Ein Leben ohne Live-Acts war für Oliver und Ossy Hoppe bisher weiter weg als Merkur, Mars und die Milchstraße zusammen. In den 1970er-Jahren stieg Ossy Hoppe ins Konzert-Business ein, galt als Wegbereiter des Hardrock in Deutschland. Er betreute und betreut zahlreiche internationale Superstars, ob als Tour-Manager, Künstler-Berater oder Konzertveranstalter. 2017 übertrug er seine Konzertagentur Wizard Promotions seinem Sohn Oliver, der quasi im Konzertbusiness aufgewachsen ist. Wizard betreut und betreute unter anderem Nena, Kiss, die Scorpions oder auch Lady Gaga, Adele, U2, Eric Clapton, Ozzy Osbourne und Metallica.
Als Sohn einer berühmten Zirkusfamilie bekam Ossy Hoppe sein Faible für die Unterhaltungsbranche schon in die Wiege gelegt: Mit gerade mal fünf Jahren war der kleine Oskar der jüngste Elefantendompteur der Welt. Heute wirkt der Mann mit der weißen Mähne, den silbernen Halsketten und den rockigen Outfits wie der fleischgewordene Rock’n’Roll. Ein 70-Jähriger mit verschmitztem Lausbubenlächeln, das ihn glatt 20 Jahre jünger erscheinen lässt.

Ossy hat mit den Großen der Rockmusik gearbeitet, mit Bryan Adams, Aerosmith, Deep Purple, Bruce Springsteen, Iron Maiden und den Bee Gees, um nur einige zu nennen. Vor drei Jahren hat er sich aus dem operativen Geschäft zurückgezogen, betreut aber seine langjährigen Künstler wie Iron Maiden, Kiss, Aerosmith oder auch Zucchero weiterhin persönlich: Man kennt und schätzt sich schließlich seit Jahrzehnten.
Ossy Hoppe übergibt an Oliver Hoppe
Die Stabübergabe an seinen Sohn hat er nie bereut: „Als Berater bin ich bei Wizard nach wie vor tätig, aber mein Chef, also mein Sohn Oliver, führt die Geschäfte. Er hat gute Ideen, ist reflektierter und moderner als ich. Ihm war schon viel früher, im April, klar, dass wir lange keine Konzerte mehr veranstalten werden.“

Top Magazin: Ossy, Oliver, hättet ihr euch jemals vorstellen können, dass Großveranstaltungen per se verboten werden?
Ossy Hoppe: Abgesagte Konzerte gab es ja immer wieder mal, wenn auch nicht oft: Wegen Lärmbeschränkungen, Beschwerden von Anwohnern oder Sicherheitsbedenken. Aber was wir gerade im Moment erleben, hätte ich mir nie träumen lassen. Das gab es für mich bisher nur in Katastrophenfilmen, aber nicht in meinem Kopf.
TM: Was macht ein Konzertveranstalter, wenn es keine Konzerte gibt?
Oliver Hoppe: Verschieben, neu planen, organisieren, wieder verschieben. Im Sommer gab’s mal einen kurzen Hype mit Künstler-Auftritten in Autokinos und Corona-konformen Konzerten. Das war gut und richtig, aber der Verdienst steht in keinem Verhältnis zu den Kosten: Man hat denselben Aufwand für 100 Besucher wie für 2000. Viele Veranstalter haben es trotzdem gemacht, einfach, um etwas zu machen. Jeder, der diesen Job macht, tut das aus Leidenschaft zum Event und zur Musik. Keiner von uns hatte in den letzten Monaten eine Veranstaltung, die wirklich Spaß gemacht hat.
Ossy Hoppe: Wichtig ist, dass man als Veranstalter versucht, neue Wege zu gehen und Dinge ausprobiert. Für einen Künstler ist es natürlich extrem schwer, sich vor 500 hupenden Autos zu motivieren. Das ist einfach zu anonym, es kommt kein Feeling rüber. Für die internationalen Acts aus USA lohnt sich der Aufwand mit ihrem ganzen Tross vor stark reduziertem Publikum sicher nicht.

TM: Was haltet ihr von Konzerten mit Abstandsregeln?
Oliver Hoppe: Ein Musical, einen Singer-Songwriter oder einen eher älteren Künstler wie Elton John kann man sich im Zweifelsfall auf einem Stuhl mit Mund-Nasen-Schutz zwei Stunden lang anschauen und hat trotzdem Spaß. Bei großen Rockkonzerten funktioniert das nicht. Die kreative Kraft, die so ein Live-Auftritt entfacht, kann ohne die gemeinsame Energie der Fans nicht entstehen. Unabhängig davon sind Konzerte mit reduziertem Publikum auch wirtschaftlich nicht rentabel. Das größte Problem für uns ist seit Frühjahr die Unplanbarkeit. Im Endeffekt können wir im Moment nur auf Sicht fahren. Manche Konzerte sind schon dreimal verschoben und verlegt worden.
TM: Was fehlt den Menschen ohne Live-Konzerte?
Oliver Hoppe: Die Leute vermissen das Zusammenkommen, die Gemeinschaft, die gemeinsame Energie. Das Loslassen und Vergessen der Alltagssorgen. Es gibt nichts besseres, um gerade in schweren Zeiten den Kopf mal freizukriegen, als mit Freunden ein geiles Konzert zu erleben. In unserem Büro rufen Leute an, die total fertig sind, weil Konzerte ausfallen. Fans von Kiss zum Beispiel, die sich wahnsinnig auf die Abschiedstournee gefreut haben und jetzt jede Info verschlingen, ob und wann die Tour denn nun stattfindet. Wir wissen es leider auch nicht, aber die Tickets bleiben auf alle Fälle gültig.

TM: Wie gehen die Künstler mit der Situation um? Haltet ihr in der Krise zu den Bands Kontakt?
Ossy Hoppe: Wir legen sehr viel Wert auf die persönlichen Beziehungen zu unseren Künstlern. Gerade letzte Woche habe ich mit Bon Jovi telefoniert. Er war mehr damit beschäftigt, die Daumen gedrückt zu halten, dass Joe Biden tatsächlich die US-Präsidentschaft übernimmt, als mit dem Konzertverbot zu hadern. Generell sind die Künstler realistisch, auch die Manager und Agenten. Wir reden jeden Tag mit unseren Bands. Alle wollen natürlich wissen, wie es wann endlich weitergeht. Wir haben aber leider alle keine Kristallkugel…
Oliver Hoppe: Die Bands warten ebenso wie wir darauf, dass es mit der Zulassung des Impfstoffs wieder grünes Licht gibt. Insgesamt sind Konzertverbote in diesen Zeiten das einzig Richtige, auch wenn es mir schwerfällt, das zu sagen.

TM: Wie lange könnt ihr wirtschaftlich noch durchhalten?
Oliver Hoppe: Wizard Promotions hat gut gewirtschaftet, auch wenn wir uns vom Staat im Stich gelassen fühlen. Leider findet die Lage der Veranstaltungsbranche in der Politik kein offenes Ohr. Keines der Hilfsprogramme war bisher auf unsere Branche ausgelegt. Einige unserer Mitbewerber gibt es leider schon nicht mehr.
Ossy Hoppe: Mir tun die ganzen Roadies und Techniker leid, ohne die es keine Konzerte geben kann, und die seit März kein Einkommen mehr haben. Sie leben von Tour zu Tour, machen einen knochenharten Job und landen jetzt unter der Armutsgrenze.
„Die Konzerte nach Corona werden unglaubliche, nie dagewesene Erlebnisse sein.“ Oliver Hoppe
Oliver Hoppe: Dienstleistungen sind ja der Grundpfeiler unserer Branche: Nicht wir Veranstalter stellen ein Konzert auf die Beine, sondern Fachkräfte und Experten wie Elektriker, Schreiner, Toningenieure und, und, und. Wir machen uns große Sorgen, dass die nicht mehr zur Verfügung stehen, wenn es wieder losgeht. Denn die suchen sich jetzt verständlicherweise andere Jobs.

TM: Was ist eure erste Amtshandlung, wenn Konzerte wieder erlaubt werden?
Ossy Hoppe: Wir werden alles geben, damit die Leute so schnell wie möglich wieder auf Konzerte gehen können, damit sie diese ganze schwierige Zeit vergessen können. Ich bin fest davon überzeugt, die Leute werden ihre Künstler feiern wie die Heilsbringer. Und die Bands werden alles geben. Das wird unbeschreiblich.

TM: Auf welchen Live-Act freut ihr euch ganz besonders?
Ossy Hoppe: Auf alle, besonders auf Kiss: Es wird das letzte Mal sein, dass man die spektakuläre Show der US-Hardrocker live erleben kann, sie hören nach fast 50 Jahren im Rockbusiness auf. Übrigens wird Kiss, wenn Corona keinen Strich durch die Rechnung macht, an Silvester in Dubai das größte Eventfeuerwerk aller Zeiten zünden. So etwas hat die Welt noch nicht gesehen. Es wird einen Eintrag ins Guinness-Buch der Rekorde geben.
Oliver Hoppe: Wenn nach diesem ganzen Entzug endlich wieder große Konzerte stattfinden können, werden alle Dämme brechen. Mal ehrlich: Wenn du sechs Monate oder länger auf deiner Bude gehockt hast, bist du total ausgehungert, willst einfach nur feiern. Wenn der Impfstoff von den Menschen akzeptiert wird, glaube ich fest daran, dass wir im Mai 2021 wieder loslegen können. Die Konzerte nach Corona werden unglaubliche, nie dagewesene Erlebnisse sein. Da können sich alle jetzt schon drauf freuen.
Das Interview führte Kitti Pohl
Dieses Interview erschien zuerst in unserer Print-Ausgabe. Sie wollen schneller informiert sein? Hier können Sie ein Abonnement abschließen.