Wie bleiben wir länger jung? Seit Jahrtausenden bewegt diese Frage die Menschheit. Und sie kommt der Antwort immer näher. In den letzten 15 Jahren hat die Altersforschung bahnbrechende Erkenntnisse gewonnen: Die Entdeckung des „Unsterblichkeitsenzyms“ Telomerase, wofür die Molekularbiologin Elizabeth Blackburn den Medizin-Nobelpreis erhielt. Die Erforschung der „Blue Zones“, jenen Gebieten, in denen Menschen überdurchschnittlich alt werden. Und vor wenigen Wochen ist es kalifornischen Forschern erstmals gelungen, das Altern von Mäusen aufzuhalten. Forscher rund um die Welt sind dem Geheimnis eines langen, gesunden Lebens dicht auf der Spur. Kein Zweifel: „50 ist das neue 30“ wird von Jahr zu Jahr realistischer. Kleine Einblicke in die Welt der Anti-Aging-Medizin. Von Kitti Pohl
Vergreiste Zellen eliminieren
Seneszenz nennt sich das Phänomen des Zellalterungs-Prozesses: Gesunde Zellen hören im Laufe der Zeit auf, sich zu teilen und sammeln sich im Gewebe. Die daraus entstehenden vergreisten, seneszenten Zellen sind die Ursache der Alterung und der damit verbundenen Krankheiten von Arthrose bis Osteoporose, wie auch focus.de berichtete.
US-Wissenschaftler haben herausgefunden, wie man die seneszenten Zellen im Körper eliminieren kann, ohne dabei die gesunden Zellen anzugreifen. Studienleiter Nick Graham von der University Of California: „Sie können eine alternde Maus mit senolytischen Medikamenten verjüngen. Diese Wirkstoffe sind quasi der begehrte Jungbrunnen.“ Die Ergebnisse der Studien kommen auch der Krebsforschung zugute.
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Den Thymus stärken
Biopharmakologe Gregory Fahy verkündete bei einer Aging-Konferenz im Juli in New York Unglaubliches: Es sei ihm gelungen, das biologische Lebensalter bei neun Probanden erfolgreich auf zweieinhalb Jahre zurückspringen zu lassen. Gelungen sei dies durch die Stärkung des Thymus, eines drüsenartigen Gebildes hinter dem Brustbein, das in der Jugend Immunzellen aufbaut und sich im Erwachsenenalter in Fettgewebe umwandelt, wie auch zeit.de schrieb.
Die Abwehrzellen reichen etwa bis ins 63. Lebensjahr, dann gehen die Immunfunktionen drastisch zurück. Ein neuer Medikamentencocktail mit Wachstumshormonen soll die Regeneration der Zellen wieder anregen. Der gebürtige Frankfurter Steve Horvarth, Star der Anti-Aging-Forschung und Entwickler der biologischen Alterungsuhr, bestätigte den Verjüngungseffekt der sogenannten TRIIM-Studie, spricht gar von einem „historischen Moment“.
Olivenwasser-Infusionen
Gesünder älter werden ist das Forschungsgebiet von Gynäkologe Dr. Andre Rotmann. In seiner Praxis im Rodgau entwickelt er individuell zugeschnittene Anti-Aging-Behandlungspläne, wozu auch maßgeschneiderte Infusionskuren gehören. Je nach persönlichem Messungs-Befund bestehen sie aus hochdosierten Vitamin C- und Vitamin D-Infusionen, Mineralstoffen und Spurenelementen. Dazu Adaptogene, biologisch aktive Pflanzenstoffe, die die Belastungs- und Stressresistenz erhöhen, wie Ginseng, Curcumin und Rosenwurz.
Neueste Erkenntnisse bestätigen die positive Wirkung von Grüntee-Extrakt-Infusionen: Der Inhaltsstoff EGCG wirkt krebsabwehrend und lebensverlängernd. Eine einmalige Infusions-Rezeptur wird aus kaltgepressten Oliven gewonnen. Dr. Rotmann: „Die darin enthaltenen Polyphenole reduzieren die Zellalterung, wirken antientzündlich und steigern die Libido. Auch bei Diabetes und Bluthochdruck erzielen wir damit positive Effekte.“ Das extrem bittere Olivenwasser, das sogenannte „acqua mora“, ist ein Nebenprodukt bei der Herstellung von Olivenöl und wird als „Oliphenia“ in der Burgapotheke Königstein hergestellt.
Mikrokosmos Blue Zones
Dr. Rotmann gehört der GSAAM (German Society of Anti-Aging–Medicine) an, einer Vereinigung von Fachärzten aus Internisten, Allgemeinmedizinern und Gynäkologen. Auf dem jährlichen Europa-Kongress in Wien stellte er Anfang Dezember seine ganzheitlichen 10 Gebote für ein jüngeres Älterwerden vor. Dafür modifizierte er die von Bestseller-Autor Dan Buettner 2005 veröffentlichte Theorie der „Blue Zones“, jenen fünf Gegenden auf der Welt, in denen die meisten über Hundertjährigen leben: Ein Dorf auf Sardinien, ein Viertel im japanischen Okinawa, das kalifornische Städtchen Loma Linda, die griechische Insel Ikaria und die Halbinsel Nicoya auf Costa Rica.
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- Buettner, Dan (Author)
Buettner hatte entdeckt, dass die Bewohner dieser völlig unterschiedlichen Gegenden Gemeinsamkeiten haben, die ein gesundes Altern begünstigen: von gesunder Ernährung über soziale und familiäre Bindungen bis zu ausreichend Bewegung. Dr. Rotmann: „Ich fragte mich, wie ein Mensch, der in Frankfurt und nicht in den Blue Zones lebt, für sich einen Mikrokosmos bilden kann, der einer Blue Zone gleicht. Altern ist etwas Schönes, wenn man es gesund angeht. Dabei geht es nicht um Faltentiefe und Aussehen, sondern um mentale Gesundheit.“ Dr. Rotmanns 10 Gebote umfassen die Faktoren Ernährung, Bewegung, Schlaf, Lebenssinn, soziale Kontakte, Stressmanagement, Achtsamkeit und Meditation, Liebe und Selbstliebe, Vitamine und bioidentische Hormone.
Topmodel mit elf Enkeln
Mit 53, als ihre drei Töchter erwachsen waren, startete Interior-Designerin Carla von Bergmann als Model durch, steht für Kunden wie Patek Philippe und Vichy vor der Kamera. Dass 50 das neue 30 ist, davon ist sie überzeugt: „Ich bin jetzt 69. Wenn ich an meine Mutter in dem Alter zurückdenke! Vor 30 Jahren war man mit 50 richtig alt. Das war eine völlig andere Zeit. Unsere Haltung und unser Bewusstsein gegenüber dem Älterwerden hat sich zum Glück verändert. Wir Frauen haben heutzutage viel mehr Möglichkeiten, um jung zu bleiben.“
Das Älterwerden, so Carla, habe durchaus auch positive Seiten: „Ich bin heute viel lockerer und entspannter als früher. Meine Töchter machen sich so viele Gedanken, um ihre Haare, ihre Figur. Ich finde mich genau so in Ordnung, wie ich bin. Und dabei trage ich Jeans und Stiefel, wie meine Töchter.“ Fragt man Carla von Bergmann, was sie für ihre Jugendlichkeit tut, kommt es wie aus der Pistole geschossen: „Lebensfreude! Ganz einfach Lebensfreude. Ich gehe viel spazieren, durch die frische Luft. Und natürlich halten mich meine Töchter und elf Enkel jung.“
Das Geheimnis der Telomerase
Wie wir gesünder und langsamer altern, hängt bis zu einem gewissen Grad davon ab, wie wir die Endkappen unserer Chromosomen pflegen. Diese sogenannten Telomere spielen im Alterungsprozess eine zentrale Rolle: Sie verkürzen sich bei jeder Zellteilung, bis sie sich nicht mehr teilen können und vergreisen. Je kürzer die Telomere, umso mehr Alterserscheinungen treten auf: Falten, weiße Haare, Haarausfall, schwindende Sehkraft, Gebrechlichkeit und Krankheiten. Das körpereigene Enzym Telomerase, für dessen Entdeckung die US-Forscherin Elizabeth Blackburn 2009 den Nobelpreis erhielt, kann diese Zellteilung aufhalten und unter günstigen Umständen sogar rückgängig machen.
Entscheidend sind Lebensstil und Lebensumstände. So begünstigen soziale Aktivitäten, gesunde Ernährung, viel Bewegung, ausreichend Schlaf und beglückende Freundschaften die Länge der Telomere. Rauchen, Fast Food, Hektik, UV-Strahlung, psychische Belastungen und Stress hingegen lassen uns schneller altern. Nun können wir Stress nicht vermeiden, sehr wohl aber entscheiden, wie wir damit umgehen, so Blackburn in ihrem Bestseller „Die Entschlüsselung des Alters“. Vor allem hält es jung, das Altern wohlwollend hinzunehmen. Blackburn: „Die Sehnsucht nach Jugendlichkeit verhindert, dass wir uns selbst so akzeptieren, wie wir sind.“
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