Muss man ein unverbesserlicher Optimist sein? Ein kühler Kopf reicht eigentlich schon, um einen Ausweg zu finden aus hohen Preisen und abgesackten Börsenkursen. Geschulte Beobachter sehen keinen Grund zur Resignation. Krisen hin oder her.
Vermögensbildung ist möglich, lautet die Botschaft. Ein garantiertes Erfolgsrezept gibt es nicht. Aber es finden sich genügend Anhaltspunkte, um das Richtige zu tun. Auch wenn ein wenig Glück dazu gehört, um am Ende dort anzukommen, wo man hin möchte. Preissteigerungen von mehr als sieben Prozent im Monat wurden seit den siebziger Jahren nicht mehr registriert. Im Mai lag die Inflationsrate in Deutschland bei 7,9 Prozent, so hoch wie zuletzt in der Ölkrise vor fast 50 Jahren. Wer nicht ärmer werden will, muss eine Verzinsung seiner Rücklagen anvisieren, die mindestens der Preissteigerungsrate entspricht.
Gewinne ohne Hexerei
Das ist eine gewaltige Aufgabe. Der Dax verlor im ersten Halbjahr rund 20 Prozent. Auch sonst waren die Einbrüche bei Sparguthaben und Depots in den ersten sechs Monaten des Jahres beträchtlich. Wieder satte Gewinne einzufahren, ist jedoch keine Hexerei, versichern mittlerweile die Analysten aus den Finanzhäusern im Vertrauen.
Auch sie können irren. Nach dem Corona-Schock hatten die Profis prognostiziert, dass sich die Weltwirtschaft 2022 wieder kräftig erholen werde. Damit verband sich die Hoffnung auf einen weiter munter florierenden Aktienmarkt. Es kam ganz anders. Aber damit war vorher wirklich nicht zu rechnen.
Am 24. Februar wurden alle Vorhersagen über den Haufen geworfen. Es war ein Überfall auf ein friedliches Land, wie es ihn seit dem 2. Weltkrieg nicht mehr gegeben hat. Mit dem Einmarsch der Russen in die Ukraine schossen nicht nur die Preise für Öl, Gas oder Weizen nach oben. Geldentwertung, Zinserhöhung und Weltkriegsgefahr verdüsterten das Bild.
Zeitenwende für Investoren
Das versetzt manche Finanzspezialisten in Endzeitstimmung. Einen ökonomischen Hurrikan, der Europa tief herunterziehen werde, prophezeien einige Starinvestoren aus den Vereinigten Staaten. Vor allem der schwerreiche New Yorker Ray Dalio wettet mit seinem Hedgefonds Bridgewater Milliarden darauf, dass bei uns die Kurse noch tiefer fallen.
Generell beunruhigt ist die 79 Jahre alte Finanz-Legende Jim Rogers. Ihm machen die weltweit stark gestiegenen Staatsschulden Angst. Er sagte bereits 2020 gegenüber Bloomberg „den schlimmsten Bärenmarkt seines Lebens“ voraus. Aktien, die vom Börsenaufschwung profitiert hätten, würden bis zu 90 Prozent an Wert verlieren. Auch der abwägende Mike Wilson, Chief Investment Officer von Morgan Stanley, rechnet damit, dass die globale Baisse keineswegs zu Ende ist. Selbst wenn es sich mal wochenlang so anfühlt.
„Die weltweit stark gestiegenen Staatsschulden machen mir Angst.“ – Jim Rogers
Optimismus in Deutschland
Die heimischen Daten bestärken die US-Pessimisten. Allein der amerikanische Aktien-Index S&P 500 verzeichnete im ersten Halbjahr ein Minus von 21 Prozent. Die schlechteste Performance seit 1970.
Trotzdem schauen die meisten Experten – nicht nur in Deutschland – eher optimistisch auf das Jahresende. Das Portal „finanzen.net“ der Axel-Springer-Gruppe hat führende Geldhäuser im Land befragt. Die Weltwirtschaft werde mit gebremster Kraft wachsen, heißt es fast unisono. Der Zinsanstieg sei bereits eingepreist. Selbst bei einer milden Rezession würden die Aktienmärkte wieder Fuß fassen. Nach der optimistischsten Erwartung erreicht der Dax zum Jahresende 15.500 Punkte (Hypovereinsbank sowie Donner und Reuschel). Im Schnitt sahen die Banken den Dax bei 14.500 Punkten, deutlich über dem jetzigen Stand. Nur die Commerzbank ist skeptisch. Sie liegt mit ihrer Prognose von 12.500 Punkten darunter.
Aufschwung für Ost und West
Offensichtlich lohnt es, sich erneut den Aktien zuzuwenden. Dafür spricht zudem der Blick nach China, mit dem Deutschland wirtschaftlich eng verflochten ist. Der Konflikt um Taiwan bleibt zwar wohl auf kaum absehbare Zeit angespannt. Die Ökonomie im Reich der Mitte könnte sich aber bald beleben – ungeachtet aller politischen Querelen.
Bernd Meyer, Chef-Anlagenstratege und Leiter Multi Asset bei der Hamburger Privatbank Berenberg, glaubt fest daran. Staatschef Xi Jingping werde die Monate vor dem Parteitag der Kommunisten im November nutzen, um mit Stützungsaktionen die heimische Konjunktur anzukurbeln. Damit würden auch Lieferengpässe seltener.
Robert Halver, Leiter Kapitalmarktanalyse bei der bayerischen Baader Bank, lobt unterdessen die Fed. Die Amerikaner entzögen der Inflation den Boden mit einer radikalen Zinserhöhungspolitik. Die Zinsangst werde sich verflüchtigen wie ein Spuk.
Defensive Aktienstrategie
Trotz der Silberstreifen am Horizont empfehlen Berater eine defensive Anlagestrategie. Zumal Unwägbarkeiten nicht zu leugnen sind. Noch weiß niemand genau, welche Auswirkungen es hätte, wenn Putin dem Westen den Öl- und Gashahn ganz abdrehen würde.
Erstmal auf Nummer sicher gehen, lautet die Devise. „Die aktuelle Gemengelage deutet darauf hin, dass Rohstoff- und Nahrungsmittelpreise hoch bleiben“, glaubt Sven Streibel, Chef-Aktienstratege bei der DZ Bank. „Entsprechende Aktiensektoren bleiben gefragt.“
„Die aktuelle Gemengelage deutet darauf hin, dass Rohstoff- und Nahrungsmittelpreise hoch bleiben.“ – Sven Streibel, DZ Bank
Sükriya Aclan, Leiterin der UBS-Niederlassung in Frankfurt, rät Anlegern dazu, Privatmärkte in Krisenzeiten nicht außer Acht zu lassen. „Wer alternative Anlagen ins Portfolio integriert, schafft zusätzliche Opportunitäten. Gerade in Zeiten hoher Volatilität haben Private Equity Anlagen eine historisch signifikante Outperformance gegenüber gelisteten Aktien erzielt. Daher gilt: investiert bleiben, breit diversifizieren und den Blick abseits der Börsen wagen.“
Gerade in Zeiten hoher Volatilität haben Private Equity Anlagen eine historisch signifikante Outperformance gegenüber gelisteten Aktien erzielt. – Sükriya Aclan, UBS Frankfurt
Fossiles und Waffen
Der Krieg fast vor unserer Haustür hat eine Energiekrise ausgelöst – mit ungeahnten Folgen. Öl wird zur Waffe und erlebt gleichzeitig eine Renaissance. So verbucht Chevron den höchsten Quartalsgewinn seit fast zehn Jahren. Auch das Börsenbarometer zeigt nach oben. Wie bei den Mitbewerbern. Und den Waffenherstellern, die von weltweiter Aufrüstung profitieren.
Ethische Investments
Wer sich seit Jahren für ethische Investments stark gemacht hat, kann sich nur wundern. ESG-Fonds, die sich nach ökologischen und sozialen Kriterien sowie nach guter Unternehmensführung ausrichten, nehmen gleichwohl weiter zu. Die Ratingagentur Scope hat ermittelt, dass jeder vierte in Deutschland zugelassene Aktienfonds inzwischen nachhaltig ist. Auch grüne Einzelaktien sind nachgefragt. Im Aufwind befinden sich Windturbinen-Produzenten, Biokraftstoffhersteller und Solarunternehmen.
Buch-Tipp
- Müller, Robert (Author)
Health Care und Tech
Investoren lieben auch den Health-Care-Sektor. Denn das Feld Gesundheit ist – ähnlich wie bei Lebensmitteln – von Nachfragerückgängen aufgrund steigender Verbraucherpreise stärker abgekoppelt. Pharmawerte werden im Moment recht günstig angeboten und liefern zuverlässig Dividenden. Auf dem Höhepunkt der Pandemie gingen die Leute ungern zum Arzt. Das normalisiert sich gerade. Die Umsätze steigen wieder. Die Bevölkerung wird älter. Der Anteil der Menschen, die über 65 Jahre alt sind, verdoppelt sich in den nächsten drei Jahrzehnten. Der Trend beflügelt die Erwartungen der Anleger in Pharma-Werte.
Als risikobehafteter gilt die Tech-Branche. Doch ihre Dickschiffe sind wieder attraktiv geworden. Der Finanzdienstleister Bloomberg empfiehlt den Kauf von Microsoft und SAP. Beide Softwareunternehmen seien in einer digitalisierten Gesellschaft elementare Versorger, so die Argumentation. Sie würden das Funktionieren einer Gesellschaft garantieren. Der Ausbau des 5-G-Mobilfunknetzes fasziniert die Credit Suisse. Sie bewertet den schwedischen Traditionskonzern Ericsson als ausgesprochen aussichtsreich.
Auch der bekannte Kapitalmarktexperte und Finvia-CIO Reinhard Panse bleibt zuversichtlich: „Vermögensbildung ist insbesondere mit Aktien weiterhin möglich. Die Ertragserwartungen liegen bei über 6 % p.a. bis 2032, also mehr als die 3,5 % Inflationserwartung. Gesundheits- und Basis-Konsumgüteraktien kommen mit
Rezessionen besonders gut zurecht. Wohnimmobilien sind politisch angreifbar, Gold reagiert erst längerfristig auf hohe Inflation. Regierungen und Zentralbanken werden auch diesmal helfen, falls nötig.“
„Vermögensbildung ist insbesondere mit Aktien weiterhin möglich. Die Ertragserwartungen liegen bei über 6 % p.a. bis 2032.“ – Reinhard Panse, Finvia
Buch-Tipp
- Graham, Benjamin (Author)
Bitcoin abgeschmiert
Aber natürlich muss sich niemand zwanghaft auf Aktien stürzen, um reich zu werden (oder zu bleiben). Mit Kryptowährungen hat das in den vergangenen Jahren auch immer wieder mal phantastisch geklappt. Augenblicklich ist das „digitale Gold“ allerdings abgeschmiert. Der Bitcoin notierte im November bei 67.000 Dollar. Und rauschte dann zwischenzeitlich auf 22.000 Dollar herunter. Ohne sich bisher davon zu erholen.
Buch-Tipp
- [2x Bitcoin Münzen] - Du erhälst 2x Bitcoin Münzen. Ein gutes Investment.
- [24-Karat Goldüberzug] - Die Bitcoin Münzen sind überzogen mit hauchdünnem 24-Karat Echtgold.
- [Inklusive 2x Münzkapseln] - Du bekommst die BTC Bitcoins in einer praktischen Münzkapsel geliefert.
Bitcoin2go-Gründer Mirco Recksiek, der auf Social-Media-Kanälen kostenlos Ratschläge zum Umgang mit Krypto-Produkten erteilt, hat die Risiken stets als sehr hoch eingestuft. Wenn der Bitcoin-Kurs irgendwann einmal auf Null rutsche, habe er eben mit Zitronen gehandelt, räumt der studierte Betriebswirt flapsig ein. Noch hat die Krypto-Gemeinde ihren Glauben an die staatsfernen Zahlungsmittel nicht verloren.
Weg ins Schlaraffenland
Trotzdem ist der Einbruch von Bitcoin & Co für bekennende „Frugalisten“ ein Rückschlag. Sie legen möglichst jeden Cent zurück, um mit 40 Jahren in den wohlverdienten Ruhestand zu gehen. Viele aus der Szene haben mit den schicken neuen Digitalwährungen eine Abkürzung zum schnellen Rentier-Dasein gesucht. Wie der in der Szene bekannte Schwabe Florian Wagner. Nun wird der Weg ins Schlaraffenland doch ein Stückchen weiter.
Buch-Tipp
Traditionalisten verspüren die Gunst der Stunde. Sie misstrauen schon dem normalen Geld. Noch viel mehr aber dem Blockchain-Versprechen. Seit Anfang des Jahres ist der Goldpreis um rund acht Prozent gestiegen. Das gleicht die Inflation mehr als aus. Damit hat das edelste der edlen Metalle zumindest seinen Ruf gewahrt, absolut wertbeständig zu sein.
Daher rät Dr. Thorsten Polleit, Chefvolkswirt der Degussa sowie Berater eines Investmentfonds und Honorarprofessor für Volkswirtschaftslehre an der Universität Bayreuth, Anlegern, zumindest einen Teil ihres Vermögens in physischem Gold zu halten. „Die Inflation ist zu einem weltweiten Problem geworden. Sie setzt die Kaufkraft des Geldes und der Ersparnisse in Form von Sicht-, Termin- und Spareinlagen, aber auch Geldmarkt- und Rentenfonds herab. Eine Möglichkeit, sich gegen den chronischen Geldwertschwund zu schützen, ist das Halten von physischem Gold. Das Gold ist ein seit Jahrtausenden erprobtes ‚hartes Geld‘, das schon so manche Krise gemeistert hat. Seine Beständigkeit und Kaufkraft kann nicht durch die Inflationspolitik der Zentralbanken herabgesetzt werden.“
„Eine Möglichkeit, sich gegen den chronischen Geldwertschwund zu schützen, ist das Halten von physischem Gold.“ – Dr. Thorsten Polleit, Degussa
Gold und Luxus-Uhren
Das ist nicht wenig in Zeiten, wo nicht einmal mehr auf den Immobilienmarkt Verlass ist. Die Baupreise explodieren. Ein eigenes Haus ist für Normalbürger kaum mehr bezahlbar. Dagegen ist das Leiden der Kryptofraktion noch überschaubar. Die Liquiditätsschwemme hatte den Markt mit Geld geflutet. Nun geht das Geld zum Zocken aus. Etliche Krypto-Spekulanten müssen nun ihre Erwerbungen verkaufen. Zum Beispiel sündhaft teure Uhren.
Produkt-Tipp
- Blum, Melchior (Author)
Die Zeiten sind hart. Aber nicht hoffnungslos. Schon gar nicht für Schnäppchenjäger. Sie checken beispielsweise den Second-Hand-Markt für begehrte Chronometer. Modelle von Schweizer Manufakturen sind derzeit günstig zu erwerben, berichtet die Handelsplattform Chrono24. Habe eine Patek Philippe Nautilus 5711A noch im ersten Quartal 240.000 Dollar gekostet, gehe sie nun schon für 190.000 Dollar über den Tresen. Fast geschenkt.
Schubkarren voller Geld
Die Hyperinflation von 1923 steckt den Deutschen noch tief in den Knochen. Die Geldentwertung vor 100 Jahren war eine Spätfolge des ersten Weltkriegs. Die Materialschlachten von 1914 bis 1918 forderten nicht nur Millionen von Menschenleben, sondern vernichteten auch immenses Kapital. Die Kosten der militärischen Anstrengungen hatte die Bevölkerung über Kriegsanleihen vorfinanziert. Die Rechnung, dass der Gegner die Zeche zahlen sollte, ging für die Deutschen nicht auf. Im Gegenteil. Die Sieger forderten im Versailler Vertrag von Deutschland 20 Milliarden Goldmark als Schadensersatz. Die rasch wechselnden Regierungen der Weimarer Republik brachten mehr und mehr Zahlungsmittel in Umlauf. Das Land erlebte eine dramatische Inflation.
Am 9. Juni 1923 musste man in Berlin für ein Ei 800 Mark bezahlen. Am 2. Dezember waren dafür dann 320 Milliarden Mark hinzulegen. Die Banknoten wurden in Schubkarren transportiert. Dann kam der Währungsschnitt und die Wirtschaft erholte sich – aber nur für wenige Jahre.
Buch-Tipps
- Petersen, Thieß (Author)
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