Das Rhein-Main-Gebiet ist einer der größten Standorte diplomatischer Vertretungen in Deutschland. Mehr als 50 Berufskonsuln repräsentieren als Beamte des auswärtigen Dienstes ihre jeweiligen Länder. Dazu kommen noch einmal fast 60 Honorarkonsuln, die diese ehrenamtlich vertreten. In einer Serie wollen wir einige von ihnen vorstellen.
Seit Herbst 2015 ist der Frankfurter Dr. Uwe Säuberlich für alle Isländer in Hessen zuständig. Der Notar und Partner der Anwalts-Kanzlei Taylor Wessing übernahm das Amt vom langjährigen Honorargeneralkonsul Helmut Holz.
Text: Sabine Börchers, Fotos: Michael Hohmann
Inhalt
Notar ist einer der lokalsten Berufe überhaupt. Er dürfe nur in Frankfurt arbeiten, erläutert Uwe Säuberlich. Umso mehr genießt es der 48-Jährige, der aus einer Anwaltsfamilie stammt, dass in einer internationalen Stadt wie der Mainmetropole die Welt zu ihm kommt. Seit 2015 gilt das auch verstärkt für die isländische Welt. Damals bekam er die Anfrage von der Vulkaninsel, ob er deren Honorarkonsulat am Main übernehmen würde.
Da Säuberlich mit einer Isländerin verheiratet ist und ohnehin seit fast 20 Jahren regelmäßig mit ihr in ihre Heimat reist, nahm er die Aufgabe gerne an. „Es ist eine tolle Tätigkeit, in der ich gesellschaftliche Aktivitäten mit meinem familiären Umfeld verbinden kann“, stellt er fest. Zudem kann er auf die Unterstützung seiner Frau Lilja bauen, was bei der rein ehrenamtlichen Aufgabe wichtig sei.
Zuallererst möchte Uwe Säuberlich Anlaufpunkt für die rund 100 Isländer sein, die in Hessen leben. Ein fester Kern von 30 bis 50 Isländern treffe sich regelmäßig. „Zum Nationalfeiertag am 17. Juni habe ich alle einhundert eingeladen“, erzählt er. In Deutschland seien die Isländer in der Regel sehr gut integriert.
„Ich dachte früher immer, ich würde mal in Frankreich landen.“
Viele sind in Frankfurt für die Fluggesellschaft Iceland-Air oder ein großes Fischverarbeitungsunternehmen, Icefresh in Groß-Gerau, tätig, das von Bremerhaven nach Hessen gezogen ist, da der Fisch mittlerweile statt mit dem Schiff eher mit dem Flugzeug geliefert wird. Es gebe außerdem einige isländische Handballer, die in den höheren Ligen in Deutschland spielen. Und Studenten, von denen einige ein Auslandssemester hier machen oder ein Fernstudium in Island absolvieren und für die der Honorarkonsul dann die Klausuren beaufsichtigen muss, die sie hier schreiben.
Mehrere Auslandssemester hat auch Uwe Säuberlich während seines Jurastudiums an der Frankfurter Universität absolviert, allerdings nicht in Island, sondern in Paris. „Ich hatte an der Liebigschule schon Französisch als erste Fremdsprache und war zum Schüleraustausch in Frankreich. Ich dachte früher immer, ich würde mal dort landen.“ Heute lernt er dagegen Isländisch.
„Es ist eine sehr schöne Sprache, aber sie ist schwierig, sie hat vier Fälle und ist insgesamt noch komplexer als das Deutsche.“ Bisher kann er sich mit den Landsleuten seiner Frau auf Englisch bestens verständigen. Doch er will auch über ihre Witze lachen können und ihre Kultur noch besser verstehen. Zum Beispiel ihre Dichtung. „Die Nichte meiner Frau hat mir zum Geburtstag ein Gedicht geschrieben, im alt-isländischen Versmaß.“ Damit sei er wohl der einzige deutsche Anwalt, dem ein solches Gedicht gewidmet sei, sagt er lachend.
Isländischer Jazz
Diese fast 1200 Jahre alte isländische Kultur, die bis heute auf der Insel sehr präsent ist, aber auch die aktuelle Literatur und Musik – fast jeder Isländer schreibt oder spielt ein Instrument – möchte der Honorarkonsul noch stärker in Frankfurt bekannt machen. Für das Kinderfilmfestival Lucas hat er bereits einen Beitrag aus Island unterstützt. Doch noch mehr reizt es ihn, die kleine aber feine isländische Jazz-Szene in die Mainmetropole mit ihrer großen Jazz-Vergangenheit zu bringen.
Darüber hinaus kümmert sich Säuberlich in seinem kleinen Konsulat in den Räumen von Iceland-Air oder in seinem Büro im 18. Stock des Nextower mit Blick über Frankfurt um die gängigen konsularischen Aufgaben, etwa, wenn jemand seinen Pass verloren hat oder eine beglaubigte Urkunde benötigt. Auch Notfallpässe darf er ausstellen.
„Meine Tätigkeit als Notar und als Honorarkonsul ergänzen sich dabei. In einem kleinen Land wie Island gibt es nicht für alles die passenden Vordrucke. Also baue ich die Schriftstücke so auf wie in Deutschland und setze nur den anderen Stempel drauf.“ Das funktioniere bestens. Bei der Namensgebung seiner beiden Söhne, die er liebevoll „meine Wikingerkinder“ nennt, hat er die isländische Methode, dem Vornamen einen Vaternamen anzufügen, dafür ins Deutsche übertragen. Sie tragen beide als vierten Vornamen Uwesson.
Sobald Uwe Säuberlich über Island spricht, ist ihm die Begeisterung für das Land und die Menschen anzumerken, die sehr nett, kulturell interessiert und vielseitig seien. Davon konnten sich die übrigen Bewohner des Kontinents erst kürzlich bei der Europameisterschaft überzeugen, die fröhlich feiernde Fans mit einem besonderen Wikinger-Schlachtruf und eine Fußballmannschaft präsentierte, die sich heroisch durch die Spiele kämpfte und sogar viel stärkere Gegner wie England schlug.
Die aber auch einen Nationaltrainer hatte, der im Hauptberuf Zahnarzt ist. „Es gibt Fußballer, die in die Politik gegangen sind oder Filme drehen, einen Sänger, der jetzt zeitweise als Müllmann arbeitet und der Staatspräsident war früher Universitätsprofessor“, erzählt der Konsul. Der Chef der isländischen Musikförderung, den er kürzlich traf, sei früher der Gründer und Schlagzeuger der Sugarcubes, der Band von Björk, gewesen.
Heile Welt
Das positive Bild der Isländer, das sie durchaus geschickt transportieren, hat für einen erheblichen Anstieg des Tourismus im Land gesorgt. Er habe als Einnahmequelle die Fischindustrie bereits überflügelt, wie Säuberlich ausführt. „Ich denke, Island wird aber weiterhin einen starken Fokus auf die Fischindustrie legen.“
„In Finnland geht man in die Sauna, auf Island trifft man sich im Hotpot und diskutiert.“
Statt des Walfangs setze man aber mehr auf Wale-Watching, dies komme bei den Touristen besser an. Die vielen ausländischen Besucher sorgten derzeit dafür, dass es den Isländern sehr gut gehe, nachdem sich das Land auch von der Finanzkrise erstaunlich schnell erholt hatte, berichtet der Konsul weiter. Der Tourismus-Boom ist aber für die kleine Insel eine Herausforderung. Denn Island stehe vor allem für unberührte Natur und Outdooraktivitäten.
„Sie finden dort noch eine heile Welt. Wir haben auf einer kleinen Insel Urlaub gemacht, auf der nur fünf Häuser stehen. Einen Schlüssel braucht man da nicht.“ Bei seinen Aufenthalten genießt es Säuberlich besonders, die Großstadt Frankfurt hinter sich zu lassen und Fischen zu gehen. Seine Frau, die Heilpraktikerin und Krankengymnastin ist, sammelt Algen für ihre Cremes und Öle.
Die Insel hat noch weitere Besonderheiten zu bieten. Seit Jahren schon versorge sich Island zu einhundert Prozent mit regenerativen Energien. „Ein Isländer achtet daher nicht so darauf wie wir, dass er das Licht ausschaltet, wenn er das Haus verlässt“, sagt der Konsul. Zudem gebe es viele Freibäder auf der Insel, mit Wasser, das um die 30 Grad Celsius warm ist und oft aus heißen Quellen gespeist wird.
„In Finnland geht man in die Sauna, auf Island trifft man sich im Hotpot und diskutiert.“ Auf dem Gebiet der Geothermie sind die Isländer daher sehr versiert. Derzeit entstehe in einem internationalen Projekt das tiefste Bohrloch weltweit. Bei Temperaturen von mehr als 400 Grad Celsius ist das ein kühnes Unternehmen, das aber eine große Ausbeute an Erdwärme bringen soll.
Ideal für Rechenzentren
Durch die autarke Versorgung mit regenerativen Energien habe die Insel aber auch die energieintensive Aluminiumindustrie angezogen. Seit einiger Zeit bemüht sich Island aber auch verstärkt darum, energieintensive Hochtechnologie anzusiedeln. Seine Hoffnungen setzt es deshalb unter anderem auf Rechenzentren, die ebenfalls viel Strom verbrauchen und zugleich Kühlung benötigen. Sie würden auf der Insel ideale Bedingungen vorfinden. „Island will das stärker vermarkten, und ich sehe es auch als meine Aufgabe an, dafür Werbung zu machen und das Land darin zu unterstützen.“
Dafür kann Uwe Säuberlich unter anderem sein Frankfurter Netzwerk nutzen. Er ist Mitglied mehrerer Vereinigungen gesellschaftlich interessierter und engagierter Meinungsbildner im Rhein-Main-Gebiet, engagiert sich zudem ehrenamtlich bei einer Krebsforschungsstiftung der Universität Frankfurt. Beruflich ist der Notar, der zugleich Partner in der internationalen Wirtschaftskanzlei Taylor Wessing ist, vor allem im Immobilien- und Gesellschaftsrecht tätig.
Er zählt sowohl große Bauträger als auch Privatpersonen und Family-Offices zu seinen Klienten, wickelt Hauskäufe ebenso wie Unternehmenskäufe ab. Dabei hat er es in Frankfurt sehr häufig mit internationalen Klienten zu tun, mit Engländern, Franzosen, Indern und immer häufiger mit Chinesen. Auch den Kontakt zu seinen Pariser Anwaltskollegen, die er seit dem Studium kennt, hält er weiterhin und genießt die internationalen Einflüsse in seinem Umfeld.
13 Weihnachtsmänner
So gehört auch das Weihnachtsfest, das die Isländer in Frankfurt feiern, für ihn und seine Familie zur festen Einrichtung. „Beim Jólabal wird zu isländischer Musik um den Weihnachtsbaum getanzt“, erzählt er. Zur großen Freude seiner beiden Söhne gibt es in Island 13 Weihnachtsmänner, die ab dem 12. Dezember an 13 Tagen Geschenke bringen.
Dabei verüben die Trolle, die Namen wie Löffellecker, Wursträuber oder Türtreter tragen, passend dazu verschiedene Streiche. „War ein Kind nicht artig, dann bringen sie statt des Geschenks eine rohe Kartoffel.“ Mehr als die Hälfte der Isländer sollen noch heute an die Existenz von Elfen und Trolle glauben.
Der Bau neuer Straßen werde daher zuvor mit der offiziellen Elfenbeauftragten abgestimmt, erläutert der Honorarkonsul. Er selbst glaubt nicht an die Fabelwesen. „Ich kann es aber verstehen, wenn man die bizarren Formen der Berge sieht, in denen angeblich Trolle zu Stein erstarrt sind.“ Der Großvater seiner Frau sei Pfarrer gewesen, erzählt Uwe Säuberlich. Selbst er habe einen Elfenstein im Garten immer mit dem Rasenmäher umfahren und auf Nachfrage dazu gesagt: Er glaube eigentlich nicht daran, aber man könne ja nie wissen.
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