Dass Frauen viel Zeit, Mühe und Geld in ihre Haarpracht investieren, ist bekannt. Doch das starke Geschlecht zieht nach. Denn mehr ist mehr – das gilt aktuell für die Haupt- wie für die Bartbehaarung. Ein Trend, der Barbieren wie Transplanteuren neue Kundschaft bringt. Top Magazin Frankfurt hat ergründet, was es mit der Anziehungskraft des behaarten Mannes auf sich hat.
Der Trend zum Bart auf Deutschlands Männergesichtern erweckt den Berufsstand des Barbiers zu neuem Leben. Alex Torreto hat sich diesem anspruchsvollen Handwerk im wahrsten Sinne des Wortes verschrieben.
Vollbärtige Männer sitzen in braunen, abgewetzten Ledersesseln, spielen Karten, unterhalten sich. In der Luft Wolken aus süßlichem Zigarrenqualm. Auf der Bar stehen Kristallkaraffen mit Whiskey und Cognac. Fast könnte man bei einem Besuch des Frankfurter Barbiershops „Torreto“ meinen, man sei im 19. Jahrhundert gelandet. Aber nur fast.
Der Hip-Hop aus den Boxen wie die März-Ausgabe des Playboy auf dem Tisch versetzen zurück in die Gegenwart. Und auch der Charles Darwin-Gedächtnislook der hier versammelten Kundschaft kann nur modisch Unversierten old-fashioned vorkommen. Denn Bart ist in. Und wer derzeit die Hochglanzmagazine aufmerksam studiert und dabei zuweilen gar auf Dutt-tragende Herren stößt, weiß: Auch auf des Mannes Kopf gilt Fülle als fein.
Doch was soll eigentlich der Hype um Haare, die biologisch gesehen nichts weiter als Hornfäden sind? Vor allem beim Bart hat dies überwiegend mit seiner Symbolfunktion zu tun. Denn wie kaum ein anderes äußerliches Merkmal prägt Gesichtsbehaarung die Außenwirkung seines Trägers. Unter Herrschern, Philosophen, Intellektuellen, Revolutionären, Künstlern und Pazifisten waren die Bartträger in der Geschichte zahlreich vertreten.
Der Bart war für Macher, nicht für Müßiggänger. In den vergangenen Jahren hat ihn dann der Hipster wieder ins öffentliche Bewusstsein getragen. Statt Jutebeutel und Hornbrille signalisierte nun der Bart: Ich weiß, was läuft. Und in einer Rückbesinnung auf die Ursprünge wurde vor einiger Zeit der „Lumbersexual“ zum neuen Schönheitsideal erkoren – ein echter Naturbursche im Holzfällerhemd.
Der schöne Mann von heute ist also markig, kernig, bärtig. Tschüss, ihr Metro-Memmen! Oder doch nicht? Denn ein naturbelassener, wild wuchernder Waldschrat ist, Lumbersexual hin oder her, nun auch wieder nicht gewünscht. Zottelzauseln, igitt! Die stehen nach allgemeinem Dafürhalten nicht einmal Hollywood-Schönling Brad Pitt gut zu Gesicht.
Der Widerspenstigen Zähmung
Daher sind der übersprießenden Männlichkeit – einmal mehr – Grenzen gesetzt. Die richtige Pflege des Bartes ist elementar. Von nährenden Ölen über Wildschweinborsten- Bürsten bis hin zu Shampoo und Conditioner – um seinen Bart geschmeidig, weich und duftig zu erhalten, können bärtige Männer in ungeahnte, bis dato eher Frauen vorbehaltene, kosmetische Welten vordringen.
Sehr zum Wohle ihrer Partnerinnen, die sich nach dem Küssen nicht mehr das komplette Make-up erneuern müssen. Dem Vorwurf „Du piekst!“ muss sich zukünftig kein Mann mehr aussetzen. Da nun also mit der Stacheligkeit Schluss ist, erfreut sich der Bart auch bei Frauen einer neuen Beliebtheit? Singt doch schon 1996 die Berliner Punkrockband „Die Ärzte“: „Die glatte Haut dort im Gesicht, nein, darauf stehen die Frauen nicht.“
Ach, so ganz stimmt das ja nun auch nicht. Mehrere Studien kommen übereinstimmend zu dem Ergebnis, dass eine knappe Mehrheit der Frauen den Glattrasierten dem Bärtigen vorzieht. Und unter den geschätzten Bartarten wird es dann auch nicht richtig haarig: Die meisten Frauen mögen weder Voll- noch Schnurrbart und erst recht keine ausgefallenen Kreationen wie den kaiserlichen Backenbart. Nur der verrucht wirkende Drei-Tage-Bart, wie ihn auf dem roten Teppich Hollywood-Beaus wie George Clooney spazieren tragen, trifft vermehrt auf Gegenliebe.
Aber es gibt Hoffnung für all jene, die ihre Gesichtsbehaarung sprießen oder stehen lassen wollen. Jüngst verlautbarten australische Wissenschaftler, die weibliche Wahrnehmung eines Mannes Äußeren hänge vom Aussehen der Konkurrenz ab. Hier greift demzufolge der Reiz des Besonderen: Je weniger Männer Bart tragen, desto attraktiver wirkt der Bartträger. Zudem mag zwar nicht die Mehrzahl der Frauen zu den Pogonophilen, den Bartliebhabern, zählen, dass ihre Zahl nichtsdestoweniger beachtlich ist, beweist das Aufkommen von Dating-Apps wie Bristlr, benannt nach dem englischen Wort für „Borste“.
„Connecting those with beards to those who want to stroke beards”, so die erklärte Zielsetzung der neuen Anwendung. Und wie ein deutsches Dating-Portal mittels Umfrage herausgefunden haben will, gibt es neben den Bart-Fetischistinnen ja auch immer noch einige Frauen, die der Frage ‚Bart dran oder ab?‘ gänzlich gleichgültig begegnen. Hauptsache, der Kerl ist was.
Auf ein geteiltes Echo trifft der Bart auch im Berufsleben. Hier entscheidet vor allem die Branche: In Jobs, denen der Hauch des Kreativen anhaftet, wie Marketing- und Werbeagenturen, ist der Bart durchaus salonfähig, im Banken- und Finanzsektor aber bleibt glatt rasiert Trumpf. Exotische Eigenkreationen sollten zweifellos dem künstlerischen Bereich vorbehalten bleiben. Vom Bart profitieren können jüngere oder kindlich aussehende Männer. Sie schummeln sich durch Gesichtsbehaarung ein paar Jahre älter, wirken somit reifer, erfahrener und kompetenter. Und hier kommt wieder die Notwendigkeit der Bart-Pflege und -Formung zum Tragen: Ein getrimmter und gepflegter Bart kann Personaler und Kunden überzeugen, ein kraus gewachsener Fusselbart weniger.
Auf Messers Schneide
Den Bart in die richtige Form zu bringen, das überlassen einige Männer zunehmend Profis. Barbiere sind die Hauptgewinner des derzeitigen Barttrends: In anderen, vor allem südeuropäischen Ländern schon lange Tradition, waren Barbershops in Deutschland bis vor einigen Jahren äußerst spärlich gesät. Wenn überhaupt, ließ Mann sich vom Friseur den Bart „gleich mit machen“. Und die vielen Glattrasierten vertrauten ohnehin auf ihren eigenen Nass- oder Elektrorasierer.
Doch der Umbruch ist da. Nachdem sich immer mehr Männer für „oben mit“ entscheiden, bieten konsequenterweise zunehmend Hotels, Friseure und Konzept-Stores Barbier-Dienste an. Zurück zu einem der angesagtesten Frankfurter Barbierläden, dem „Torreto“. Hier wird dem Meister, Alex Torreto, bürgerlich Vellios, von seinen Kunden freie Hand gelassen. Wie von Stammkunde Martin: „Mach’ wie du denkst, Digger.“ Martin weiß, beim Chef ist er in guten Händen. In Händen, die auf den ersten Blick zeigen, dass der 27-Jährige sich buchstäblich mit Leib und Seele seinem Handwerk verschrieben hat. „B-A-R-B-E-R“ steht da in schwarzen Buchstaben auf seinen Fingern. Die traditionellen Barbier-Säulen schließen das eindrucksvolle Tattoo nach rechts und links ab.
Auch Alex’ sorgfältig gestyltes Äußeres mit einem exakt gestutzten braunen Vollbart und kunstvollem Fasson-Schnitt – oben lang, rasiert an den Seiten – legt nahe: Er ist Barbier aus Berufung. „Es gibt nichts Besseres“, erklärt Alex. „Denn die Barbierkunst hat einen wesentlichen Vorteil gegenüber anderen Dienstleistungen. Ein Kellner bringt dir ein Getränk, du trinkst es aus, gehst nach Hause und hast es vergessen. Auch das Brötchen vom Bäcker ist schnell aufgegessen. Ein kurzer Moment Genuss, das war’s. Aber wenn ich meinen Männern eine geile Rasur und einen ordentlichen Schnitt verpasse, dann sind die über sechs Wochen glücklich. Die Dankbarkeit gegenüber dem Barbier ist einfach größer und hält länger.“
Seine Kundentreue ist die Einheit, in der Alex sein Können misst: „Ein guter Barbier bist du, wenn du deinem Kunden das erste Mal den Bart schneidest, wenn er ein Teenager ist, und das letzte Mal vor seinem Tod.“ Vor neun Monaten hat Alex das „Torreto“ in Bockenheim eröffnet. Hier wird auf 48 Quadratmetern in Retro-Sesseln, umrahmt von Bildern bärtiger Ikonen und coolen Sprüchen, pure Männlichkeit zelebriert. Zigarren, Whiskey und griechischer Kaffee gehören dazu.
„No girls“, lautet konsequenterweise die oberste Regel, die Alex auf einer Tafel vermerkt hat – ein Gebot, das an diesem Tag nur ausnahmsweise für uns gelockert wird. Der Barbier hat immer Recht – auch das ist Gesetz im „Torreto“. Gehandhabt wird dieser Grundsatz freilich etwas flexibler. „Es geht mir darum, den richtigen Bart für den individuellen Typ des Kunden zu finden“, erläutert Alex.
Ehrlichkeit ist ihm dabei wichtig: Wenn einem Kunden Bart nicht stünde, würde er das genauso frei heraus sagen, versichert er. Generell aber ist der Meister überzeugt: „Echte Männer brauchen Bärte.“ Er selbst hat die Erfahrung gemacht, dass dieser auch bei den Frauen auf positive Resonanz stößt. „Darf ich mal deinen Bart anfassen?“ – diese Frage sei ihm schon häufig gestellt worden.
Für Männer, die ihrer Freundin wegen auf die Gesichtsbehaarung verzichten würden, hat Alex kein Verständnis. Er grinst: „Haben die ihre Mutter geheiratet?“ Die Liebe zum Barbierberuf erwachte bei Alex früh: Von seinem griechischen Großvater in die hiesigen Barbierstuben mitgenommen, lernte er die Handwerkskunst kennen. Die dort herrschende Atmosphäre faszinierte ihn bereits als Kind: „Man lernte da auch fürs Leben. Wie man sich gegenüber Erwachsenen verhält, zum Beispiel. Und die Männer tauschten sich aus, unterhielten sich über ihren Alltag.“
Dieses Unter-sich-sein, eine eigene, exklusive Welt für Männer, die wollte er auch in seinem Laden erschaffen. „Der Barbershop ist wie ein Hobbykeller.“ Kunde Martin bestätigt: „Man kämmt den Bart, man pflegt ihn mit Öl – der Bart ist für uns Männer wie die Frisur für Frauen.“ Auch seine Vorliebe für Bart hegte Alex schon lange, bevor dieser „in“ war. „Außer in der Armee war ich niemals glattrasiert.“
Eine bevorzugte Bartform hat der Meister nicht – „Es muss dem Kunden stehen“ – generell aber schätzt er den Look von Model Ricki Hall. Kein Wunder, dass auch seine eigene Bartform an den von der Netzgemeinde gefeierten Engländer erinnert. Bei Haaren jedoch ist der Meister streng: „Keine Hippie-Frisuren in meinem Laden – die Ohren müssen frei sein!“ Alex’ Kunden gefällt’s, das „Torreto“ ist täglich gut besucht, am Wochenende stehen die Männer vor Ladenöffnung Schlange. Auch Martin sieht am Ende der Prozedur zufrieden in den Spiegel. „Einmal im Leben sollte jeder Mann ausprobieren, wie es sich anfühlt, einen Vollbart zu haben“, sagt er und streicht andächtig über seinen von Alex akribisch gestutzten. „Dafür lohnt es sich“, erklärt Niko, Alex’ Bruder, der derzeit noch den Barmann gibt, aber jetzt von seinem Bruder das Handwerk erlernen will, „dieser Moment, in dem der Kunde danach in den Spiegel schaut und sich ein Lächeln auf seinem Gesicht breitmacht.“
Das vollkommene Männerglück im Torreto könnte wohl nur durch eines getrübt werden: „Ich hatte heute Nacht mal wieder meinen Albtraum“, erzählt Alex, „Ich greife zur Schere und schneide mir den Bart ab. Als ich aufwachte, bekam ich Panik und musste mir erst einmal dran fassen. Alles noch da, puh.“
Gekommen, um zu bleiben
Auch in dem von fünf Frankfurter Musik- und Gastronomiegrößen neu eröffneten „Legends“ wird der Zierde des Mannes reichlich Aufmerksamkeit zuteil: Im Obergeschoss des Szeneladens befindet sich neben einem Tattoostudio auch ein Barbershop – wie die Bar im unteren Teil im „Old School“-Schick eingerichtet, mit weißen Retro-Sofas und antiken Frisierstühlen.
Die vier hier angestellten Barbiere wurden in Amerika und Südamerika zu Barbern ausgebildet. „Eine saubere Technik ist entscheidend. Daneben ist uns wichtig, den Kunden individuell zu beraten, sich auf seinen Typ und seinen Bart einzulassen, denn jeder hat andere Vorlieben“, erklärt Hassan Annouri, einer der fünf Betreiber des Legends.
Annouri hält den Trend zum Bart nicht für eine vorübergehende Erscheinung: „Der Bart bleibt. Da kamen vielleicht einige Bartträger neu dazu, die das ausprobieren, weil es cool ist, aber bei vielen gehört der Bart eben schon immer dazu.“ Das Bestreben, ihn außer Haus formen und pflegen zu lassen, das sei hingegen neu. Gepflegtes Aussehen habe für Männer mittlerweile eine gestiegene Bedeutung: „Man will gut aussehen, klar. Und man tut etwas dafür. Manche Kunden bringen sogar Bilder von Prominenten mit, um uns zu zeigen, wie sie sich ihren Bart vorstellen.“ Auch für Annouri ist der Barbershop ein Ort der Kommunikation: „Es geht dabei um das Gesamte: Hier trifft man sich, hier spricht man miteinander. Der Barbier ist für Männer das, was der Friseur für Frauen ist .“
Anders als im „Torreto“ gibt es hier keine Zugangssperre für Frauen. „Das wäre gar nicht in unserem Sinne“, sagt Annouri. „Wir haben nämlich auch einige Kundinnen, die sich hier ihre Kurzhaarfrisur machen lassen, zum Beispiel einen Undercut.“ Ob der Mann mit Bart ein Frauenmagnet ist, in dieser Frage möchte sich Annouri nicht festlegen: „Das ist wohl fifty-fifty. Es gibt einige, die es mögen und einige, die nicht. Ist wie bei uns Männern. Der eine mag blond, der andere brünett.“
Die Wurzel allen Übels
Auch bei sich hat der Mann Vorlieben, was das Haar anbelangt. Allerdings weniger die Farbe denn die Fülle betreffend. Nicht nur beim biblischen Kraftprotz Samson war der Verlust des Haares ein wunder Punkt. Auch heutige Männer sind zuweilen äußerst sensibel, bringt Frau das Gespräch auf das sich lichtende Haupthaar. Geheimratsecken, scheint es, rangieren in Beziehungen in derselben Tabu-Kategorie wie das weibliche Gewicht.
Doch warum ist das so? Warum wird ein Mangel an Haar mit einem Defizit an Vitalität oder Virilität in Verbindung gebracht? Sinn macht hier vor allem der biologische Zusammenhang: Da der männliche Schopf sich üblicherweise erst mit zunehmendem Alter lichtet, kann, wer volles Haar hat, noch nicht besonders alt sein. Da auch die Potenz mit den Jahren allmählich nachlässt, könnte hier zudem die Assoziation zur sexuellen Leistungsfähigkeit zu verorten sein.
Dabei ist gerade die Annahme, eine Glatze weise auf ein Manko an Männlichkeit hin, von Seiten der Biologie her schnell zu widerlegen. Denn die charakteristische Erscheinungsform des männlichen Haarausfalls, die so genannte androgenetische Alopezie, ist der Überempfindlichkeit der Haarwurzeln gegenüber dem Abbauprodukt des Männlickeitshormons Testosteron geschuldet – was schlussendlich das Verkümmern des Haarfollikels zur Folge hat. Dieser Tatsache und auch einigen berühmten glatzköpfigen Sexsymbolen wie „Kojak“ Telly Savalas, Bruce Willis oder Vin Diesel zum Trotz – die Glatze ist und bleibt für viele etwas Missliebiges. Und das bei beiden Geschlechtern!
Doch woher nehmen, was nun mal nicht da ist? Halbherzige Vertuschungsaktionen wie das Über-den-Scheitel-Kämmen der letzten vorhandenen Strähnen ziehen in der Regel amüsierte bis mitleidige Blicke von Nicht-Betroffenen nach sich. Da müssen andere Maßnahmen her.
Kampf dem Kahlschlag
Im Kampf gegen die Glatze wurden über die Jahrhunderte immer wieder neue Mittel gefunden. Mit ganz unterschiedlicher Leistungsfähigkeit: Die alten Ägypter schmierten sich eine Tinktur aus gemahlenen Hundepfoten und Eselshufen auf die kahlen Köpfe. Römische Männer sollen sich ihre Glatzen bisweilen dunkel bemalt haben. Auch Perücken kamen bereits seit der frühesten Menschheitsgeschichte zum Einsatz. Schon Julius Cäsar oder später Ludwig XIV. kaschierten damit ihr schütteres Haar. Heute ist die Perückenkunst so weit fortgeschritten, dass der Haarersatz vom natürlich gewachsenen Eigenhaar auf den ersten Blick kaum zu unterscheiden ist. So können Toupets ihren Trägern durchaus zuverlässige Dienste leisten.
In seiner Rolle als der Frauenheld schlechthin, James Bond, konnte Sean Connery auch mit Haarersatz überzeugen. Und Hollywood-Legende John Travolta soll ebenfalls über 100 Toupets besitzen, um seine Halbglatze zu verbergen. Wer hätt’s gedacht? Und auch die Mode zeigt Auswege auf. So vertuschen findige Männer bisweilen ihre Geheimratsecken durch trendige Hüte, Basecaps und Mützen – einerseits natürlich clever, andererseits doch nur begrenzt anwendbar. Wider den Haarschwund gibt es daneben zahlreiche Mittel auf dem Markt, von Bockshornkleetinktur bis hin zu Koffeinshampoo.
Wissenschaftlich anerkannt sind nur zwei davon, beides medikamentöse Therapien: Mittels der Wirkstoffe Finasterid und Minoxidil lassen sich intakte Haarwurzeln meist retten, bei einigen Anwendern erwachen sogar bereits kaputte wieder zum Leben. Je früher die Therapie beginnt, desto besser die Erfolgschancen. Doch ohne Wermutstropfen ist das Ganze nicht: Finasterid kann sich unter Umständen negativ auf die Libido auswirken und Minoxidil ist in der Anwendung recht lästig. Die Tinktur muss jeden Tag in die Kopfhaut einmassiert werden.
Derzeit forschen Wissenschaftler an der Entwicklung von Prostaglandinpräparaten, die in den USA bereits für Wimpernwachstum eingesetzt werden. Lebenslang auf Medikamente angewiesen zu sein – dieser Gedanke behagt indes nicht allen Männern.
Top auf’m Kopp: Klopp
Verlorenes, echtes Haar kann allerdings auch ohne Pillen und Wässerchen zurückgewonnen werden: Haartransplantationen sind zwar in der Regel die kostenintensivste, dafür aber auch die am natürlichsten aussehende Variante, das männliche Haupthaar wieder aufzufüllen. Bei dem Eingriff werden unter lokaler Betäubung Haarfollikel aus dem Haarkranz, dem Teil, der in der Regel am resistentesten ist, entnommen und an einer kahlen Stelle wieder eingepflanzt.
Das wandelnde Erfolgsbeispiel für diese Methode ist Jürgen Klopp. Der ehemalige Borussia Dortmund-Trainer überraschte 2013 mit einer schmissigen neuen Kurzhaarfrisur, die gegenüber seiner alten kinnlangen Version deutlich an Dichte gewonnen hatte. Kein Wunder der Natur, sondern der Medizin, gestand Klopp lässig und kokettierte: „Und ich finde, das Ergebnis ist ganz cool geworden, oder?“ Klopps Bekenntnis – eine hervorragende PR für Schönheitschirurgen und Dermatologen. Seither boomt die Nachfrage nach Haartransplantationen. Auch FDP-Chef Christian Lindner und Popsänger Sasha entschieden sich für die professionelle Verdichtung ihres Schopfes.
Wer ebenfalls über diese medizinische Lösung für den Kahlschlag nachdenkt, der sollte sich nicht gar zu viel Zeit lassen. Denn für eine erfolgreiche Transplantation müssen nun einmal genügend gesunde Haarfollikel übrig sein. Ist der Haarausfall bereits stark fortgeschritten, kann es damit eng werden. Aktuell versuchen sich Forscher an der Gewinnung von neuen Haarwurzeln aus Stammzellen – immerhin, bei Mäusen scheint dieses Verfahren bereits zu funktionieren.
Was tun, wenn nichts hilft
Es ist doch ungerecht, denkt sich so mancher mit Kahl- und Nacktheit geschlagene Mann, der dem Trend zu vollem Haar und Bart allenfalls unter großen Anstrengungen genügen kann.
In diesem Fall tritt endlich einmal die viel gerühmte und selten gesehene ausgleichende Gerechtigkeit auf den Plan: Lichtet es sich am oberen, kann häufig am unteren Teil des Kopfes gezüchtet werden. Die Herren mit voller Mähne hingegen beklagen zuweilen spärlichen Bartwuchs. Und manch einer hat weder auf dem Kopf noch im Gesicht viel Haar zu bieten. Zum Trost sei all diesen gesagt: Es sind gewiss nicht des Mannes Haarfollikel, die ihn zum Mann stempeln. In Estland beispielsweise heißt es: Der Mann wird am Verstand gemessen. Und der, das ist das Gute, wächst mit den Jahren auf jeden Fall.