Johann Lafer gehört zu den besten Köchen Deutschlands. Bekannt wurde er durch diverse Fernsehshows und eigene Kochbücher, mit seinem Restaurant und seiner Kochschule hat er sich längst einen Namen gemacht. Mit Top Magazin Frankfurt sprach der sympathische Österreicher als „Prominenter am Herd“ über die Anfänge seiner Leidenschaft für das Kochen und erklärte, warum es auf die kleinen Dinge im Leben ankommt. Text: Johanna Müdicken Fotos: Michael Hohmann
Sanft schmiegt sich die kleine, rheinland-pfälzische Gemeinde Guldental zwischen die Weinberge. Jetzt, Anfang November, präsentieren sich diese, getaucht ins goldene Licht der letzten kräftigen Sonnenstrahlen des Jahres, noch einmal von ihrer schönsten Seite. Ruhig und beschaulich ist es hier, wo einer der bekanntesten Köche Deutschlands lebt und arbeitet.
Wir treffen Johann Lafer in seiner Kochschule Table d’Or, die inmitten des Städtchens liegt. Gerade noch hat ein Seminar für Brot-Sommeliers stattgefunden, die Lafer herzlich verabschiedet, um sich dann voll auf unser heutiges Vorhaben zu konzentrieren – der Sternekoch wird uns in die hohe Kunst der Pâtisserie einführen.
Auf dem Plan steht „Schokoladenschaum im Schokoladennetz“ – ein Dessert, bei dem uns schon allein beim Hören des Namens das Wasser im Mund zusammenläuft. Kurz begutachtet Lafer die Zutaten, die auf der großen Arbeitsfläche vor ihm ausgebreitet sind – „gut, alles da“, befindet er und setzt das Wasserbad auf, in dem kurz darauf die Bitterschokolade geschmolzen wird. „Immer schön aufpassen, dass die Temperatur stimmt“, wirft der gebürtige Österreicher ein und misst kurzerhand mit einem Thermometer nach.
Dass ihm das gründliche Arbeiten sehr am Herzen liegt, wird schnell deutlich – schließlich zählt er nicht umsonst zu den besten Köchen des Landes. Seine Arbeit als Küchenchef im „Le Val d’Or“, dem Restaurant seiner heutigen Frau Silvia, brachte dem Lokal nach seinem Einstieg 1981 schnell den zweiten Stern ein.
Inzwischen leitet er das „Le Val d’Or“, das sich nun auf der Stromburg befindet, gemeinsam mit seiner Frau. In seiner Laufbahn schrieb er dutzende Kochbücher und trat in tausenden Kochsendungen auf, unter anderem brillierte er zusammen mit Horst Lichter in der beliebten ZDF-Show „Lafer! Lichter! Lecker!“
„Ich liebe meinen Beruf und bin auch nicht müde geworden, im Gegenteil.“
Dass Lafer neben Auszeichnungen wie der zum „Fernsehkoch des Jahres 2006“ oder dem Erhalt von 18 Punkten im Gault-Millau 1987 bereits 1980 als bester deutscher Pâtissier prämiert wurde, wundert uns nicht, als wir ihm bei seinen gekonnten Handgriffen zusehen. Unter ständigem Rühren und mit flinken Bewegungen landen weitere Schokoladenstücke in der Schüssel, die aus dem Wasserbad genommen wird. Bei genau 25 Grad angelangt, wandert das Schüsselchen wieder ins brodelnde Wasser. „Jetzt muss die Wärme auf genau 32 Grad steigen“, erklärt der Sternekoch und macht einen zufriedenen Eindruck, als die Temperatur erreicht ist. Pâtisserie bedeutet nun mal Perfektion.
Buch-Tipp
- Lafer, Johann (Author)
Von der Rolle
„Ich hatte als Kind ein wirklich einschneidendes Erlebnis“, beginnt Lafer von den Anfängen seiner Liebe zur Backkunst zu berichten. „Wir haben in der Steiermark, wo ich aufgewachsen bin, die Tradition, Besuchern einen ‚Mehlspeisenteller‘, also einen Plätzchenteller anzubieten. Auf dem werden dann gerne die persönlichen Spezialitäten präsentiert. Und eine der Spezialitäten meiner Mutter war immer die Biskuitroulade. Das ist zwar eigentlich eine recht einfache Süßspeise, die aber nicht ganz einfach zu backen ist“, erzählt er, während er vier kleine Metallringe auf der Arbeitsfläche platziert. „Wenn diese Biskuitroulade einen Riss hatte, dann war meine Mutter drei Tage lang ungenießbar. Das hat mich dermaßen beschäftigt: Warum war das für sie so schlimm? Die Rolle hat dadurch ja nicht anders geschmeckt.
Ich habe dann aus lauter Verzweiflung meine Tante gebeten, dass sie mir bei ihrem nächsten Besuch eine Rührschüssel und einen Schneebesen mitbringt. Und dann habe ich mit neun Jahren angefangen, selber zu backen – einfach, um meine Mutter verstehen zu können. Ich habe natürlich festgestellt, dass das, was ich mache, schlechter ist als das Gebäck meiner Mutter“, lacht er. „Aber ich habe ab diesem Zeitpunkt begonnen, mich für das Backen zu interessieren.“ Generell habe er dadurch, dass er auf einem Bauernhof groß geworden sei, den Respekt vor Lebensmitteln mit auf den Weg bekommen. „Das hat mich sehr geprägt und ich habe diesem Umstand viel zu verdanken. Ich liebe meinen Beruf und bin auch nicht müde geworden, im Gegenteil“, betont Lafer, der etwa im kommenden Jahr als kulinarischer Direktor ein Kreuzfahrtschiff übernehmen wird.
Inzwischen hat er eine Dokumentenhülle in gleichlange Streifen geschnitten, so dass sie genau in die Metallringe passen. Jetzt wird die flüssige Schokolade mit Hilfe einer Spritztüte gitterförmig auf die Folien gespritzt – gar nicht so einfach, wie wir feststellen, als wir es selbst probieren. Bei Johann Lafer sieht das irgendwie anmutiger aus – schwungvoll verteilt er die Kuvertüre zu einem perfekten Muster auf dem Stück Folie. Bei der Frage, ob er sich heute denn eher als Pâtissier oder Koch sieht, will sich Lafer nicht entscheiden.
„Ich würde schon sagen, dass Desserts meine Leidenschaft sind. Mein Tun ist aber sehr facettenreich und hat mit dem gesamten Spektrum von Ernährung zu tun“, erklärt er. „Natürlich ist ein schöner Nachtisch nach wie vor der krönende Abschluss eines Menüs. Ich bin selbst jemand, der kaum auf ein Dessert verzichten kann, dafür verzichte ich dann lieber mal auf ein Zwischen- oder Hauptgericht. Aber generell esse ich Süßigkeiten eigentlich gar nicht so gerne, da genehmige ich mir lieber etwas Herzhaftes wie Avocado oder Fleisch.“
„Wenn man selbst sein bester Kunde ist, wird es irgendwann problematisch.“
Mit der Schokoladenseite nach innen werden die Folien jetzt hochkant in die Metallringe gestellt. Im Kühlschrank kühlen sie nun etwa eine halbe Stunde ab. Wir naschen ein wenig von der übriggebliebenen Schokolade. Ob es ihm schwerfalle, bei all den Leckereien, die er zaubert, nicht ständig davon zu naschen? „Schauen Sie mich doch an“, antwortet Lafer schmunzelnd und streicht über seinen Bauch. „Natürlich, wenn man den ganzen Tag von solchen Dingen umgeben ist, muss man sich schon etwas zügeln. Wenn man selbst sein bester Kunde ist, wird es irgendwann problematisch.“ Aber selbst wenn der Gourmet-Koch tagsüber doch mal über die Stränge schlagen sollte – abends kommt dafür nur Simples auf den Tisch. „Wenn ich nach Hause komme, habe ich die Angewohnheit: Der Hund drei Scheiben Wurst, ich zwei.“
Buch-Tipp
- Lafer, Johann (Author)
Auf den Hund gekommen
Während es nun mit der Zubereitung des Schokoladenschaums ans Eingemachte geht, reden wir weiter über persönliche Ernährungsvorlieben. So berichtet Lafer von seinem Lieblingsessen – dem Schnitzel, das seine Mutter früher immer zubereitete – und von einem der wenigen Dinge, die ihm nicht auf den Teller kommen. „Ich hatte lange eine Freundin und deren Eltern waren absolute Hering- und Matjesfans. Das habe ich wirklich hassen gelernt – damit kann man mich sehr weit jagen.“ Er schmilzt weitere Schokolade und schlägt nebenher ein Ei zusammen mit etwas Wasser zunächst über dem warmen Wasserbad auf, bevor er die Schüssel wieder von der Hitze nimmt und weiter rührt.
Was macht Johann Lafer eigentlich, wenn er mal nicht hinter dem Herd steht? „Zum einen bin ich leidenschaftlicher Helikopter-Pilot“, erzählt der „Koch des Jahres“ von 1997, der passenderweise künftig bei Singapore Airlines über den Wolken auftischen wird. „Zum anderen ist es unser Hund, der mir besonders viel Freude bereitet. Den wollte ich am Anfang eigentlich gar nicht haben – er war einmal der sehnlichste Wunsch unserer Tochter, die inzwischen in London lebt, und den ihr meine Frau damals gegen meinen Willen erfüllt hat.“
Lafer gibt die flüssige Schokolade sowie etwas Rum zum Eischaum und wirkt dabei etwas nachdenklich. „Letztens bin ich mit meinem Sohn und dem Hund in den Weinbergen spazieren gegangen“, berichtet er. „Wir haben uns unterhalten, dabei ein paar Weintrauben genascht. Ich habe gemerkt, dass solche sinnlichen Momente in den letzten Jahren leider zu kurz kamen. Irgendwann sind die Kinder aus dem Haus und manches lässt sich nicht mehr nachholen. Ich arbeite daran, diese Momente wieder öfter zu erleben. Heutzutage versuche ich alles, um abends nach Hause zu kommen und im eigenen Bett zu schlafen. Ich bin nicht mehr derjenige, der gerne drei Tage lang weg ist.“
Ein Traum aus Schaum
Jetzt wird steif geschlagene Sahne unter die Schokoladenmasse gehoben und in eine Spritztüte gefüllt. Die inzwischen abgekühlten Schokoladengitter werden vorsichtig aus den Ringen und von den Folienstreifen gelöst. In die so entstandenen süßen Fassungen wird nun das Schokoladenmousse gefüllt – schon jetzt sieht das Dessert beeindruckend aus. „Ohne einen guten visuellen Eindruck zu schaffen, geht es heute nicht mehr“, stellt Lafer fest und beginnt, den Schaum mit Himbeeren zu garnieren.
„Ich bin froh, dass ich damals den Mut hatte, die Menschen für eine neue Art von Nachtisch zu begeistern.“
„Das Auge isst immer mit. Wenn ein Kellner kommt und sagt: ‚Das sieht vielleicht nicht toll aus, schmeckt dafür aber super‘, dann stellt das heutzutage keinen Gast mehr zufrieden.“ Im Bereich der Desserts sei er einer der ersten gewesen, dem das attraktive Anrichten ebendieser besonders wichtig gewesen sei, erzählt er. „Ich habe Ende der 70er begonnen, auch das Dessert schön angerichtet und großzügig auf einem großen Teller zu präsentieren. Das hat sich heute weltweit etabliert, kleine Schälchen wie früher gibt es glücklicherweise kaum noch. Ich bin froh, dass ich damals den Mut hatte, den Fokus auf die nur am Rande servierten Desserts zu lenken und die Menschen für eine neue Art von Nachtisch zu begeistern.“
Johann Lafer gibt noch etwas Himbeersoße um das Schokoladennetz herum, mit viel Fingerspitzengefühl platziert er ein Blättchen Melisse und – als krönenden Abschluss – ein wenig Blattgold auf dem süßen Kunstwerk. „Jetzt müssen Sie aber endlich probieren!“, ruft er und zückt die Löffel. Kurz darauf zergeht uns das lockerluftige Dessert zartschmelzend im Mund. Wir können nur zu dem Ergebnis kommen: Johann Lafer beherrscht die hohe Kunst der Pâtisserie wie kein Zweiter.
Rezept (für sechs Personen)
Schokoladenschaum im Schokoladennetz
Zutaten:
180 g Bitterschokolade 70 %
1 Ei
2 EL Rum
320 g Sahne
Einige Himbeeren
Blattgold
Einige Blätter Melisse
Nach Belieben Himbeersoße (selbst püriert oder fertig gekauft)
6 Metallringe (Höhe: 4 cm, Durchmesser 6 cm)
1-2 Dokumentenhüllen
Zubereitung:
Für das Schokoladennetz 70 Gramm Schokolade feinhacken. Über dem Wasserbad bei milder Hitze (ca. 45 Grad) schmelzen. Vom Wasserbad nehmen, weitere 30 Gramm feingehackte Schokolade hinzugeben. Unter ständigem Rühren auf 25 Grad abkühlen lassen. Dann über dem Wasserbad erneut auf ca. 32 Grad erwärmen.
Die Dokumentenhülle so in Streifen schneiden, dass sie genau in die leeren Ringe passen. Die Folienstreifen dann mit Hilfe einer Spritztüte mit der Kuvertüre gitterförmig bespritzen. Folien mit der Schokoladenseite nach innen hochkant in die Ringe stellen. Im Kühlschrank ca. eine halbe Stunde abkühlen lassen.
Für den Schokoladenschaum 80 Gramm Bitterschokolade schmelzen. Ein Ei mit zwei Esslöffel Wasser über dem warmen Wasserbad aufschlagen. Vom Wasserbad nehmen und weiter schaumig schlagen. Die flüssige Schokolade hinzugeben. Mit zwei Esslöffeln Rum glattrühren. 320 Gramm Sahne steif schlagen und unterheben.
Die abgekühlten Schokoladennetze aus den Ringen und von den Folien lösen. Den Schokoladenschaum mit Hilfe eines Spritzbeutels in die Schokoladengitter füllen.
Mit Himbeeren oder Ornamenten Ihrer Wahl garnieren. Das Ganze mit Himbeersoße, Blattgold und Minze servieren.
Dieser Artikel erschien zuerst in unserer Print-Ausgabe. Sie wollen schneller informiert sein? Hier können Sie ein Abonnement abschließen.