Rund 200 bis 250 Milliarden Euro werden in Deutschland jedes Jahr vererbt oder verschenkt. Die darauf erhobene Steuer ist eine komplizierte Materie und hat bislang Firmenerben begünstigt. Die Bundesregierung muss sie nach einem Urteil des Bundesverfassungsgerichtes deshalb reformieren und hat einen noch unübersichtlichen Entwurf vorgelegt. Familienunternehmen fühlen sich benachteiligt.
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Noch nie wurde in Deutschland so viel Vermögen vererbt. Beim Deutschen Institut für Altersvorsorge rechnet man damit, dass im kommenden Jahrzehnt rund drei Billionen Euro weitergegeben werden. Das liegt daran, dass in den Jahrzehnten des Friedens und wirtschaftlichen Wachstums die Nachkriegsgenerationen ein großes Vermögen anhäufen konnten. Gerade für die in den siebziger Jahren Geborenen spielen daher Erbschaften in den nächsten Jahren eine maßgebliche Rolle.
Das geht in erster Linie nur die Erben selbst etwas an, könnte man sagen. Doch es interessiert ebenso das Finanzamt, das die Erbschaftssteuer einstreicht. Spätestens an diesem Punkt wird erben kompliziert. Denn die Höhe der zu entrichtenden Steuer hängt grundsätzlich vom Wert der Erbschaft ab. Je nach Nähe zum Erblasser gibt es unterschiedliche Freibeträge. Je näher man dem Verstorbenen verwandtschaftlich stand, desto höher sind diese.
Im günstigsten Fall zahlt der Erbe gar keine Steuer, im ungünstigsten kann er, wenn er mit dem Erblasser gar nicht verwandt ist, es sich aber um eine Summe über 26 Millionen Euro handelt, bis zu 50 Prozent des Erbes an Steuern zahlen. Es nützt aber auch nichts, den Erbfall erst gar nicht abzuwarten und dem potenziellen Erben bereits zu Lebzeiten alles zu schenken. Denn dann fällt in der Regel eine Schenkungssteuer in gleicher Höhe an.
Schlupflöcher für Unternehmen
In Deutschland werden in den nächsten Jahren nicht nur hohe Vermögen vererbt, sondern auch viele Firmen. „Jährlich steht für rund 27.000 Familienunternehmen die Nachfolge an“, stellt die Stiftung Familienunternehmen aus München fest. Da mehr als die Hälfte der in der Privatwirtschaft Beschäftigten in Familienunternehmen tätig seien und 51 Prozent des Gesamtumsatzes der Privatwirtschaft von diesen Unternehmen erwirtschaftet würden, sei die volkswirtschaftliche Bedeutung der Unternehmensübergabe an Familienmitglieder immens.
Den Firmenerben hatte der Staat im Jahre 2009 daher Schlupflöcher geöffnet, sodass selbst Erben großer Unternehmen in den seltensten Fällen Erbschaftssteuer bezahlen mussten. Ziel war es, die Betriebe mit ihren Arbeitsplätzen zu schützen. Bisher reichte es aus, die Firma fünf Jahre lang zu erhalten und die Zahl der Arbeitsplätze stabil zu halten, um einen 85-prozentigen
Abschlag auf das zu versteuernde Betriebsvermögen durchzusetzen. Wenn der Erbe das Unternehmen sieben Jahre lang bei stabiler Lohnsumme weiterbetreibt, bekommt er 100 Prozent der Steuerschuld erlassen.
Bei Betrieben unter 20 Beschäftigten entfiel sogar diese sogenannte Lohnsummenklausel. Auch das Verwaltungsvermögen, das nicht zur Betriebsführung dient, kann bislang komplett von der Steuer verschont bleiben, wenn es höchstens zehn Prozent des gesamten Vermögens ausmacht. Ende 2014 hat das Bundesverfassungsgericht deshalb das bestehende Erbschaftssteuergesetz gekippt.
Die Bevorzugung von Firmenerben sei nicht mit dem Grundrecht der „steuerlichen Belastungsgleichheit“ zu vereinbaren, lautete die Begründung. Das Gericht stellte fest, dass dem Staat im Jahr 2013 elf Milliarden Euro Steuereinnahmen durch die Verschonung der Firmenerben entgangen seien. Nur fünf Prozent aller Erben hätten überhaupt Steuern gezahlt.
Minimaler Eingriff
Die Regierung nahm das Urteil entgegen, machte aber sofort klar, grundsätzlich an der Bevorzugung der Firmenerben festhalten zu wollen. Die Gesetzgebung solle nur minimale Eingriffe erfahren. Nach monatelangen Querelen haben die Union und die SPD einen Kompromiss gefunden. Im Juli 2015 beschloss das Bundeskabinett eine weiterhin äußerst umstrittene Reform, bei der die CSU bereits klar gemacht hat, dass sie Nachbesserungen und Erleichterungen für Unternehmen fordern werde, die die SPD wiederum ablehnt.
Seitdem ist nicht mehr viel passiert. Bis Ende Juni dieses Jahres muss der Entwurf durchs Parlament und den Bundesrat, so lange hatte das Bundesverfassungsgericht der Politik Zeit gegeben. Deshalb soll in den kommenden Sitzungswochen daran verstärkt gearbeitet werden. „Das Gesetzgebungsverfahren stockt, weil man erkannt hat, dass der aktuelle Vorschlag äußerst kompliziert und in der Praxis so nicht umsetzbar ist“, erläutert Lorenz Jarass, Professor für Business Administration an der Hochschule RheinMain in Wiesbaden und Sachverständiger bei der Anhörung im Finanzausschuss des Deutschen Bundestages am 12. Oktober 2015.
Nach dem aktuellen Konzept sollen Firmenerben auch in Zukunft weitgehend von der Steuer auf ihr Betriebsvermögen befreit werden, sofern sie das Unternehmen fortführen und Arbeitsplätze erhalten. Betriebe, die mehr als 26 Millionen Euro wert sind, sollen sich aber künftig einer „Bedürfnisprüfung“ unterziehen müssen. Für Familienunternehmen mit einer sehr starken Kapitalbindungen soll die Freigrenze auf 52 Millionen steigen.
Grundsätzlich müssten mehr Unternehmen nachweisen, dass sie für die erlassene Erbschaftssteuer Arbeitsplätze erhalten, was mehr Bürokratie bedeutet. Nur bei Kleinstbetrieben mit bis zu drei Mitarbeitern entfallen auch künftig entsprechende Kontrollen. Finanzminister Wolfgang Schäuble rechnet sich dadurch Mehreinnahmen von gut 1,5 Milliarden Euro aus. Im Jahr 2014 nahmen die Finanzämter rund 5,5 Milliarden Euro Erbschaftssteuer ein. Die Reform brächte damit ein Plus von einem Drittel.
Verkorkste Lösung
Lutz Goebel, Präsident des Vereins „Die Familienunternehmer – ASU“, der 5.300 Mitglieder vertritt, hält das geplante Steuermodell für eine verkorkste Lösung, die die Familienunternehmen sehr viel schlechter stellt als zuvor. „Wir Familienunternehmer können glücklich sein, wenn überhaupt ein potenzieller Erbe da ist. Er wird ohnehin stark gefordert durch Themen wie die zunehmende Digitalisierung. Wenn dann auch noch eine hohe Erbschaftssteuer droht, sagen viele Kinder: Nein danke“, befürchtet er.
Rund 10.000 bis 12.000 Unternehmen seien nach seinen Schätzungen von der geplanten Bedürfnisprüfung betroffen. Allein der Verwaltungsaufwand sei dann enorm und würde zahlreiche Steuerberater und Rechtsanwälte beschäftigen, denn eine individuelle Bewertung des Vermögens sei immer sehr streitanfällig. Die Freigrenze von 52 Millionen Euro Betriebsvermögen für die Unternehmen hält Goebel zudem für völlig unrealistisch. „Sie ist nur zu erreichen, wenn nahezu der vollständige Gewinn im Unternehmen verbleibt.“
Daher fordert der Verein mindestens an diesem Punkt Nachbesserungen. Das Verwaltungsvermögen soll nach den Plänen der Regierung künftig voll versteuert werden. Das betreffe fast alle Familien, sagt Goebel und wünscht sich, dass wenigstens die Pensionsrückstellungen, die darin enthalten sind, davon ausgenommen werden sollten.
Auch müsse es die Möglichkeit für Investitionsrücklagen geben, die erst zu versteuern seien, wenn sie zwei Jahre lang nicht verwendet wurden, betont Goebel, dem es am liebsten wäre, die Erbschaftssteuer gänzlich abzuschaffen, so wie es Österreich im Jahre 2009 gemacht hat. Die fehlenden 5,2 Milliarden Euro könnten seiner Ansicht nach über Zuschläge auf die Einkommens und Körperschaftssteuer kompensiert werden. „Das lehnen die Politik aber ab.“
Unfairer Wettbewerb
Auch der Wissenschaftler Prof. Dr. Lorenz Jarass stellt fest, dass deutsche Familienunternehmen generell bei der Erbschaftssteuer benachteiligt werden. Bei Kapitalgesellschaften zahlt der deutsche Anteilseigner Erbschaftssteuer. Gehört sie aber einem Ausländer oder einem ausländischen Hedgefonds, dann unterliegen diese nicht der deutschen Steuer, ein „unfairer Wettbewerb“, wie Jarass meint. „Auch sind zum Beispiel IKEA und seine Eigentümer in Deutschland nicht erbschaftssteuerpflichtig, der mit IKEA konkurrierende mittelständische Möbelhändler hingegen schon.“
Sein Vorschlag zielt deshalb auf eine größere Steuergerechtigkeit und ein vereinfachtes System: Alle in Deutschland gelegenen Vermögen sollten für die Erbschaftssteuer herangezogen werden, unabhängig von der Nutzung und vom Wohnsitz des Erben. Kleinere Erbschaften bis zu 100.000 Euro würden freigestellt, bei bis zu 500.000 Euro ein ermäßigter Steuersatz angewandt. „Bei einem insgesamt geringen Steuersatz von 10 bis 12 Prozent wäre die Reform aufkommensneutral“, sagt Jarass.
Er ist überzeugt davon, dass die Politiker in den kommenden Monaten die Reformpläne noch einmal überdenken. Es seien schließlich drei Alternativen berechnet worden, darunter auch der vereinfachte Entwurf, den er propagiert. „Die aktuelle Vorlage wäre ohnehin wieder verfassungswidrig, darüber sind sich die Juristen einig.“ Sollte bis zum Sommer kein neues Gesetz erlassen worden sein, sieht Jarass darin auch kein Problem. „Dann wird nicht etwa die Erbschaftssteuer ausgesetzt. Nur die Vergünstigungen für die Unternehmen, die das Gericht für verfassungswidrig erklärt hat, fallen weg.“
Die wichtigsten Fakten
Ausschlaggebend für die Höhe der Steuer sind der Verwandtschaftsgrad und der Wert des Erbes.
Steuerklasse I: Ehegatten, eingetragene Lebenspartner, Kinder und Stiefkinder, Enkel
Steuerklasse II: Eltern, Großeltern, Geschwister, Nichten, Neffen, Stiefeltern, Schwiegerkinder und -eltern sowie geschiedene Ehegatten
Steuerklasse III: alle übrigen Erben
STEUERSATZ JE NACH WERT DES ERBES:
WERT IN EURO | STEUERKLASSE I | STEUERKLASSE II | STEUERKLASSE III |
bis 75.000 | 7% | 15% | 30% |
bis 300.000 | 11% | 20% | 30% |
bis 600.000 | 15% | 25% | 30% |
bis 6 Mio. |
19% | 30% | 30% |
bis 13 Mio. |
23% | 35% | 50% |
bis 26 Mio. |
27% | 40% | 50% |
mehr als 26 Mio |
30% | 43% | 50% |
Dazu gibt es Freibeträge: Für Ehegatten und eingetragene Lebenspartner ist die erste halbe Million steuerfrei, für Kinder sind es 400.000 Euro, für Enkel 200.000 Euro, für Eltern 100.000 Euro, für Geschwister, Nichten, Neffen, Stiefeltern, Schwiegerkinder und -eltern oder geschiedene Ehegatten sowie alle übrigen Erben 20.000 Euro.
Die Schenkungssteuer ist in der gleichen Höhe zu bezahlen. Allerdings erlaubt der Gesetzgeber, den Freibetrag bei Schenkungen alle zehn Jahre in Anspruch zu nehmen. Außerdem kann auch der Schenkende die Steuer übernehmen.