Erinnern Sie sich noch an den Titanic-Redakteur, der in den 80er Jahren für einen Skandal bei „Wetten, dass…?“ sorgte? Er klärte die Nation darüber auf, dass es nicht möglich ist, Buntstifte am Geschmack zu erkennen. Selbst wenn man einen so exquisiten Gaumen hat wie er. Beim gemeinsamen Kochen im Poggenpohl Forum Frankfurt stellte Bernd Fritz sein Können in Sachen Genuss und Gartenbau aufs Köstlichste unter Beweis.
„Wetten, dass..?”-Schummler und Titanic-Redakteur Bernd FritzMit einem Lächeln der Vorfreude und einem Trolley voller Wein betritt Bernd Fritz das Küchenstudio. Die Zutaten liegen bereit, und Fritz macht sich erst einmal an eine „olfaktorische Erkundung“ von Gänsestopfleber, Trüffelcreme und der bereits am Vorabend eingeweichten Spitzmorcheln. Es entspannt angehen lassen, das ist seine Devise, wenn’s ums Kochen geht. Und auch sonst wirkt der Gastro- und Weinkritiker, Buchautor, Titanic-Mitherausgeber und Gärtner (mit eigener Gartenkolumne in der FAZ) sehr relaxt. „Was ich zubereite, ist kein Hexenwerk. Ich bin ein Vertreter der ‚cuisine hectique‘, die Zubereitung darf nicht zu aufwendig sein. Ich kombiniere gute Zutaten, die ich mag, und trinke den dazu passenden Wein.“ Und so ist die Vorspeise nach nur drei Handgriffen serviert: „foies gras“ mit knusprig getoastetem Baguette und dazu ein Riesling Trockenbeerenauslese 2011 vom Weingut Runkel in Bechtheim (Rheinhessen). Ein süßer Wein, wie wir etwas verwundert feststellen. Fast wie ein Vin Santo, den die Italiener zum Dessert servieren. „Gänsestopfleber enthält weißen Pfeffer“, erklärt Bernd Fritz die ungewöhnliche Kombination. „Dieser reizt den Trigeminus, einen Gesichtsnerv, der unter anderem für die Wahrnehmung von Schärfe verantwortlich ist. Trinkt man diesen vordergründig süßen Wein zu ‚foies gras‘ wird durch den Pfeffer-Reiz auch die Säureempfindung stärker. Das macht das Ganze spannend.“
Fachübergreifende Genussanalyse
Sehen vielleicht nicht unbedingt schön aus, schmecken aber umso besser – Spitzmorcheln für die SoßeBernd Fritz ist das, was man gemeinhin als Genießer bezeichnen würde. Und das nicht bloß in Hinblick aufs Essen: Der studierte Romanist (Französisch und Italienisch), Autor und Übersetzer lässt sich auch Sprache förmlich auf der Zunge zergehen. Und so finden zwei Leidenschaften, gute Speisen und treffende Worte bei ihm aufs Appetitlichste zusammen. Etwa wenn er, während er den Rotwein zum Hauptgang dekantiert (der Dekantierer gefällt, „sieht zumindest nicht aus wie eine Bettpfanne“), von seiner letzten Reise auf die Kanaren berichtet, wo er von seiner neuesten Schinkenentdeckung, dem „El coto de Galán“, erzählt. „Ein traumhafter, schön fettdurchzogener Ibérico. Wie das Fettauge beim Ribeye. Davon habe ich mir am Marktstand einfach ein paar Scheiben abschneiden lassen, mich auf die nächste Bank in die Sonne gesetzt und genossen.“ Oder seine Erinnerungen an die Trüffelmesse „Sagra del tartufo“ in Savigno (Emilia Romagna), bei der er auf Einladung des deutschen Trüffelpapstes Stefan Burger mit Kochgrößen wie Witzigmann und Pacaud „am Trüffelwühltisch“ stand und den „erdigen Geruch der teuren Knollen“ in sich aufsog. Bernd Fritz zuzuhören macht einfach Spaß. Und Appetit. Auf seine kulinarischen Entdeckungen und auf noch mehr Anekdoten. Köstlich, seine „Geschichten aus dem Winzerdorf“ im fiktiven Gau-Wackenheim, in denen er zugleich zynisch und liebevoll die Marotten der Charaktere skizziert, die ihm, aufgewachsen in der rheinlandpfälzischen Weinbaugemeinde Bechtheim, nur allzu bekannt sind. Nicht umsonst wurden seine Leistungen als Weinjournalist 2008 mit dem Prix Lanson honoriert. Er versteht es, seine Beobachtungen, auch und vor allem in Sachen Geschmack, in präzise und zugleich anregende Worte zu verpacken. Und dafür ist nicht bloß der Magister in Sprachwissenschaften von Vorteil! „Ich habe auch Mathematik und Biologie studiert, das Studium dann aber als junger Vater mit dem Ziel des Broterwerbs nicht zu Ende geführt. Die Faszination für chemische Zusammenhänge und das Interesse an der Physiologie des Riechens und Schmeckens haben mich jedoch nie losgelassen. Und das fließt bis heute in meine Erkenntnisse mit ein.“ Und in seine Rezepte: Bernd Fritz erklärt uns, warum er bei den Gnocchi schwarzen Trüffel in der Creme und frischen weißen Trüffel kombiniert: „Der schwarze Trüffel ‚wirkt‘ im Rachen, während der weiße Trüffel beim Kauen im Grunde nach nichts schmeckt: Sein starkes Aroma nehmen wir über die Rezeptoren in der Nase auf. Bei diesem Rezept kommt sozusagen zusammen, was zusammen gehört.“ Und damit diese aromatische Zusammenkunft stattfinden kann, bekommen wir Besuch aus dem benachbarten Ristorante Gallo Nero: Chef Aldo Filipis steuert den Trüffel zu unserem Gericht bei, hobelt ihn fachmännisch und (zu aller Freude) großzügig über die Teller und wird dafür von Bernd Fritz mit dem Titel „maestro tartufaio“ geadelt. Ein weiteres äußerst schmackhaftes Al dente und ab auf den Teller Experiment, das seinen Höhepunkt im gelben Muskateller vom Weingut Geil aus Fritz‘ Heimat Bechtheim findet. Erfrischend trocken wie der Wein fällt dann auch sein Urteil aus: „Ein geiler Wein.“
Auf der Suche nach dem wahren Geschmack
Perfekt zu „foies gras“ und Weißbrot – die liebliche TrockenbeerausleseSeine fachübergreifenden Kenntnisse von Philosophie (auch ein paar Semester neben Germanistik) bis zu den Naturwissenschaften und sein analytischer Blick – sowie nicht zuletzt seine spitze Feder – könnten einem schon Angst machen. Doch Bernd Fritz gehört nicht zu der Spezies Kritiker, die sich in vermeintlicher Unfehlbarkeit aalen und in der Macht der Worte baden. Genau sie sind es, die bei ihm auch nicht sonderlich gut wegkommen und die er zum Teil als „willfährige Helfer so mancher Winzer“ bezeichnet. Man denke nur an Weinkritiker Mirko Eiderdaun aus seinen Gau-Wackenheim-Geschichten! „Den Spaß an der Sache verlieren, egal ob Essen, Trinken, Gärtnern, Literatur, um sich auf das Podest des allwissenden Connaisseurs zu erheben, das ist nicht meins. Wenn’s um Geschmack geht, lässt sich manchmal einfach kein besseres Wort finden als ‚lecker‘.“ Und so spielt er auch nicht den Lebensmittel-Moralapostel: „Natürlich sollte man auf Qualität achten. Ich als Gärtner und passionierter Esser suche stets nach dem ursprünglichen, dem authentischen Geschmack der ‚prima materia‘. Deshalb halte ich mich auch bei den Zutaten für dieses Gericht zurück. Ich mag es nicht, wenn beispielsweise Gewürze den Geschmack überlagern. Deshalb gebe ich auch keinen Pfeffer auf das Fleisch, nur etwas Salz.“ Eine kleine Zutat, die nicht auf der Einkaufsliste stand, zaubert er dann aber doch wie beiläufig und mit schelmischem Lächeln aus der Hosentasche: einen Brühwürfel. „Die Kochkunst zählt ja zu den niederen Künsten. Und ich sehe mich als kulinarischen Underdog. Da kann getrost auch ein wenig getrickst werden.“ Das Resultat, die „rehbraune“ Morchelsoße zum auf den Punkt gebratenen Fleisch, entschuldigt den Maggi-Fauxpas. Und erst der Wein! „Beim ‚Tascante‘ von der Rebsorte Nerello Mascalese handelt es sich um eine ‚seconda vendemmia‘, eine Spätlese aus Sizilien. Der erste wäre zu diesem Gericht viel zu mächtig, er ist wie eine dicke Soße. Beim zweiten hingegen kommen die Tannine und die Beerennote zur Geltung, machen ihn irgendwie frisch, so dass man ihn ohne Gefahren trinken kann.“ Und während wir uns dem Zusammenspiel von deftiger Soße und fruchtiger sizilianischer Rebe hingeben, kommentiert Fritz süffisant das Etikett: „Ein grafischer Scherz made in Italy: Liest man den Namen ‚Tascante‘ von hinten, gibt er die Herkunft des Weins preis:‚Etna‘. Für mich als Titanic-Mann ist das nur mittelwitzig und entlockt mir höchstens ein müdes ‚harr harr‘.“
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Kerniges Finale
Ein schwelgerisches „mmmmhhh“ hingegen entlockt uns Bernd Fritz‘ Dessert: Weinbergpfirsiche aus eigenem Anbau. „Die ‚prima materia‘, da ist sie wieder“, sagt er, als er das Glas aufschraubt und die eingemachten Schätze serviert. Ganz ohne Schnickschnack. Keine Sahne, keine Deko aus Sirup, oder, wie im Moment „auf aller Teller“, Balsamico-Creme. Warum auch? Den vollen, fruchtigen Geschmack könnte man allenfalls verschlimmbessern. „Aber der Birnenbrand dazu muss schon sein“, lacht Bernd Fritz und verrät uns sein „Einmach-Geheimnis“: Das traditionelle Verhältnis 1:1, wie es auch seine Großmutter handhabte, hat Bernd Fritz etwas modifiziert: „Ich nehme nur 700g Zucker auf einen Liter Wasser. So habe ich am Schluss eine unverfälschte Fruchtsüße. Außerdem lege ich das Obst mit Haut ein, sie enthält nämlich für den Geschmack wichtige Gerbstoffe. Nur den Flaum rubble ich vor dem Einlegen ab, damit das Naschen keine ‚haarige Angelegenheit’ wird.“ Zum Abschluss vielleicht noch ein paar Tipps vom Gartenkolumnisten Bernd Fritz, wie man – gesetzt den Fall, man hat einen eigenen Garten – solche Köstlichkeiten fachmännisch anbaut? „Es gibt sicher viele gute Ratschläge in Sachen Aussaat, Zurückschneiden und Düngung, um erfolgreich leckeres Obst und Gemüse anzubauen. Und dann gibt es da die Dinge, die entstehen, wenn man sie einfach dem Zufall überlässt. Dazu zählen auch diese Pfirsiche. Ein vor dreißig Jahren achtlos auf die Erde geworfener Kern sorgte dafür, dass wir heute diese Früchte genießen. Das ist purer Darwinismus. Und dass sie so gut schmecken, ist der Beweis für meine These von der ‚prima materia‘.“
Zutaten
150 g Gänsestopfleber vom Block (bien cuit – nicht micuit!), ein kräftiges Baguette-Brot. Tipp: Sehr gute „foie gras“ hat Schlemmermeyer in der Fressgass‘!
Zubereitung
Das Brot in dicke Scheiben schneiden und toasten. Die „foie gras” in vier Scheiben schneiden und mit dem warmen getoasteten Brot servieren.
Zutaten
500 g frische Gnocchi, 1 Glas Trüffelcreme (von schwarzen Trüffeln), eine kleine rohe weiße Trüffel (aus dem Piemont oder der Romagna)
Zubereitung
Die Trüffel in ausreichend Salzwasser bissfest kochen. Die Trüffelcreme in einer Pfanne langsam erwärmen, bis sie vor sich hinsimmert. Die gut abgetropften Gnocchi dazugeben, bis die Creme sie weich ummantelt. Auf vorgewärmten Tellern anrichten und die Trüffel großzügig drüberhobeln.
Zweiter Gang:
Rinderfilet mit Morchelrahm und frischen Tagliatelle
Zutaten
4 kleine Scheiben Rinderfilet aus der Mitte, maximal 3 cm dick
20 g getrocknete Spitzmorcheln (am Abend vorher in 400 ml kaltem Wasser einweichen, am besten in einem Schraubglas)
500 g frische Tagliatelle
125 g Butter (ungesalzen)
200 g Crème fraiche (30 % Fett)
Ein Brühwürfel (ja, es ist wahr!)
Fleur de sel
ZubereitungKompott von Weinbergspfirsichen aus eigenem AnbauDen Spitzmorchel-Sud in einem Topf langsam reduzieren und simmern lassen. Den Brühwürfel dazugeben. Die Morcheln in kleine Stücke schneiden und zum Sud geben. Die Tagliatelle bissfest kochen und gut abtropfen. Butter in einer Pfanne zerlassen und die Filets von jeder Seite circa 1,5 Minuten scharf anbraten. Im vorgeheizten Ofen (90°C) warmstellen. Die Crème fraiche in die Soße rühren, bis sie schön sämig ist. Das Fleisch von beiden Seiten salzen, auf warmen Tellern anrichten, mit der Soße bedecken und die Nudeln daneben anrichten.
Dessert:
Kompott von Weinbergspfirsichen aus eigenem Anbau
Digestif: Ziegler-Brand aus Williamsbirne und Wildbirne
Zutaten
Herrlich süße und saftige Pfirsiche aus dem Fritzschen Garten
Zubereitung
Glas öffnen, die Pfirsiche von der Haut befreien, in Schüsseln geben (ohne mit dem Saft zu geizen!) und genießen.