Die Haare lang und blond. Die Augen blau und strahlend. Frank Otto wirkt noch immer wie ein großer Junge. Mit einem geschätzten Vermögen von rund einer Milliarde Euro gehört er zu den reichsten Menschen in Deutschland. Das Fundament hat sein Vater Werner Otto, der Gründer des Otto-Versands, gelegt. Und doch wollte der Drittgeborene nie einfach nur Erbe sein. Nach Frankfurt ist er gekommen, um Top Magazin seine besondere Geschichte zu erzählen.
Der Hamburger hat rebelliert und provoziert, flog von Schulen, verweigerte den Kriegsdienst. Er lebte in diversen Wohngemeinschaften, auch im berüchtigten Schanzenviertel, schloss sich der Anti-Atomkraftbewegung an und machte die Nacht zum Tag. Und fand doch seinen Weg als Künstler, Musiker, Geschäftsmann und Mäzen. Darüber möchte der 64-Jährige heute sprechen. Und nicht über die schlagzeilenträchtige und kürzlich beendete Liaison mit einer Frau, die vor einigen Jahren an der Castingshow „Germany’s Next Topmodel“ teilgenommen hatte.
Lese-Tipp Frank Otto
- Otto, Frank (Author)
„Sinn und Eigensinn“ heißt seine Biografie, die gerade in diesem Monat erschienen ist. Es war eine lange Strecke, die er zurückgelegt hat. Dabei blieb Hamburg stets das Zentrum von Frank Ottos Universum. „Vielleicht liegt das daran, dass ich in Internaten aufgewachsen bin und damals unbedingt zurückwollte in meine Stadt.“ Heute lebt er in einer Villa an der Außenalster, nur einen Steinwurf von der Auguststraße in Uhlenhorst entfernt. Dort wohnte er, als er klein war.
Sinn und Eigensinn des Frank Otto
Dann trennten sich die Eltern „und meine Mutter war nicht mehr in meiner Welt“, ▶︎ schreibt er in seinem Buch. Auch seinen Vater habe er nur recht „selten zu Gesicht bekommen“, als der mit ihm in den Elbvorort Hochkamp in ein großes Anwesen umzog. Angestellte kümmerten sich um den Jungen. 50 Pfennig Taschengeld gab es pro Woche. Er rebellierte. „Ständig machte ich Dinge, die artige Kinder nicht machten.“
Kurzerhand schickte Werner Otto den Sohn aufs Internat. Er sei „uneinsichtig, trotzig und renitent“ gewesen, beschreibt sich Frank Otto rückblickend. „Ich wollte Aufmerksamkeit auf mich lenken.“ Seine älteren Geschwister aus erster Ehe – Ingvild und Michael, der heutige Mehrheitsgesellschafter des Konzerns – studierten bereits. Die jüngeren Geschwister aus dritter Ehe – Katharina, mittlerweile Filmemacherin in New York, und Alexander, dem später die Immobilienfirma ECE anvertraut wurde – kamen erst in den sechziger Jahren zur Welt. Er habe sich deshalb wie ein Einzelkind gefühlt.
Der Abstand der Geschwister besitze Vorteile, resümiert Frank Otto bei einem Schluck Mineralwasser mittags in der Winebank. „Wir saßen nicht am Kindertisch zusammen und müssen uns deshalb auch nicht erbittert streiten. Es fällt uns nicht schwer, zueinander freundlich zu sein.“
Der etwas andere Frank Otto
Er sei der etwas andere Otto, schrieb das Hamburger Abendblatt einmal. Und tatsächlich hat Frank Otto seit seiner Jugend eigene Felder gesucht, um sich fern vom Vater auszuprobieren. Er unterstützte die Umweltbewegung und den Anti-Atomprotest. „Ich bin sogar nach Brockdorf gezogen“, erzählt er.
Bis Ende zwanzig musste er sehen, wie er finanziell klar kam. Oft mit bescheidenem Ergebnis. Zunächst absolvierte er eine Restauratorenlehre und studierte dann Bildende Kunst in Kiel. Parallel war er Schlagzeuger in verschiedenen Bands. Heute spielt er Gitarre, meist für sich allein. „Ein Plektron habe ich immer dabei.“ Sein Vermögen erhielt er zum 30. Geburtstag. Damit begannen seine unternehmerischen Aktivitäten.
Frank Ottos Vermögen mit 30
Der erste Aufschlag erfolgte 1987. Frank Otto gründete mit anderen das OK Radio, den zweiten Hamburger Privatradiosender. Bis heute ist er dort – man heißt inzwischen „Hamburg Zwei“ – Mehrheitsgesellschafter. Es folgten delta radio (Kiel), Radio NORA und Kiss FM (Berlin), Energy Sachsen und die Streaming-Plattformen RauteMusik und Laut.de.
Mit Radio Park hat er eine internationale Marktlücke entdeckt, die Luxushotels, Kreuzfahrtschiffe und Unternehmen mit einem chilligen Musikmix versorgt. Sein Label „ferryhouse“ vermarktet Musiker unterschiedlicher Stilrichtungen. „Mit Luft, also dem Radio über Äther, und Liebe, der Leidenschaft für Musik, kann man durchaus Geld verdienen“, sagt er und grinst. „Früher reichte es mir, wenn ich nicht ärmer wurde.“ Das sehe er nun nicht mehr ganz so eng. „Wer in unserem Wirtschaftssystem bestehen will, muss wachsen“, erzählt er.
„Mit Luft, also dem Radio über Äther, und Liebe, der Leidenschaft für Musik, kann man durchaus Geld verdienen.“ – Frank Otto
Frank Otto: Innovativer Medienunternehmer
Dennoch legt er als Medienunternehmer weiter Wert auf eine eigene Handschrift und sucht Alternativen, um eine dynamische Welt gestalten zu können. Frank Otto möchte der Gesellschaft Impulse geben und Debatten führen. Das geschieht auch im lokalen Fernsehsender Hamburg 1, an dem er beteiligt ist.
Für einige Jahre hatte er auch das Boulevardblatt Hamburger Morgenpost übernommen. „Einige dachten, ich sei der Totengräber und prophezeiten ein Kettensägenmassaker. Sie täuschten sich. Mit ein paar chirurgischen Eingriffen haben wir die MoPo wieder in die schwarzen Zahlen geführt.“ Nachdem ein Zehn-Punkte-Programm abgearbeitet war, verkaufte der Kurzzeit-Verleger die Zeitung mit Gewinn an den Minderheitseigner.
Aufsehen erregte sein Engagement bei VIVA. Der Musik-TV-Sender, den er 1993 mit aus der Taufe hob, ritt eine Weile auf der Erfolgswelle und entwickelte sich dabei zu einer nachhaltigen Talentschmiede (Heike Makatsch, Stefan Raab, Oliver Pocher, Mola Adebisi, Sarah Kuttner, Matthias Opdenhövel und viele andere starteten dort). Doch das ist längst Geschichte.
Frank Otto: Impulsgeber von der Alster
Inzwischen findet Frank Otto sogar den Immobiliensektor interessant, wie er dem Top Magazin bekennt. „Ich konzentriere mich auf Projektentwicklungen.“ Natürlich will er auch hier Akzente setzen. Wie bei einem Boarding House in St. Pauli, in das er gerade investiert hat. Er schwärmt von der umweltfreundlichen Erdwärme, die den Bau mit Hilfe eines innovativen Absorbersystems beheizen soll. „Das wird super, weil der Boden dank effizienter Module nur bis zu 1,50-Meter-Tiefe angebohrt werden muss.“
Der Lokalpatriot bewundert Fritz Schumacher. Der hamburgische Oberbaudirektor hat vor hundert Jahren mit Grünzonen, Frischluftschneisen und zeitgemäßen Backsteinbauten die Stadt geprägt. Großen Respekt bringt er auch dem verstorbenen SPD-Bürgermeister Henning Voscherau entgegen. Weil er in den Neunzigerjahren klammheimlich die Hafencity auf dem Gelände des alten Freihafens plante. „Auf diese Weise konnte die Stadt die benötigten Areale günstig erwerben.“ Dort sollen in den 2030er-Jahren 14.000 Menschen wohnen und 45.000 arbeiten. Frank Otto mag Charaktere, die über die Gegenwart hinausblicken.
Revival für Cannabis
Der Aufbruch der Sechzigerjahre hat ihn als Künstler und Musiker stark beeinflusst. Jetzt wünscht er dem guten alten Cannabis ein Revival. Er engagiert sich bei einer Firma, die Cannabinoide herstellt. „Wir sind Marktführer im Retail für CBD geworden, auch weil wir den kritischen, weil potenziell berauschenden THC-Gehalt auf unter 0,02 Prozent drücken konnten.“ Hanfprodukte könnten Schmerzen stillen und Unruhezustände beseitigen, ohne abhängig zu machen. Hochleistungssportler griffen darauf gern zurück. Abends seien sie oft müde, fänden aber nicht in den Schlaf. „Nun können sie ohne Schwierigkeiten runterkommen“, glaubt er. „Die Mittel stehen nicht auf der Dopingliste.“
Der Vater von vier Kindern aus zwei Ehen ist froh, dass „das Mackerhafte allmählich verschwindet“. Man könne heute mit „feinsinnigen Leuten“ Geschäfte machen. Zugleich würden die Angebote für nachhaltige Investments immer größer. „Da muss ich noch ein bisschen lernen“, gibt er zu. „Aber die Wirtschaft transformiert sich und das ist gut so.“
Frank Otto: Freund des Wassers
Schon immer hat der begeisterte Hobbytaucher für gute Zwecke reichlich Geld bereitgestellt. Das Wasser und die Reinhaltung der Meere liegen ihm besonders am Herzen. Er unterstützt zudem vielfältige soziale Initiativen. Und selbstverständlich seinen Lieblingsverein FC St. Pauli. „Ich versuche bei jedem Heimspiel dabei zu sein“, verrät er. „Nach dem Match geht es bei uns im Separée, so heißt bei St. Pauli eine VIP-Lounge, ziemlich lustig zu. Dann spielt jedes Mal eine Band. Die Stimmung steigt, sogar nach Niederlagen.“
Der Spross aus der Unternehmerdynastie scheint mit sich im Reinen zu sein. Im Vorwort zur Biografie drückt er seine Überzeugung aus, „dass am Ende alles gut wird“. So viel Grundvertrauen überrascht. „Niemand kommt unbeschadet aus seiner Kindheit“, lautet die Überschrift zum ersten Kapitel. Auf diesen Seiten spürt der Leser, dass auch ein reicher Junge sehr einsam sein kann.
Doch das ist vorbei. Frank Otto klagt nicht. Im Gegenteil. Sein Vater sei nicht nur ein höchst erfolgreicher Selfmademan, sondern auch eine visionäre Persönlichkeit mit einer speziellen Aura gewesen. „Natur und Umwelt waren ihm wichtig. Im Versandhaussortiment fehlten beispielsweise ganz bewusst Pelze“, lobt der Filius. „Und er nutzte einfache Pappkartons als Verpackungen, weil er sich frühzeitig Gedanken über die Müllbeseitigung machte.“ Demnach stand der Konzerngründer, der erst nach dem 2. Weltkrieg richtig loslegte, auch der Atomindustrie kritisch gegenüber. Eigentlich sei Werner Otto, der 2011 im Alter von 102 Jahren starb, ein sehr moderner Mann gewesen. „Sein Geschäftssinn war geschärft, weil der Krämerladen meiner Großeltern pleite gegangen ist.“
Das Gewicht der Zeit
Schließlich erinnert sich Frank Otto, wie er einmal den schon recht alten Vater in die USA begleiten durfte. Der habe beim Gang über eine Wiese ein dort geplantes Bauvorhaben mit allen spannenden Details aus dem Stehgreif präsentiert. „Das hat mir imponiert.“ Menschen müssten mit ihren Fehlern vor dem Hintergrund ihrer Lebensumstände verstanden werden. Längst weiß der Sohn, dass jede Zeit ihr eigenes Gewicht besitzt. Das macht den Hamburger gelassen. „Man soll nur offen bleiben und auf Veränderungen setzen.“
Lese-Tipp
- Otto, Frank (Author)
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