Die Frankfurter Museumslandschaft erlebt derzeit einen Umbruch. Langjährige Leiter verlassen Frankfurt oder gehen in den Ruhestand. Frischer Wind kommt aus Kassel und sogar aus Los Angeles. Und mit dem neu gestalteten Historischen Museum beweist Frankfurt, wie modern Geschichte präsentiert werden kann.
Im Keller des Altbaus durchstreift der Besucher Mauern aus der Stauferzeit, erklettert den alten Rententurm der Stadtmauer und trifft auf Frankfurter Sammler von Waffen oder, wie im Fall des Konditormeisters Johann Valentin Prehn, von 805 niedlichen Miniaturgemälden. Nach zehn Jahren Sanierung präsentiert sich das Historische Museum Frankfurt, eines der größten Stadtmuseen Europas, seit kurzem im neuen Gewand. So weit, so klassisch.
Doch das ist nur der kleinste Teil des neuen Hauses. Gleich im Eingang stellt sich die Stadt als von Künstlern gestaltete moderne Schneekugel mit acht unterschiedlichen Frankfurt-Themen wie Kriminalität oder politisches Zentrum – von der Paulskirche bis zu den Hörsälen der Universität 1968 – vor.
In der Ausstellung selbst steht auch Frankfurt als Geldstadt im Mittelpunkt. Da wird sogar das berühmte Puppenhaus der Bankiers-Familie Gontard als Lehrstück für eine ökonomische Verwaltung des Haushalts präsentiert. Augenzwinkernd kommt das Stadtmodell im Dachgeschoss daher, das eigens für das Museum von dem niederländischen Künstlers Herman Helle angefertigt wurde.
Mit Fundstücken stellt dieser Frankfurt als Miniaturstadt aus Radiergummis, Besenborsten, Roulette-Jetons oder etwa zwei Hufeisen dar, die die Rennbahn abbilden. Demnächst könnte dort ein Fußball die Eisen ersetzen, denn das Modell soll die gelebte Stadt repräsentieren und durchaus aktualisiert werden.
Die Stadt sei das Einzige, das alle Menschen, die dort leben, miteinander gemein haben, betonte Museumsdirektor Jan Gerchow zur Eröffnung. Ihm und seinem Team ist es gelungen, den Besuchern einen neuen Zugang zu ihr zu schaffen; wenn auch manche Räume zu voll und unübersichtlich wirken. In dem Ausstellungshaus, errichtet für rund 54 Millionen Euro in rötlichem Mainsandstein, ist die Stadt auf vielfältige Weise erfahrbar. Und dabei wird deutlich: Nicht nur Frankfurt erfindet sich stets neu. Das Historische Museum ist nicht nur räumlich gewachsen, sondern auch inhaltlich.
Zurück zu den Wurzeln
Gewachsen ist auch das Museum für Moderne Kunst in den vergangenen Jahren – inhaltlich und räumlich. Immerhin ist es Susanne Gaensheimer gelungen, das Haus, das sie fast zehn Jahre lang geleitet hat, durch einen neuen Standort auf einer Etage im Frankfurter Taunus-Turm, mitten im Bankenviertel, erheblich zu erweitern. Und das alles ohne städtische Mittel.
Die Fläche für das MMK2 stellt der Immobilien-Investor Tishman Speyer für 15 Jahre zu Verfügung. Private Förderer sorgen für die Betriebskosten. Ob die Stadt das Museum mit internationalem Ruf künftig mehr unterstützen wird, bleibt abzuwarten. Susanne Gaensheimer hätte es sich gewünscht. Auch deshalb ist sie Ende Juli 2017 zur Kunstsammlung Nordrhein-Westfalen nach Düsseldorf, an das drittgrößte Haus in Deutschland, gewechselt.
Ihre Nachfolgerin Susanne Pfeffer aus dem Fridericianum in Kassel hatte es nicht weit nach Frankfurt. Zudem kehrte sie zu ihren Wurzeln zurück. Sie arbeitete von 2002 bis 2004 bereits als Assistentin des damaligen Direktors Udo Kittelmann im MMK. Sie zähle außerdem zu den besten Kennerinnen der Gegenwartskunst und ihre internationale Vernetzung werde sich bereichernd auf die Kunstszene der Stadt auswirken, begründete die Kulturdezernentin Ina Hartwig die Entscheidung des Magistrats für Pfeffer.
Das zeigt auch ihre Vita. Pfeffer leitete das Künstlerhaus Bremen, war Chefkuratorin am KW Institute for Contemporary Art in Berlin und beriet das „MoMA PS1“ in New York. Wie ihre Vorgängerin Gaensheimer kuratierte auch Pfeffer den Deutschen Pavillon auf der Biennale in Venedig.
Sie präsentierte 2017 die Installation „Faust“ der Frankfurter Künstlerin und Städelschülerin Anne Imhof, die mit dem Goldenen Löwen ausgezeichnet wurde. Dem Werk von Imhof begegnete Pfeffer im MMK erneut. Ihre Vorgängerin Gaensheimer hatte immer wieder Werke von Städelschülern und daher auch von Imhof angekauft.
Digitale Revolution
Wie in Venedig will Pfeffer auch im MMK die Auseinandersetzung mit dem Raum zum Thema machen. Das MMK eigne sich mit seinen verschiedenen, teils überraschenden Sichtachsen sehr gut dafür, Kunstwerke aufeinander zu beziehen, sagte sie bei ihrer Vorstellung im Oktober, bei der sie auch feststellte, wie erstaunlich klein, aber hoch engagiert der Mitarbeiterstab des Hauses sei.
Die unterschiedlichen Schwerpunkte im MMK1, MMK 2 und dem MMK3 im ehemaligen Frankfurter Hauptzollamt will sie ausbauen und bei ihren Ausstellungen – bei keinerlei städtischem Ankaufsetat – ein besonderes Augenmerk auf die umfangreiche Sammlung des MMK mit mehr als 5.000 Werken legen.
Die digitale Welt spielt bei Pfeffers Plänen für das MMK ebenfalls eine große Rolle. „Je präsenter wir im Netz sind, desto mehr Besucher haben wir auch im Museum“, hatte schon Gaensheimer zum Abschied festgestellt, die das Publikum des Hauses bereits verjüngen konnte.
„Künstler können uns Veränderungen am besten vor Augen führen.“ – Susanne Pfeffer, MMK
Für ihre Nachfolgerin ist das Museum gerade in gegenwärtiger Zeit ein Ort, an dem der technologische, politische und soziale Wandel reflektiert wird. Dieses erachtet sie als eine sehr wichtige Aufgabe, da diese Umbrüche gerade durch die Kunst sehr dicht verhandelt werden. „Künstler können uns die Veränderungen am besten vor Augen führen“, betont Pfeffer.
Neue Perspektive
In große Fußstapfen tritt auch die Nachfolgerin von Claudia Dillmann im Deutschen Filminstitut, zu dem das Deutsche Filmmuseum gehört. 20 Jahre lang hat Dillmann die Geschicke des Hauses am Mainufer geleitet, es in den vergangenen Jahren umfangreich saniert und die Ausstellung neu konzipiert.
Es zählt mit mehr als 200.000 Besuchern zu den beliebtesten Museen der Stadt und kann, dank der modernisierten Dauerausstellung, auf viele junge Besucher bauen. Auch in die Filmbranche hat das Museum beste Kontakte und holt immer wieder namhafte Schauspieler und Regisseure an den Main, nicht zu reden von den Nachlässen berühmter Akteure wie denen von Curd Jürgens, Maria Schell oder der Übergabe des Privatarchivs durch den Regisseur Volker Schlöndorff.
Seit dem 1. Januar hat Ellen M. Harrington übernommen. Sie war zuvor 20 Jahre lang als Leiterin für die Sammlungen der Academy of Motion Picture Arts and Sciences in Los Angeles, die auch die Oscars verleiht, tätig und konzipierte seit 2015 die Ausstellung des Museums, das 2019 eröffnen soll.
Mit dem Frankfurter Haus arbeitete sie seit mehr als 20 Jahren regelmäßig zusammen, unter anderem für die 2012 gezeigte Ausstellung „And the Oscar goes to… 85 Jahre ‚Bester Film‘“. Die Bedeutung des Frankfurter Filmmuseums, das sie für eines der besten weltweit hält, umriss Harrington, als sie sich im Januar vorstellte, aus ihrer amerikanischen Perspektive und forderte damit auch die Frankfurter auf, ihr Haus mal anders wahrzunehmen: „Vielleicht machen sich viele Menschen in Frankfurt und Deutschland gar nicht klar, dass es weltweit gerade einmal ein Dutzend großer Filmmuseen gibt. Tatsache ist, dass die Filmhauptstadt Los Angeles nach fast 100-jährigen Bemühungen erst jetzt kurz davor steht, endlich ihr eigenes Museum zu eröffnen, das der Kunst des bewegten Bildes gewidmet ist.“
Hollywood-Glanz
Die Stärken des Frankfurter Hauses sieht sie in dem globalen Ansatz, der hier verfolgt wird, einer Offenheit für neue Ideen, dem lebhaften und tatkräftigen Austausch mit dem Publikum und Partnerinstitutionen auf der ganzen Welt. Zugleich bringt sie Ideen für eine Verbesserung der öffentlichen Aktivitäten des Museums und die bessere Positionierung des Deutschen Filminstituts auch über digitale Plattformen mit. Die Dauerausstellung lasse sich an einigen Stellen auffrischen und manche Ausstellungsstücke ersetzen, betonte sie.
Gerade die digitale Präsenz sieht sie zudem als essenziell an. Jedes Museum habe nur eine bestimmte Kapazität, könne aber viel mehr Menschen über das Internet erreichen und über soziale Medien stärker an sich binden. Geplant seien bereits weitere digitale Ausstellungen wie die zu Curd Jürgens, die für alle papiernen Ausstellungsstücke allein schon unter konservatorischen Gesichtspunkten viele Vorteile hätten.
Sie sei zudem bereits daran, wichtige neue Sammlungen zu akquirieren. Ihre Kontakte nach Hollywood – zu Regisseuren, Produzenten und Schauspielern ebenso wie zu den Studios, Kameraleuten und Kostümbildnern – will sie künftig auch für das Frankfurter Haus nutzen und tatsächlich den bei ihrer Ankunft viel beschworenen Hollywood-Glanz an den Main bringen.
In diesem Jahr werde bereits Michael Haneke in der Reihe „Carte Blanche“ seine Lieblings lme präsentieren. Liv Ullmann werde Stargast bei der Ingmar Bergmann-Filmreihe sein, verriet sie. Und die für März geplante Ausstellung zum 50. Jahrestag von Stanley Kubricks „2001 – Odyssee im Weltraum“, für die ein begehbarer Nachbau des Raumschiffs und Originalteile aus dem Film gezeigt werden sollen, werde der Schauspieler Keir Dullea am Main mit eröffnen, der den Astronauten David Bowman spielte.
Städel, Schirn & Co.
Mit Rubens und Victor Vasarely setzt der seit gut einem Jahr amtierende Direktor des Städel Museums, Dr. Philipp Demandt, für das kommende Jahr auf zwei Schwergewichte der Kunstgeschichte. Aber auch das Werk der wiederentdeckten Berlinerin Lotte Laserstein aus den 1920er und 1930er Jahren dürfte nicht nur Besucherinnen anziehen.
Auf Demandt lastet auch nach einem Jahr noch ein hoher Erwartungsdruck. Sein Vorgänger Max Hollein führte die Häuser sehr erfolgreich und war zugleich in der Frankfurter Kulturszene äußerst beliebt.
Immerhin, die Zahlen stimmen: Im vergangenen Jahr verzeichnete das Städel mit 390.532 Besuchern deutlich mehr Gäste als im Jahr zuvor. Die Schirn, für die Demandt ebenso verantwortlich ist wie für das Liebieghaus, zählte mit mehr als 400.000 Gästen sogar eines der besucherstärksten Jahre ihrer Geschichte. Auf den Museumschef warten aber ein paar Baustellen. Die Fassade des Städel ist sanierungsbedürftig, für das Liebieghaus ist schon seit längerem eine Generalsanierung überfällig.
MOMEM – Ein neues Museum
Darüber hinaus bekommt Frankfurt in diesem Jahr mit dem Museum of Modern Electronic Music (MOMEM) sogar ein neues Ausstellungsprojekt. In diesem Frühling soll das MOMEM als Pop-Up-Museum für zwei bis vier Jahre in die Räume an der Hauptwache ziehen, die früher das Kindermuseum nutzte.
„Die elektronische Musik gehört zu Frankfurts kultureller Identität.“ – Kulturdezernentin Ina Hartwig
„Die elektronische Musik, die von hier aus in die Welt ging, gehört zu Frankfurts kultureller Identität“, betonte Kulturdezernentin Ina Hartwig. Initiatoren des weltweit ersten Museums für Clubkultur sind der designierte Direktor Alex Azary, Andreas „Talla 2XLC“ Tomalla und Stefan Weil. Die Stadt stellt ihnen die Räume mietfrei zur Verfügung.
Die Dezernentin musste sich mit der Neubesetzung zweier weiterer Direktorenposten von Kulturinstitutionen beschäftigen. Der langjährige Zoochef Prof. Dr. Manfred Niekisch ging zum Jahresende in Pension, Palmengartendirektor Matthias Jenny verabschiedete sich Anfang Februar nach mehr als 20 Jahren.
Manfred Niekisch hat in einem Jahrzehnt immerhin 30 städtische Millionen Euro auf dem Zoogelände verbaut und die Anlage an vielen Stellen modernisiert. Dennoch bleibt für seinen Nachfolger Miguel Casares, noch viel zu tun. Da der gebürtige Spanier zuvor Stellvertreter von Niekisch war, weiß er zumindest, was auf ihn zukommt.
Ähnlich sieht es im Palmengarten aus. Allein das Gesellschaftshaus verschlang mehr als 45 Millionen Euro. Für das geplante Schmetterlingshaus sammelte Jenny viele Spenden, doch auch das Tropicarium muss dringend saniert werden. Darum wird sich nun sein Nachfolger kümmern.
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