Ihre Eltern sind wichtig oder reich oder beides. Dennoch haben sich der Sohn von Wilhelm Bender und die Tochter von Ann Kathrin Linsenhoff Bodenhaftung und Natürlichkeit erhalten. Justus Bender ist Journalist und hat schon Bücher veröffentlicht. Marie Linsenhoff studiert Mode und hilft ihrer Mutter beim Bitten um Spenden. Zwei Porträts.
Marie Linsenhoff: Die Eltern als Riesenvorbilder
Wenn Kinder in einem solchen Luxus aufwachsen wie Marie Linsenhoff und dennoch nicht abheben, müssen sie vernünftige Eltern haben. Die Zwanzigjährige ist sich ihrer Privilegien dabei durchaus bewusst. Doch wenn sie sagt, sie sei vom Schicksal begünstigt, meint sie nicht an erster Stelle den Wohlstand, der sie umgibt, sondern etwas ganz anderes: „Eine Patchwork-Familie zu sein mit fünf Kindern, die sich verstehen, das ist schon etwas Besonderes. Und Eltern zu haben, die sich lieben, ist heute auch eher ungewöhnlich.“
Ihre Eltern, das sind Ann Kathrin Linsenhoff und Klaus-Martin Rath. Die Mutter ist die Enkelin des VDO-Gründers Adolf Schindling und Tochter der Olympia-Goldmedaillengewinnerin in der Dressur Liselott Linsenhoff. Ihr Vater Klaus-Martin Rath ist Pferdekenner und wurde sechsmaliger Meister von Schleswig-Holstein in der Dressur. Die am 8. August 2001 geborene Marie ist das einzige gemeinsame Kind der beiden. Mit den Eltern und ihren vier Halbbrüdern bildet Marie eine echte Patchwork-Familie: Sohn Moritz Groth stammt aus der ersten Ehe Ann Kathrin Linsenhoffs; Klaus-Martin Rath brachte die Söhne Matthias Alexander, Per Henrik und Johannes Niklas in die Familie ein. Über ihre vier Brüder sagt Marie: „Man muss sich durchsetzen, aber hat auch viele Beschützer.“
Schon zu Schulzeiten wusste Marie auf die Frage, was sie einmal machen möchte: „Auf jeden Fall etwas mit Mode.“ Daran hat sich bis heute nichts geändert. Seit September studiert sie Mode an der ESMOD in Paris, der École supérieure des arts et techniques de la mode. Sie erwirbt dort in drei Jahren zwei Bachelor-Titel, einen in Design, den anderen im technischen Schneidern, beide Studiengänge werden auf Englisch unterrichtet und sind „sehr nah an der Branche“. Paris findet sie toll. „Es gibt keinen Tag, an dem die Stadt stillsteht. Es gibt immer etwas zu entdecken und zu erleben.“
Vielleicht absolviert sie nach diesen drei Jahren an der Seine noch einen weiteren Studiengang, in dem sie sich mit der technischen Seite der Stoffentwicklung beschäftigt, Nachhaltigkeit ist für sie nämlich ein großes Thema. Dass die Arbeit an der Modehochschule schon jetzt so intensiv sein würde, dass bereits einige Mitstreiterinnen aufgaben, hatte sie nicht erwartet. Harte Arbeit schreckt sie aber auch nicht. Disziplin hat sie schon früh gelernt. Man kann nicht mit Pferden umgehen, wenn man nicht diszipliniert ist.
Marie Linsenhoff: Mit Bildung in die Zukunft
Mit Pferden ist die Tochter des Reitlehrers Klaus-Martin Rath und der Dressur-Olympiasiegerin von 1988 Ann Kathrin Linsenhoff groß geworden. Zum ersten Mal saß sie schon als Baby hoch zu Ross, damals natürlich noch festgehalten von elterlicher Fürsorge. Mit drei bekam sie ihr erstes Pony. Auch nach Paris durfte sie jetzt ihre beiden Pferde mitnehmen –
„ohne sie wäre ich auch höchst unglücklich“. Den Oldenburger Wallach „Trendsetter“ und den Hannoveraner Wallach „Sant Jordi“ besucht sie täglich nach der Modeschule im Stall. Und mit ihren Hunden, einer französischen Bulldogge und einem deutschen Schäferhund, geht sie vor der Schule Gassi. Im Frühaufstehen kann sie es aber nicht mit ihrem Vater aufnehmen, der auf dem Schafhof in Kronberg morgens stets der Erste ist, weil er um halb sechs aufsteht und das auch noch herrlich findet.
Die Frage, ob sie fleißig sei, beantwortet Marie Linsenhoff ohne Zögern: „Ich glaub schon.“ Das gilt nicht nur für das Pensum in Paris, sondern traf schon auf die Zeit an der Europäischen Schule in Bad Vilbel zu: Fehlzeiten für Dressurturniere wurden ihr genehmigt, wenn ihr Notendurchschnitt besser als 2,0 war, beim Abi kam sie sogar auf einen Abschluss mit 1,3. Fleiß und Disziplin seien für sie auch heute kein Problem: „Ich mache ja genau das, was ich liebe.“
Mit Liebe ist das Nesthäkchen der Familie Rath-Linsenhoff groß geworden. Und mit Eltern, zu denen sie ohne falschen Respekt aufschaut: „Ich fand es immer schön, wie meine Eltern uns aufgezogen haben, dass sie nämlich sagten, wenn es uns so gut geht, können wir auch was davon zurückgeben.“ Dabei sei die Mutter mit den Schafhof-Festivals und der Gründung der ersten eigenständigen Stiftung unter dem Dach von Unicef „ein Riesenvorbild“. Zur Erdung habe auch der Vater beigetragen, der aus einfachen Verhältnissen stamme und das Bewusstsein lebendig erhalten habe, dass nichts selbstverständlich ist. Und der mit Lust bei der Arbeit sei: „Ich habe noch nie einen Menschen erlebt, der so viel arbeitet wie mein Vater.“
„Ich fand es immer schön, wie meine Eltern uns aufgezogen haben, dass sie nämlich sagten, wenn es uns so gut geht, können wir auch was davon zurückgeben“ – Marie Linsenhoff
Klaus-Martin Rath hat bei Gelegenheit erzählt, dass er bei seinem ersten Besuch auf dem 25 gepflegte Hektar großen Schafhof „erschrocken“ sei angesichts der Größe und Pracht des Anwesens. Seine Tochter hat Verständnis dafür: „Ich glaube, ich wär auch erstarrt.“ Sie kennt solche Reaktionen auch von Freunden oder Schulkameraden, die sie hier zum ersten Mal besuchen. Sie weiß aber auch zu unterscheiden: „Ich merke schon, ob jemand den Schafhof mag oder mich.“
Zukunftspläne? Was die Dressur betrifft, hält sie sich zurück. In dieser Hinsicht hat sie schon früh festgestellt, wie sehr der Reitsport Verletzungen und anderen Missgeschicken und Zufällen unterworfen ist. In der Mode hätte sie irgendwann gern einmal ein eigenes Label – doch auch in dieser Hinsicht ist sie realistisch. Vielleicht – „Bildung kann einem niemand nehmen“ – macht sie noch den Master, ehe sie dann ihre erste Stelle in der Modewelt antritt. Jemand, der sie beeindruckt, ist der verstorbene britische Modeschöpfer Alexander McQueen, dessen oft opulente Entwürfe sie „fast poetisch“ findet und der sich „nicht darum gekümmert hat, wie etwas ankommt“.
Solche Eigenständigkeit traut man der freundlichen jungen Dame, die von sich behauptet, „manchmal etwas stur“ zu sein, durchaus zu. Zwei Role Models jedenfalls hat sie ganz aus der Nähe beobachten können. Über ihre Eltern sagt sie: „Jeder hat seine eigene Geschichte und beide haben ein unheimlich positives Bild vermittelt. Meine Mutter hatte es ja auch nicht leicht. Sie fand ja auch Riesenfußstapfen vor, in die sie treten musste, gerade im Sport. Da hat sie ja auch unheimlich viel Mut bewiesen und mit der Stiftung ihr großes Herz und ihre Selbstlosigkeit. Ich glaube, meine Eltern sind beide auf ihre eigene Weise Riesenvorbilder.“
Justus Bender: „Er hat Werte vorgegeben“
Justus Bender war zwölf, als sein Vater Dr. Wilhelm Bender Vorstandsvorsitzender der Fraport AG wurde. Er blieb es, bis sein Sohn 28 war. Obwohl Wilhelm Bender den Ausbau des Flughafens vorantrieb, obwohl mit dem Namen Fraport für viele Anrainer das Thema Fluglärm mehr war als ein abstrakter ärgerlicher Begriff, kann Justus Bender sich nicht daran erinnern, für seinen Vater in Haftung genommen worden zu sein. Was vielleicht auch an dem weit verbreiteten Namen Bender lag, der den Filius nicht automatisch den Aktivitäten des Seniors zuordnete. ln „am Ende des Tages“ oder „an der Stelle“.
Das Berufsleben des Vaters blieb dem Sohn nicht fremd: Justus Bender besuchte Wilhelm Bender öfter im Büro und bekam staunend mit, wie das Sekretariat den Vorstandsvorsitzenden im 15-Minuten-Takt von Telefonat zu Telefonat durch den Tag trieb. Obwohl der Vater viel arbeitete, habe er stets versucht, abends um 20 Uhr daheim zu sein. Man habe dann gemeinsam die Tagesschau angesehen, und Wilhelm Bender hielt seinem Sohn dabei die Augen zu, wenn Kriegs- oder Gewaltszenen gesendet wurden. Justus Bender erinnert sich auch, dass Wilhelm Bender sich die Wochenenden möglichst freihielt. Dann war gemeinsames Radfahren und Wandern angesagt: „Damals habe ich Wanderungen gehasst, heute unternehme ich selber welche.“ Als gute Übung betrachtet Bender junior heute die Einladungen des Vaters, bei gesellschaftlichen Anlässen dabei zu sein – alle Erwachsenen in Schlips und Kragen, der Jugendliche kam sich anfangs fehl am Platze vor, lernte aber, keine falsche Ehrfurcht vor großen Namen zu hegen.
Was ihm heute hilft, denn Justus Bender ist Journalist. Seit Dezember 2011 arbeitet er als Redakteur für die Frankfurter Allgemeine Zeitung. Schon als Student hatte er für das Hochschulmagazin „Campus“ der Hamburger Wochenzeitung „Die Zeit“ gejobbt. Bei der F.A.Z. begann er in der Nachrichtenredaktion. Dort ist es üblich, dass sich die jüngeren Kollegen ein Fachthema suchen, das entweder ihren Studienkenntnissen oder ihren Neigungen entspricht.
Justus Bender: Mit Politik zum Traumjob
Justus Bender entdeckte für sich den Extremismus, zunächst am Beispiel der NPD. Der junge Mann fand es anregend, sich mit Extremisten auszutauschen, im fairen Streitgespräch etwa Fragen der Gewalt zu klären. Als sich mit der Alternative für Deutschland eine neue Partei gründete, hieß es in der Nachrichtenredaktion, „der Bender soll mal gucken“. Von Anfang an war er dabei und hat nach eigener Einschätzung „unheimlich viel gelernt“. Stundenlange Diskussionen zur Tagesordnung fand er anregend, er bekam am lebenden Objekt mit, wie man eine Partei gründet, wie Parteitage funktionieren, welche Waffe im Machtkampf eine Geschäftsordnung sein kann. Natürlich waren viele Berichte auch heikel, Bender stand deshalb ständig mit dem hauseigenen Justiziar in Kontakt.
Nach acht Jahren Nachrichtenredaktion mit täglichem Redigieren und der Last von Blattmachen und Umbruch wollte der junge Journalist am liebsten nur noch schreiben, aber zugleich als Vater eines heute Neunjährigen auch gern in Frankfurt bleiben, also nicht als Korrespondent auf einen anderen Platz in Deutschland oder der Welt wechseln. Die Lösung fand sich 2009 im Eintritt in die politische Redaktion der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung. Die jetzige Position ist sein Traumjob, der ihm viel Entfaltungsfreiheit bietet: „Ich wüsste nicht, wie das zu toppen wäre.“ Seinem Thema AfD ist Bender dabei treu geblieben – das Taschenbuch „Was will die AfD?“ ist dabei als Nebenprodukt entstanden. Aber Bender öffnet sich auch ganz anderen Themen, etwa der Pandemie und ihren Folgen. Kürzlich interviewte er mit einem Kollegen in einem viel beachteten Gespräch den Kardinal Gerhard Ludwig Müller in Rom.
Justus Bender hat sich nie als Kind eines Prominenten gefühlt, „das ist eine Zuschreibung von außen, die ich als anmaßend empfinden würde“. Er wuchs mit einem Vater auf, der bekennender Leistungsethiker war und geblieben ist, ein Arbeitstier: Noch heute, mit 77, ist er für eine Private-Equity-Gesellschaft und als Vorsitzender der Wirtschaftsinitiative Rhein-Main tätig, außerdem neben seiner zweiten Frau Sandra Schellhase-Bender weithin gesellschaftlich präsent. Auch die Scheidung der Eltern führte nicht zu einer Distanz, der Kontakt zum Vater riss nicht ab, fast jedes Wochenende verbrachte Justus in der neuen Familie. Wobei Justus Bender auch den prägenden Einfluss seiner Mutter erwähnt, einer Sonderschullehrerin mit großer Empathie und viel Geduld.
„Ich habe mich nie als Kind eines Prominenten gefühlt, das ist eine Zuschreibung von außen, die ich als anmaßend empfinden würde.“ – Justus Bender
Bender junior, der eine sechs Jahre ältere Schwester und aus der zweiten Ehe Wilhelm Benders eine jüngere Halbschwester hat, wurde mit einem Vater groß, der Werte vorgab und ihm vermittelte, Chancen nutzen zu müssen und seine Zeit nicht zu vertändeln: „Wenn man etwas macht, macht man es richtig.“ Das galt besonders, als der junge Mann nach dem Abitur überlegte, was er studieren könne. Als er dem Vater erzählte, dass er sich für Philosophie und Amerikanistik entschlossen hatte, hätte er eigentlich Protest erwartet – „das ging so weit, dass ich mir eine Liste machte mit Gegenargumenten, aber die brauchte ich gar nicht. Für meinen Vater ist Leistung wichtig, aber nicht die konkrete Richtung. Er hätte wahrscheinlich auch nichts dagegen gehabt, wenn ich Orgel hätte studieren wollen.“
Was hat Justus Bender von seinem Vater übernommen, hat er etwas an ihm bewundert? Ja, sagt er, beeindruckt habe ihn die Schnelligkeit, mit der sein Erzeuger in beruflichen Drucksituationen das Richtige getan oder gesagt habe. Auch das Kämpferische habe ihn beeindruckt: „Ich bin selber eher zurückhaltend und will zu allen nett sein und dass alle zu mir nett sind. Mein Vater ist der Kämpfertyp, und das finde ich schon deshalb toll, weil es mir nicht so liegt.“
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