Das Rhein-Main-Gebiet ist einer der größten Standorte diplomatischer Vertretungen in Deutschland. 52 Berufskonsuln repräsentieren als Beamte des auswärtigen Dienstes ihre jeweiligen Länder. Dazu kommen 57 Honorarkonsuln, die diese ehrenamtlich vertreten. In einer Serie wollen wir diese vorstellen. Von Sabine Börchers
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Max Hunzinger vertritt seit 22 Jahren die Seychellen. Damit war der heute 57-Jährige bei seinem Amtsantritt der jüngste Honorarkonsul Hessens. Für den kleinen Inselstaat, der zum afrikanischen Kontinent zählt, konnte er selbst politisch bereits einiges bewegen.
Von Sabine Börchers
Die Aufgaben eines Honorarkonsuls bestehen in der Regel darin, den Bürgern des Landes, das sie vertreten, bei Bedarf Hilfe und Unterstützung zu gewähren, Urkunden zu beglaubigen und wirtschaftliche Kontakte zu knüpfen. Den wenigsten Honorarkonsuln ist es vergönnt, in dem Land, das sie in Deutschland vertreten, politische Entwicklungen mitzugestalten.
Max Hunzinger ist eine Ausnahme. Er arbeitete schon daran mit, dass die Seychellen 1993 ein Mehrparteiensystem einführten, da war er noch nicht einmal Diplomat. Heute ist das Inselparadies im Indischen Ozean seine zweite Heimat.
1988 besuchte der Frankfurter sie zum ersten Mal. Seine Frau Edith, die er zwei Jahre zuvor in der Schweiz kennengelernt hatte, stammt von Mahé, der größten der rund 115 Inseln der Seychellen. „Als wir das erste Mal zusammen dort waren, habe ich viele auch wichtige Leute kennengelernt. Als die EU die Seychellen dann motivierte, ein demokratisches Mehrparteiensystem einzuführen, habe ich dafür in Deutschland Kontakte geknüpft und mit meinem Netzwerk ausgelotet, inwieweit die Bundesregierung dabei helfen könnte“, erzählt Hunzinger, der sich 1984 selbstständig machte und seit 1999 als Geschäftsführer der MIT weltweit Events und Incentive-Reisen anbietet. Für die Seychellen gewann er schließlich die Konrad-Adenauer- sowie die Friedrich-Naumann-Stiftung, die bei der Abkehr vom Ein-Parteien-Regime halfen.
Deutschland blieb das einzige westliche Land, das den Demokratisierungsprozess etwa durch die Entsendung eines Verfassungsexperten und durch technische Wahlhilfe substanziell unterstützt hat, betont das Auswärtige Amt noch heute. „Der Prozess ist dadurch sehr friedlich und konstruktiv, aber auch sehr schnell abgelaufen. Es musste immerhin eine Verfassungsänderung geben und es wurden Wahlen durchgeführt“, berichtet Max Hunzinger, der in dem Zusammenhang auch die dortige Außenministerin Danielle de St. Jorre kennengelernt hatte, eine Frau von Format, die man sich durchaus als Außenministerin eines großen Landes wie Frankreich hätte vorstellen können, wie er sagt, die mittlerweile aber leider verstorben sei.
Die Beförderung für Max Hunzinger ist beantragt
Sie beschloss noch im selben Jahr 1993, die Konsulatsbezirke im damals wiedervereinigten Deutschland neu zu ordnen, und bot Hunzinger an, einen der Posten zu übernehmen. Dieser sagte sofort zu und wurde der damals jüngste Honorarkonsul mit Sitz in Hessen. Von Januar 1994 an war er für insgesamt sechs Bundesländer, von Nordrhein-Westfalen bis zum Saarland, von Rheinland-Pfalz über Hessen bis Sachsen-Anhalt und Thüringen zuständig. „Ich versuche bis heute, in allen Ländern mal präsent zu sein“, sagt er.
Er besucht die dortigen Konsulatsempfänge, bemüht sich aber auch darum, gemeinsame Projekte oder andere Anknüpfungspunkte der Länder mit den Seychellen zu finden. „Thüringen hat zum Beispiel eine enge Verbindung dorthin, weil der Landwirtschaftsminister der Seychellen in Erfurt studiert hat und mit einer Erfurterin verheiratet ist. Sie ist die oberste Umweltschützerin der Inseln und führt die Seychelles Island Foundation. Die Seychellen haben den Naturschutz in der Verfassung festgeschrieben.“
Künftig muss Max Hunzinger wohl noch längere Fahrzeiten einplanen, wenn er in seinem Zuständigkeitsbereich aktiv ist. Denn derzeit verteile das Außenministerium des Inselstaats die Konsulatsbezirke in Deutschland erneut um, erzählt er. Der Kollege in Hamburg sei verstorben, ein anderer in München habe aufgehört. „Ich werde wohl Bayern und Baden-Württemberg hinzubekommen und Nordrhein-Westfalen abgeben.“ Eine Beförderung ist damit auch verbunden, die bereits beantragt sei, wie er sagt. Er soll Honorargeneralkonsul werden – ein Titel für Diplomaten, die lange im Dienst sind.
Ehrenamtlich tätig bleibt er damit weiterhin. „Ich zahle auch die Reisekosten auf die Seychellen aus eigener Tasche.“ Im Frankfurter Konsularkorps sei der Unterschied zwischen den haupt- und nebenberuflichen Diplomaten aber kaum zu spüren, erläutert Hunzinger weiter und bezeichnet die Stimmung als sehr harmonisch. Die Staatskanzlei organisiere einen regen Austausch mit regelmäßigen Treffen, an denen einmal im Jahr auch der Ministerpräsident teilnehme. Da bleibt Max Hunzinger, der seit 2007 offizieller Koordinator des Korps ist, nur noch wenig zu tun. „Ich kümmere mich um die Pressearbeit, wenn neue Kollegen nach Frankfurt kommen und unterstütze die Staatskanzlei.“
Heiraten auf der Insel
Rund 1.000 bis 1.500 Seychellois leben heute in Deutschland, schätzt er, weil es keine offiziellen Zahlen darüber gibt. Viele seien zum Studium hierhergekommen und geblieben, manche auch durch die britische Armee. „In München gibt es einen bekannten Chocolatier der von den Seychellen stammt, und in Hannover einen Betreiber einer großen Tanzschule.“ Die meisten von ihnen benötigen Hunzingers konsularische Hilfe eher selten.
Dafür beglaubigt er aber häufiger die Übersetzung der Urkunden von Deutschen, die auf den Seychellen geheiratet haben. Eine solche Strandhochzeit ist äußerst beliebt, besonders, seit zahlreiche Prominente wie der britische Thronfolger Prinz William mit Herzogin Kate, Salma Hayek und Francois Henri-Pinault oder Brad Pitt und Jennifer Aniston gerne ihre Flitterwochen oder mehr auf einer der Inseln verbringen. Im Schnitt 100 solcher Beglaubigungen mache er im Jahr, sagt der Honorarkonsul.
Seine wichtigste Aufgabe bis heute besteht aber darin, wirtschaftliche Kontakte herzustellen. Immer wieder kämen Firmen der Inselrepublik auf ihn zu und suchten Rat oder Ansprechpartner. Eine der Herausforderungen derzeit sei es beispielsweise, den hohen medizinischen Standard vor Ort aufrechtzuerhalten. „Ich verstehe allerdings nicht so ganz, dass nicht mehr deutsche Firmen sich von sich aus für die Seychellen als Absatzmarkt interessieren. Aber wahrscheinlich sind ihnen 90.000 Einwohner und 276.000 Besucher im Jahr als Markt zu klein.“
Dabei müssten die meisten Produkte in den Inselstaat eingeführt werden und vor allem der Tourismussektor brauche Qualitätswaren, wie sie Deutschland liefert. „Wer dort aus dem Flugzeug steigt, transportiert schon sein Gepäck mit einem deutschen Kofferwagen.“ Die dortige Regierung habe sich gleichzeitig zum Ziel gesetzt, vor allem mehr Nahrungsmittel in Eigenleistung herzustellen. „Ich kümmere mich gerade darum, Fachleute zu rekrutieren, die dort beraten können, wie man die Landwirtschaft ausbaut und Nahrungsmittel mit modernen Techniken verarbeitet.“
Tourismus & Incentive
Auch bei der Werbung für den Fremdenverkehr unterstützt Max Hunzinger das Land. Er ist einer der wenigen Honorarkonsuln, der eine eigene Internetseite betreibt, auf der die Nutzer viel über die Inseln erfahren können. Sogar ein Rezept für „Seychelles-Curry à la Edith Hunzinger“ ist darauf zu finden. Die Affinität des Diplomaten zum Tourismus ist kein Zufall. Seine Frau leitet seit vielen Jahren das Fremdenverkehrsamt der Seychellen in Frankfurt.
Mit seinem Unternehmen MIT zählt er darüber hinaus zu den deutschen Agenturen, die die meisten Incentive-Reisen auf die Seychellen organisiert haben. „Wir bringen Vertriebsorganisationen mit 50 bis 70 Leuten dorthin, aber auch Geschäftsführer, die mit ihrem Führungskreis mit zehn Leuten einen Segeltörn unternehmen wollen.“ Aufgrund der heute strengen Compliance-Vereinbarungen sei das Geschäft allerdings massiv zurückgegangen, räumt er ein, obwohl eine solche Reise immer noch die höchste Form der Motivation für die Mitarbeiter sei.
Immerhin ein knappes Fünftel der Touristen auf den Seychellen kämen heute aus deutschsprachigen Ländern, die Zahl der deutschen Besucher sei innerhalb von fünf Jahren bis 2014 um fast 50 Prozent gestiegen. „Die Inseln werden durch die vielen Prominenten immer als teure Destination wahrgenommen, was sie in Wahrheit nicht sind. Es gibt viele kleine Hotels und Appartements auch für ein überschaubares Budget“, sagt Hunzinger, und schon schwärmt er von der üppigen Natur dort, der liebenswürdigen multiethnischen Bevölkerung und den tollen Wetterbedingungen.„Alle Strände sind öffentlich und sauber, es gibt keine ansteckenden Krankheiten, keine wilden Tiere. Die Menschen sind gastfreundlich. Ich kann mich dort immer besonders gut und schnell erholen.“ Einmal im Jahr müsse das schon sein, sagt er, „sonst bekommen wir Heimweh“.
Besuch des Parlamentspräsidenten
Neben der farbenfrohen Fahne der Seychellen schmückt sein Büro an der Hanauer Landstraße natürlich auch eine riesige Coco de Mer, dem größten auf der Erde existierende Pflanzensamen, der von den Inseln stammt. Von seinem Büro aus engagiert sich Hunzinger künftig auch stärker für seinen Frankfurter Heimatstadtteil Nieder-Erlenbach. Dort ist er bei den Wahlen im März in den Ortsbeirat 13 gewählt worden.
Dabei sei Politik nie sein Ding gewesen, betont er. Zumindest nicht aktiv. Denn einer der Höhepunkte seiner Arbeit für die Seychellen sei der Besuch des dortigen Parlamentspräsidenten in Berlin gewesen, erinnert er sich. 2013, genau 20 Jahre nach der Einführung des Mehrparteiensystems, habe dieser den Bundestag besucht.
„Weil er und mein Schwager Schulfreunde waren, hat er mich gebeten, den Besuch zu organisieren. Das war schon eine Herausforderung“, stellt er fest, auch wenn ihm dabei seine langjährige Berufserfahrung zugute kam. Er schaffte es sogar, ein Mittagessen mit dem Bundestagspräsidenten Dr. Norbert Lammert und dessen Stellvertreterin Claudia Roth zu ermöglichen.
Aber auch ein Treffen mit den Stellen, die für einen parlamentarischen Austausch zuständig sind, gab es. „Wir haben dort Ausbildungsprogramme für junge Abgeordnete von den Seychellen angestoßen.“ Dass die Flagge der Seychellen an diesem Tag am Reichstag wehte, habe ihn schon stolz gemacht, sagt Hunzinger. Es war ein schöner Lohn für seine Arbeit, mit der er auch weiterhin für seine zweite Heimat viel bewegen will.