Alexander Fürst von Isenburg lebt mit seiner Familie auf einem Schloss mit 386 Räumen. Er ist mit einer Bürgerlichen verheiratet, betreibt ökologische Landwirtschaft, hängt an Traditionen. In einer Monarchie wäre er der Schwager des Kaisers. Ein Besuch auf Schloss Birstein im Main-Kinzig-Kreis. Von Peter Lückemeier und Helmut Fricke (Fotos)
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Wir Normalmenschen erinnern uns an unsere Eltern und Großeltern. Von der Generation davor wissen wir in aller Regel sehr wenig. Oder könnten Sie sagen, wo Ihr Urgroßvater geboren wurde und was er von Beruf war? Sehen Sie. Bei Alexander Fürst von Isenburg ist das anders. Der Zwei-Meter-Mann überblickt seine Vorfahren seit 500 Jahren. Er weiß, dass sein Urgroßvater Franz Joseph hieß, mit einer geborenen Prinzessin Solms-Braunfels verheiratet war und sich mit Forstwirtschaft beschäftigte, dem Kerngeschäft der Isenburgs.
Er hat abgespeichert, dass Graf Salentin Isenburg-Grenzau Kurfürst und Erzbischof von Köln war und ihm ist auch nicht unbekannt, dass Graf Johann Philipp von Isenburg im Jahr 1705 geflohenen Hugenotten aus Frankreich – meist Kaufleuten und Handwerkern – Privilegien verlieh, die der Stadt Neu-Isenburg zum Aufschwung verhalfen.
Spielerisch durch die Isenburg Familiengeschichte
Dies alles und noch viel mehr hat er meist von seiner Großmutter und seiner Mutter gelernt. Aber nicht durch stures Abfragen, sondern spielerisch. Die Großmutter zeigte dann auf eines der unzähligen Porträts im Schloss und fragte: „Weißt du eigentlich, wen das Bild darstellt?“ Und dann erzählte sie eine Episode aus der langen Geschichte des Geschlechts der Isenburgs.
Die ist so unerschöpflich, dass kürzlich eine alte Tante, die zu Besuch war, Anekdoten zum Besten gab, die auch Alexander von Isenburg noch nie gehört hatte. Den Titel „Fürst“ trägt Alexander von Isenburg erst seit dem Tod seines Vaters. Vorher sei er „ganz normal Prinz“ gewesen, sagt er. „Durchlaucht“ ist die protokollarisch korrekte Anrede, aber er hört auch auf „Fürst“ oder „Herr von Isenburg“.
Seine Frau, eine Bürgerliche, hat sich an die Anrede „Durchlaucht“ gewöhnt, man kann aber auch Frau Doktor sagen, denn Fürstin Dr. Sarah von Isenburg entstammt einer Arztfamilie in vierter Generation und führt als Fachärztin für plastische Chirurgie eine Praxis in München. Dorthin pendelt sie wöchentlich, mal drei, mal zwei Tage. Die drei Kinder im Alter von sieben, sechs und vier Jahren bleiben dann im Schloss in der Obhut von Vater und Kindermädchen.
Fürstlich Wohnen auf Schloss Birstein
Dieses Schloss in Birstein im nordöstlichen Zipfel des Main-Kinzig-Kreises ist ein kunsthistorisches Juwel und trägt nicht grundlos das Siegel des „national geschützten Kulturguts“, oberste Kategorie. Die Baugeschichte ist eine Wissenschaft für sich. Mittelalter, Renaissance und Barock sprachen ein Wörtchen mit, die Familie wohnt hier seit 1517. Schloss Birstein ist von außen wie aus dem Ei gepellt und innendrin eine Freude. An Räumen herrscht kein Mangel, es sind genau 386, das Fürstenpaar und seine drei Kinder bewohnen aber nur rund 300 Quadratmeter. Dennoch genießt die Familie den vielen Platz um sie herum, denn er ermöglicht es, andere Familien samt Nachwuchs einzuladen, Besuch ist immer gern gesehen.
Das Schloss in dem 3.500-Seelen-Ort Birstein ist aber nicht nur der private Lebensraum der Isenburgs. Schon immer waren solche Residenzen zugleich Domizil und Repräsentanz, privat und öffentlich, Heimat und Museum. So sollen künftig die schon jetzt möglichen Besichtigungen noch ausgebaut werden; ein Kunsthistoriker hat gerade ein neues Konzept für öffentliche Führungen ausgearbeitet, das auch den Umstand berücksichtigt, dass Besucher vielleicht gern mal ein „Souvenir“ mitnehmen könnten.
Einzigartige Räumlichkeiten auf Schloss Birstein
Wer seine Gäste gern „fürstlich“ bewirten möchte, hat auch die Chance, im Schloss Räume zu mieten. Der prächtige Weiße Saal mit seinen 5,60 Meter hohen Wänden, viel Stuck, Goldornamenten und einem prachtvollen Lüster bietet auf 200 Quadratmetern bei Konzertbestuhlung Platz für 250 Personen. Der Grüne Saal mit seinen 85 Quadratmetern ist intimer und ermöglicht, bei Bankettbestuhlung 60 Gäste zu bewirten – dominiert wird diese Rokoko-Kulisse von einem wunderschönen weißen Zierofen.
Wer es dagegen klassizistisch mag, ist gut bedient mit dem Roten Saal in der zweiten Etage. Auf dem glänzenden Parkett kann dann eine lange Festtafel nebst zwei runden Tischen für 52 Personen aufgebaut werden. Für alle Arten von Empfängen und Feiern vermittelt die Schlossverwaltung Caterer. Damit mehr Menschen nach einer Feier auch im Schloss übernachten können, entsteht derzeit ein Gästehaus für 26 Übernachtungsgäste. Für Trauungen befindet sich im Schloss ein Standesamt. Auch Alexander und Sarah von Isenburg wurden hier am 14. Juni 2014 standesamtlich getraut. Für beide bedeutet Adel das Hochhalten von Werten wie Anstand, Höflichkeit, Wertschätzung. Für die eingeheiratete Fürstin und Ärztin aus München ist auch die Kontinuität dieser Familie inzwischen ein hohes Gut geworden.
Familie Isenburg: Bürgerliche Liebe im Hochadel
Hatten die Eltern etwas dagegen, dass Alexander von Isenburg eine Bürgerliche heiratete? Nein, sagt der Fürst, schon sein Vater und Großvater hätten aus Liebe geheiratet. Und auch sein jüngerer Bruder hat sich mit der Wahl der Koreanerin Jungeun Agnés gegen eine standesgemäße Ehe entschieden. Die drei Schwestern der beiden dagegen haben sich Partner aus dem Hochadel gesucht: Katharina hat Martin Erzherzog von Österreich, Isabelle den (bereits verstorbenen) Fürsten zu Wied und Sophie den Chef des Hauses Preußen geheiratet, Georg Friedrich Prinz von Preußen. Lebten wir noch in einer Monarchie, wäre Alexander von Isenburg also der Schwager des Kaisers. Der Chef des Hauses Preußen ist laut Sarah von Isenburg „ein liebenswürdiger, zurückhaltender, wahnsinnig netter Mensch“.
Der Fürst von Isenburg von Morgen
Die aus der Ehe des Fürsten mit Dr. Sarah von Isenburg entstammenden drei Kinder sind Alix Imagina (7), Zita Maria (6) und Erbprinz Franz Salvator (4). Er wird, obwohl er der Jüngste ist, eines Tages der zehnte Fürst von Isenburg sein, es zählt die männliche Erbfolge. Wie schaffen es die Eltern, den Kindern einerseits die fürstliche Familientradition zu vermitteln und sie andererseits vor Hochnäsigkeit zu bewahren? Natürlich, sagt die Fürstin, seien ihre Kinder exponiert, schließlich lebten sie in einem Schloss, also in einer Sonderrolle. Auf der anderen Seite hätten die drei in dem Ort Freunde aus Schule und Kindergarten, mit denen sie von gleich zu gleich spielen, sich verabreden oder gemeinsam Klavierunterricht nehmen.
Doch die Sonderrolle bleibt. Zum Beispiel übt der vierjährige Franz derzeit den Handkuss – „als Zeichen des Respekts“, wie sein Vater sagt, der als Knabe ebenfalls weibliche Verwandte und gute Bekannte mit Handkuss begrüßte. Die alte Frage, ob die Lippen die Hand beim Kuss berühren oder ihn nur andeuten, wird bei den Isenburgs salomonisch beantwortet: bei Verwandten mit, bei Bekannten ohne Lippenbekenntnis.
Wichtig ist beiden Eltern, dass ihre Kinder vor allem mit Liebe erzogen werden und auch genügend Zeit zum Spielen finden. Allerdings wird auf Leistungsbereitschaft nicht verzichtet. Schon heute sprechen die drei Kleinen Englisch, weil ihre Mutter, die ein britisches Internat besuchte, in dieser Sprache mit ihnen kommuniziert. Die Abstammung ist längst keine Garantie mehr für Erfolg, die Kinder müssen sich eines Tages genauso beweisen wie alle anderen auch. „Wir fordern sie“, sagt der Fürst, „aber wir lassen ihnen auch Zeit, sie sind Kinder.“
Landwirtschaftliche Vielfalt bei Alexander Fürst von Isenburg
Während die Fürstin ihr Geld als plastische Chirurgin verdient, ist ihr Mann nicht nur Chef des Hauses Isenburg, sondern auch eines mittelständischen Unternehmens, das siebzehn Mitarbeiter beschäftigt. Das Kerngeschäft der Familie sind seit jeher die Forst- und die Landwirtschaft. Die großen Wälder, die zum Besitz gehören, beherbergen vor allem Buchen. Weil sie dem Klimawandel nicht so erfolgreich trotzen, setzt man rund um Birstein jetzt auf Linde, Roteiche, Vogelkirsche, beim Nadelholz auf Lärche, Douglasie und Küstentanne. In der Landwirtschaft wird vor allem Getreide angebaut. Der Chef des Hauses hat sich auf seine unternehmerische Rolle gut vorbereitet, hat Forstwirtschaft und Betriebswirtschaft studiert und in einem Multi-Family-Office Einblick in die Vermögensverwaltung gewonnen. Sein eigenes Unternehmen bezeichnet er als erfolgreich.
Alexander Fürst von Isenburg hat die Land- und Forstwirtschaft streng ökologisch ausgerichtet … Der linke Lehrer, der ihn in der Wächtersbacher Gesamtschule aufgrund seiner Herkunft mobbte, würde sich wahrscheinlich wundern.
Schloss Birstein als kulturelles Zentrum
Die „Vermarktung“ der Räume der Birsteiner Residenz für Feiern und Veranstaltungen ist Teil eines Gesamtkonzepts der Öffnung: Das Schloss soll auch ein kulturelles Zentrum werden. Alexander von Isenburgs Mutter Fürstin Elisabeth, geborene Gräfin Saurma, Freiin von und zur Jeltsch, begann mit Schlosskonzerten aus Anlass des Tags des offenen Denkmals; Sohn und Schwiegertochter veranstalten Benefizkonzerte zugunsten der Opern-Akademie Bad Orb, das erweiterte Führungskonzept für die Schlossbesichtigungen ist entwickelt, der Fürst lädt zu Schlossgesprächen ein, ein Veranstaltungskalender ist in der Mache.
Das alles dient letztlich auch der Vitalisierung des ländlichen Raums, für die sich Alexander von Isenburg auch als Mitglied der CDU-Fraktion im Main-Kinzig-Kreistag stark macht. Denn Frankfurt und das Rhein-Main-Gebiet liegen zwar nur eine knappe Autostunde entfernt, aber die innere Distanz zwischen der Metropolregion und dem Zipfel des Main-Kinzig-Kreises ist weit größer.
Dieses Schloss in Birstein im nordöstlichen Zipfel des Main-Kinzig-Kreises ist ein kunsthistorisches Juwel und trägt nicht grundlos das Siegel des „national geschützten Kulturguts“, oberste Kategorie.
Berichte über Menschen, die auf Schlössern leben und einen glanzvollen Titel tragen, streifen schnell das Klischee. Und tatsächlich passt auch Alexander Fürst von Isenburg in vieler Hinsicht ins Bild: Er ist wohlerzogen, höflich und freundlich. Er wirkt traditionsbewusst, ohne unangenehm adelsstolz zu sein. Er ist wie seine Familie katholisch und ein passionierter Jäger.
Doch er führt eine Ehe mit einer emanzipierten bürgerlichen Frau, er hat die Land- und Forstwirtschaft streng ökologisch ausgerichtet, er erzeugt in seinem Anwesen mit einem Wasserkraftwerk umweltschonend Energie, die in das Netz des lokalen Versorgers eingespeist wird. Der linke Lehrer, der ihn in der Wächtersbacher Gesamtschule aufgrund seiner Herkunft mobbte, würde sich wahrscheinlich wundern. Aber Adel verpflichtet. Immer noch. Alexander von Isenburg scheint sich gern in diese Pflicht nehmen zu lassen.
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