Der Rosé ist mehr als ein Wein, er verkörpert die Sehnsucht nach ewigem Sommer. Verbunden mit Leichtigkeit, Sinnlichkeit und unbeschwertem Genuss. Zwei Strömungen beherrschen das Genre: Der Rosé als leichter Lifestyle-Drink und der Rosé als Qualitätswein, der ein eigenständiges Geschmackerlebnis auf hohem Niveau bietet.
Noch nie wurde so viel Rosé getrunken, früher war er eher ein SommerGetränk, inzwischen fließt er fast das ganze Jahr über. Noch prägt zwar ein Meer aus Mittelmäßigkeit das Bild, doch neben dem Mainstream strömen immer mehr Rosés auf den Markt, die von seriösem Handwerk zeugen. Wir haben Weingutsbesitzer, Winzer, Weinhändler und Sommeliers gefragt, was für sie einen guten Rosé ausmacht und sehr oft ähnliche Antworten erhalten.
„Ich liebe Rosé, denn eigentlich ist er kein Wein, sondern eine Lebensauffassung. Die guten sind selten, wie so vieles im Leben. Aber es gibt mittlerweile viele gute Rosés, weil auch die Nachfrage und der Anspruch da sind“, meint Hendrik Thoma, Mastersommelier und Weinhändler aus Hamburg. „Aber er darf kein Abfall- oder lapidares Zweitprodukt bei der Rotweinherstellung sein. Für mich muss ein Rosé Charakter haben, dabei kann dieser von leicht bis schwer durchaus variieren.“
Die besten Rosé-Weine



Die Domaine des Féraud erzeugt Rosé-Weine von beispielhafter Art, die Cuvée Prestige ist aromatisch, finessenreich, dezent kräuterwürzig und wird umweht von Limone und Pfirsich. Schon beim ersten Schluck fühlt man sich wie im Urlaub. Der Rosé basiert auf den Rebsorten Cinsault, Grenache, Syrah, Cabernet Sauvignon und Rolle (entspricht Vermentino). Das Weingut ist seit 2011 im Besitz des Hamburgers Markus Conrad, der die Qualität der Weine von Jahr zu Jahr steigern konnte und inzwischen zu Hundertprozent biologisch bewirtschaftet. Er ist nicht der Einzige, der wegen seiner Liebe zur Provence in Südfrankreich heimisch wurde.
Mit kleinen Französischkenntnissen und großen Träumen kam das deutsch-englische Paar Jeany und Stephen Cronk 2009 aus London in der Provence an, um zehn Jahre später die Maison Mirabeau zu gründen, die Rosé in authentischer Bestform zeigt. Das Bilderbuchweingut liegt in Cotignac unweit von St. Tropez in einem Naturschutzgebiet aus Rebland, Korkeichen, Pinien und Kastanienhainen. Die Domaine bewirtschaftet 14 Hektar, die vorwiegend Grenache (rot), Cinsault (rot) und Rolle (weiß) hervorbringen.
Das Klima ist mediterran, sehr sonnig, mit heißen Sommern und trockenem Ostwind. Die Landschaft dagegen unterscheidet sich von den meisten Gebieten der Provence. Statt niedriger Garrigue-Sträucher dominieren immergrüne Maquis-Büsche das steinige Terroir aus rosa Sandstein und sandigen Böden.
Im Glas schimmert genau jenes Zartrosa, das man sich bei einem Rosé-Wein vorstellt und dem der Duft und die Sinnlichkeit der Provence entspringt. Mirabeau hat sich ganz auf Rosé spezialisiert, die verschiedenen Sorten weichen voneinander ab, tragen jedoch alle die gleiche Handschrift: duftig, geschmeidig, elegant und so harmonisch, wie man sich das ganze Leben wünscht. Sie lächeln freundlich, aber in einer erfreulich trockenen Art, denn alle Weine haben unter einem Gramm Restzucker, was Geschmack und Bekömmlichkeit steigert.
Der fabelhafte Mirabeau Rosé Classic offenbart alles, was ein erstklassiger Wein dieser Provenienz an Eigenschaften mitbringen sollte. Er ist feinsinnig und anregend, seidig und saftig, blitzblank sauber und so anschmiegsam, dass er lange im Mund bleibt. Über allem schwebt ein Hauch von Pfirsich, Himbeere und Erdbeere, pointiert durch frische Kräuter und einen Touch Minze. Beim Pure, dem Publikumsfavoriten, dominiert trotz seines zarten Blütendufts eine salzige Mineralität.
Der Mirabeau Etoile ist seelenverwandt mit dem Classic, wirkt jedoch etwas kräftiger und dichter. Einer der schönsten Weine im Sortiment ist der Coteaux d´Aix en Provence X, ebenfalls aus dem aktuellen Jahrgang 2022. Ein Wein im Negligé. Verführerisch zart und luftig, voll sommerlicher Frische, mit brillantem seidigen Schliff und reizvollen Aromen aus Himbeeren, Mandarinen und Provencekräutern. Ein unglaublich guter Rosé für karitative 10 €.
In einem Gespräch mit uns erklärt Jeany Cronk, wie die Mirabeau Rosés entstehen und was die Provence auszeichnet. „Der Erfolg rührt nicht allein daher, weil die Provence eine magische Region ist. Hier arbeiten auch die bei Weitem ambitioniertesten Menschen an diesem Sujet.“ Man kann es riechen, schmecken, fühlen: Nirgendwo finden die Leichtigkeit des Seins und Qualität so nonchalant zusammen. Für Jeany muss ein guter Rosé vor allem multidimensional und geschmacklich ganz ausgewogen sein. „Saubere Fruchtaromen, mineralische Struktur und eine gute Balance aus Frucht und integrierter Säure sind extrem wichtig.“
„Der Erfolg rührt nicht allein daher, weil die Provence eine magische Region ist. Hier arbeiten auch die bei Weitem ambitioniertesten Menschen an diesem Sujet.“ – Jeany Cronk, Maison Mirabeau
Die Mirabeau-Rosés kommen aus den besten Anbaugebieten der Provence, der „Appellation d´Origine Protégée“ (AOP), wie die geschützte Ursprungsbezeichnung heißt. „Wir arbeiten hauptsächlich mit den klassischen hitzebeständigen roten Rebsorten der Region – elegantem Grenache, saftigem Syrah und leichtem Cinsault.“ Auf dem Weingut wird nach der Abpress-Methode gekeltert, es gibt nur sehr wenig Kontakt mit der Traubenschale, um helle und elegante Rosé zu erzeugen.
Rosé-Wein wird aus roten Trauben hergestellt. Das Fruchtfleisch ist wie bei Weißweintrauben hell, nur die roten Farbpigmente in der Schale der Rotweintrauben geben dem Rosé seine Farbe. Bei der Maischegärung werden die Schalen nach nur wenigen Stunden vom Traubensaft getrennt. Das ist Technik und noch keine Hexerei. Die eigentliche Herausforderung ist die Assemblage, bei der eine Cuvée aus mehreren Sorten, Jahrgängen oder Fässern entsteht.
Fast die Hälfte der in Deutschland verkauften Rosé-Weine stammt aus heimischer Erzeugung, danach folgen mit jeweils 13 Prozent Marktanteil Weine aus Frankreich und Spanien. Das Deutsche Weininstitut bemerkt einen Trend zu höherwertigen Rosé-Weinen und eine Entwicklung zu einem nahezu ganzjährigen Konsum. In den Exportmärkten wird weltweit eine Absatzsteigerung verzeichnet, in Großbritannien gar um 22 Prozent. In Norwegen, Schweden oder Dänemark hat sich der Konsum teilweise verdreifacht. Sogar Finnland, wo gerne Hochprozentiges getrunken wird, hat den Rosé entdeckt, wobei inzwischen auch Polen als Zukunftsmarkt eingestuft wird. Nur in China und Japan kann man dem Rosé noch nicht soviel abgewinnen.
Einen Beitrag zum Erfolg, was Marketing und Absatz anbelangt, haben Promi-Rosés geleistet, deren Qualität so gut wie immer deutlich unter deren Bekanntheitsgrad liegt. Das Provence-Weingut Miraval, das sich im Besitz von Brad Pitt befindet (Angelina Jolie hat ihren Anteil verkauft), gehört zu den bekanntesten Beispielen (Preis: 19,80 €). Ob in den Beach Clubs dieser Welt oder bei hippen DJ-Events, es wird das getrunken, was eine lustige Farbe hat, sei es noch so dropsig.
Dabei gibt es weltweit bemerkenswerte Beispiele für die positive Entwicklung auf dem Markt der Rosé-Weine. Auf der einzigartigen Wein-Insel Lanzarote hat man mit dem Soco Rosado von Puro Rofe einen herausragenden, knochentrockenen und nach salziger Meeresluft schmeckenden Rosé aus roten und weißen Trauben erzeugt, wie es ihn so nirgendwo auf der Welt gibt.
Kalifornien ist eher für wuchtige Weine bekannt, der Rosé von Matthiasson aus dem Napa Valley ist so schlank, knackig und niedrig im Alkohol, dass der Trinkfluss kaum zu stoppen ist.
In Portugal hat sich die Quinta de Soalheiro einen guten Namen gemacht, nicht zuletzt wegen des Mineral Rosés, der mit seiner frischen Mineralität ein Durstlöscher auf hohem Niveau ist. Meist wird Rosé im Edelstahltank ausgebaut, Holzfass, Beton und Amphore kommen nicht allzu häufig zum Einsatz.
Aus Sardinien ist mit dem Conte Lemár ein neuer Rosé auf den Markt gekommen, der eine Brücke schlagen will zwischen Easy to Drink Lifestyle-Getränk und Qualitätsprodukt. Markenbotschafterin Kim Le aus Zürich sieht in dieser Assemblage aus Cannonau und Vermentino mehr als einen Terrassenwein, wobei seine Aufmachung gerade dafür besonders geeignet erscheint.
Martine Debaeke, die Leiterin der großen Weinabteilung von Scheck-in in Frankfurt, hat viele Rosés im Sortiment, der vom Topwinzer Alexander Laible aus dem badischen Durbach erzeugte „Unterm Radar“ genießt eine Sonderstellung, weil aus Deutschland nicht gerade im Überfluss gute Rosé-Weine kommen. Dieser Sonderling aus Spätburgunder und etwas Blaufränkisch ist saftig und besticht durch seine trockenen und nicht kitschigen Aromen von Walderdbeeren, Himbeeren und Kräutern.
„Ein guter Rosé muss Trinkfreude verkörpern.“ – Alexander Laible
Der Winzer Alexander Laible meint, dass ein guter Rosé Trinkfreude verkörpern muss und maximal 12,5 % Alkohol haben darf. „Man will ja auch eventuell eine zweite Flasche trinken.“ Laible ist sich sicher, dass in Deutschland beste Voraussetzungen für einen Rosé gegeben sind, da hier im Herbst kühle Nächte herrschten und somit die Trauben sehr viel mehr Frucht besitzen würden als in südlicheren Regionen. „Der Rosé Unterm Radar wird in Edelstahl ausgebaut und nicht im Holz, um die verschiedenen Fruchtnuancen perfekt herauszuarbeiten.“
Kai Schattner, der einst als Sommelier in der Ente im Nassauer Hof in Wiesbaden für einen der besten Weinkeller Deutschlands verantwortlich war, ist seit vielen Jahren Weinberater im Frankfurter Frischeparadies. „Aktuell ist gefühlt jede zweite Flasche ein Rosé, die hier rausgeht.“ Kai Schattner sieht Rosé-Weine durchaus mit kritischer Ironie, für ihn sind sie so etwas wie die Weiterentwicklung des Aperol Spritz. „Komischerweise geben die Deutschen ohne Probleme 15 Euro und mehr für eine Flasche Rosé aus, während ein Riesling oder Weißburgunder am besten immer unter 10 Euro zu haben sein sollte.“
Das Frischeparadies hat zur Zeit 20 verschiedene Rosé im Programm, der Marchandise aus der Provence ist der Bestseller. Er schmeckt nach praller Lebensfreude, wie man sie kaum besser in einem Rosé erleben kann. Solche Weine bedürfen keiner rosaroten Brille, um sie in besserem Licht erscheinen zu lassen, sie sind einfach gut und machen den Sommer noch schöner.
Der Weinmacher vom Niersteiner VdP-Weingut St. Antony
Dirk Würtz ist hierzulande einer der größten Streiter für eine neue Sicht auf Rosé. Der Weinmacher vom Niersteiner VdP-Weingut St. Antony präsentierte 2018 den Rosé „Love & Hope“ mit einem Etikett von Streetart-Künstler Banksy und arbeitete mit Musiker Thomas Anders am „Wunderschön Anders Rosé“. Mit dem „Wunderschön Pure“ hat er einen Premium-Rosé für 125 € auf den Markt gebracht.
Herr Würtz, was macht einen guten Rosé aus?
Ein guter Rosé ist ein Wein, der in allererster Linie als Rosé auch hergestellt wird und kein Verlegenheitsprodukt ist, weil die Trauben für den Rotwein nicht gut genug waren. Rosé hat es verdient, gut und handwerklich einwandfrei hergestellt zu werden. Wenn das der Fall ist, dann kann Rosé alles. Vom klassischen und spaßigen Terrassenwein bis hin zum Ultra-Premium-Produkt, das über viele Jahre in der Flasche reifen kann.
Im letzten Jahr hatten wir die Möglichkeit, bei einer exklusiven Blindverkostung in Wiesbaden die besten Rosés der Welt zu vergleichen. Was ist ihr Fazit?
Wieder einmal sind die Franzosen uns voraus. Sie kombinieren in ihren Top-Rosés Lifestyle, Marke, Luxus und beste Qualität. Das Ganze relativ unaufgeregt und dass das ein Rosé ist, kann man bei den absoluten Spitzen nur noch ganz schwach erahnen. Die Farbe ist mehr oder minder weg. Letzteres finde ich persönlich eher schade, den Rest ziemlich grandios.
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