Der Ekstase-Stoff für Geniesser hat Hochsaison. Ein weißer Trüffel mit einem Gewicht von rund einem Kilogramm erlöste kürzlich 120.000 Euro. Ein Blick in die geheimnisvolle Welt der kostbaren Delikatesse, worauf es ankommt und wo man sie in Frankfurt am besten isst. Von Ludwig Fienhold und Michael Hohmann (Fotos)
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Trüffel-Suche im Piemont: unterwegs mit Hund und Fahnder
Der Nebel zieht langsam seinen Schleier zurück, die Luft ist schneidend kalt und lässt den Atem als weiße Wolken in die Luft steigen. Wer auf Trüffelsuche geht, muss ausgeschlafen sein und sich in aller Frühe in der Morgendämmerung auf den Weg machen.
Im Wald ist es ruhig, nur wir und die Hunde vibrieren vor freudiger Erregung. Didi, ein drahtiger Pointer, jault heftig vor Aufregung. Neben diesem Rassehund eignet sich der italienische Lagotto Romagnolo wegen seiner ausgeprägten Spürnasse und seines wachen Charakters zur Trüffelsuche.
Solche abgerichteten Hunde sind Geldschränke auf vier Beinen und kosten je nach Talent zwischen 5.000 und 100.000 Euro. Sie stehen wie Drogen- oder Sprengstoffhunde unter Hochspannung, „aber nach einer Stunde haben sie die Schnauze voll und können nicht mehr“, weiß Martin Hartweg, der Trüffel-Führungen organisiert und in die Geheimnisse der kostbaren Knolle einweiht. Wegen der zeitlich beschränkten Einsetzbarkeit besitzen manche professionelle Trüffelsucher gleich mehrere Hunde.
Die Hunde werden von klein auf im Welpenalter trainiert und doch eignet sich nicht jeder als Spürhund. Martin Hartweg hatte einen Hund, der selbst Trüffel liebte und sie ihm wegfraß, bevor er sie einsammeln konnte. Sein Freund Cosimo ist professioneller Trüffelfahnder und kann sich auf seinen English Pointer Didi verlassen. Nicht jeder darf Trüffel suchen: Man braucht eine offizielle Lizenz und erhält dann gegen eine Gebühr von 140 Euro den Tesserino, einen Ausweis mit Lichtbild.
Didi schlägt aufgeregt an, Cosimo schiebt ihn sanft beiseite und beginnt mit der Hand zu graben. Der Trüffel liegt nur zehn Zentimeter unter der Erde, manchmal kann es auch ein halber Meter und mehr sein. Das Loch wird wieder mit Erde zugeschüttet, kein anderer soll den Ort als Fundstelle erkennen können. Der steingroße Brocken schimmert leicht rötlich, typisch für einen Fund an einer Eiche. Diese Knollen duften besonders intensiv, Jahrhundertkoch Eckart Witzigmann verwendete ihn bevorzugt für seine Küche, aber auch andere Spitzenköche wie Alfons Schuhbeck in München und Markus Semmler in Berlin schätzen ihn.
Martin Hartweg kommt mit den Bestellungen nicht nach, auch wenn die Trüffel wieder Höchstpreise erzielen. Derzeit werden im Piemont 5.000 Euro für das Kilo aufgerufen, doch die Kurse schwanken nach oben und unten wie an der Börse und können in einigen Stunden schon wieder ganz anders aussehen. Beim Trüffelhandel werden keine Rechnungen geschrieben, alles geht nur Cash.
Martin Hartweg, der auch Weinmacher und Weinhändler ist, lebt seit 30 Jahren in Italien. Damals konnte man noch zehn Kilo zusammensuchen, heute freut er sich schon über 500 Gramm. Seit der Flut von 1994 ist alles anders. Jahrhundertregen und Hochwasser verwüsteten weite Teile Norditaliens. Die Bodenbeschaffenheit und die Voraussetzungen für die Symbiose zwischen Trüffelpilzen und Bäumen, die sie als Parasiten bewohnen, wurden nachteilig verändert.
Die Trüffel werden rarer, die Suche nach ihnen gleicht der eines Jägers nach dem verlorenen Schatz. Auch staatlich lizensierte Trüffeljäger bewegen sich meist auf fremdem Territorium und tun gut daran, ein wenig von ihrem Gewinn an den Grundstücksbesitzer abzugeben. Noch gefährlicher vermag die Konkurrenz zu sein, vergiftete Hunde oder Schüsse auf Trüffelsucher gehören zum Geschäftsrisiko. Manche von ihnen machen sich nur nachts auf die Pirsch, weil sie nicht gesehen werden wollen. Es könnte ja passieren, dass sie verfolgt und um ihre Ausbeute gebracht werden.
Noch besser ist die Suche bei Vollmond, weil man sich dann nicht einmal mit einer Lampe verrät. Unbefugtes Trüffelsuchen wird im Piemont mit Gefängnis bestraft. Das ist noch milde gegenüber dem, was zu erwarten ist, wenn lizensierte Trüffelsucher ungebetene Gäste in ihrem Revier beim Räubern erwischen. Im Piemont gibt es ungefähr 4.000 lizensierte Trüffelsucher.
Die Morgendämmerung bietet ideale Voraussetzungen. Sonne wirkt sich auf die Luft günstig aus, weil die Trüffel-Aromen besser wahrgenommen werden können. Nur eines ist sicher: „Bei Regen“, meint Martin Hartweg, „gehen wir erst gar nicht los.“ Hartwigs größter Fund bislang: 1 Kilo und 350 Gramm.
Für manche ist es nur ein stinkiger Pilz, doch Liebhaber berauschen sich am Duft der Trüffel und geraten in Ekstase. Die stark erotische Ausstrahlung erregt auch die Tierwelt. Säue reagieren aus großer Lust auf die reife Frucht, da der Geruch den Sexual-Lockstoffen des Ebers gleicht. Ihre ungebremste Freude missfällt jedoch den italienischen Trüffelsuchern, da die Schweine nicht selten die begehrte Knolle selbst verputzen und den Boden heftig umpflügen, sodass er Schaden nimmt und eventuell keine Trüffel mehr nachwachsen lässt.
Deswegen werden schon seit langem Hunde eingesetzt, die man besser führen und kontrollieren kann. Martin Hartweg und sein Team haben an diesem Tag über 500 Gramm weiße Trüffel ergattert, keine schlechte Ernte. Er nimmt noch eine Nase voll, bevor er sie einpackt und gleich nach Deutschland bringen wird, wo einige Gastronomen händeringend danach greifen.
Vorsicht Fälschung! Woran man einen guten weißen Trüffel erkennt
Da der weiße Trüffel nach wie vor zu den teuersten und begehrtesten Delikatessen zählt, kursieren Fälschungen. Manche wurmstichigen Pilze werden mit Sand und Erde aufgefüllt und mit künstlichem Trüffelaroma bestäubt. Doch der unvergleichliche natürliche Duft des weißen Trüffels ist nicht reproduzierbar, alle Versuche, ihn kontrolliert zu züchten, schlugen bislang fehl, was seinen Mythos nur verstärkt.
Ungeheuer, welcher Zauber den kleinen Waldschraten innewohnt, die unterirdisch an Baumwurzeln wachsen und so überirdisch gut schmecken. Der erotischste aller Pilze ist leider auch die teuerste Delikatesse der Welt und stellt selbst Gänseleber, Hummer und Kaviar in den Schatten. Luxusgüter ziehen Fakes nach sich; man ist gut beraten, einen Händler oder Gastronomen seines Vertrauens zu kennen. Ein echter weißer Trüffel vermag mit seinem Odeur binnen Sekunden einen ganzen Raum zu erfüllen, weshalb es im Piemont untersagt ist, diese in öffentlichen Verkehrsmitteln zu transportieren.
In manchen Restaurants wird Trüffelgeschmack durch den Einsatz von synthetischem Trüffelöl vorgegaukelt. Mehr als ein Etikettenschwindel ist auch das Frisieren von trüffelähnlichen Erscheinungen, die im Handel erhältlich sind. Dort werden Falsifikate und andere dubiose Produkte mit Trüffelöl aromatisiert, wobei diese in den raffiniertesten Fällen eine Trüffelöl-Injektion erhalten.
Ein guter Alba-Trüffel riecht intensiv, vor allem nach Knoblauch, Pilz, Heu, Gewürzen, ein wenig Moschus und sogar Honig – aber niemals nach Ammoniak.
Ein original Alba-Trüffel ist sauber, verfügt über ein extremes und anhaltendes Aroma, ist fest wie eine Nuss und nicht etwa hohl. Er ist nie ganz weiß, changiert zwischen gold- und nussfarbig und weist ein cremefarbenes bis hellbraunes Fruchtfleisch auf. Ein guter Trüffel riecht intensiv, vor allem nach Knoblauch, Pilz, Heu, Gewürzen, ein wenig Moschus und sogar Honig – aber niemals nach Ammoniak. Wenn er dann noch labberig ist, handelt es sich um ein altes und nicht zu genießendes Exemplar.
„Die Trüffel-Saison ist exakt begrenzt und geht vom 21. September bis 31. Januar. Wenn man also außerhalb dieser Zeit Trüffel angeboten bekommt, sollte man besser die Finger davon lassen“, meint Martin Hartweg. Die Begrenzung hat auch einen tieferen Sinn: Trüffel brauchen Zeit, um Nachwachsen zu können.
Viele seriöse Anbieter legen Kontrollscheine von unabhängigen Kontrolleuren vor, die Echtheit und Genusstauglichkeit bestätigen, wobei sie die Rückverfolgbarkeit garantieren können. Bei der weltberühmten Trüffel-Messe in Alba kann man sich seine auf dem Markt gekauften Trüffel auch schätzen und zertifizieren lassen. Zu dieser Gaudi der Wohlgerüche kommen jedes Jahr Menschen aus aller Herren Länder und vergnügen sich sechs rauschhafte Wochen lang. Der Trüffelmarkt in Alba ist sehr touristisch, wer abseits der Trampelpfade sucht, wird bessere Märkte finden.
Ein Trüffelgericht kann hierzulande 80 Euro kosten, meist aber weniger, weil viele Gastronomen den Einsatz nicht als Gewinn, sondern als Serviceleistung für gute Gäste vestehen. Grundsätzlich liegen die Preise für Trüffelgerichte in Deutschland höher als in Italien. Bei der Trüffelmesse in Alba wurde dieser Tage die begehrte Delikatesse mit einem Kilopreis bis 5.000 Euro taxiert. Die Preise ändern sich jedoch ständig, das hängt auch vom Anbieter, dem Wetter und der Qualität ab.
Thomas Nickels vom Landgasthof Paulus in Trier an der Mosel mag den Preiskampf nicht mehr mitmachen. Die starke Nachfrage aus den USA, Japan und auch China haben seiner Meinung nach die Preise verdreifacht. „Bei 5.000 Euro pro Kilo steigen wir lieber aus, da der Preissprung auf der Zunge nicht nachvollziehbar ist.“
Einige Frankfurter Köche wollen aber nicht darauf verzichten, weil sie Trüffel selbst lieben und die Gäste danach verlangen. Eine besonders schöne Verbindung gehen weiße Trüffel mit Eigelb, Tagliatelle, Agnolotti, Risotto oder Käse-Fonduta ein. Grundsätzlich gilt: Je einfacher ein Gericht, desto besser kann sich der Trüffel entfalten.
Trüffel-Irrtümer – Warum die Lagerung so wichtig ist
Einer der großen Trüffel-Irrtümer ist die Lagerung. Man darf Trüffel nie auf Reis legen, denn dieser entzieht dem Trüffel das Wasser und somit Aroma. Man sollte ihn in ein atmungsaktives Tuch oder Papiertaschentuch einwickeln und in einem Einweckglas kühl und dunkel lagern, auch im Kühlschrank.
Martin Hartweg legt noch zwei rohe Eier hinzu, die den Trüffelgeschmack annehmen und auf diese Weise noch besser schmecken. Die Papiertücher muss man täglich wechseln, da Trüffel Feuchtigkeit verlieren und schimmeln können. Mehr als drei bis fünf Tage sollte man sie ohnehin nicht aufbewahren.
Trüffel genießt man am besten frisch aus dem Wald. Trüffel darf man nicht mit irgendeinem Küchengerät klein riffeln. Experte Martin Hartweg schwört auf Trüffelhobel aus Holz, weil diese besser schneiden und im Ergebnis weniger bruchstückhaft als solche aus Edelstahl sind.
„Weniger als 20 Gramm sollte man nicht für ein Gericht verwenden“, meint er, weil der Trüffel immer expressiver riecht, als er schmeckt, und bei zu geringem Einsatz keine Wirkung erzielt.
Trüffel-Restaurants in Frankfurt
Brighella
Leo und Mario veranstalten in schöner Regelmäßigkeit ihr Trüffelfest mit einem ganzen Menü im Zeichen der Edelknolle. Aber auch danach gibt es noch Trüffelgerichte.
Lohninger
Die Spaghetti Chitarra mit weißem Trüffel gehören zu den schönsten Gerichten Frankfurts.
Neuer Haferkasten
Luigi Lavorato hatte schon mal einen dreiviertel Kilo schweren Brocken Trüffel an Land gezogen. Er hobelt ihn bevorzugt über Pasta, Risotto und Ei.
Settimo Cielo / Amoroso
Auch Ciriaco und Gianluca Amoroso setzen bei ihren Lokalen auf beste Produktqualität. Eine Spezialität ist Kalbstatar mit weißem Trüffel.
Vini di Sabatini
Im noblen Westend und bei hoher Promidichte kann man nicht auf Trüffelgerichte verzichten, hier sind vor allem die mit Pasta zu empfehlen.
Insider-Lokale für Trüffel-Liebhaber im Piemont
Pesco Fiorito – Bricco di Neive
Via Moniprandi, 2, 12052 Neive CN, Italien
Wine Story – Castagnole
Via Ener Bettica, 2, 14054 Castagnole delle Lanze AT, Italien
Il Cascinale Nuovo – Isola d’Asti
SS231, 14057 Isola D’asti AT, Italien
San Marco – Canelli
Via Alba, 136, 14053 Canelli AT, Italien
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