Ein Erbe ist noch immer der sicherste Weg, um reich zu werden. Auf Erbschaften und Schenkungen sind in Deutschland inzwischen mehr als die Hälfte der gesamten Vermögenswerte zurückzuführen. Es wird mehr vermacht als bisher angenommen. Dies hat das DIW, das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung in einer aktuellen Studie festgestellt. Die Wissenschaftler gehen von bis zu 40 Milliarden Euro pro Jahr aus. Von Thomas Zorn
Der Trend wird anhalten. Fast logisch, dass sich die Zahl der Fachanwälte für Erbrecht ständig erhöht. Laut Bundesrechtsanwaltskammer stieg die Zahl innerhalb von zehn Jahren von 173 auf 1807. Allerdings hat bislang nur jeder dritte Deutsche eine nennenswerte Summe geerbt. Das Leben ist nicht immer gerecht.
Richtig vererben ist eine Kunst, die vielen widerstrebt. Nicola Gräfin von Montgelas von der renommierten Frankfurter Kanzlei Pilati + Partner macht denjenigen Mut, die noch zögern, ein Testament zu verfassen. „Es ist ähnlich wie bei einer medizinischen Vorsorge. In der Regel fühlt man sich nachher sehr gut.“
Um seine Liebsten nach dem eigenen Tode beglücken zu können, sollte ein Erblasser planvoll vorgehen. Macht man kein Testament – wie immer noch die meisten Deutschen – tritt die gesetzliche Erbfolge in Kraft. Langjährige Partner ohne Trauschein bleiben dann zum Beispiel unberücksichtigt. Von der Bequemlichkeit oder dem Unbehagen, seinen letzten Willen aufzusetzen, profitieren vor allem nahe Angehörige, die man manchmal gern nicht bedacht hätte.
Das Berliner Testament
Im Erbrecht steckt viel Zündstoff. Wer Streit zumindest vertagen möchte, kann sich für das Berliner Testament entscheiden. Darin setzen sich die Eheleute gegenseitig als Alleinerben ein. Das akzeptiert in der Regel auch die weitere Familie.
Querelen beginnen häufig erst dann, wenn beide Eltern verstorben sind. Sind zwei Kinder vorhanden, erben sie im Normalfall je die Hälfte. Wurde aber Tochter A zur Alleinerbin bestimmt, erhält Sohn B nur seinen Pflichtteil, nämlich 25 Prozent des Erbes. Verteilt der Erblasser seine Gunst verschieden, kann es eine Familie schon mal zerreißen. Aber Sympathien sind nun mal nicht immer gleich verteilt und sprengen auch Familienbande.
Ehepartner und Kinder haben gleichwohl einen gesetzlichen Anspruch auf einen Pflichtteil. Frei vererbbar sind nur 50 Prozent des Vermögens. Wenn beispielsweise ein Witwer seine zwei Kinder übergangen und stattdessen seine Freundin, die ihn in den letzten Jahren pflegte, als Erbin eingesetzt hat, wird den Sprösslingen lediglich je ein Viertel des Nachlasses zugewiesen. Sollte ein Kind schon gestorben sein, geht der Pflichtteil an die nächste Generation – die Enkelkinder – über.
Eine Sonderstellung nehmen die Eheleute ein. Ihr Erbteil entfällt nur bei einer Scheidung. Die Höhe variiert. Liegt kein Testament vor, erbt der Ehepartner in der üblichen Zugewinngemeinschaft die Hälfte des Nachlasses – wenn es Kinder gibt.
Ist die Verbindung kinderlos, erhält der übrig gebliebene Ehepartner 75 Prozent. 25 Prozent gehen an die Erben zweiter Ordnung. Gibt es solche nicht, wird der Ehepartner Alleinerbe. Bei einer Ehe mit zwei Kindern, in der Gütertrennung vereinbart wurde, erhält der Witwer oder die Witwe nur ein Drittel – genau soviel wie jeweils die beiden Kinder.
Gesetzt den Fall, ein unverheirateter oder geschiedener Single hat keine direkten Nachfahren, kommen nach der gesetzlichen Erbfolge die Erben der zweiten (Eltern, Geschwister, Neffe/Nichte), dritten (Großeltern, Onkel/Tante, Cousin/e) und vierten Ordnung (Großonkel, Großtante) zum Zuge. Die Verteilung nach gesetzlich vorgegebenen Quoten ist nur bei Geld einfach. Das übrige Vermögen zu be- und verwerten, gestaltet sich dagegen oft schwierig.
Immobilien werden gern versilbert, wenn sich die Erben nicht einigen können. Jeder eingesetzte Erbe kann einen Antrag auf Versteigerung stellen, zu dem Pflichtteilsberechtigte nicht befugt sind. Ihr Vermögensanspruch muss trotzdem bedient werden. Um eine vorschnelle Versteigerung von Familienbesitz zu vermeiden, kann man beim Nachlassgericht eine Stundung beantragen.
Mit einem Vermächtnis kann der Erblasser gezielt einzelne Gegenstände – eine Briefmarkensammlung, einen Teppich, ein Gemälde oder ein Möbelstück – an bestimmte Personen weiterreichen. Gegenüber den Erben entsteht vor allem dann ein Ausgleichsanspruch, wenn es sich um sehr wertvolle Bestandteile des Gesamterbes handelt. Es gibt also beim Testament viel zu bedenken.
Grundregeln der Erbschaft
Nun kurz zu den Grundregeln: Ein privates Testament ist gültig. Es muss nur mit eigener Hand niedergeschrieben, datiert und mit der Unterschrift versehen sein. Natürlich muss der Erblasser auch die Tragweite der Entscheidung noch vollständig erfassen können. Immer mehr Testamente werden angefochten, weil potentielle Erben unterstellen, dass der Verfasser aufgrund einer Demenz nicht mehr urteilsfähig war. Im Zweifelsfall kann ein Neurologe die Testierfähigkeit gutachtlich bestätigen.
Diejenigen, die ihren letzten Willen selbst aufsetzen, zahlen keine Gebühren. Doch sollte man genau abwägen, ob die Ersparnis im Verhältnis zu den Nachteilen steht. Anwaltlicher und notarieller Sachverstand können sehr hilfreich sein. Die juristischen Fachleute eröffnen einem schließlich, welche Gestaltungsmöglichkeiten es gibt.
Nach der Beurkundung reicht der Notar das Testament an das Testamentsregister zur amtlichen Verwahrung weiter, sodass es in jedem Fall wirksam wird. Dagegen werden private Testamente im Wust des Nachlasses häufig nicht mehr aufgefunden. Im Notfall kann der letzte Wille auch mündlich mitgeteilt werden, wenn jemand in akuter Lebensgefahr schwebt und drei neutrale Zeugen anwesend sind. Sie müssen dann das Testament unverzüglich beglaubigen lassen.
Dass jeder Erbe einen Erbschein braucht, gehört zu den weitverbreiteten Irrtümern. Das von einem Gericht ausgestellte Dokument wird nur dann notwendig, wenn die Erben ihren Anspruch nicht anders nachweisen können. Oft genügt es, wenn der Erbe seine Stellung durch Vorlage eines notariellen Testaments nebst Eröffnungsprotokoll nachweist. Bei einer handschriftlichen Verfügung führt am häufig recht kostspieligen Erbschein allerdings oft kein Weg vorbei.
Vorher sollte jeder genau prüfen, ob er oder sie Schulden übernimmt.
Vorsicht: Die Beantragung eines Erbscheins bedeutet auch, dass das Erbe angenommen wird. Vorher sollte jeder genau prüfen, ob er oder sie damit keine Schulden übernimmt. Niemand kann gegen seinen Willen zum Erben werden. Doch einfach abtauchen, um sich einer Erbschaft zu entziehen, reicht nicht. Hinterbliebene, die schweigen, nehmen die Erbschaft an. Die Erklärungsfrist beträgt sechs Wochen, nachdem man von der Erbschaft erfahren hat. Wer bis dahin das Erbe nicht ausgeschlagen, hat nur noch die Chance, die Annahme anzufechten.
Im Zweifel kann der Erbe die Haftung auf den Nachlass beschränken. Er muss dann nicht mit seinem eigenen Vermögen für die Schulden des Erblassers gerade stehen. Gottlob wird man in den überwiegenden Fällen durch Erben nicht ärmer. Ganz wichtig ist, die steuerliche Seite zu beachten.
Ehegatten und eingetragene Lebenspartner besitzen einen Freibetrag von 500.000 Euro, Kinder oder Enkelkinder, deren Eltern verstorben sind, von 400.000 Euro. Enkelkinder, deren Eltern noch leben, müssen sich mit 200.000 Euro begnügen. Bei Eltern oder Großeltern liegt der Bonusbetrag nur bei 100.000 Euro. Geschwister, Neffen und Nichten, Stiefeltern oder Schwiegerkinder werden behandelt wie Nichtverwandte. Ihnen bleiben nur 20.000 Euro steuerfrei.
Um bei höheren Vermögen Erbschaftssteuer zu sparen, kann man Teile davon bereits zu Lebzeiten verschenken. Der Freibetrag erneuert sich alle zehn Jahre. Laut statistischem Bundesamt werden rund 40 Prozent der Vermögenswerte durch Schenkungen übertragen. Wer vorausschauend plant und lang genug lebt, kann die Freibeträge für die Begünstigten auf diese Weise mehrfach in voller Höhe ausschöpfen. Wer so „mit warmer Hand“ verschenkt, kann auch dafür sorgen, dass der spätere Nachlass schrumpft. So lässt sich auch der Pflichtteil des Erbes schmälern. So mancher Angehörige hat sich schon mächtig gewundert, wie wenig am Ende für ihn noch übrig blieb.
- Backhaus, Beate (Author)
Die neue EU-Erbrechtsverordnung
Im August 2015 ist die neue EU-Erbrechtsverordnung in Kraft getreten. Davor richtete sich das angewandte Recht nach der Staatsangehörigkeit des Erblassers. Nun gilt, wenn es nicht ausdrücklich anders vermerkt ist, das Erbrecht des Staates, in dem der Erblasser zum Todeszeitpunkt seinen gewöhnlichen Aufenthalt hatte. Die Bestimmungen in den jeweiligen Ländern sind oft völlig anders als hierzulande. Wer sein Testament schon gemacht hat, sollte sich unbedingt über die Rechtslage an seinem ausländischen Wohnort erkundigen.
Das Leben steckt voller Überraschungen, auch angesichts des Todes. Das musste zuletzt ein Frankfurter erfahren, der vermeintlich seine Tante beerbt hatte. Der Erbschein war ihm schon ausgehändigt worden. Das Geld der Verstorbenen, eine stattliche Summe, wurde auf sein Konto überwiesen. Er tätigte daraufhin teure Anschaffungen und gönnte sich einen Luxusurlaub in Florida. Nach einigen Wochen tauchte ein aktualisiertes Testament auf. Die alte Dame hatte ihren letzten Willen geändert. Sie vermachte ihr Vermögen nun der Kirche. Der Neffe ging leer aus. Den Nachlass musste er herausgeben.
Erbrecht: Tipps & Tricks
Form
Jedes Einzeltestament muss handschriftlich verfasst werden – Ort, Datum und Unterschrift dürfen nicht fehlen.
Sprache
Wenn das Testament selbst erstellt wird, sollten juristische Fachbegriffe, vor allem aufs Erbrecht bezogen, vermieden werden. Möglichst gut verständlich und kurz.
Kommunikation
Es empfiehlt sich, mit denjenigen, die bedacht werden sollen, ein Gespräch zu führen.
Pflichtteile
Es ist nicht immer möglich, jemanden vollständig zu enterben.
Vollstrecker
Es macht Sinn, einen Testaments-Vollstrecker als Mittler und Mediator einzusetzen – vor allem, wenn Unklarheiten oder Uneinigkeiten unter den Erben entstehen können. Der Vollstrecker sollte neutral sein, über Fachkenntnisse verfügen und kein Miterbe sein.
Hilfe
Vor allem komplizierte Testamente sind unbedingt mit professionellen Beratern zu erstellen.
Aufbewahrung
Ein Testament gehört gut aufbewahrt – idealerweise beim Nachlassgericht, Rechtsanwalt oder Notar. Außerdem sollte es alle fünf bis zehn Jahre auf den Prüfstand, denn in einem Leben kann sich einiges ändern.
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