Er zählt zu den bedeutendsten zeitgenössischen Künstlern Deutschlands, ist Prorektor der Frankfurter Städelschule und wurde unter anderem 2009 bei der Biennale in Venedig mit dem Goldenen Löwen ausgezeichnet. Was viele jedoch nicht wissen: Tobias Rehberger ist auch ein Künstler am Herd. Für Top Magazin Frankfurt zauberte er ein sternewürdiges Drei-Gänge-Menü. Und schnell wurde aus unserem „Promikochen“ ein kulinarisch-kunstvolles Happening.
Was für eine Einkaufsliste! Als wir sie sahen, was Tobias Rehberger für sein Menü benötigen würde, dachten wir kurzzeitig daran, ihn um etwas Simpleres zu bitten. Doch wie sollten wir? Die Zutaten klangen einfach zu gut. Und wir waren gespannt, was der gebürtige Schwabe (denen ja das Kochen bekanntlich im Blut liegt), aus so exotischen Ingredienzien wie Thaibasilikum, Kaffirlimettenblättern und Zitronengras in Kombination mit bodenständig Herbstlichem wie Wild und Pilzen zaubern würde.
Ganz zu schweigen von der Hagebuttenmarmelade! Also trafen wir ihn in einer der wohl außergewöhnlichsten Küchen Frankfurts: dem Atelier von Douglas Gordon, der an der Städelschule Film lehrt und dessen „Klassenraum“ nicht bloß eine Profiküche mit Gasherd beherbergt, sondern auch einen Flügel…
Imagine!
Tobi (das „Sie“ legt man an der Schwelle zur Städelschule automatisch ab) gefällt der Claim zu unserer aktuellen Ausgabe. Imagine „Eine Aufforderung zum kreativ sein. Das sollte für jeden Bereich des Lebens gelten“, sagt er und fängt an, die Küche nach den passenden Pfannen und Töpfen zu inspizieren.
Und ehe wir ihn fragen können, mit was er denn anfängt oder welche Mengen er braucht (die standen nämlich nicht auf der dreiseitigen Liste!), sagt er: „Imagine! Das gilt auch fürs Kochen. Ich bin niemand, der sich strikt an Rezepte hält. Manchmal gibt der Kühlschrank vor, was es gibt. Und ich werde jetzt einfach versuchen, das Beste draus zu machen.“
Von kunstvollen Brücken und flauschigen Schupfnudeln
Tobi ist also, was das Kochen betrifft, eher impulsiv, folgt seiner Inspiration. Doch wie ist das mit der Kunst? „Am Anfang steht natürlich immer die Idee. Oder die Vorstellung, etwas machen zu können oder zu wollen“, sagt er, während er den leuchtend orangefarbenen Teig für seine Schupfnudeln knetet. „Doch natürlich zählt für die Umsetzung vor allem das Handwerk. Das ist auch beim Kochen so.“
Er lässt die kurz in Salzwasser gezogenen Schupfnudeln langsam in einer Schüssel mit Butter kreisen, bis sie einen verführerischen Glanz annehmen. Dann steckt er sich eine in den Mund und sagt: „Sind die nicht schön flauschig?“ Das sind sie in der Tat. Auch wenn er weder Messbecher noch Küchenwaage benutzt hat, ist ihm der Teig – „das Geheimnis ist die Crème Double!“ – perfekt gelungen.
So instinktiv kann man aber doch wohl nicht vorgehen, wenn man beispielsweise Kunst kreiert, die auch von Menschen genutzt werden soll, wie sein prämiertes Café auf der Biennale oder aber die jüngst eröffnete Brücke in Oberhausen. „Dem Impuls und dem darauf basierenden Entwurf folgt natürlich immer eine exakte Planung. Die Brücke oder aber das von mir entworfene Haus im Garten des Museu Serralves in Portugal unterlagen in ihrer Umsetzung natürlich auch den Gesetzen des physikalisch Machbaren. Ich mag solche Grenzgänge zwischen Kunst, Design und Architektur. Ich mag Kunst zum Anfassen.“
Austria meets Thailand
Mittlerweile duftet es unwiderstehlich nach den kräftigen Saucen, zerlassener Butter und den frischen Kräutern, die Tobi grob hackt und mit den gebratenen Pilzen vermengt. Das lockt Schau- und Esslustige durch die offen stehende Tür des Ateliers an, und so gesellen sich Rektor Nikolaus (ja, das „Du“ gilt hier für alle!), der künstlerische Koordinator Jonas, Sekretärin Martina und einige Studenten zu uns. „Es ist genug für alle da“, sagt Tobi und bestätigt, was wir bereits bei unserem ersten Besuch in der Städelschule erlebt haben: Hier herrscht ein großer Gemeinschaftssinn, ein freundschaftlicher Umgang zwischen Studenten und Lehrkörpern.
Die Kunst der Interaktion! „Das wusste ich auch während meines eigenen Studiums hier zu schätzen“, erzählt Tobi und teilt generös den Wein, den wir mitgebracht haben – ein spritziger Weißer von Heymann-Löwenstein, der perfekt zu den exotischen Kräutern und der Hagebutten- Süße der Wildsauce passt. Natürlich wollen wir wissen, wie die Idee zu der verwegenen Mischung entstanden ist. „Meine Lieblingsküchen sind die thailändische und die österreichische“, verrät Tobi. „Dieses Gericht vereint die Geschmacksvielfalt der Kräuter und Gewürze mit rustikaler Hausmannskost.“
Und wenn er nicht selbst kocht, wo in Frankfurt isst der Künstler dann seine Lieblingsspeisen? „Ich bin ein großer Fan von Mario Lohningers moderner österreichischer Küche. Und der beste Thailänder der Stadt ist für mich Udon Thai in Sachsenhausen.“
Art-Life-Balance in FFM
Tobias Rehberger lebt, arbeitet und isst gerne in Frankfurt, sagt er. Doch seine Zukunft in der Mainmetropole ist, als wir ihn zum gemeinsamen Kochen treffen, nicht ganz klar: Nachdem er die Räume für sein Studio im Holzgraben im Oktober räumen muss, hat er noch keinen passenden neuen Ort gefunden und hatte bei Interviews verlauten lassen, dass er einen Umzug nach Berlin, wo er ebenfalls eine Wohnung hat, nicht ausschließe. „Dort ist es auf jeden Fall leichter, ein geeignetes Atelier zu finden“, bestätigt er und räumt ein, dass er jedoch nur sehr ungern wegziehen würde.
„Frankfurt ist eine Großstadt im Kleinformat. Sie gilt vielleicht nicht als Kunstmetropole, doch herrscht hier eine angenehm arbeitsame Atmosphäre. Im Gegensatz zu Berlin, wo man niemanden vor 11 Uhr morgens anzurufen braucht. Außerdem finde ich es ganz schön, hier nicht an jeder Ecke auf einen Kollegen zu treffen.“
Als wir uns über die Reste des himmlischen Nachtischs hermachen – ebenfalls trotz völliger Missachtung irgendwelcher Maßangaben perfekt gelungen! -, klingelt Tobis Handy. „Douglas Gordon. Er fragt, wie schlimm das Chaos ist“, sagt er und blickt schmunzelnd auf das Durcheinander aus Töpfen, Pfannen und Schüsseln sowie die improvisierte Ess- Theke auf dem Flügel. „Außerdem lässt er ausrichten, dass wir das nächste Mal bitte mit ihm zusammen kochen sollen.“ Ein nächstes Mal? Immer wieder gern. Und natürlich hier in Frankfurt!
Tobias Rehbergers Rezepte (Für 2 Personen)
Vorspeise: Herbstlicher Pilzsalat
Zutaten:
ca. 400 g Steinpilze, ca. 200 g Pfifferlinge, apulisches Weißbrot (einen Tag alt), 400 ml (2 Gläser) Kalbsfond, asiatische Fischsauce, ca. 100 g Jasminreis, 1 Bund Zitronengras, eine Handvoll Kaffirlimettenblätter, 1 Stück frischer Ingwer (nach Belieben), 1 Bund Thaibasilikum, 1 Bund Minze, 1 Bund Koriander, 1 rote Chilischote, 2 ganze Eier + 5 Eigelb, 1 Limette (Saft + Zesten), 1 Prise Zucker, Pfeffer aus der Mühle, grobe Pfefferkörner, Butterschmalz, Olivenöl, Salz
Zubereitung:
Das Weißbrot in grobe Fetzen reißen (eine Handvoll pro Person), auf ein Backblech legen und mit etwas Olivenöl beträufeln. Bei ca. 150° so lange im Ofen lassen, bis es knusprig ist. Den Fond in einem Topf langsam auf die Hälfte reduzieren. Ingwer, Chili und die nicht holzigen Teile des Zitronegrases (alles fein gehackt) hinzugeben. Zwei bis drei Kaffirlimettenblätter dazugeben und langsam bei kleiner Flamme weiter köcheln lassen. In einer Pfanne ohne Öl den Reis anbraten, bis sich Röstaromen bilden. Den gebackenen Reis mit ein paar Pfefferkörnern und etwas Salz in einen Mörser geben und (nicht zu fein!) mörsern. Die gesäuberten Steinpilze und Pfifferlinge in kleine Stücke schneiden und in einer Pfanne mit Butterschmalz goldbraun anbraten. In einer anderen Pfanne mit Butterschmalz aus 2 geschlagenen Eiern und 5 Eigelb + Salz ein goldgelbes Rührei braten. Den Fonds mit Fischsauce, Zucker und Salz abschmecken. Einen Spritzer Limettensaft sowie ein paar Zesten hinzufügen. Grobgehackte Minze, Koriander und Thaibasilikum unterrühren. Das aufgebackene Brot ebenfalls mit etwas Limette und Fischsauce beträufeln und gut durchmischen. Brot und Pilze sowie den Knusperreis mit dem Dressing verrühren, das Ganze nach Belieben pfeffern und mit dem warmen Rührei servieren.
Hauptspeise: Dreierlei Wild mit Kürbis-Schupfnudeln
Zutaten:
jeweils 2 Filets vom Reh,Wildschwein und Hirsch, rote Thai-Chilipaste, asiatische Fischsauce, frischer Ingwer, ein paar Kaffirlimettenblätter, eine Handvoll Knoblauchsprossen, 800 ml (2 Gläser) Wildfond, Ahornsirup, Hagebuttenmarmelade, 1 Pck. Crème Double, 1 kleiner Hokkaido Kürbis, 500 g mehlig kochende Kartoffeln, etwas Weizenmehl, 1 Limette, 1 Ei, Butter, Butterschmalz, Zucker, Salz, Pfeffer aus der Mühle
Zubereitung:
Den Kürbis teilen, die Kerne entfernen und in groben Spalten auf einem Backblech verteilen. Das Ganze so lange in den auf ca. 150 g vorgeheizten Ofen geben, bis das Fleisch weich ist und sich von der Schale lösen lässt. Die geschälten Kartoffeln in Salzwasser weichkochen. Kürbismasse und Kartoffeln salzen und mit der Hälfte der Crème Double sowie einem Ei zu einer geschmeidigen Masse zerstampfen. Mit etwas Mehl daraus Schupfnudeln formen und mit Mehl bestäubt an einem kühlen Ort beiseite stellen. Den Fond mit Kaffirlimettenblättern und zerhacktem Ingwer (nach Belieben) langsam reduzieren. Währenddessen die Schupfnudeln in reichlich kochendem Salzwasser kurz ziehen lassen und dann in einer Schüssel mit Butter schwenken, bis sie geschmeidig glänzen. Das Fleisch in einem Bräter mit Butterschmalz von allen Seiten scharf anbraten, salzen und pfeffern und im vorgeheizten Ofen garen lassen, bis es innen noch rosa ist. Währenddessen die Schupfnudeln in einer Pfanne goldbraun anbraten und die reduzierte Sauce mit Ahornsirup, Limettensaft, Zesten, Zucker, Salz, Chili- und Fischsauce abschmecken. Ein paar Löffel Hagebuttenmarmelade sowie die restliche Crème Double unterrühren. Das Fleisch mit der Sauce und den Schupfnudeln auf warmen Tellern anrichten, pfeffern und mit den Knoblauchsprossen garnieren.
Nachspeise: Städelschul-Tiramisù
Zutaten:
4 Schälchen Crema Catalana (aus dem Kühlregal), Cantuccini, 2 Birnen, 1 Becher Schmand, 1 Becher Sahne, 1 Tüte Studentenfutter (mit nicht zu vielen Rosinen), Amaretto, Zucker, Backpapier
Zubereitung:
Vielen Dank an:
Städelschule Frankfurt für die Bereitstellung des Ateliers von Douglas Gordon.
Scheck-In Center Frankfurt für die Zutaten.
www.scheck-in-center.de
Wild Schmidt Oeder Weg Frankfurt für das Fleisch von Reh, Hirsch und Wildschwein.
Meyer‘s Restaurant & Bar für den Schieferterrasse 2009, Weingut Heymann-Löwenstein.
www.meyer-frankfurt.de