„Größere Meeting-Räume, modernes Interieur und alles hell und freundlich gestaltet“, schwärmt Frank Klaas, Vice President of Communications Geely Europe, als er uns nach dem Umzug durch den 5.400 Quadratmeter großen Bürokomplex führt. Nur ein paar Kilometer von Rüsselsheim entfernt liegt das neue Lotus Tech Innovation Centre – der Nachfolger des Geely Auto Technologie Center Deutschland (GATD), das der chinesische Automobilkonzern seit 2018 im Rhein-Main-Gebiet unterhält. Frankfurt, Wiesbaden und Mainz liegen genauso nah wie der Flughafen.
Inhalt
Ungebremstes Wachstum
„Der Standort schafft einen positiven Spirit. Das liegt nicht zuletzt an der Verwaltung“, hebt Klaas die Unterstützung durch die Stadt Raunheim und das Land Hessen hervor. „Wir sind sehr glücklich, hier arbeiten zu dürfen. Aufgrund der sehr guten Zusammenarbeit können wir auch ausreichend Parkplätze und E-Ladesäulen stellen – es verwundert nicht, dass sich in der Region so viele wichtige Firmen ansiedeln.“
Geely ist eine Größe, mit der weltweit zu rechnen ist. Das ist nicht nur an den sehr hohen Wachstumsraten abzulesen, die durch die Corona-Krise kurzfristig eine Unterbrechung erfuhren. Das Unternehmen hat sich strategisch geschickt aufgestellt: Gründer Li Shufu bedient längst nicht nur den heimischen chinesischen Markt. Mit dem Kauf von Volvo vor elf Jahren bewies er, wie man etwas altbacken gewordene Modelle mit frischen Ideen wieder auf die Erfolgsspur führt. Inzwischen verfügt Geely über weitere Marken, die in Europa einen guten Klang besitzen. Dazu gehört die Firma, die die berühmten schwarzen Londoner Taxis – die Black Cabs – baut.
190 Mitarbeiter aus 15 Nationen
Mit der 2017 erworbenen englischen Sport- und Rennwagen-Legende Lotus, bei der Geely 51 Prozent der Aktien hält, hat der wachstumsstärkste chinesische Automobilkonzern viel vor. Das Entwicklungszentrum in Raunheim spielt dabei eine zentrale Rolle. Hier wird eine modulare und flexible Architektur für die Anfertigung von Personenwagen erforscht. Kommunikationschef Klaas: „Für Geely bricht hier eine neue Ära an. Bereits jetzt arbeiten rund 190 Mitarbeiter aus mehr als 15 Nationen an einer fortschrittlichen Mobilität.“ Aus Deutschland, England, Italien, Frankreich, China, Brasilien und anderen Ländern kommen die Experten.
Ritterschlag Lotus
Noch wird qualifiziertes Personal gesucht. In naher Zukunft soll auf 200 Ingenieure aufgestockt werden. „Die Transformation der Traditionsmarke Lotus zu einer Premiummarke von Geely ist ein Ritterschlag für unser Team. Jetzt sind wir hier in Raunheim für die Entwicklung modernster Technologien zuständig“, so Klaas stolz.
„Der Geruch von Benzin ist verflogen, die Zukunft gehört E-Autos!“, erläutert uns Serino Angellotti, Senior Chief Engineer for Electric / Electronic and Software Integration im LTIC. Der italienische Ingenieur, der schon für Maserati und Alfa Romeo arbeitete, ist seit der Gründung des Entwicklungszentrums Teil des Teams. „Unsere Passion ist es, die traditionsreiche britische Marke Lotus neu aufblühen zu lassen und spannende Modelle zu entwickeln – darunter superstarke Elektro-Hochleistungssportwagen.“
600.000 E-Autos im Jahr
2018 stieg Geely mit knapp zehn Prozent bei Daimler ein und ist somit größter Einzelaktionär beim Stuttgarter Konzern. Seit 2020 ist das Unternehmen zudem mit 50 Prozent an Smart beteiligt. Für 2022 hat man neue Visionen: Das bekannte Stadtauto will sich neu erfinden. Künftig wird Geely die technische Basis der nächsten Generation Smart entwickeln, das Design steuert Daimler bei. Wie das aussehen könnte, zeigte der fünfsitzige Elektro-Crossover SUV mit rund vier Metern Länge, der auf der IAA 2021 in München als Conceptcar bereits Premiere feierte.
Überdies hat der chinesische Autokonzern seinen Strategieplan bis 2025 vorgestellt: Im Moment verkauft Geely weltweit rund 1,8 Millionen Fahrzeuge – dies soll in den nächsten Jahren stark gesteigert werden. Allein im Bereich der Elektrofahrzeuge möchte man weltweit über 600.000 Stück – mit modernster Technologie – absetzen.
Zukunft autonomes Fahren
Insbesondere die Geely-Marke Zeekr soll im oberen Segment Fuß fassen. Geely-Boss Li Shufu will dem Shootingstar Tesla Paroli bieten. Showrooms in Großstädten sowie ein neues Lotus-Headquarter in Wuhan sind ebenfalls geplant. Die Mannschaft tüftele zudem an intelligenten Kommunikationssystemen, so Angellotti: „Eine große Herausforderung, aber Geely nähert sich schrittweise dem autonomen Fahren an!“
„Wir streben ein Top-Niveau an und arbeiten mit unseren Zentren in Norwich und Coventry sowie mit unseren Zulieferern eng zusammen“, berichtet Frank Klaas. Der ehemalige Journalist des Hessischen Rundfunks ist früher selbst Rennen gefahren. Seitdem besitzt er ein gutes Gefühl dafür, was einen technisch stimmigen und spritzigen Wagen auszeichnet. „Batteriefahrzeuge zu entwickeln, die elektrisch sind und gleichzeitig umweltfreundlich und super dynamisch fahren – das sind nicht nur spannende Aufgaben für gestandene Ingenieure, sondern auch für junge Talente!“
Frauen am Steuer
Um den Nachwuchs an Hochschulen kümmert sich HR-Managerin Annette Eckstaedt unermüdlich: „Wir bieten Praktika und sind offen für berufsbegleitende Studiengänge. Die langfristigen Kooperationen mit den Hochschulen der Region wie der Hochschule Darmstadt sind uns wichtig, um nach herausragenden Könnern Ausschau zu halten. Als vollwertiges Mitglied ist man bei uns Teil eines hochmotivierten Teams.“ Ein direkter Einstieg nach dem Studium sei möglich. „Wir beschäftigen auch Testfahrerinnen“, sagt die Personalerin und räumt mit Klischees auf: „Es kommt nicht aufs Geschlecht an: Phantasievoll sollte man sein, handwerkliche Professionalität und das gewisse Know-how mitbringen.“
Studenten am Start
Wie eine erfolgreiche Kooperation aussieht, beweist die Scuderia Mensa: das Racing Team der Hochschule Rhein-Main, das seit 2008 jährlich mit einem neuen Rennwagen an den Wettbewerben der Formula Student in verschiedenen europäischen Ländern teilnimmt. Durch die tatkräftige Unterstützung des LTIC gelingt es, die in der Theorie gelernten Fähigkeiten auch praktisch umzusetzen und ein Hochleistungsfahrzeug zu bauen. Zuletzt präsentierte sich das Team aus 50 Studenten mit dem neusten Elektrorennwagen „SPR21e“ in Italien und fuhr im Rennen mit einer Beschleunigung in 2,8 Sekunden von 0 auf 100 den 10. Platz nach Hause. Senior Chief Engineer Angellotti: „‚Old School‘ ist vorbei. Um Innovationen erfolgreich am Markt zu platzieren, brauchen wir die Young Professionals, die die Power, Leidenschaft und den Willen mitbringen, um die Zukunft zu gestalten!“