Wolfgang Marzin ist seit April 2010 Vorsitzender der Geschäftsführung der Messe Frankfurt. Im Gespräch gibt sich der 47-Jährige als entspannter Teamplayer. Vielleicht liegt es daran, dass er seinen Tag mit einer Stunde Sport beginnt?
„Kommen Sie rein“ – Wolfgang Marzin steht auf und geht auf seine Besucher zu, um sie zu empfangen. Die Wasserflaschen schraubt er mit einer kräftigen Handbewegung selbst auf. „Das lässt sich der Chef nicht nehmen“, erklärt seine Sekretärin.
Es ist ein sonniger Tag. Marzin lächelt und zieht die gute Stimmung ins Büro. Ein langer Holztisch gibt dem Raum etwas Wohnliches. An der Wand hängt eine aufgezogene Fotografie – Bäume mit grünen Blättern, die sich im Wasser widerspiegeln. Auf den Fensterbänken stehen Familienfotos. „Ich bin eigentlich ein Gemütlicher. Mir gefällt der Umgang mit Menschen. Messe bedeutet ein ständiges Face-to-Face mit Ausstellern, Kunden und Gästen. Das direkte Feedback zu bekommen, kann hart sein, ist aber sehr lehrreich. Man läuft nicht Gefahr, die Bodenhaftung zu verlieren.“
Im leicht bayrischen Akzent schwingt auch der Charme einer Region mit, die so anders ist als das geschäftsgetriebene Frankfurt. „Messe ist immer Teamsport. Wir arbeiten gemeinsam, kämpfen gemeinsam und feiern gemeinsam. Jeder ist an dem Platz, an dem er das Bestmögliche erreichen kann. Das heißt: Die bei uns am Tor stehen, gehören genauso dazu wie wir im Management.“ Marzin lächelt. „Ich will so ankommen, wie ich selbst behandelt werden wollte, als ich noch viele Chefs hatte. Ich sehe mich in der Rolle eines Coachs. Dabei versuche ich, maximale Freiräume zu lassen und den Menschen zu vertrauen.“ Seine Hände reden lebhaft mit und verraten Spuren seiner Liebe zu Natur und Bewegung: Skifahren, Surfen, Bergsteigen – Zupacken können. „Ich bin nicht der Typ, der sich in den Sessel setzt. Wenn es irgendwie geht, beginnt mein Tag mit einer Stunde Sport.“
Unverhofft zum Messechef
Torhaus, 22. Stock, Terrasse. Der Messeturm, Wahrzeichen einer Handelsstadt, herrscht gebieterisch über das Gelände. Marzin steht an der Brüstung, jede Faser seiner Körpers ist gespannt. „Das Faszinierende ist, dass man sich als Teil des Marktes fühlt. Wir sind mitten im Geschehen und können gar nicht stillstehen.“ Stolz und Begeisterung schwingen mit in den Worten – und beinahe so etwas wie Glück. „Messe ist Riechen, Sehen, Schmecken, Hören, Fühlen. Es ist und bleibt unschlagbar, alle Sinne ansprechen zu können. Solange sich Menschen treffen wollen, wird die Messe als Plattform spannend bleiben. Wir sind zutiefst soziale Wesen.“
Lehre, Studium, kurze Selbständigkeit, Projektleitung, Geschäftsführung, Leitung der Leipziger Messe. Ein Leben, das immer nur ein Vorwärts und Aufwärts zu kennen scheint. Von Verbissenheit trotzdem keine Spur, Marzin wirkt eher wie ein entspannter Hausherr, mit dem man gerne ein Bier trinken würde. „Ich würde mich als strebsam bezeichnen, nicht als ehrgeizig. Ich bin auch nicht davon ausgegangen, dass ich mal der Chef der Messe Frankfurt sein darf.“
Was für ein Gefühl mag es sein, einen der größten Handelsplätze der Welt zu leiten? „Es ist nicht immer nur romantisch. Ich habe auch einige schlaflose Nächte“, gibt Marzin zu. „Der Job fordert einem schon viel ab“. Etwa 18-stündige Messetage, viele Auslandsreisen oder die Betreuung von Delegationen und VIPs. „Man ist nie alleine, du kannst dich nicht zurückziehen – das ist das Harte bei uns“, sagt Marzin. „Messen sind Treibhäuser für Optimismus. Das Zitat stammt nicht von mir, aber es stimmt. Wir müssen einfach gut gelaunt sein, bevor wir auf andere Menschen zugehen.“