Statistiken der Krankenkassen belegen, dass Muskel- und Skeletterkrankungen zu den häufigsten Gründen für Krankschreibungen bei Menschen mit Bürojobs zählen. Erfahren Sie, wie Sie Ihren Arbeitsplatz ergonomisch gestalten und welche Übungen helfen können, um den Tag vor dem PC entspannt zu überstehen. Von Natalie Rosini
Die Ergonomie ist ein Teilgebiet der Arbeitswissenschaft. Der Begriff setzt sich zusammen aus dem griechischen „ergon“ für „Arbeit, Werk“ und „nomos“ für „Gesetz, Regel“, was bereits impliziert, worum es geht: Richtlinien zur optimalen Gestaltung des Arbeitsplatzes, also die Abstimmung von Arbeitsgeräten und –umgebung auf die individuellen Bedürfnisse des Arbeitenden.
Diese Anpassung der Arbeit an den Menschen sowie umgekehrt bezieht sich laut der Definition des REFA Verbands für Arbeitsstudien, Betriebsorganisation und Unternehmensentwicklung sowohl auf die körpergerechte Gestaltung der Arbeitsplätze und eine Beschränkung der Beanspruchung durch die Arbeit auf ein zulässiges Maß (Humanisierung der Arbeit) als auch auf die Gestaltung der Umwelteinflüsse. Vereinfacht gesagt: Gleißendes Licht, das aufs Gemüt schlägt, schlechtes Raumklima, Monitore, die die Augen schädigen, oder ein Bürostuhl, den man nach Feierabend im Kreuz spürt, sind tabu.
In diesem Artikel beschäftigen wir uns mit dem letzten Aspekt: der Ergonomie in Hinblick auf Wirbelsäule und Bewegungsapparat. Hierfür sprachen wir mit Prof. Dr. med. Michael Rauschmann von der Orthopädischen Universitätsklinik Friedrichsheim.
Dynamisch sitzen…
Viele Menschen, die am Schreibtisch arbeiten, so der Leiter der Abteilung für Wirbelsäulenorthopädie, nehmen über Jahre eine schlechte Sitzhaltung ein. „Selbst der beste Bürostuhl bringt wenig, wenn man den gesamten Tag in ein und derselben Sitzposition verharrt. Man sollte die Möglichkeiten moderner beweglicher Stühle nutzen, um häufig die Position zu wechseln.
Auf diese Weise vermeidet man statische Belastungen der Wirbelsäule und der Rückenmuskulatur und fördert die Durchblutung der Muskeln. Ideal für dieses dynamische Sitzen ist auch ein Sitzball, der beim Ausbalancieren auch die kleinen Muskeln in Aktion hält.“
Doch mit dem richtigen Stuhl allein ist es natürlich nicht getan: Tastatur und Mousepad sollten ebenfalls ergonomisch sein, um, wie der Facharzt für Orthopädie und Unfallchirurgie erklärt, eine Überstreckung des Handgelenks zu vermeiden. Dass durch PC-Arbeit ausgelöste Sehnenscheidenentzündungen keine Seltenheit sind, beweist nicht zuletzt die Tatsache, dass man heute nicht mehr vom Tennisarm, sondern vom Mausarm spricht.
…aber richtig
Die richtige Höhe beim Sitzen ist besonders wichtig. Sie sollte in etwa der Kniekehlenhöhe entsprechen: Die Oberschenkel sollten waagrecht sein leicht nach vorne abfallen. Für die Sitztiefe gilt: fester Kontakt zur Rückenlehne und gleichzeitig mindestens zwei Fingerbreit Platz von der Sitzvorderkante zur Kniekehle. Auch die Armauflage spielt eine Rolle: Sie sollte in etwa der Ellbogenhöhe über der Sitzfläche entsprechen, so dass die Ellbogen bei hängenden Schultern, ohne einen Rundrücken zu machen, locker aufliegen.
Die Rückenlehne sollte den Rücken in jeder Position stützen und die Bewegung des Oberkörpers mitmachen. Man wird also weder nach vorne gedrückt noch fällt man wie beim alten Chefsessel-Klischee à la JR Ewing nach hinten. Was die Tischhöhe betrifft, so gilt die Norm von 72 cm als längst veraltet. Ein moderner Bürotisch sollte höhenverstellbar sein – sich im Idealfall sogar so weit hochfahren lassen, dass man auch mal im Stehen arbeiten kann (s. Stellungswechsel).
Für das Arbeiten im Sitzen gilt: Die Tischhöhe ist dann richtig, wenn bei ideal eingestellter Stuhlhöhe und geradem Rücken die Unterarme flach auf dem Arbeitstisch liegen können, ohne die Schultern hochziehen zu müssen. Zudem sollte man darauf achten, dass unter dem Tisch genug Beinfreiheit herrscht, um problemlos die Position wechseln zu können.
Was den Abstand zum Bildschirm betrifft gilt in etwa folgende Faustregel: Bildschirmgröße 17 Zoll: circa 60 cm, 21 Zoll: ca. 80 cm. Der Bildschirm sollte frontal zum Gesichtsfeld aufgestellt und idealerweise leicht nach hinten gekippt sein. Die Bildschirmoberkante sollte sich in Höhe der Augen befinden.
Stellungswechsel
Auch wenn man alle Regeln befolgt und ergonomisch korrekt sitzt, sollte man keineswegs den ganzen Tag auf dem Derrière verbringen. Schließlich ist der Mensch für einen täglichen Aktionsradius von 15 bis 20 Kilometern geschaffen, den wir jedoch mit durchschnittlich 700 bis 800 Metern täglich weit unterschreiten. „Die Mischung macht’s“, erklärt Prof. Rauschmann. „Man sollte versuchen, immer wieder mal die Position zu wechseln.
Das heißt: sitzen, stehen, liegen. Mit einem höhenverstellbaren Tisch etwa kann man auch mal eine Zeit im Stehen arbeiten. Oder aber man platziert das Telefon an einem Stehpult, so dass man für Anrufe zwangsläufig aufstehen muss. Fürs Liegen empfehle ich, eine Isomatte im Büro zu haben, auf der man sich in einer ruhigen Minute kurz hinlegen kann.“ In den Pausen, so der Wirbelsäulenspezialist, solle man zusätzlich Bewegung einplanen: die Treppe benutzen statt des Lifts und während der Mittagspause auch mal spazieren gehen.
Selbsttest und richtiges Training
Prof. Rauschmann verrät uns, wie man testen kann, ob die tägliche Schreibtischarbeit bereits zu Muskelverspannungen und Sehnenverkürzungen geführt hat, selbst wenn Nacken oder Rücken noch nicht schmerzen: „Zum einen sollte man problemlos mit den Händen bei gestreckten Beinen seine Füße berühren können. Und um sicherzustellen, dass man die Schulter frei bewegen kann, sollte man mit der Hand hinter den Kopf greifen können und dabei den oberen und unteren Rücken erreichen. Hier spricht man auch vom Schürzengriff.“
Selbstverständlich reicht ein ergonomischer Arbeitsplatz allein nicht aus, um Haltungsfehler und Rückenbeschwerden zu vermeiden, wie Prof. Rauschmann abschließend erläutert: „Für einen gesunden Bewegungsapparat sollte man auf sein Gewicht achten und sich regelmäßig körperlich betätigen. Dabei geht es nicht so sehr darum, dreimal die Woche ins Fitness-Studio zu gehen, sondern vielmehr darum, möglichst viel Bewegung in den Alltag einzubauen, also mal zu Arbeit oder zum Einkaufen zu laufen, mit dem Rad zu fahren oder öfter mal spazieren zu gehen.
Der ideale Ausgleichssport ist natürlich Schwimmen, weil es gelenkschonend ist. Aber auch Nordic Walking oder abwechslungsreiche Parcours-Trainings, bei denen sich Ausdauer und Krafttraining die Waage halten und das Stretching nicht vernachlässigt wird, sind gut für Wirbelsäule und Muskeln.“
Plattform für eine gesunde Haltung
„Die tiefen Muskeln der Wirbelsäule sind für Haltung, Koordination und Gleichgewicht des Körpers fundamental“, erklärt Physiotherapeut und Diplomsportlehrer Dimitrios Zamanis, der uns ein Gerät präsentiert, mit dem genau diese Muskeln trainiert werden: den Spine Force Huber. „Durch die Stimulation der tiefen Wirbelsäulenmuskulatur wird der gesamte Körper ins Spiel gebracht: bis zu 80 Muskeln werden aktiviert.“
Und das mit ganzheitlichem Effekt: „Die Übungen auf der beweglichen Plattform trainieren gleichzeitig die Körperbalance, die Koordination und die Haltemuskulatur.“ Ein weiterer Pluspunkt ist das sofortige Feedback. „Die durch Sensoren gemessenen Werte werden unmittelbar auf dem Monitor angezeigt. Dadurch können sofort feinmotorische Korrekturen umgesetzt und eine Fehlbelastung ausgeschlossen werden.“ Eine halbe Stunde Training, mindestens zweimal wöchentlich, so Dimitrios Zamanis, „reicht, um bereits nach etwa vier Wochen die gewünschte Stabilisation dauerhaft zu erreichen.“ www.vitalzentrum-zamanis.de