. „Ich serviere dort auch schon mal einen Chardonnay im Rotweinglas, weil er mehr Luft braucht“, sagt sie. Oder sie lasse einen Wein bewusst schlanker wirken, weil er sonst das Gericht des Sternekochs übertönen könnte.
Ein hochwertiges Weinglas macht große Weine groß, kleine Weine klein
„Die richtigen Gläser sind sehr wichtig für meine Arbeit“, sagt auch Giuseppe Lauria, Wein-Journalist und Chefredakteur des „Weinwisser“, einem der renommierten Weinfachmagazine. „Es geht darum, dass es mir den Wein in seiner Art und Beschaffenheit näher bringt, weil ich seine Bestandteile besser wahrnehme.“ Wenn er sich nicht sicher sei bei der Beurteilung eines Weines, probiere er diesen auch schon mal in einem anderen Glas. Die wichtigsten Kriterien für sein „Arbeitsmittel“ seien, dass dieses gut in der Hand liegt, dünnglasig und leicht sei.

Ein hochwertiges Weinglas wirke wie ein Brennglas, stellt er zudem fest. Es mache große Weine groß, kleine Weine klein. „Es kann also dazu führen, dass ein nicht so guter Wein auch als nicht so gut wahrgenommen wird, was in einem konventionellen Glas vielleicht gar nicht so aufgefallen wäre.“ Fragt man beide Experten nach den besten Gläsern, nennen beide wenige Namen von Glasmachern. Denn es gibt nicht mehr viele Hersteller, die sich darauf verstehen, solche hochwertigen Gläser per Hand herzustellen. Die meisten von ihnen blicken auf eine lange Tradition zurück.
Die ältesten Glashütten siedelten sich im Mittelalter in den Waldgebieten der Mittelgebirge an, wo sie genügend Holz für die Schmelzöfen fanden. Rohstoffe wie Quarzsand und Pottasche werden bis heute bei rund 1.500 Grad Celsius zu Glas geschmolzen. Auch die Techniken und Werkzeuge haben sich in den vergangenen 1.000 Jahren nur geringfügig verändert. Noch heute bläst der Glasmacher mit seiner Glasmacherpfeife einen Hohlraum in die zähflüssige Kugel. Durch Wälzen und behutsames Einblasen in eine mit Wasser getränkte Holzform erhält der Kelch schließlich seine Form.
Weinfreundlich und funktional
Georg Riedel und sein Sohn Maximilian führen das Unternehmen Riedel Glas in Kufstein in der 10. und 11. Generation. Die erste Glashütte der Familie gründete Johann Leopold Riedel bereits 1756 in Böhmen. Heute ist das Unternehmen, zu dem mittlerweile auch Spiegelau und Nachtmann gehören, vor allem bekannt für seine Wein- und Champagner-Gläser.

Inmitten der Tiroler Bergwelt werden ein Teil der Gläser sowie ausgefallene Dekanter von Hand hergestellt. Claus Riedel, Vorfahr der heutigen Geschäftsführer, entwarf schon Ende der 1950er-Jahre dünnwandige und langstielige Weingläser. Dass heute alle Weingläser – auch die der Mitbewerber – eine Eiform haben, geht ebenfalls auf ihn zurück. „Er hat die ersten weinfreundlichen Gläser entwickelt. Eines davon steht sogar im Museum of Modern Art in New York“, berichtet sein Enkel Maximilian J. Riedel.
„Wir sprechen bei unseren Gläsern von Lautsprechern. Die Gläser sind so gebaut, dass sie die Charakteristiken der jeweiligen Rebsorte perfekt zum Vorschein bringen.“ – Maximilian J. Riedel, Riedel
Claus Riedel gilt zudem als Erfinder des funktionalen Weinglases. Mit der ersten Gourmetglas-Serie der Welt hat er rebsortenspezifische Gläser entwickelt, deren Glaskelche sich in Form, Größe und Durchmesser unterscheiden. Die Einführung der ersten aus Kristallglas handgefertigten Serie in den 1970er-Jahren, die den passenden Namen „Sommeliers“ trägt, fand weltweit Beachtung. „Wir sprechen bei unseren Gläsern von Lautsprechern. Die Gläser sind so gebaut, dass sie die Charakteristiken der jeweiligen Rebsorte perfekt zum Vorschein bringen. Die Unterschiede sind dabei enorm“, betont Maximilian J. Riedel. Riedel sei heute Weltmarktführer bei den auf die jeweilige Rebsorte abgestimmten Gläsern. Das Unternehmen liefert seine Produkte in 125 Länder der Welt.
Das Weinglas mit Knick
Ein weiterer Name, der in Sommelierkreisen geschätzt wird, ist der Österreicher Kurt Josef Zalto, Glasmacher in der 6. Generation. In seiner Heimat, dem Waldviertel im niederösterreichischen Gmünd, tüftelte er einige Jahre an einem Weinglas, das hauchdünn und doch robust genug für die Gastronomie ist. Ein spezieller Winkel sorgt dafür, dass der Wein sich besonders gut entfalten kann.

Noch heute werden die bleifreien Kristallgläser dort von Hand produziert. Ein perfekt abgestimmtes Team von acht Personen teile sich die verschiedenen Arbeitsschritte auf, betont das Unternehmen. „Mit Ausnahme des Kelches, welcher in eine Form geblasen wird, entstehen die Gläser durch das geschulte Augenmaß der Glasbläser frei Hand.“ Das erfordere jahrelanges Training und viel Übung, wie er uns beim Gespräch in einer Frankfurter Weinbar verriet.
„Meine Glaskollektion Josephine ist geschmacklich eine neue Dimension.“ – Kurt Josef Zalto, Josephinenhütte
Kurt Josef Zalto ist derweil weitergezogen und hat mittlerweile ein neues sehr feines Weinglas mit einem Knick geschaffen. Dieser sorgt dafür, dass ein Teil des Weines, der durch Bewegung am Rand des Glases aufsteigt, gebrochen wird und anschließend in einer Spiralbewegung ins Glas zurückfließt. Dadurch kann der Wein viel Sauerstoff aufnehmen und sich perfekt entfalten. Es sei geschmacklich eine neue Dimension, schwärmt Zalto, der seit Jahren daran arbeitet, das perfekte Glas zu finden, „ein Glas, das so logisch ist, als hätte die Natur es erschaffen“.

Ihn habe die Forschung des japanischen Parawissenschaftlers Masaru Emoto beeinflusst, der an Wasser forschte, erläutert er dazu. „Er hat Wasser mit unterschiedlicher Musik beschallt und dann festgestellt, dass die Schwingungen von Mozart und Hard Rock ganz unterschiedliche Auswirkungen auf die Kristallstrukturen hatte. Ich bin nicht esoterisch, aber das hat mich angetrieben. Wasser ist alles, es ist der Ursprung.“

Seine neue Glaskollektion trägt den Namen Josephine. Dieser ist abgeleitet von der Josephinenhütte, einst eine der bedeutendsten Glasmanufakturen Europas. Gegründet und nach seiner Frau benannt hat Graf Leopold Christian von Schaffgotsch die schlesische Glashütte im Jahr 1842. Der geniale Glasdesigner Franz Pohl leitete damals das Atelier. Er lotete die Grenzen dessen aus, was im Glashandwerk Mitte des 19. Jahrhunderts als möglich galt.
Noch heute stehen Gläser von ihm in Berliner Museen. Im 20. Jahrhundert musste die Glashütte allerdings schließen. Marcus Meyer und zwei seiner Freunde haben, fasziniert von der Kraft dieser Handwerkskunst, die alte Marke aus Schlesien 2019 wiederbelebt und liefern heute bereits international bis nach Los Angeles und Mexiko City. Ihr neuer kreativer Kopf ist Kurt Josef Zalto.
Weingläser wie Dekanter
Ebenfalls mundgeblasene Weingläser, unter anderem mit skandinavischem Design von Bernadotte & Kylberg, bietet das Traditionsunternehmen Zwiesel aus dem Bayerischen Wald, das 1872 gegründet wurde. Auch Zwiesel-Gläser weisen einen markanten Knick in der Kontur auf, die dem Wein Atem verleiht. Der Schweizer Weinkritiker René Gabriel setzt dagegen auf ein Universalglas. Nachdem er dreißig Jahre lang Wein verkostete und mit den Gläsern nie zufrieden war, entwickelte er mit Glasdesignern ein eigenes, das Gabriel-Glas.
Das deutsche Familienunternehmen Zieher aus Himmelkron im Landkreis Kulmbach hat eine spezielle Glasserie für Wein entworfen. Bekannt ist die Marke bei gehobenen Hotels und Spitzenrestaurants eigentlich für Geschirr und Büffetsysteme. „Mit Gläsern haben wir uns nie beschäftigt. Dann aber hat uns der Sommelier Silvio Nitzsche überredet und schließlich überzeugt, innovative Gläser zu entwickeln“, sagt Manfred Zieher. Durch ihre spezielle Form wirkten sie wie Dekanter. Die Aromen könnten sich beim Schwenken besser entfalten, betont er.

Mit der Glasserie „Vision“ bietet das Unternehmen mundgeblasene Weingläser in fünf unterschiedlichen Formen. Der Name jedes Glases sagt dem Weintrinker, welche Eigenschaften des Weißen oder Roten durch die Form hervorgehoben wird, je nachdem ob er das Glas „Rich“, „Intense“, „Straight“ oder „Fresh“ wählt. „Die Herstellung ist höchst schwierig. Es gibt nur wenige Glasbläser auf der Welt, die das überhaupt so fertigen können.“
Nur wenige geeignete Glasbläser
Diese besonderen Glasbläser zu finden oder auszubilden, ist die große Schwierigkeit, vor der die Branche derzeit steht. Zumal die Nachfrage nach Manufakturware seit der Corona-Pandemie sprunghaft angestiegen sei. „Unser Problem ist der Nachwuchs. Wir werden schon bald keine qualifizierten Glasbläser mehr haben“, fürchtet Max Riedel. Die Profession, die es beinhaltet, am glühenden Ofen zu stehen und gleichzeitig ein Fingerspitzengefühl für Form und Feinmechanik zu haben, sei derzeit nicht gefragt. Das traditionelle Handwerk, das solche Kunst erschafft, wird immer seltener. 2015 wurde in Deutschland die manuelle Glasfertigung sogar in das Verzeichnis des immateriellen Kulturerbes aufgenommen, weil sie vom Aussterben bedroht ist. Seit 2022 ist die traditionelle Herstellung von Glas sogar weltweites immaterielles Kulturerbe.
„Dank unserer eigenen technischen Entwicklungen können wir inzwischen Gläser in gleicher Qualität, vielleicht sogar besser, maschinell herstellen.“ – Maximilian J. Riedel, Riedel
Die Firma Riedel setzt aufgrund des Fachkräftemangels verstärkt auf maschinelle Produktion. „Dank unserer eigenen technischen Entwicklungen können wir inzwischen Gläser in gleicher Qualität, vielleicht sogar besser, maschinell herstellen“, stellt Maximilian Riedel fest. Das Bordeaux Gran Cru Weinglas der neuen Serie Riedel Supperleggero, eine Weiterentwicklung der Sommelier-Serie seines Großvaters Claus Riedel, sei das größte, leichteste und dünnste Maschinenglas auf dem heutigen Markt, heißt es aus Kufstein voller Stolz.
Fotogalerie Herstellung perfektes Weinglas
Zu welcher der Marken ein Sommelier am Ende greift, ist vermutlich zum Teil Geschmackssache. Sommelière Alexandra Himmel und Weinkenner Giuseppe Lauria sind große Fans der Zalto-Universalgläser. Lauria nennt auch den Grund: „Man eicht seinen Geschmack auf ein Glas, danach will man keine großen Experimente mit anderen Gläsern mehr machen.“
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