Handgeknüpftes ist zur Zeit das Maß der Dinge. Seit Designer wie Jan Kath, Hossein Rezvani und Zollanvari mit ihren kreativen Ideen den Orienteppich neu erfunden haben, schmücken Produkte uralter Handwerksfertigkeit wieder die Häuser und Wohnungen von Managern, Popstars und Intellektuellen. Anoshirvan Haghnazari führt in Frankfurt in der Berliner Straße 25 einen der bekanntesten Showrooms des Landes. An den Wänden hängen die schönsten Exemplare wie Meisterwerke moderner Kunst.
„Ich freue mich, dass die Nachfrage seit der Eröffnung 2016 so enorm angestiegen ist“, sagt der 50-Jährige mit iranischen Wurzeln. Sein Großvater hatte 1932 in Teheran die Teppich-Tradition begründet. Sein Vater war 1955 nach Frankfurt gekommen und startete ein Geschäft am Oeder Weg. Später zog er in das Rundschau-Haus am Eschenheimer Turm. Der Laden war nicht nur für Menschen aus der Region die erste Adresse für alle, die einen exquisiten Perserteppich suchten. „Wir hatten 16.000 Kunden in ganz Deutschland“, erzählt der Sohn.
Anoshirvan Haghnazaris Karriere lief erst einmal in eine ganz andere Richtung. Er erwarb ein Diplom als Bauingenieur, arbeitete erfolgreich als Projektleiter und -steuerer für große Unternehmen und qualifizierte sich als Immobilienökonom.
Ästhetische Ausrufezeichen
Als sein Vater 2012 starb, überlegte er, ob die Geschichte der Haghnazari-Teppiche vielleicht doch noch fortgesetzt werden könne. Für ihn war klar, dass im 21. Jahrhundert ein anderer Weg gesucht werden musste, um neue Kunden zu gewinnen. Er knüpfte die Verbindung zu den Stardesignern Kath, Rezvani und Zollanvari und fand dann einen Laden mit Potenzial mitten in der Stadt. Pandomo-Boden, bodentiefe Fenster, ausgeklügelte Lichteffekte verwandelten eine Polizeiwache und das benachbarte Reisebüro in eine coole Location. Die Kunden schätzen das Ambiente. Vom chinesischen Industriellen bis zum Oberstudienrat aus der Wetterau. Luxus hat viele Gesichter.
Unikate von Designerstars
Die Teppiche sind Unikate, die in diversen Farben, Abmessungen und Materialien bestellt werden können. Jan Kath lässt vor allem in Indien und Nepal, Hossein Rezvani und Zollanvari im Iran arbeiten. Auf faire Arbeitsbedingungen wird Wert gelegt. Die Verarbeitung der hochwertigen Schurwolle und der feinen Naturseide, die einen ganz besonderen Glanz bringt, geschieht umweltschonend. 700 Seidentöne und 1.200 Wolltöne sind bei Haghnazari verfügbar.
Früher erhielten die Knüpfer mit dem Stift gezeichnete und überlieferte Muster. Heute entwerfen die gefeierten Künstler die Vorlagen am Computer. Wenn jemand keinen vorhandenen Teppiche erwerben, sondern lieber eine Variation genau nach seinem Geschmack haben möchte, erhält er zunächst eine digitale Animation, damit er sich ein Bild machen kann. Hat der Käufer sich entschieden, erfolgt eine Anzahlung. Nach einigen Monaten ist der Teppich dann fertig und wird angeliefert.
Inspirierende Gegenwart
Jeder aus dem Trio, mit dem Haghnazari kooperiert, besitzt eine charakteristische Persönlichkeit mit individuellen Vorlieben. Jan Kath, Spross einer Teppichhändlerfamilie aus Bochum, verbinde Pott mit Punk und Prunk, hat ein Journalist einmal geschrieben. Mitunter liebt es der bodenständig gebliebene Westfale aber auch fast klassisch. Dann spielt er nur ein wenig mit dem überlieferten Formenkanon, beispielsweise mit Tabriz, Bidjar oder Kerman. Bei den Farben aber knallt es.
Etwas anders geht Hossein Rezvani vor, der elegante Deutsch-Perser aus Hamburg. Er verfremdet die althergebrachten Motive fast bis zur Unkenntlichkeit. Zurück bleiben magische Spurenelemente. Der älteste der Drei, der in der Schweiz lebende Zollanvari, ist vielleicht am stärksten der Tradition verpflichtet. Er abstrahiert, doch gleichzeitig feiert er die Pracht und Fülle der alten persischen Knüpfkunst.
Die Teppiche sind zu autonomen Wohlfühlinseln geworden – mit einer langen Vergangenheit und einer inspirierenden Gegenwart. Sie wirken wie ein Ausrufezeichen. So setzt sie auch Anoshirvan Haghnazari bei sich zu Hause in Bad Soden ein. „Ich bepflastere mit Ihnen nicht den ganzen Boden.“ Teppiche faszinieren ihn als Einzelstücke. „Sie geben einem Raum die Seele.“
Weitere Infos: www.haghnazariteppiche.com
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