Für manche ist es ein Sport, für andere ein Gefühl von Freiheit – für alle aber ist es ein Lebensstil. Ob auf dem Main zwischen Frankfurts Hochhäusern, auf hoher See in der Karibik oder in einer stillen Bucht vor der griechischen Küste: Segeln verbindet körperliche Herausforderung, mentale Stärke und ein tiefes Naturerlebnis. Vier leidenschaftliche Segler aus Frankfurt erzählen, warum sie immer wieder Kurs aufs Wasser nehmen.
Inhalt
Michael Rubin: Frankfurter Stadtmeister im Segeln
Ein Lebensstil
Segeln ist ein Lebensstil, der dir Freiheit gibt, sagt Michael Rubin. Der Unternehmensberater ist Frankfurter Stadtmeister im Segeln und hat die Segel-Abteilung bei Makkabi Deutschland aufgebaut: „Es ist ein großer Unterschied, ob ich alleine auf meiner kleinen Jolle sportsegle oder mit Freunden im Urlaub mit einem Charterboot unterwegs bin. Wenn ich nach Feierabend ein paar Runden auf dem Main segle oder an den Wettkämpfen teilnehme, bin ich ganz auf mich alleine gestellt.

Es ist kaum zu glauben, aber der Main ist ein wunderbares und gleichzeitig sehr anspruchsvolles Segelrevier: Durch die Hochhausschluchten gibt es Fallwinde, die sich schnell drehen können, hinzu kommt der Berufsschiffverkehr. Ich sag mal: Jeder, der auf dem Main segeln kann, kann überall segeln, das hilft auch in anderen Gewässern auf der ganzen Welt.
„Körper und Kopf müssen zusammenarbeiten, und das im Einklang mit der Natur.“ – Michael Rubin
Wenn ich als Skipper mit Freunden im Urlaub ein Boot chartere, dann geht es um Teamwork – und es ist egal, ob ein entspannter Segeltörn vor uns liegt oder eine anspruchsvolle Regatta. Ich liebe es, unterschiedliche Reviere zu erkunden und habe bereits viele bereist: Ob Mittelmeer, Karibik, Seychellen oder das australische Great Barrier Reef: Jedes Revier stellt dich vor neue Herausforderungen. Voraussetzung ist immer: Körper und Kopf müssen zusammenarbeiten, und das im Einklang mit der Natur.
Scharf am Wind
Für mich als Unternehmensberater ist Segeln auch ein Lebensmotto, wenn es darum geht, Projekte anzugehen: Wer erfolgreich sein will, muss sich vorbereiten, ein Team zusammenstellen, einen Plan machen und das Ziel im Auge behalten. Aber man muss auch bereit sein, sich neu zu entscheiden, wenn sich die Bedingungen ändern. Beim Segeln gelten die gleichen Regeln, zum Beispiel: Kommt der Wind von hinten, ist das Boot leicht zu steuern und das Segeln bequem – man kann aber das Ziel verfehlen.

Wer dagegen scharf am Wind segelt, bekommt viel Wind und Wasser ins Gesicht – wird aber stabiler und hat das Ziel immer vor Augen. Und am Ende lässt man das Erlebte Revue passieren, steckt Rückschläge weg oder genießt Erfolge. Einer meiner schönsten Törns war vor etwa neun Jahren: Wir sind mit Freunden auf einem großen Katamaran von Tahiti nach Bora-Bora gesegelt, wo meine Frau und ich am Südseestrand geheiratet haben. Dieses Erlebnis wird für immer eines der schönsten meines Lebens bleiben.“
Johanna Herdt: Einmal über den Atlantik
Eine Atlantiküberquerung ist der Traum vieler ambitionierter Segelfans. Johanna Herdt hat ihn sich erfüllt. Die Bundesbank-Angestellte segelte mit zwei Skippern und einer Sechs-Leute-Crew in vier Wochen von Teneriffa über die Kapverden bis nach Grenada in der Karibik. Nacht- und Tagwachen, Kochen und Spülen, Reparaturen, Navigieren und Manöver, zu acht zusammen auf engem Raum: „Es gibt nichts Anstrengenderes und zugleich Schöneres“, sagt die 27-Jährige.
Grundvertrauen und Toleranz

„Man braucht ein Grundvertrauen in Boot und Leute, feine Antennen für seine Mitmenschen und eine große Portion Toleranz sind ebenfalls hilfreich. An Bord gibt es dauernd etwas zu tun, anpacken gehört dazu, langweilig wurde es darum nie. Ich kam noch nicht einmal dazu, ein Kapitel meines Buches zu lesen.
„Es ist, als ob der Ozean unter dir stetig atmet, während er dich mit dem Boot langsam hoch und runterhebt.“ – Johanna Herdt
In vier Wochen fuhren vielleicht zwei oder drei Frachter an uns vorbei und einmal tatsächlich die Aida, sonst war man völlig allein und sah in alle Richtungen nur 2000 Kilometer Wasser. Die meiste Zeit segelt man auf dieser Route vor den Passatwinden, und die Wellen rollen von hinten langsam unterm Boot durch. So beeindruckend die langgezogenen Wellen dabei manchmal sein können, ist es doch eher so, als ob der Ozean unter dir stetig atmet, während er dich mit dem Boot langsam hoch und runterhebt.

Als wir dann fast am Ziel waren und eigentlich nur noch zwei, drei Tage auf See eingeplant hatten, war plötzlich der Wind weg und es dauerte doch noch fast sechs Tage, bis wir unser Ziel erreichten. Als Grenada dann aber nach insgesamt 28 Seetagen endlich auftauchte, hatten die meisten von uns Tränen in den Augen, so überwältigend war das.
Diesen Sommer werde ich mich auf Trainings und Regatten mit dem Bundesliga-Team des Frankfurter Yachtclubs konzentrieren, vielleicht noch ein entspannter Segeltörn vor Griechenland oder Sardinien. Urlaubssegeln ist für mich entspannend, quasi wie Camping auf dem Wasser. Man ist an der frischen Luft, hat nicht diese Riesen-Hotelburgen und erlebt wunderschöne Buchten, die von Land aus gar nicht erreichbar wären. Auch wenn ich selbst skippern könnte, buche ich mich meist auf Segeltörns für jüngere Leute ein, hier gibt es zahlreiche Anbieter.

Es ist toll, mit Menschen, die man noch nicht kennt, an Bord als Team zusammenzuwachsen. Und auf jedem Törn gibt es den wunderbaren Moment, wenn man aus dem Hafen raus ist, das Segel hochzieht und den Motor ausschaltet. Dann gibt es nur noch Stille, Wind, Wellen und Sonne – und man gleitet einfach so dahin.“
Josef Oelschläger: 1. Vorsitzender Frankfurter Yachtclub

Den magischen Moment des puren Segel-Glücks beschreibt Josef Oelschläger, Vorsitzender des Frankfurter Yachtclubs, so: „Sie fahren unter Motor aus dem Hafen heraus. Dann wird der Motor ausgeschaltet. Plötzlich gibt es nur noch die Geräusche der Natur. Eine wunderbare, lebendige Stille. Und Sie verspüren ein Gefühl von innerer Ruhe und von absoluter Freiheit.“
„Die Geräusche der Wellen und des Windes, die Nähe zur Natur, fernab jeder Tageshektik, faszinierten mich vom ersten Moment an.“ – Josef Oelschläger
Innere Ruhe und absolute Freiheit
Oelschläger fing vor 15 Jahren an zu segeln. Initialzündung war eine Einladung auf eine Yacht: „Ich war hin und weg. Diese Geräusche der Wellen und des Windes, die Nähe zur Natur, fernab jeder Tageshektik, faszinierten mich vom ersten Moment an.“ Er machte den Segelschein auf dem Main, trat dem Frankfurter Yachtclub bei, dessen 1. Vorsitzender er seit November 2022 ist, und genießt Sport- und Freizeitsegeln gleichermaßen.
Mit Klapprädern die Gegend erkunden
„Segeln ist für mich Naturerlebnis und Leidenschaft pur. Eine schöne, heile Welt, in der man ständig beschäftigt ist: Man muss Pläne machen und miteinander abstimmen, das Boot und sich selber fit halten. Ansonsten guckt man, wonach einem der Sinn steht. Seit letztem Jahr bin ich im Ruhestand und habe mir zusammen mit meinem Mann den Traum von der eigenen Segelyacht erfüllt. Unsere Timpe Pe liegt in Kiel an der Ostsee.

Letztes Sommerhalbjahr sind wir vorrangig um Schweden gesegelt, diesmal ist unser grobes Ziel Oslo. Wir sind null festgelegt und gucken, wo es uns gefällt. Wind und Wetter entscheiden ebenfalls, wie weit man kommt. Wenn wir einen schönen Ort entdecken, bleiben wir ein paar Tage, holen die Klappräder von Bord und erkunden die Gegend.“
Der Frankfurter Yachtclub ist in den letzten Jahren auf 211 vor allem jüngere Mitglieder gewachsen und steht allen offen. Dieses Jahr nimmt der FYC erstmals an der Segelbundesliga teil, als erster hessischer Verein überhaupt. Die Qualifikation habe man auf Anhieb geschafft, sagt Oelschläger stolz. Der FYC bietet Aus- und Fortbildung sowie Trainingsbegleitung für Kinder, Jugendliche und Erwachsene, Führerscheinkurse, sportliche Veranstaltungen und Regatten.
Dr. Rupert Hengster: Meer, Himmel, Horizont & Hafen

Sich es beim Segeln mit Freunden so richtig gemütlich machen, das ist ganz nach dem Geschmack von Dr. Rupert Hengster. Der Finanzberater besitzt zwar den Skipperschein, lässt aber auch gerne skippern: „Ich kann alle Abläufe selber machen und auch mit Hand anlegen, aber ich lege mich auch gerne einfach mal zwei Stunden an Deck, während das Boot über die Wellen gleitet. Die Ruhe und die Weite faszinieren mich. Für mich als Naturliebhaber ist es immer wieder schön zu erleben, wie Meer und Himmel am Horizont miteinander verschwimmen.
„In einen Hafen einlaufen, Essen gehen, Zigarillo rauchen, Wein trinken, andere Boote und Menschen beobachten, sehen und gesehen werden.“ – Dr. Rupert Hengster
Wir chartern immer ein Boot, in Kroatien oder vor den Kykladen, schippern rum und ankern dann irgendwo in einer malerischen Bucht. Relaxen, Sonnen, Schwimmen. Am Spätnachmittag liebe ich es, in einen schönen Hafen einzulaufen, auf Mykonos oder Paros etwa. Essen gehen, Zigarillo rauchen, Wein trinken, andere Boote und Menschen beobachten, sehen und gesehen werden.
Meditieren und Nachdenken
An Bord möchte ich Freunde um mich herum haben. Wenn meine Frau und ich neue Leute kennenlernen, fragen wir uns immer: Sind sie uns so sympathisch, dass wir es mit ihnen eine Woche auf einem Segelboot aushalten könnten? Einen Segeltörn mit fremden Menschen zu machen, von denen ich am Ende mit dem einen oder anderen nicht zurechtkomme, ist keine schöne Vorstellung für mich. Auf einem Segelboot lernt man schnell den Charakter eines Menschen kennen, und man muss natürlich auch immer Kompromisse schließen. Im Salzkammergut, wo ich herkomme, segle ich auch gerne auf den Seen, auf einem kleinen Boot, ganz alleine, und meditiere und denke nach.“
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