Berlin und Frankfurt – eine sportliche Symbiose, die in der frühesten Vergangenheit für wahrhaft glanzvolle Momente sorgte. Erinnert man sich doch noch allzu gern an das Sommermärchen der Eintracht-Elf im vergangenen Jahr, als sie in einer hochspannenden Partie den DFB-Pokal gewannen. Oder aber an die Goldmedaille über 3.000 Meter Hindernis von Frankfurts Laufstar Gesa Felicitas Krause bei den Leichtathletik-Europameisterschaften in einem tobenden Stadion. Auch in diesem Sommer entsendet die Mainmetropole wieder herausragende Sportler in die Hauptstadt. Das Ziel: Die Finals – Berlin 2019! Von Chantal Buschung
Das Format ist neu, doch das Konzept erinnert an ein Wettkampfformat, das uns seit Jahrhunderten fasziniert: die Olympischen Spiele. Das höchste Ziel und der Traum eines jeden Sportlers. Alle vier Jahre treffen sich hier die besten Athleten der Welt aus mittlerweile 41 Sportarten, um gegeneinander anzutreten. Angefangen hat alles 1896 mit neun Sportarten.
123 Jahre später macht sich Berlin dieses Konzept zu Nutze, um den olympischen Flair auf nationale Ebene herunterzubrechen. Zehn Deutsche Meisterschaften in einer Stadt und an einem Wochenende, 3.400 Sportlerinnen und Sportler, die binnen 48 Stunden um insgesamt 194 Titel kämpfen. Es soll ein Sportwochenende der Superlative werden.
So vereinen die Finals die Titelkämpfe im Bahnradsport, Bogenschießen, Boxen und Kanu, in der Leichtathletik, beim Modernen Fünfkampf, Schwimmen sowie im Wasserspringen, Triathlon und Turnen. Berlins Sportsenator Andreas Geise ist schon jetzt stolz darauf, dass Berlin der erste Gastgeber dieses innovativen Konzepts sein wird.
Mini-Olympia
Ausprobiert wurde das Multisport-Format schon bei den European Championships in Glasgow und Berlin im August 2018. Die Resonanz war durchgehend positiv. „Das war ein großartiger Start, die Zuschauer haben dieses neue Format sofort angenommen. Unser Programmkonzept, zwischen den Sportarten hin und her zu wechseln, ist voll aufgegangen“, so der ZDF-Sportchef Thomas Fuhrmann.
„Da liegt ein Hauch Olympia in der Luft.“ – ZDF-Sportchef Thomas Fuhrmann
Genau diese Möglichkeit, von morgens bis abends zwischen den Sportarten zu wechseln, sieht auch ARD-Sportkoordinator Axel Balkausky bei den diesjährigen Finals als einen der größten Vorteile und vermutet: „Es wird ein hochattraktives Programm!“ Auch die Sportler selbst waren begeistert. Das Deutsche Schwimmteam um die für die SG Frankfurt startende Sarah Köhler schwärmt noch heute von der EM im letzten Jahr. Es sei gigantisch gewesen, die Stimmung in der Schwimmhalle einfach großartig.
Sportarten zu bündeln soll eine Chance sein, dem König Fußball endlich Paroli bieten zu können; eine Chance für medial unpopulärere Sportarten, an Aufmerksamkeit zu gewinnen. „Für uns ist es ein willkommenes Geschenk“, sagt der Geschäftsführer der Deutschen Triathlon-Union (DTU) Matthias Zöll. Denn die Deutschen Meisterschaften über die Sprintdistanz, die 750 Meter Schwimmen, 20 Kilometer Radfahren und 5 Kilometer Laufen umfasst, würden sonst im Fernsehen nicht übertragen werden.
Auch Schwimm-Bundestrainer Henning Lambertz meint: „Wenn wir im Fernsehen häufiger erscheinen und wahrgenommen werden wollen, dann funktioniert das nicht, wenn wir weiterhin als Einzelkämpfer unterwegs sind. Wir müssen mit anderen Sportarten kooperieren.“ Für eine weitere Attraktivitätssteigerung sind zudem Wettbewerbe für Hobbyathleten geplant, um Leistungssport mit Breitensport zu kombinieren und Tausende von Besuchern anzulocken. Eben ein großes Familienevent mit Weltklasseathleten zum Anfassen.
Sportmekka im Wald
„Viele Jahre lang scheiterte so ein Event an den Egoismen der Verbände“, sagt Zöll noch, dessen Sportverband in Frankfurt ansässig ist. À propos Verbände: Anders als bei internationalen Großveranstaltungen, bei denen meist eine Agentur oder ein Dachverband die sportartenübergreifende Organisation übernimmt, kümmern sich hier die einzelnen Fachverbände selbst. Lediglich die Koordination vor Ort hat eine Projektgruppe des Berliner Senats übernommen.
Bedenkt man, dass neben der DTU sechs weitere teilnehmende Verbände ihren Sitz in Frankfurt und Umgebung haben, so könnte man schon fast sagen „Die Finals – Berlin 2019: made in Frankfurt“. Der bekannteste Standort dabei ist wohl die Otto-Fleck-Schneise direkt gegenüber der Commerzbank-Arena im Stadtwald. Dort wo sich auch der Deutsche Olympische Sportbund (DOSB), der Deutsche Fußball-Bund (DFB) und zahlreiche Landesverbände tummeln.
Nahezu perfekte Rahmenbedingungen, auch für Sportler. So ist es kaum verwunderlich, dass die Stadt des Sports, wie sie Stadtrat Markus Frank benennt, schon so einige Sterne des Sports zum Leuchten gebracht hat.
Zu schätzen weiß das Leichtathletin Gesa Felicitas Krause. Seit bereits 10 Jahren lebt und trainiert die 26-Jährige hier, ging mit 16 Jahren aufs Sportinternat, das ebenfalls in der Otto-Fleck-Schneise zu finden ist, machte dort ihr Abitur und ist jetzt Profi-Athletin und ein Aushängeschild des deutschen Sports.
2017 wurde sie gar mit dem Sparkassenpreis für Vorbilder im Sport ausgezeichnet. „Laufen ist mein absoluter Traumjob! Klar, die vielen Kilometer in der Vorbereitung sind mühselig und es gibt sicherlich Trainingseinheiten, bei denen ich froh bin, wenn sie vorbei sind. Aber wenn man die Medaille am Ende um den Hals trägt, dann weiß man: Die Quälerei hat sich gelohnt“, sagt die zierliche Sportlerin.
Laufen ist mein absoluter Traumjob!“ – Hindernis-Europameisterin Gesa Felicitas Krause
Goldmomente
Und genau einen solchen Glücksmoment will sich Krause in Berlin erfüllen. Dabei hat die Hindernisläuferin eine ganz besondere Verbindung zum Olympiastadion: 2008 holte sie hier in der Jugend ihren ersten Deutschen Meistertitel, damals noch über 1.500 Meter Hindernis. 2018, genau 10 Jahre später, gewann sie an gleicher Stelle bei den Europameisterschaften vor heimischem Publikum Gold über 3.000 Meter Hindernis.
Auch in diesem Jahr will sich die Läuferin ihren Start vergolden: „Ich freue mich immer, in Berlin starten zu dürfen. Es ist eine magische Atmosphäre. Natürlich will ich meinen Deutschen Meistertitel verteidigen.“ Am schönsten sei das natürlich in einem nahezu ausverkauften Stadion. Das sollte bei einer Größe von 75.000 Sitzplätzen jedoch schwierig werden. Das findet auch Marco Buxmann, Marketing-Chef des Deutschen Leichtathletik-Verbands (DLV): „Für uns ist es die größte Herausforderung, das Stadion zu füllen. Hier sind die Fans gefragt, es ähnlich wie bei der EM zum Kochen zu bringen.“
Ein Sprecher von Eintracht Frankfurt mahnt zudem: „Das Berliner Olympiastadion ist als Austragungsstätte sicherlich eine Nummer zu groß. Auch wenn es den Vorteil einer atemberaubenden Kulisse hat.“ Berlin habe seiner Meinung nach reichlich Stadien mit kleinerer Kapazität. Die seien zwar bei Weitem nicht so traditionsreich, aber würden durch ein „volles Haus“ für eine tolle Wettkampf-Atmosphäre sorgen, die schlussendlich auch über das Fernsehen in die Wohnzimmer der daheim gebliebenen Zuschauer transportiert werden könne. Anders sei das bei einem halbleeren Olympiastadion.
Viel Kritik im Vorfeld, soll doch gerade die Leichtathletik als Lokomotive fungieren. Letztlich wird sich zeigen, wie viele ihrer Fans die Weltklasseathleten mit nach Berlin bringen werden. Unstimmigkeiten, mit denen sich die Athleten selbst weniger befassen. Neben Krause schickt Frankfurt noch weitere Titel- und Medaillenkandidaten ins Rennen nach Berlin, die sich auf das neue Format freuen und durchaus gespannt sind, was sie vor Ort erwarten wird.
Mainathleten
So sagt der 19-jährige Newcomer des letzten Jahres Kevin Kranz: „Berlin ist ein imposantes Stadion. Ich freue mich auf die Deutschen Meisterschaften dort.“ Und der Frankfurter Sprinter, der für das Sprintteam Wetzlar startet, hat noch eine Rechnung offen. Nach Vorlauf-Aus bei der EM 2018 über 100 Meter und der Disqualifikation mit der Staffel, will er nun auf der blauen Bahn seinen DM-Titel verteidigen und sich für die Weltmeisterschaften in Doha Ende September empfehlen.
Auch die Lauf-Zwillinge Diana und Elina Sujew haben großes vor: „Wir möchten um eine Medaille kämpfen. In einem Olympiastadion zu laufen ist immer etwas Besonderes. Wir sind gespannt, ob wir etwas von den anderen Sportarten mitbekommen.“ Trainingskollege Marc Reuther vermutet zudem, dass die DM eine erste Standortbestimmung für die Olympischen Spiele im kommenden Jahr seien.
Alle Jahre wieder will auch Siebenkampf-Vizeweltmeisterin Carolin Schäfer in den Einzeldisziplinen vorne mitmischen und die Spezialistinnen ärgern. Ihre Teamkameradin, die Weitspringerin Julia Gerter, hat das Ziel, über Berlin ebenfalls auf den Zug nach Doha aufzuspringen.
„Berlin ist ein imposantes Stadion. Ich freue mich auf die Deutschen Meisterschaften dort.“ – Sprinter Kevin Kranz
Mit großen Erwartungen und Aussichten werden Frankfurts Top-Athleten Anfang August nach Berlin reisen. Während die Schwimm-DM seit nunmehr 16 Jahren in Berlin stattfindet, bedeutet all das für die deutschen Leichtathleten eine einzigartige Rückkehr. Letztlich stellt die Mini-Olympiade mit 20 Stunden Live-Übertragung bei ARD und ZDF eine Win-Win-Situation aller Beteiligten dar. Fünf Sportarten werden im Olympiastadion und im Olympiapark zu sehen sein.
Dieser soll mit all seinen Anlagen an diesem geschichtsträchtigen Wochenende zu einer riesigen Sportmeile werden. Des Weiteren sind die nahegelegene Max-Schmeling-Halle, das Velodrom, die Schwimm- und Sprunghalle im Europapark sowie das Strandbad Wannsee Schauplätze des brandneuen Wettkampf-Formats.
Die Sportmetropole Berlin wird zu einem riesigen Fest des Sports und Frankfurt wird mittendrin sein. Ein Jahr vor den olympischen Spielen können Zuschauer, Athleten und Betreuer so schon einmal den olympischen Flow spüren und mitnehmen. Es wird ein erster Fingerzeig in Richtung Tokio 2020.
Dieser Artikel erschien zuerst in unserer Print-Ausgabe. Sie wollen schneller informiert sein? Hier können Sie ein Abonnement abschließen.