Manche haben es schon immer gewusst. Networking per Einsammeln von Visitenkarten oder hunderter LinkedIn-Kontakte reicht bei Weitem nicht, um belastbare Beziehungen aufzubauen. Anregende Begegnungen sind nicht nur privat, sondern auch geschäftlich der Schlüssel zum Erfolg. Spätestens seit Corona haben es wohl auch die Letzten begriffen.
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Vor sieben Jahren hat Dr. Stefan Söhngen die Relationing GmbH gegründet. „Menschen, die zusammenführen können, werden gebraucht“, stellt er fest. „Das hat sich nun dramatisch bestätigt.“ Relationing setzt fort, was Söhngen schon mit der Montagsgesellschaft gelungen ist. Der promovierte Politikwissenschaftler und Soziologe hat diesen besonderen Kreis bereits 2005 zusammen mit dem Unternehmer Stefan Knoll ins Leben gerufen.
Unter den eingeladenen Gästen waren bisher unter anderem Ministerpräsident Volker Bouffier, Eintracht-Präsident Peter Fischer und die Holocaust-Überlebenden Anita Lasker-Walfisch und Trude Simonsohn, die in diesem Jahr verstorbene Frankfurter Ehrenbürgerin. Die Treffs, auf denen zwanglos über spannende und bewegende Themen gesprochen werden kann, sind bereits in Frankfurt zu einer Institution geworden.
Stefan Söhngen: Relationing als Erfolgsmethode
Die Idee, einen besonderen Rahmen für Verbindendes zu schaffen, liegt auch der Relationing GmbH zugrunde. „Was wir bieten, ist kein klassisches Networking, bei dem man den anderen auf die Schnelle für sich nutzbar machen möchte“, erklärt der Unternehmer. „Meinen Mitarbeitern und mir geht es in unterschiedlichen Formaten darum, dass sich die Beteiligten schätzen lernen, um vielleicht – wenn sie wollen – irgendwann mal miteinander zu kooperieren.“
Wie so etwas geht, hat er zusammen mit Horst Persin, dem CEO eines Schweizer IT-Unternehmens, in dem 2020 im Fachverlag erschienenen Buch „Erfolg durch Relationing“ erläutert. Die beschriebene Beziehungspflege basiert auf Vertrauen. Nur so erscheint sie Söhngen nachhaltig. Das Ganze kostet auch Zeit und hat viel mit den Sinnesorganen und dem „Nasenfaktor“ zu tun.
„Man muss sich nämlich auch riechen können“, erinnert der 44-Jährige an elementare Grundbefindlichkeiten. „Es ist nie zu spät, mit Relationing anzufangen. Es ist der Dreh-und Angelpunkt des Miteinanders. Denn am Endes des Tages werden auch die Geschäfte – trotz fortschreitender Digitalisierung – über Menschen abgewickelt.“
Der Nasenfaktor
Stefan Söhngen ist in Bickenbach an der Bergstraße („da wo Struwwelpeter-Autor Heinrich Hoffmann ein Sommerhaus hatte“) aufgewachsen. Er hat erfahren, dass Neuankömmlinge in Frankfurt dankbar über Hilfestellungen sind. In der deutschen Stadt mit der höchsten Fluktuation kann man ganz schön einsam sein. Das aber sei kein Schicksalsschlag, sondern man könne etwas dagegen tun, führt er aus.
Mit seinem Team richtet er das Newcomers Festival mit Unterstützung der Stadt im Römer aus. „Das war im Corona-Jahr 2020 mit weit über tausend Besuchern die größte Frankfurter Veranstaltung, wenn man einmal von ein paar Spielen der Eintracht absieht“, berichtet er. Im vorigen Jahr kamen dann sogar mehr als 2.000 Besucher zu dem Event. Bald würden es wohl wieder 5.000 Besucher sein wie vor der Pandemie, ist er zuversichtlich. „Die Seuche hat vielen einen Strich durch die Rechnung gemacht. Uns aber ist es gelungen, über die Montagsgesellschaft und das Newcomers Festival 70 Veranstaltungen zu organisieren“, resümiert der Beziehungsmanager.
Stefan Söhngen: Findiger Brückenbauer
Es gehe dabei immer sehr international zu, begeistert sich der Frankfurt-Liebhaber. Er mag die Aufgeschlossenheit der Stadt, die laut einer aktuellen Studie zu den beliebtesten der Welt gehört. Dass die Integration unterschiedlicher Nationalitäten so gut funktioniere, habe auch mit der Vitalität und Prosperität des europäischen Finanzzentrums zu tun, glaubt Söhngen. Er engagiert sich in Initiativen gegen Fremdenfeindlichkeit und Antisemitismus und hat sein Anliegen wiederholt in seinen Talks bei Radio Frankfurt zum Thema gemacht. „Wir wissen ja, wohin Intoleranz und Nationalismus führen können.“
Der neugierige Brückenbauer, dessen Mutter aus der Schweiz stammt, wollte früh hinaus in die Welt. Nach dem Abitur ging er für ein Jahr in die USA nach Maine. Danach gönnte er sich einen halbjährigen Trip durch Indien. Davon geblieben ist die Faszination, die ihn befällt, wenn er an Flohmarktständen Abgelegtes und fast Vergessenes durchstöbert.
Anknüpfungspunkte erspüren
„Das Beste ist, anschließend mit den Leuten ins Gespräch zu kommen“, erzählt der Menschensammler, den spezielle Fundstücke begeistern können. An seinem schönen Haus in Rödelheim aus dem Jahr 1914 lehnt vor dem Eingang ein Fassadensplitter vom Heidelberger Schloss, den er als Kind auf dem Boden erspäht hat und der ihm wie ein Schatz vorkam.
Söhngen ist ein Entdecker geblieben. So erspürt der Relationing-Manager schnell Anknüpfungspunkte, wenn unterschiedliche Personen aufeinander treffen. Er nennt dies „connecting the dots“. Nach seiner Überzeugung verfehlt man nur mit Excel-Listen, Algorithmen und Likes im Netz den Kern dessen, was Zusammenleben ausmacht. „Frag nicht, was etwas kostet, sondern was etwas wert ist“, zitiert er den früheren Kanzler Helmut Schmidt.
Mit der „Relationg GmbH“ will Söhngen Begegnungen „orchestrieren“. Das Öffnen von Türen geschehe bei ihm „elegant und dezent“, verrät er. Oft beginnt es mit dem klassischen gegenseitigen Vorstellen von zwei Personen bei einer Veranstaltung. „Mir geht es um mehr als bloß um ein Geschäft.“ Er verstehe seine Tätigkeit auch als Beitrag zur Stärkung der Stadtgesellschaft. „Wenn ich zwei Leute bekannt mache, entwickelt sich oft etwas und plötzlich fliegen kreative Funken.“
Kontakte und Lösungen
Mit seinen Klienten schließt Söhngen in der Regel einen Vertrag auf Honorarbasis. Der „Entscheider-Influencer“, der an einen Gentleman alter Schule erinnert, schaut sich bei einer Problemlage zunächst in seinem Netzwerk um und überlegt, wer von seinen Kontakten zu einer Lösung beitragen könne.
„Bei Konflikten will ich einen Dialog anstoßen und die Interessen beider Seiten kompatibel machen“, schildert er seine Strategie. Das verlangt Übersetzungsarbeit, im übertragenen und oft auch im wörtlichen Sinn. Zum Beispiel, wenn eine arabische Adelssippe in Deutschland ein Schloss kauft und anschließend Ärger mit dem Denkmalschutz bekommt. Das kann schon mal sehr kompliziert werden.
Stefan Söhngen: „Yes we can“
Und manchmal läuft es dann wieder recht reibungslos. Als ein japanisches Unternehmen vergeblich nach einem geeigneten Standort für ein Rechenzentrum in Frankfurt suchte, gelang es Söhngen in kurzer Zeit, sein Netzwerk zu aktivieren. Der Konzern konnte daraufhin die Anlage in einer benachbarten Kommune auf über 100.000 Quadratmeter bauen. „Da steigt nun das Aufkommen an Gewerbesteuer und die Wirtschaftskraft“, lächelt der so ganz andere PR-Mann. „Das nennt man wohl Win-Win.“
Söhngens Wahlspruch lautet „Yes we can“. In seinem Büro hängt denn auch ein gerahmter Zeitungsartikel mit dem Slogan als fette Überschrift über einem Foto von Barack Obama. „Ja, wir schaffen das“, transportiert er das Ganze in die Diktion von Angela Merkel. Die deutschen Bedenkenträger sind ihm manchmal nicht geheuer. Optimismus hält er für eine Voraussetzung, um kraftvoll etwas bewegen zu können.
Überraschendes tun
„Das Gegenteil von dem zu tun, was andere erwarten, macht mir Spaß“, bekennt er. Das zeigte sich schon damals an der Uni in Frankfurt. Er saß als Vertreter der CDU-Studentenvertretung RCDS 2003/2004 im AStA, nachdem das erste grün-schwarze Studentenbündnis an einer deutschen Hochschule geschmiedet worden war. In dieser Zeit bemühte er sich mit Erfolg um eine Annäherung der Universität an den Finanzplatz Frankfurt. Schon vor beinahe 20 Jahren konnte er Menschen zusammenführen und begeistern.
Von der viel gepriesenen Work-Life-Balance hält der Vater von drei Töchtern übrigens nicht so viel. „Bei mir ist alles verwurschtelt“, sagt er. „Arbeit ist mein Leben, weil sie mir Freude macht und ich sie mit meinem Privatleben zu verbinden weiß.“ Die Frage „Tell me why I don’t like Mondays?“, die bei „The Boomtown Rats“ zum Hit wurde, hat sich für Stefan Söhngen nie gestellt. Er freut sich stets auf den Montag. Dann geht es wieder richtig los.
Mehr zu Stefan Söhngen unter: www.relationing.de, www.stefansoehngen.de
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