Stephen Frears ist für Filme wie „Gefährliche Liebschaften“ oder „Die Queen“ berühmt. Sein neuestes Werk „The Lost King“ läuft gerade erfolgreich in den Kinos. Beim Frankfurter B3-Festival wurde der britische Regisseur Sir Stephen Frears mit dem BEN Award für sein Lebenswerk ausgezeichnet. Der 82-Jährige begegnet dem Rummel um seine Person vor allem mit Humor. Top Magazin traf den britischen Kultregisseur Sir Stephen Frears. Von Sabine Börchers
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Es habe ihn gewundert, dass er diesen Preis bekommen habe, sagt Stephen Frears. Den ganzen Abend über seien beim B3-Festival für den bewegten Film, das die Hochschule für Gestaltung Offenbach (HfG) seit 2013 ausrichtet und damit im vergangenen Jahr gut 50.000 Zuschauer erreichte, nur junge Leute ausgezeichnet worden. „Warum geben sie den Award einem alten Mann“, habe er sich gefragt. Dabei ist weder ein Augenzwinkern noch Ironie in seinem Tonfall erkennbar.
Der 82-Jährige, der immerhin mit seinem Auftritt beim Festival ein großes Kino füllt, weil diese „jungen Leute“ allesamt von seinen Erfahrungen lernen wollen, macht wenig Aufhebens von sich. In der kleinen Bar in der Astor Film Lounge MyZeil wirkt er eher wie ein Urlauber, wie er mit nackten Füßen in Birkenstock-Sandalen und mit einem Strohhut auf dem Kopf zum Interview kommt.

Stephen Frears: Auszeichnung über Auszeichnung
Grund genug, sich auf seine Karriere etwas einzubilden, oder wenigstens huldvoll die nächste Ehrung für sein Schaffen entgegenzunehmen, hätte er, seit er 1985 mit dem Film „Mein wunderbarer Waschsalon“ zu einem der führenden Regisseure des New British Cinema aufstieg. Wichtige Werke wie Gefährliche Liebschaften, Grifters, Mary Reilly, High Fidelity, Die Queen, Philomena oder Florence Foster Jenkins folgten. So viele, dass Adrian Wootton, Chef von Film London und der British Film Commission, bei der B3-Masterclass in dem Frankfurter Kino gar nicht alle Ausschnitte zeigen konnte.
Aber vielleicht hat Stephen Frears bereits zu viele Preise – vom Emmy über den César und den Silbernen Bären der Berlinale bis hin zu zahlreichen Nominierungen für Oscar, Golden Globe und BAFTA – erhalten, um das noch ausgiebig feiern zu können. Er sei dankbar für die Freundlichkeit, sagt er hinterher schlicht.
Stephen Frears: Nicht besser, aber schneller
Er sei insgesamt dankbar für seine Karriere, fügt er hinzu. Denn auch nach ihr gefragt, schwelgt er nicht etwa in Anekdoten, wie er auf die Ideen zu seinen Filmen kam und Erlebnissen mit den namhaften Schauspielern, mit denen er gearbeitet hat – von Judy Dench, Glenn Close, Meryl Streep über Michelle Pfeiffer bis hin zu John Malkovich und Hugh Grant. Vielmehr spricht er immer wieder von glücklichen Umständen und den richtigen Büchern, mit guten Geschichten, Charakteren und Humor. „Das Drehbuch war brillant und kam zur richtigen Zeit“, begründet er zum Beispiel, warum „Mein wunderbarer Waschsalon“ so ein Erfolg geworden sei. Immerhin war er damals schon Ende 40.
Seine ersten Filme und Serien hatte er nach einem Jura-Studium an der Universität Cambridge für die BBC und für das Fernsehen gedreht. „Ich war immer Freiberufler. Ich habe damals mit den besten Autoren gearbeitet. Es war großartig, nur mit dem kleinen Nachteil, dass man beim Fernsehen nicht reich wird.“

Für seinen Film „Gefährliche Liebschaften“ arbeitete er zum ersten Mal mit amerikanischen Schauspielern zusammen. Er habe lernen müssen, Nahaufnahmen zu machen, erzählt er. „Die Schauspieler waren die weiten Einstellungen aus dem britischen Theater nicht gewöhnt.“ Dass der tschechische Regisseur Miloš Forman fast zeitgleich denselben Roman unter dem Titel „Valmont“ verfilmte, aber weniger erfolgreich damit war, sieht Frears in der Rückschau ebenfalls mit Humor. „Ich wollte nicht in Konkurrenz mit Miloš treten. Ich weiß nicht, ob ich besser war, ich war nur schneller.“
Lächerlich und berührend
Auf ein bestimmtes Genre ließ sich Stephen Frears nie festlegen. In Hollywood drehte er unter anderem den Horrorfilm „Mary Reilly“ mit Julia Roberts und kurz darauf den Western „Hi-Lo Country“. Für die großen Studios zu arbeiten, sei aber nicht seine Sache gewesen, erzählt er. Er habe feststellen müssen, dass er viel unabhängiger sei, als er gedacht hätte. Soziale und politische Themen finden sich dafür immer wieder in seinen Filmen. Auch im Gespräch fragt er nach deutscher Politik und schimpft auf den aktuellen britischen Premierminister.
„Künstliche Intelligenz bietet nichts Originelles, sie reproduziert nur, warum sollte ich mich damit beschäftigen?“ – Sir Stephen Frears
Inspiriert durch die Medienvielfalt des B3-Festivals interessiert ihn in Frankfurt plötzlich das Thema künstliche Intelligenz, das er sich erst von den Journalisten, dann vom Autor und KI-Experten Oliver Schütte ausführlich erklären lässt. Auf die Frage, ob er sich vorstellen könne, sie für seine Filme zu nutzen, entgegnet er nur: „Sie bietet nichts Originelles, sie reproduziert nur, warum sollte ich mich damit beschäftigen?“

Sein aktueller Film ist die Rehabilitierung einer vergessenen Heldin aus dem wirklichen Leben. Philippa Langley, Amateurhistorikerin, wird bei ihrer Suche nach den Überresten von König Richard III. von Wissenschaftlern und Verantwortlichen immer wieder belächelt, bis sie tatsächlich in Eigenregie die Überreste des Königs unter einem Parkplatz des Sozialamtes in Leicester findet. Am Ende ist es aber die lokale Universität, die sich mit dem Fund brüstet.
Leicester ist Stephen Frears Heimatstadt. „Ich habe die Geschichte in den Medien verfolgt. Sie ist zugleich so lächerlich und doch berührend. Und Philippa wurde so ungerecht behandelt“, begründet er, warum er sich entschied, sie mit Sally Hawkins in der Hauptrolle zu verfilmen. Heute freut er sich, dass er mit seiner Arbeit das Leben Philippa Langleys verändern konnte. Nach dem Film habe die Universität umgeschwenkt. „Anfangs haben sie gesagt, sie hätten die Überreste entdeckt, jetzt sagen sie nur noch, sie waren dabei.“
Stephen Frears: Frauen sind interessanter
Immer wieder verfilmt Frears Bücher, die auf realen Ereignissen beruhen, wie etwa in „Die Queen“ oder „Philomena“, der Geschichte einer Frau, der im katholischen Irland der 1960er-Jahre im Kloster ihr Kind weggenommen wurde. Es sei durchaus ein anderes Arbeiten, wenn man die realen Personen im Hinterkopf hat, räumt er ein. Er habe deshalb Philippa Langley vor dem Dreh nicht getroffen. „Das gilt natürlich auch für die Queen.“ Man müsse beim Arbeiten die Balance halten zwischen dem, was man erfindet und den realen Gegebenheiten. Aber das sei machbar. Dass er häufig Frauenfiguren in den Mittelpunkt seiner Filme stellt, ist für den Regisseur leicht zu erklären: „Ich finde Frauen im Film einfach interessanter als Männer.“
Keinen Masterplan
Die Zuhörer im Saal des Astor-Kinos haben am Ende der Masterclass ebenfalls Fragen an den Regisseur. Ob er einen Lieblingsfilm habe oder es noch ein Filmprojekt gebe, von dem er träume, wollen sie wissen. „Mir ist es wichtiger, dass die Zuschauer meine Filme lieben. Ich mag sie alle“, antwortet Frears. Er träume von keinem speziellen Sujet, immer nur vom nächsten Film.

Denn ans Aufhören denkt der 82-Jährige nicht. Er hat gerade eine Serie mit dem Titel „The Palace“ mit Kate Winslet in der Hauptrolle abgedreht, die er derzeit bearbeitet. „Sie handelt von einem weiblichen Diktator. Wir haben dafür dreieinhalb Wochen in Wien gedreht, das war sehr schön.“ Ideen für einen weiteren Film hat er auch bereits. „Es gibt ein tolles Drehbuch über Billy Wilder. Das war ein brillanter Mann, ich habe ihn mal getroffen. Ich hoffe sehr, dass ich das Geld für den Film zusammenbekomme.“
„Ich hatte nie einen Masterplan für meine Karriere. Du machst einen Film. Und dann machst Du den nächsten.“ – Sir Stephen Frears
Ob er ihnen Tipps geben könnte aus der Zeit, als er selbst noch am Anfang seiner Karriere stand, fragen gleich mehrere der Studierenden. Doch wer auf einen tiefschürfenden Einblick in seinen Erfahrungsschatz gehofft hatte, der musste sich auch dabei mit einer kurzen und lakonischen Antwort von Stephen Frears zufriedengeben: „Ich hatte nie einen Masterplan für meine Karriere.“ Seine größte Angst sei es damals gewesen, dass kein Film in der Kamera ist – „so dumm war ich.“ Auch sein Erfolgsrezept ist entwaffnend simpel: „Du machst einen Film. Und dann machst Du den nächsten.“
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