Die Pandemie hat uns durch Lockdowns und Homeoffice zu Stubenhockern gemacht. Das Zuhause ist zum Zufluchtsort geworden. Und je mehr Zeit wir in den eigenen vier Wänden verbringen, desto mehr sehnen wir uns danach, sie zu verändern. Wie wäre es mit neuen Farben, üppigen Blumendecors oder Naturmaterialien?
Flora & Fauna
Üppige Blütendolden bringen Romantik ins Wohnzimmer. Oder darf es lieber ein dichter Dschungel sein? Auch Wandbilder mit Tieren liegen im Trend. Wenn wir schon die meiste Zeit in der Wohnung verbringen, holen wir uns die Natur eben ins Haus. Bis zur Perfektion hat dies der junge britische Designer Kit Miles gebracht. Seine international gefragten Tapeten zeigen handgemalte Designs, die vom Boden bis zur Decke von einer komplexen und phantasievollen Tier- und Pflanzenwelt überwuchert sind. Die Wohnung wird zum Lustgarten.
Sie ist schon lange mehr als ein Dach über dem Kopf. In den eigenen vier Wänden winkt Erholung, ein Rückzugsbereich zum Wohlfühlen. Deshalb sollen sie schön gestaltet sein. Weiße Mauern mit den tyischen Raufaser-Noppen haben wir genug gesehen. Tapeten bringen Farbe ins Zimmer, sie sind ein Muster an Wohnlichkeit, sie setzen Statements und individualisieren jeden Raum. Doch mittlerweile gibt es auch andere Möglichkeiten, diesen zu gestalten: mit Wandputz und Farbe, Beton oder sogar Naturstein und Wandfliesen.
Der Trend, seine Wohnung individuell zu gestalten, ist nicht neu, stellt Lars Contzen fest. „Bereits vor 15 Jahren, nach der Raufaser-Phase, begannen die Menschen, sich über ihre Wohnräume wie über die Mode zu definieren“, sagt er. Damals entwarf der Frankfurter für einen großen Hersteller Tapeten und verkaufte davon weltweit acht Kollektionen mit insgesamt 25 Millionen Quadratmetern. Vor einigen Jahren aber besann er sich auf sein Studium als bildender Künstler, verabschiedete sich aus dem Produktdesign und berät heute Unternehmen bei der Markenpositionierung. Doch die Entwicklung in der Innenraumgestaltung hat er immer noch im Blick. Derzeit gehe der Trend wieder hin zu einer Individualisierung, hat er ausgemacht. „Die Kommunikation ist visueller geworden. Gerade die Kommunikation über Plattformen wie Instagram und Tik Tok schreit nach coolen Hintergründen. Man schafft sich seine Lebenskulisse.“
Der Hund als Tapete
Und die darf derzeit in unserer durch Corona auf wenige Eindrücke reduzierten Welt gerne laut und bewegt sein. Neben Naturmotiven sind es vor allem dramatisch anmutende Grafiken, die derzeit die Räume erobern. Pate stehen dabei oft angesagte Sneaker-Stores, Bars oder Clubs, sagt Contzen. Man denke nur an den Chinaski Club oder die Bar Shuka in Frankfurt. Weichenstellend für das Tapetendesign von heute sei die Wandgestaltung im Hotel Fox in Kopenhagen gewesen, erzählt er. Der VW-Konzern hatte zur Präsentation seines gleichnamigen neuen Modells vor einigen Jahren ein Hotel von 21 jungen Streetart-Künstlern gestalten lassen. „Es entstanden raumgreifende Installationen, sehr unique und teilweise durchgeknallt.“
Dank moderner Technik kann sich heute jeder seine Wände individuell gestalten. „Durch digitale Druckprodukte kann man das Design an das Größenformat der eigenen Wände anpassen oder sogar das Foto des eigenen Hundes als Tapete drucken lassen.“ Bekannt für die individuelle Tapetengestaltung ist unter anderem das Ehepaar Kathrin und Mark Patel. Die Textildesignerin und der Grafikdesigner entwickelten unter dem Namen „walls by patel“ drei Kollektionen von Wandbildern, die unzählige Möglichkeiten bieten, die eigenen Wände im jeweils passenden Maß zu inszenieren – von Fantasielandschaften, tauchenden Delfinen und Walen über einen alten Gobelin, psychedelische Wellen bis hin zu dreidimensional wirkenden grafischen Mustern.
Leder & Leinen
In der Regel gestaltet man damit eine Wand, um ein Statement zu setzen, bestätigt Contzen aus eigener Erfahrung. Seine Kollektionen haben zu 70 Prozent aus Grafiken bestanden. Der Rest seien dezent dazu passende Entwürfe gewesen. „Der Verbraucher hat aber zwei Drittel der Uni-Tapeten und nur ein Drittel Grafik gekauft.“ Das Auge suche eben nach Ruhe im Raum, die Grafik sollte daher nur dosiert genutzt werden.
Einen weiteren Trend sieht Contzen parallel zu den großen Mustern: den der Nachhaltigkeit. „Die Gesellschaft hat es satt, mit „fakes“ zu leben. Es geht um Authentizität.“ Für das Zuhause bedeutet diese Entwicklung, dass zunehmend Naturmaterialien wie Leder, Seide, Kork oder Leinen an die Wände kommen. „Auch das ist ein Trend zur Individualisierung, denn sie sind Unikate und sehen immer etwas anders aus.“ Contzen würde es allerdings weniger Tapete nennen als mehr „Wandbekleidung“. Echtmaterialien signalisieren seiner Ansicht nach eine noch höhere Exklusivität als etwa Digitaldrucke. „Sie sind aber auch kostspieliger.“
„Ich bin besessen von Kino und Mode“
Der Designer Kit Miles ist bekannt für seine üppigen und farbenfrohen handgezeichneten Bilder. Sein preisgekröntes Designstudio in London produziert Textilien, Tapeten und Innenraumgestaltung. Dem Top Magazin erzählt er, was ihn inspiriert.
Ihre Tapeten-Designs zeigen vor allem ausdrucksstarke florale Muster und Grafiken, warum, denken Sie, ist das gerade so beliebt?
Wir haben festgestellt, dass die Menschen versuchen, auszudrücken, wer sie sind. Unsere Kunden sind modern und maximalistisch. Bei uns ging es schon immer um Freiheit und kreativen Ausdruck, und unsere Mission war es immer, durch Design fesselnde visuelle Geschichten zu erzählen. Jetzt tun wir das auch an den Wänden. In unserem Studio schaffen wir durch unsere Arbeit besondere Momente in Innenräumen. Das Ziel ist immer, Schönheit zu schaffen, die sowohl in materiell brillanter Arbeit von herausragender Qualität als auch in künstlerischem Flair wurzelt.
Woher nehmen Sie die Inspiration für Ihre aufwendigen Designs, die Sie noch mit der Hand entwerfen?
Ja, wir machen immer noch alles von Hand, vor allem die Artworks. Ich lasse mich von der Welt und allem, was in ihr ist, inspirieren. Ich halte immer die Augen offen, um in unserer Arbeit den sich manifestierenden Sinn für die Moderne einzufangen. Außerdem bin ich besessen von Museumsarchiven, dem Kino und der Mode.
Wer sind Ihre Kunden?
Unsere Kunden sind der wichtigste Teil unseres Geschäfts. Wir haben eine sehr enge Beziehung zu ihnen. Es sind Innenarchitekten und anspruchsvolle Privatkunden, die alles, von Häusern bis hin zu Hotels, entwerfen. In der Regel suchen unsere Kunden etwas, das mit einem Überraschungsmoment verbunden ist, und kommen aufgrund unserer Qualität und der Sorgfalt, mit der wir die Projekte unserer Kunden bearbeiten, immer wieder auf uns zurück.
Wanddesign unterliegt immer Trends. Wie werden Ihre Designs von morgen aussehen, noch genauso floral und farbig?
Ich glaube, wenn ich immer wüsste, was ich entwerfen will, würde es nie fertig werden. Ich lasse mich gerne durch den Prozess leiten. Wir sehen, dass sich unsere Kunden verändern. Sie werden immer designbewusster und verlangen nach Materialkenntnissen. Vielleicht gibt es eine Bewegung hin zu einem echten Gleichgewicht zwischen der digitalen und der realen Welt, die tatsächlich viel mehr kreative und nachhaltige Möglichkeiten für die Menschen überall schaffen wird, davon sind wir überzeugt.