Immer mehr Menschen setzen bei einer Geldanlage nicht nur auf Rendite, sondern auch auf Moral. Der Aufstieg nachhaltiger Produkte vollzieht sich in rasantem Tempo. Die Debatten um Klimawandel, Umweltbedrohung, Ressourcenverschwendung, gesellschaftliche Ungerechtigkeiten und Schurkenstaaten führen dazu, dass Anleger eine Umsteuerung mit verantwortungsbewussten Investitionen erreichen wollen.
Doch was sind unterstützenswerte Unternehmen, Aktien oder Fonds? Werden löbliche Vorsätze eingelöst? Und wie sicher ist das eingesetzte Kapital? Top Magazin sucht Antworten und präsentiert passende Produkte und Institutionen, die sich der neuen Philosophie zugewandt haben. Von Thomas Zorn
Die Zeiten haben sich geändert. Früher war es durchaus üblich, dass selbst linke Aktivisten ihr Geld großen Bankhäusern anvertrauten, die das eigene Vermögen einfach nur nach Kräften steigern sollten. Wie das passierte, wollten die meisten gar nicht so genau wissen. Vielleicht würde man ja einiges von dem, was nach der erhofften Kapitalvermehrung zur Verfügung stünde, gemeinwohlorientierten Projekten spenden, redeten sich viele ein.
Keine faulen Kompromisse
Heute wollen Wohlgesinnte „keine faulen Kompromisse“ mehr schließen. Sie greifen gezielt nach Finanzanlagen, die sie für sittlich vertretbar halten. Laut aktuellen Marktstudien steigen die Beträge sprunghaft an, die man in solche Angebote investiert. Das Forum Nachhaltige Geldanlagen beziffert die Summe für Deutschland im Jahr 2018 auf 133,5 Milliarden Euro. Das bedeutet eine Steigerung von 45 Prozent gegenüber dem Vorjahr.
Nachhaltige Fonds sind schon lange keine Nischenprodukte mehr. Die Nassauische Sparkasse (Naspa) bietet davon eine ganze Reihe an. „Beliebt sind bei uns Fonds wie Swisscanto Equity Fund Sustainable, Ökoworld Ökovision oder Deka UmweltInvest“, berichtet Stephan Kietzmann, Leiter des Privatkundengeschäfts in der Region Frankfurt-Main Taunus. „Die Nachfrage nach solchen Angeboten hat deutlich angezogen.“
Nachhaltige Fonds
Was darunter zu verstehen ist, hat Swisscanto Invest auf seiner Website werbewirksam zusammengefasst. Die eigenen Nachhaltigkeitsfonds investieren „in Unternehmen und Schuldner, deren Produkte und Dienstleistungen langfristig einen ökonomischen, ökologischen und sozialen Nutzen erbringen“, heißt es dort. Bei einer individuellen Strategie gehe es inzwischen nicht mehr nur um Risikobereitschaft und Rendite, erklärt der Naspa-Direktor. „In Beratungsgesprächen fragen wir auch, ob wir bestimmte Titel ausschließen sollen.“ Regelmäßig würden dann Rüstungskonzerne, Stromproduzenten mit Anteilen an atomarer Energie, fossile Energieträger fördernde Rohstoffunternehmen oder Biotechnologieunternehmen genannt, die genverändertes Saatgut entwickeln, erzählt Kietzmann.
Holger Kärlin vom BNP Paribas Wealth Management – Private Banking in Frankfurt weist darauf hin, dass bei nachhaltigen Investments nicht nur Umweltaspekte im Fokus stünden. „Auch soziale und ethische Gesichtspunkte spielen eine wichtige Rolle.“ Der Begriff „ESG“ habe sich etabliert. E stehe für Environment (Umwelt), S für Soziales und G für Governance, also eine gewissenhafte Unternehmensführung.
Schwierige Auswahl
„Vor allem institutionelle Investoren berücksichtigen bereits entsprechende ESG-Kriterien“, berichtet der Portfolio Manager. Aber auch bei privaten Anlegern werde das Segment immer interessanter. Kontinuierlich wachse das Angebot an nachhaltigen Index- und Investmentkonzepten. „Die Auswahl wird dadurch jedoch schwieriger“, sagt Kärlin.
Die Kunden wünschen sich angesichts des immer differenzierteren Angebots professionelle Entscheidungshilfen. Vividam, ein Angebot der FiNet Asset Management AG mit Sitz in Marburg, hat deshalb vor knapp einem Jahr ein innovatives „hybrides System“ gestartet, das menschliche Erfahrung mit fortschrittlicher Technologie – einem Robo Advisor – kombiniert. Die digitale Vermögensverwaltung der FiNet vertritt den Anspruch, eine führende Rolle bei der ökologisch-ethischen Anlage zu spielen.
Entscheidungshilfen
„Wir können damit unsere Kunden passgenau unterstützen“, meint Frank Huttel, der leitende Portfolio Manager von FiNet. Die hauseigenen freien Finanzberater nutzten das Tool, um Kunden schon ab 3.500 Euro zu betreuen. Bei FiNet gingen schon drei Viertel der Gelder in die Nachhaltigkeit. „Frauen sind bei dem Thema noch einmal viel engagierter als Männer“, so Huttel.
Ethische Investments sind nicht neu. Schon protestantische Sekten in England forderten im 17. und 18. Jahrhundert von ihren Mitgliedern, den Glauben nicht durch den Umgang mit Geld und durch rücksichtslose Ausbeutung zu verraten. So war es für Quäker verpönt, in Waffenproduktion und Sklavenhandel zu investieren.
Alte Idee mit neuer Power
Die Idee, nur solche Finanzstrategien zu verfolgen, die nicht auf Kosten der Mitmenschen gehen, nahm ab den 60er und 70er Jahren des vergangenen Jahrhunderts wieder Fahrt auf. Es entstanden selbstverwaltete Betriebe, Landkommunen, Genossenschaften und ethisch motivierte Geldinstitute. Produkte aus Südafrika – damals regierte dort noch ein Apartheid-Regime – wurden boykottiert. Der Aktivismus beschränkte sich aber auf eine überschaubare alternative Szene.
Buch-Tipp
Doch seit dem Erstarken des Umweltgedankens und dem spürbaren Klimawandel ist ethisches Investment zu einem Massenphänomen geworden. Einige verzichten auf maximale Erträge, weil sie im Einklang mit ihren Überzeugungen leben möchten. Andere wollen ein reines Gewissen mit guten Gewinnen verbinden. Neben Negativregistern – also all das, was auf keinen Fall in Frage kommt – existieren auch Positivlisten. Profit mit Alkohol, Tabak, Kinderarbeit oder Menschenhandel auszuschließen, scheint derzeit einfacher, als sich auf Richtiges und Weiterführendes festzulegen.
Nicht nur guter Wille zählt
Das „Impact Investing“ will das ändern. Die von den Vereinten Nationen festgeschriebenen Ziele – etwa keine Armut, hochwertige Bildung, reines Wasser, bezahlbare und saubere Energie sowie Klimaschutz – sollen verwirklicht werden. Es geht darum, möglichst direkt und nachweisbar einzuwirken. Der positive Einfluss wird gemessen und kommuniziert. Nicht nur der gute Wille zählt. Investitionen fließen etwa in Start-ups, die gesellschaftliche Probleme kreativ und unternehmerisch lösen.
2018 steckten in Deutschland 13 Milliarden Euro in wirkungsorientierten Fonds und Mandaten – überwiegend geschlossene Fonds institutioneller Anleger. Das Segment umfasst lediglich sechs Prozent aller nachhaltigen Investitionen. Martin Vogelsang, Koordinator der Bundesinitiative Impact Investing, sieht die Gefahr, dass die Entwicklung durch „Greenwashing“ eine falsche Richtung nehme. Momentan bleibe es jedem Produktanbieter überlassen, was er unter nachhaltig verstehe. Unter diesem Label lasse sich eben vieles verkaufen. Es fehlten überprüfbare Standards, mahnt er zu Genauigkeit und Trennschärfe.
Noch winzig ist der Marktanteil der „Ethischen Banken“. Er beträgt in Deutschland nur rund 0,3 Prozent. Die Soziologin Sarah Lenz macht sich für die Alternativbanken stark und hat ein Buch über sie veröffentlicht. „Geld erhält bei den ethischen Instituten eine moralische Fundierung und wird losgelöst vom reinen Gewinnstreben“, behauptet sie. Geld könne etwas für die Gesellschaft tun, wenn Banken die regionalen Bedürfnisse ernst nähmen und sich nicht „auf den undurchsichtigen, flexiblen Finanzmarkt“ einließen.
Ethische Banken
Doch die gut gemeinten Einrichtungen bergen Risiken. Die 1984 in Frankfurt gegründete Ökobank , deren Initiatoren aus der Frankfurter Spontibewegung stammten, akquirierte mit Leitsätzen wie „Kein Geld in die Rüstung“. Man wollte alternativen Betrieben, die damals von den traditionellen Banken noch nicht unterstützt wurden, Geldmittel bereitstellen. Die Einlagesicherung erwies sich aber von Anfang an als schwierig. Durch Managementfehler geriet die Ökobank um die Jahrtausendwende in große Schwierigkeiten. Die Geschäftsanteile wurden zum Nachteil der rund 24.000 Mitglieder erheblich abgewertet. Anfang 2003 musste die angeschlagene Ökobank von der GLS Gemeinschaftsbank übernommen werden.
Bis heute gehört die GLS Bank zu den führenden ethischen Geldinstituten in der Bundesrepublik. Über einige Reputation verfügen auch EthikBank, Triodos Bank und Tomorrow Bank. Alle vier richten Girokonten ein. Die UmweltBank vergibt dagegen ausschließlich Kredite und bietet Tagesgeldkonten und Sparverträge an. Mit Attacken auf das Finanzgebaren der Etablierten möchten die ethischen Banken punkten. Die traditionellen Geschäftsbanken handelten mit heiklen Finanzprodukten, betrieben obskure Lobbyarbeit und statteten ihre Investmentbanker mit astronomischen Gehältern aus, heißt es von Seiten der etwas anderen Finanzinstitute.
Moral und Rendite
Natürlich weisen die Angegriffenen solch eine Pauschalkritik zurück. Sie genießen weiter das Vertrauen ihrer Kunden, zumal die Banken und Sparkassen ihr Spektrum an nachhaltigen Anlagen kontinuierlich ausweiten. Guy Ertz, Chief Investment Advisor bei BNP Paribas Wealth Management, merkt an, Anleger sollten sich darüber bewusst sein, dass sich ein nachhaltig ausgerichtetes Portfolio kurzfristig anders verhalten könne als der Gesamtmarkt. Allerdings hätten etwa 90 Prozent der untersuchten Studien „keine negativen Auswirkungen auf die Wertentwicklung von Aktien festgestellt“, zitiert der Volkswirt eine Auswertung der Wissenschaftler Gunnar Friede, Timo Busch und Alexander Bassen.
Mit Nachhaltigkeit lässt sich also durchaus Geld verdienen. Umgekehrt glauben sogar manche Experten, dass es längerfristig geradezu riskant sei, Werte von Staaten oder Unternehmen zu halten, deren Verhalten grundsätzlich in Verruf geraten ist. Heute reichen oft schon Einzelaspekte, um renommierte Konzerne in die Bredouille zu bringen. So musste Bayer erfahren, dass das Interesse an gentechnischen Entwicklungen von Teilen der Öffentlichkeit nicht gebilligt wurde. Wenn dann noch eine Klagewelle auf ein Unternehmen zurollt, wird es ungemütlich.
Tierversuche, Regenwaldzerstörung, illegale Preisabsprachen: Jeder skandalisierte Vorgang kann – zumindest kurzfristig – fallende Kurse zur Folge haben. Doch es gibt Zyniker, die dann systematisch zuschlagen. Nach einem oft relativ niedrigen Einstiegspreis winken nicht selten hohe Gewinne. Tabakfirmen und Waffenschmieden haben schließlich bewiesen, dass man bei aller Unbeliebtheit über Jahrzehnte satte Dividenden auszahlen kann. Allerdings kann plötzlich alles anders sein. Neue nationale und internationale Regeln sind in der Lage, anrüchigen Geschäftsmodellen die Grundlage zu entziehen.
Einen moderaten Aktionsplan hat nun die EU angekündigt. Unternehmen sollen angehalten werden, Umwelt- und Klimarisiken in ihrem Geschäftsbericht auszuweisen. Geplant ist zudem ein Verbraucherlabel für nachhaltige Finanzprodukte nach dem Vorbild des Blauen Engel. Auch ein EU-Standard für Green Bonds steht auf der Wunschliste. Das alles ist keine Revolution, erhöht aber den Druck, sich globalen Zielen zu unterwerfen. Und es erhöht die Zuverlässigkeit nachhaltiger Produkte.
Verschärfte Regeln
Der im Frankfurter Palmengarten abgehaltene Sustainable Finance Gipfel Deutschland forderte vor einigen Wochen finanzpolitische Weichenstellungen, um den „notwendigen Strukturwandel“ zu begleiten. Versäumnisse könnten „katastrophale Konsequenzen“ nach sich ziehen.
Jörg Kukies, Staatssekretär im Bundesfinanzministerium, setzt bei der „Transformation“ auf internationalen Konsens. Die Bundesregierung will dabei ihrer Real- und Finanzwirtschaft „handlungsrelevante Empfehlungen“ mit auf den Weg geben. „Wir haben den Anspruch, Deutschland zum führenden Standort für Sustainable Finance zu machen“, verkündet Kukies.
Noch bleibt viel zu tun. Asoka Wöhrmann, Chef des Vermögensverwalters DWS, ist optimistisch. Die Wirtschaft werde immer grüner, sagt er. „Die Nachfrage nach Geldanlagen, die ökologischen und sozialen Kriterien folgen, kennt nur eine Richtung: nach oben.“