Zoom, Skype oder Teams. Online-Meetings sind seit letztem Jahr nicht mehr Trend, sondern Pflicht. Abstimmungen mit Kollegen, Mitarbeitergespräche oder Besprechungen mit der Bank – inzwischen sind wir gewohnt, remote zu kommunizieren. Dabei gibt es allerdings mehr zu beachten als eine stabile Internetverbindung und gute Webcam. Wir befragten zwei Experten, ob es sich gehört, im Online-Call Jogginghose zu tragen, wie sich Distanz in Online-Meetings überwinden lässt und inwieweit sich unsere Kommunikation durch Skype und Co. verändert hat.
„I’m not a Cat!“, versichert Rechtanwalt Rod Ponton aufgeregt im Livestream bei einer Zoom-Gerichtsverhandlung im US-Bundesstaat Texas. Der Bildschirm zeigt jedoch etwas anderes: eine Babykatze mit großen, traurigen Augen. Der zuständige Richter, Roy Ferguson, reagiert prompt: „Mr. Ponton, ich glaube, Sie haben einen Filter aktiviert.“ „Ich weiß nicht, wie man den ausstellt“, jammert das Kätzchen mit weinerlicher Stimme zurück. Diese Online-Meeting-Panne ging um die Welt und erhielt allein auf YouTube über sieben Millionen Klicks.
Der Kollege im Wandschrank
Online-Meetings gab es auch schon vor Covid-19, kamen jedoch dosierter zum Einsatz. Inzwischen sind sie zur Normalität geworden. Im Zusammenspiel mit dem Dienstort „Homeoffice“ findet eine Verschmelzung von Privat- und Berufsleben statt. Nicht selten mit ungewollt komischen Folgen. Kollegen nehmen Videoanrufe aus dem Badezimmer oder dem Kleiderschrank an, weil sie nur dort ihre Ruhe haben. Andere hingegen lassen gerne mal Kind oder Haustier durch den Bildhintergrund spazieren. Das kann niedlich und herzerwärmend wirken, ein Meeting jedoch auch deutlich in die Länge ziehen oder ganz entgleisen lassen.
„Vor einem Online-Meeting muss ich mir immer überlegen: Wie will ich wirken?“ – Markus Berg
„Es gilt, die Sensibilität dafür zu schärfen: Was sehen die Leute? Wie werden meine Umgebung und mein Hintergrund wahrgenommen?“, erklärt Markus Berg, Mitglied des Vorstands der Deutschen-Knigge-Gesellschaft. Ein Blick auf das eigene Schlafzimmer oder die Bierflaschensammlung sollten möglichst vermieden werden. Am besten eigne sich ein „cleaner“ Hintergrund, beispielswiese eine weiße Wand. Ist dies nicht möglich, lässt sich auch auf virtuelle Hintergrundbilder zurückgreifen. „Vor einem Online-Meeting muss ich mir immer überlegen: Wie will ich wirken? Welchen Eindruck will ich erzeugen? Und welche Umgebung brauche ich dafür?“, sagt der Experte. Das betrifft auch die Wahl des Outfits. Von einer Jogginghose im Zoom-Call rät Berg daher vehement ab: „Kleidung ist nicht nur entscheidend für den ersten Eindruck meines Gegenübers, sondern auch dafür, wie man sich selbst fühlt. In einer Jogginghose oder im Pyjama kann man nicht die gleiche Wirkung erreichen, als wenn man normal angezogen ist.“ Kleider machen eben Leute. Das gilt analog wie digital.
Die Technik muss stimmen
Das professionellste Outfit hilft dagegen wenig, wenn das Bild unscharf, der Ton schlecht oder die Internetverbindung zu langsam ist. „Das A und O vor jedem Call ist, die technischen Voraussetzungen zu überprüfen. Dafür sollte man genügend Zeit einplanen, um auf eventuelle Probleme reagieren zu können“, weiß Berg. Ebenso sollte man das jeweilige Programm zumindest in seinen Kernfunktionalitäten beherrschen. Teams, Zoom, Webex, Skype: Sie alle bringen ihre Eigenheiten und gegebenenfalls Herausforderungen mit sich, deren man sich nicht erst im laufenden Meeting annehmen sollte. Ein „Moment, wo startet man hier noch gleich die Kamera?“ wirkt unprofessionell.
Der Kaugummi-Effekt
Online-Meetings bieten zwar Kontakt zur Außenwelt, verleiten Teilnehmer jedoch oft dazu, sich nebenbei mit anderen Dingen zu beschäftigen. „Man fühlt sich hinter dem Bildschirm weniger beobachtet als im Präsenz-Meeting“, sagt Berg. „Wenn sich die Sitzung mal wieder wie Kaugummi zieht, ist die Ablenkung zum Greifen nah. Da guckt man dann noch schneller auf das Smartphone.“
„Noch nie wurde so viel und so gut geredet wie heute!“ – Dr. Stefan Wachtel
Eine Studie des Instituts der deutschen Wirtschaft Köln hat herausgefunden, dass die Vielzahl von Videokonferenzen bei Teilnehmern zu einer neuen Art von Müdigkeit und Erschöpfung führt. Dieses Phänomen wird von den Wissenschaftlern als „Zoom-Fatigue“ bezeichnet. Das Problem ist hierbei weniger die Qualität als das schiere Überangebot an Meetings. Sprechwissenschaftler und Autor des Buches „Das Zielsatz-Prinzip“ Dr. Stefan Wachtel erzählt uns: „Nach einem Tag voller Online-Calls ertragen Sie am Abend oft keinen weiteren mehr. Nach dem fünften oder sechsten können Sie gar nicht mehr richtig zuhören.“
Langeweile wird nicht mehr geduldet
Zuhören sollte man allerdings, wenn Wachtel erklärt, wie sich unsere Kommunikation durch die Remote-Angebote verändert hat. Der Executive-Coach, der auch DAX-Vorstände berät, fasst für uns zusammen: „Der Zuhörer duldet keine Langeweile mehr. Das heißt, die Qualitätsanforderung steigt. Stundenlanges, unstrukturiertes Gelaber wird nicht mehr geduldet – weder beruflich noch privat.“
Unsere Kommunikationsfähigkeiten würden sich bereits seit Jahrzehnten verbessern: „Manager oder Politiker reden besser, klassische ‚Laber-Köppe‘ kommen nicht mehr durch. Die Qualität steigt beständig“, stellt Wachtel fest. „Diese Entwicklung bekommt durch Covid-19 jetzt einen zusätzlichen Schub, weil wir durch die Remote-Kommunikation gezwungen sind, effizienter zu sprechen. Der Fokus liegt auf dem Pointieren. Das bedeutet: Beginnen sollte man mit Abholung, gefolgt von allgemeinen, breiten Aussagen und dann pointieren auf den Punkt. Das ist das Zielsatz-Prinzip.“
Buch-Tipp
- Wachtel, Stefan (Author)
Nähe trotz Distanz
Wachtels Ansatz kann Sprechern dabei helfen, während eines Online-Meetings Nähe zu den Zuhörern herzustellen. „Das Klischee, wir hätten keine Nähe mehr und können deshalb nicht mehr so gut kommunizieren, ist schlichtweg falsch“, sagt er. „Das Gegenteil ist der Fall: Noch nie wurde so viel und so gut geredet wie heute!“ Wo räumliche Nähe und direktes Feedback durch Gestik und Mimik fehlen, bleibt nur die Sprache, um eine Verbindung zu dem Gegenüber aufzubauen. Dafür eignen sich Sätze wie „Sie fragen sich …“, „Sie wollen sicherlich …“. „Solche Sätze schaffen Nähe, wo reale Nähe fehlt.“ Auch den Namen des Gegenübers zu wiederholen, kann dabei helfen, eine Verbindung aufzubauen.
Neue, alte Welt
Trotz der neuen Umstände, gelten viele Verhaltensregeln aus der Offline-Welt auch in digitaler Umgebung. „Am Ende des Tages unterscheiden sich die alte und die neue Welt – Präsenz-Meetings und Online-Meetings – gar nicht so sehr voneinander“, resümiert Berg. „Regeln wie ‚Ich fange im Meeting nicht an zu essen‘ gelten auch weiterhin.“
Auch wenn die Pandemie überwunden ist, wird uns die neue Art der Kommunikation erhalten bleiben. Wir werden mehr remote und weniger Face-to-Face kommunizieren. „Das kann man bedauern, man muss es aber nicht“, sagt Wachtel. Denn wie Hermann Hesse einmal sagte: „Jedem Anfang wohnt ein Zauber inne.“
Produkt-Tipp
- Wolfgang Schultheiß (Author)
- Silke Schneider-Flaig (Author)
- Schneider-Flaig, Silke (Author)
Dieser Artikel erschien zuerst in unserer Print-Ausgabe. Sie wollen schneller informiert sein? Hier können Sie ein Abonnement abschließen.