Frauen sind erfolgreich, verdienen Geld und geben es auch gern mal aus. Noch immer aber existiert ein Abstand zu den Männern – beim durchschnittlichen Gehalt, bei der Rente, beim Erbe, aber eben auch beim Besitz von Aktien. Mit einer guten Strategie am Kapitalmarkt lassen sich manche Nachteile ausgleichen.
Traditionell sind Frauen zögerlich, wenn es um Geldanlagen und Vermögensaufbau geht. Zahlreiche Initiativen von Frauen für Frauen möchten das ändern. Top Magazin sprach mit den Expertinnen Claudia Müller und Lisa Hassenzahl, die ihre Geschlechtsgenossinnen auffordern, mutig ihre Chancen zu ergreifen, um finanziell unabhängig zu werden.
Zunächst zu den Fakten. Natürlich gibt es alte Rollenbilder. Und auch Wissenslücken, wie das Wirtschaftswissenschaftliche Forschungsinstitut ZEW aus Mannheim in einer Studie erst kürzlich festgestellt hat. Frauen hätten Fragen zu Zinseffekt, Inflation und Diversifikation schlechter als Männer beantwortet. Solche Defizite seien für die abwartende Haltung in Geldangelegenheiten mitverantwortlich.
Zu wenig selbstbewusst
Vor allem schätzten Frauen jedoch die eigene Finanzkompetenz zu niedrig ein, meint das ZEW. Sie trauten sich nicht so recht. Diesen Befund bestätigt eine Studie des Online-Versicherungsmanagers Clark. Während fast jeder zweite Mann (48 Prozent) sein Wissen in Bezug auf Finanzen, Vorsorge und Versicherungen als gut oder sehr gut einstufte, meinte dies nicht einmal jede dritte Frau (30 Prozent).
Solche Unsicherheiten erklärten das gegenüber Männern signifikant andere Investitionsverhalten, so Tabea Bucher-Koenen. Die Ko-Autorin der ZEW-Studie „Finanzmärkte und Finanzmanagement“ verweist darauf, dass Frauen viel seltener auf dem Kapitalmarkt unterwegs seien. Die Professorin fordert Bildungsprogramme, damit Frauen ihr Wissen erweitern und Mut fassen, sich aktiv um ihre eigenen Finanzen zu kümmern.
Finanzbildung gefragt
Eine Menge hat sich aber schon getan. Weiterbildung ist das Gebot der Stunde. „Die Börse ist kein Buch mit sieben Siegeln!“, findet man zum Beispiel am Frankfurter Handelsplatz für Wertpapiere. Mit Vorurteilen müsse aufgeräumt werden. Die Frankfurter Börse bietet folgerichtig Abendseminare speziell für Frauen an, um sie für Investments zu begeistern.
„Nicht nur die Lebensläufe von Frauen sind individueller“, heißt es in der Ankündigung zur Veranstaltungsreihe der Börse. Sie verdienten auch im Durchschnitt 20 Prozent weniger als Männer. Ihr Geld müsse jedoch länger reichen, weil sie älter würden. „Deshalb wünschen sich viele einen anderen Ansatz in Sachen Geldanlagen – nachhaltiger und abgewogener.“
Das weibliche Bauchgefühl sagt, dass man in jedem Fall etwas tun sollte, um die Zukunft abzusichern. Eine Ehe ist längst kein sicherer Versorgungshafen mehr. Nur noch ausnahmsweise hält sie, bis der Tod scheidet. Die Frauen haben sich emanzipiert. Nun wollen sie auch die Ordnung ihrer Finanzen selbst in die Hand nehmen. Eine Flut von Büchern überschwemmt den Markt: „ETF für Frauen“, „Frau & Geld“, „Der Finanzplaner für Frauen“, „Keine Angst vor Mäusen“ oder „Millionärin von nebenan“ lautet eine kleine Titelauswahl.
Lese-Tipp
Attraktive Zielgruppe
Sie zeigt, wohin die Reise geht. Hausbanken, Start-ups und Influencerinnen wittern die Gelegenheit, den weiblichen Teil der Bevölkerung stärker für Finanzgeschäfte zu interessieren. Das ist zwar nicht uneigennützig, könnte aber helfen, die allgemeine Vermögenssituation von Frauen Schritt für Schritt zu verbessern.
Blogs und Spezialmagazine widmen sich dem Thema. Im August ist „finanzielle“ erstmals erschienen. „Weil Geld Spaß macht“, so das Motto. Chefredakteurin Daniela Meyer erklärt zum Start: „Geld ist eines der letzten Tabu-Themen der Gesellschaft. Mehr Transparenz würde uns Frauen zugutekommen.“ Promis wie Birgit Schrowange motivieren in der Premierenausgabe und geben Einblicke in ihre Investmentstrategien. Vom Cover lächelt die Unternehmerin und einflussreiche Influencerin Diana zur Löwen. Die 26-jährige Hessin beschäftigt sich nicht nur mit Mode und Kosmetik. Sie setzt sich auf ihren Kanälen auch für Klimagerechtigkeit ein und kritisiert den Gender Pay Gap.
„Geld ist eines der letzten Tabu-Themen der Gesellschaft. Mehr Transparenz würde uns Frauen zugutekommen.“ – Daniela Meyer „finanzielle“
Noch immer betrachten viele Frauen Geldanlagen als „Männersache“. Die Schweizer Großbank UBS befragte vor einiger Zeit 3.700 wohlhabende Damen in neun Staaten. 58 Prozent sagten, dass sie langfristige finanzielle Entscheidungen dem Partner überlassen würden. Insgesamt glaubten 81 Prozent, der Lebensgefährte kenne sich besser aus. Ein ziemlich ernüchterndes Ergebnis.
Beratung von Frau zu Frau
Claudia Müller, die im Frankfurter Ostend ganz nah an der EZB wohnt, sieht dennoch keinen Grund zur Resignation. Im Gegenteil. „Dass Frauen anders ticken, sollte sich herumgesprochen haben.“ Die 34-Jährige hat 2018 ihr „Female Finance Forum“ gegründet. Davor hatte sie dreieinhalb Jahre bei der Deutschen Bundesbank gearbeitet. In deren „G20 Green Finance Study Group“ setzte sie sich dafür ein, privates Kapital für grüne Investments zu mobilisieren.
Dann kam ihr die Idee, sich selbstständig zu machen und sich auf Frauen zu fokussieren. „Sie fragen – eher als Männer – nach Anlageprodukten, die der Umwelt zugute kommen“, berichtet die gebürtige Westfälin. „Da schließt sich ein bisschen der Kreis.“
„Ich bin keine Missionarin“, sagt die Vielgereiste, die vier Fremdsprachen fließend spricht und ihre Studien mit einem Bachelor in Internationaler Volkswirtschaft und einen Master in
Public Policy abschloss. „Es geht mir darum, Zusammenhänge verständlich, spannend und neutral darzustellen. Viele sollen Lust bekommen, sich mit Geld zu beschäftigen.“ Sie selbst möchte mit ihrem Coaching so viel Erfolg haben, dass sie mit 60 Jahren aufhören und sich einer anderen Passion zu wenden kann. „Ich würde dann gern ein Café eröffnen. Ich backe nämlich leidenschaftlich gern.“
Keine Missionarin
Doch Kaffee und Kuchen für Kunden haben noch Zeit. Im Rahmen der Weiterbildung wird Claudia Müller von Unternehmen häufig gebucht. Sie erläutert den Beschäftigten – mal nur Mitarbeiterinnen, mal gemischte Gruppen – wie sie privat vorsorgen und ihr Vermögen vermehren können. Im Netz offeriert sie auch Online-Kurse mit unterschiedlichen Lernplattformen.
Ihr Antrieb ist klar. „Die finanzielle Situation von Frauen ist durch eine weniger geradlinige Erwerbsbiografie und somit auch durch stärkere Altersarmut geprägt. Ich möchte dazu beitragen, dass sich die Lage verbessert.“ Über Jahrhunderte seien Frauen vom Thema Finanzen ferngehalten worden. „Nur mit dem zugewiesenen Haushaltsgeld sollten sie zurechtkommen.“
Zeit für Entscheidungen
Männer würden anders reden und imponierten gern mit Schlagworten, konstatiert die Trainerin und Autorin. Im vergangenen Jahr erschien ihr Buch „Finanzen – Freiheit – Vorsorge“. Frauen seien oft gründlicher. „Sie wollen mehr wissen und brauchen für Entscheidungen länger. Die emotionale Komponente spielt dabei eine zentrale Rolle.“ Das verständen die Herren oft nicht. „Deshalb ist es gut, wenn Frauen Frauen beraten. In einem solchen Kreis kann jede Teilnehmerin auch mal offen zugeben, wenn sie etwas nicht kapiert hat“, argumentiert sie. Leider seien weibliche Angebote noch die Ausnahme.
„Das Finanzbusiness dominieren weiterhin Männer“, konstatiert die musische Frau, die im Bundesbankorchester Querflöte spielt. Männer managten denn auch die allermeisten Fonds. Dabei belegten Studien, dass informierte Frauen oft ein besseres Händchen hätten. Geschick allein reiche aber nicht. „Das Deutsche Aktieninstitut hat erhoben, dass bislang in Deutschland 17,5 Prozent der Menschen in Aktien investieren, darunter nur 4,5 Millionen Frauen gegenüber 7,9 Millionen Männern.“
Anlegerinnen mit Vor- und Umsicht
Anleger gingen stärker auf Einzelaktien, während Anlegerinnen eine breite Streuung mit Fonds und ETFs bevorzugten. „Das schützt vor Schwankungen des Depots“, meint Claudia Müller. „Ich freue mich vor allem, dass die Gruppe der jungen Aktionärinnen unter 30 Jahren um 70 Prozent gewachsen ist. Das ist wirklich super.“ Die pragmatische Fachfrau führt dies auf veränderte Einstellungen, aber auch auf neue Apps zurück. „Sie erleichtern das Investieren enorm.“ Wenn Frauen verständen, dass die Börse kurzfristig eine Achterbahn sein könne, stünden sie auch einen Crash durch, um langfristig gute Gewinne mitzunehmen. „Wer ruhig überlegt und nicht in Panik verfällt, steht am Ende besser da.“
Claudia Müller rät dringend dazu, Budgets aufzustellen. Und zwar nicht nur für Geldausgaben, sondern auch für die knappe Zeit, die zur Verfügung steht. „Wir sind gute Angestellte, gute Freundinnen, Mütter, Ehefrauen, gute Ehrenamtliche. Und stehen selbst an letzter Stelle. Zuerst musst du dich also um dich selbst kümmern. Dann kannst du auch gut für alle anderen sein“, empfiehlt sie. „Entscheidungen darüber zu treffen, was du nicht machst, ist genau so wichtig wie Entscheidungen darüber zu treffen, was du machst.“
Mal um sich selbst kümmern
Wenn der Ärger über den Verlust von 100 Euro größer sei als die Freude über den Gewinn von 100 Euro, sei eine breite Risikostreuung der richtige Weg. „Der möglichst hohe Gewinn ist in diesem Falle nachrangig zu möglichst niedrigen Verlusten.“
Auch in anderer Beziehung gelte es, die Balance zu wahren. „Über Geld muss man reden.“ Viele Männer hätten überhaupt keine Ahnung, wie prekär die finanzielle Situation ihrer Partnerin oft sei. Wenn jemand seine Ehefrau oder Freundin dazu drängt, mehr Geld auszugeben als sie eigentlich möchte, könne dies schnell zu Unzufriedenheit und Ängsten führen. Und zu Konflikten. „Frauen sollten sich klar machen, was sie sich leisten wollen und was sie leisten können.“ Das sei auch gut für die Partnerschaft.
Es gehe ihr nicht darum, Männer schlecht dastehen zu lassen, stellt Claudia Müller klar. „Ich will auch nicht bei der Rollenverteilung hineinreden.“ Auch Männern gehe es in der Regel darum, den besten Weg für eine gemeinsame Vorsorge zu finden. Den Systemwandel müsse die Politik vorantreiben, findet die frühere Bankerin. Das Ehegattensplitting hält sie für kontraproduktiv, weil es bestehende Einkommensunterschiede zwischen Männern und Frauen steuerlich begünstige. Ihr Ziel hat sie stets im Blick: „Ich möchte, dass sich Frauen frei entscheiden können.“
Kein Geschlechterkampf
Die Perspektive teilt sie mit Lisa Hassenzahl, auch wenn die Darmstädterin eine andere Klientel betreut. Sie arbeitet seit zwölf Jahren im Finanzsektor und berät Menschen in den Bereichen Finanzplanung und Vermögensstrukturierung. Als Geschäftsführerin eines Vermögensverwalters war ein Großteil ihrer Mandanten Männer. „Ich wollte Frauen die Möglichkeit geben, sich auf fachlich höchster und gleichzeitig sehr persönlicher Ebene von Frauen beraten zu lassen und gründete mein eigenes Unternehmen.“
Der Name „Her Family Office“ ist Programm. Ihre Mandantinnen sind wohlhabende Frauen – darunter vor allem Unternehmerinnen und Managerinnen, aber auch Erbinnen. „Sie verfügen schon über Vermögen und haben oft Erfahrungen im Umgang mit Kapitalanlagen. Aber der Überblick fehlt.“
Häufig seien Männer früher zu wenig auf die individuelle Situation und die Ziele eingegangen. „Sie vermittelten den Eindruck, stark auf den Verkauf ihrer Produkte fixiert zu sein. Frauen haben ein großes Informationsbedürfnis. Sie wollen sich Zeit nehmen, um das Richtige zu tun und vor allem wünschen Sie sich eine nachvollziehbare Entscheidungsgrundlage.“ Es gehe ihnen stärker um Vertrauen, um ein gutes Gefühl und vor allem um Augenhöhe.
Angebot für vermögende Damen
„Her Family Office“ laufe gut, bekennt die studierte Finanzökonomin und zertifizierte Finanzplanerin mit CFP-Abschluss. Die 32-Jährige verfolgt eine ganzheitliche Strategie. „Nur auf die Kapitalanlagenseite zu schauen, ist zu kurz gegriffen.“ Offene Flanken müssten geschlossen werden, zum Beispiel mit einem Ehevertrag oder der aktiven Gestaltung von Nachfolgeplanungen im privaten, aber auch im unternehmerischen Bereich. „Bestehende Versicherungen oder die vorhandenen liquiden Anlagen gilt es zu analysieren.“
Wenn es um die Umsetzung bei steuerlichen und rechtlichen Fragen geht, arbeitet Lisa Hassenzahl mit Spezialisten aus dem eigenen Netzwerk zusammen. „Und bei der Anlage großer Geldbeträge suchen wir bei Vermögensverwaltern die geeigneten Strategien aus und überwachen die Gesamtstruktur.“ Alle vermögensbezogenen Aspekte müssten einbezogen und bewertet werden, resümiert sie. Das Erstgespräch in ihrem Darmstädter Unternehmen sei im Übrigen kostenlos. „Danach wissen beide Seiten, ob es auf der persönlichen Ebene passt.“
Urteil statt Vorurteil
Lisa Hassenzahl arbeitet weiterhin parallel als Geschäftsführerin eines klassischen Vermögensverwalters. „Männer sind nicht per se mit mehr Know-how gesegnet“, weiß sie aus Erfahrung. „Sie gehen oft mit Halbwissen an den Start und fangen einfach an.“ Das sei manchmal ein Vorteil, denn gerade in Zeiten von Null- oder sogar Negativzinsen ist Nichtstun die schlechteste Variante. Am besten sei, wohlbegründete Entscheidungen zu treffen und alle Aspekte einzubeziehen. Das wolle sie ermöglichen. „Ehefrauen, Freundinnen oder Töchter schicken nicht selten auch ihre Männer zu mir – oder umgekehrt. Das sehe ich nicht so eng.“
„Männer sind nicht per se mit mehr Know-how gesegnet. Sie gehen oft mit Halbwissen an den Start und fangen einfach an.“ – Lisa Hassenzahl, Her Family Office
Mittlerweile gibt es nicht nur in Deutschland, sondern überall auf der Welt erfolgreiche Geschäftsfrauen, die Vorbilder für andere sind. Und das Vermögen verteilt sich gleichmäßiger zwischen den Geschlechtern. 2020 befand sich rund ein Drittel des weltweiten Finanzvermögens – rund 72 Billionen Dollar – in weiblicher Hand. So lautete jedenfalls die Schätzung, die von Merril Lynch veröffentlicht wurde. Die Zahl ist beachtlich. Denn die Summe liegt doppelt so hoch wie im Jahre 2010. Frauen sind also auf dem Vormarsch. Daran besteht kein Zweifel.
Lese-Tipp
- btb Taschenbuch
- Unsichtbare Frauen: Wie eine von Daten beherrschte Welt die Hälfte der Bevölkerung ignoriert
- ABIS-BUCH
Dieser Artikel erschien zuerst in unserer Print-Ausgabe. Sie wollen schneller informiert sein? Hier können Sie ein Abonnement abschließen.