Die Digitalisierung soll das urbane Leben in Frankfurt angenehmer und nachhaltiger gestalten. Das reicht von der Infrastruktur und Energie bis zum Gesundheitswesen. Von der Mobilität bis zur Verwaltung. Natürlich werden auch die Geräte in den Haushalten vernetzt. „Clever sein“ heißt die Devise. Der Alltag wird leichter, so das Versprechen. Überall auf der Welt machen sich die Städte auf den Weg, um sich den Namen Smart City zu verdienen. Natürlich auch in Frankfurt. Von Thomas Zorn
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Ein Vorreiter ist die Mainova, der städtische Energieversorger und -dienstleister. Mit der Funktechnologie LoRaWan (Long Range Wide Area Network) hat sie ein flächendeckendes Netzwerk aufgebaut. Knapp 7.000 Sensoren sind im Stadtgebiet verteilt. Über Gateways gelangen die Informationen zu einer zentralen Plattform. „Für das Weiterleiten benötigen wir kaum Energie“, erläutert Christian Borg-Krebs.
Frankfurt Smart City: Lösungen per App
Der studierte Wirtschaftsinformatiker leitet bei Mainova den Bereich Business Development Smart City. „Wir bieten bundesweit zahlreiche Lösungen an, die wir zusammen mit Start-ups entwickelt haben.“ Mit den angebotenen Apps könnten beispielsweise Kunden aus der Immobilienbranche den Wasserverbrauch und die Heizsysteme ihrer Objekte kontrollieren. Es gebe im Markt zudem Füllstandserkennung von Müllbehältern und Glascontainern. „Und auch das Parkraummanagement kann optimiert werden – unter anderem die Erkennung von Falschparkern.“
„Wir bieten eine breite Palette von Problemlösungen an. Die Projekte stellen unser Know-how bei Aufbau und Betrieb komplexer technischer Infrastrukturen unter Beweis.“ – Diana Rauhut
Diana Rauhut, als Vorständin der Mainova AG zuständig für die Digitalisierung, ist stolz auf die von ihrem Unternehmen gestaltete Smart City-Plattform. „Sie ist anwenderfreundlich und hat in diesem Jahr den Innovationspreis des Verbands kommunaler Unternehmen erhalten“, teilt sie mit. „Wir bieten eine breite Palette von Problemlösungen an. Die Projekte stellen unser Know-how bei Aufbau und Betrieb komplexer technischer Infrastrukturen unter Beweis.“ Fortlaufend würde mit Partnern Neues für Unternehmen, Regionen und Städte erarbeitet, hebt die studierte Volkswirtin hervor.

Smart City und Angebote für die Wirtschaft
Für die Wirtschaft in einer Smart City ist es wichtig, dass nicht nur IT-Techniker mit den gewonnenen Daten operieren können. Dienstleister wie das Data Science Institut „infas 360“ bereiten die Infos so anschaulich auf, dass jeder damit umgehen kann. Gemeinsam mit der German Data Science Society organisiert man im November einen „Summit“ für Städte und Kommunen. Die Community interessiert sich für Daten, Analysen und Anwendungen. Das Treffen soll bei der Mainova stattfinden.

Wer deren Testfeld rund um die Zentrale an der Solmsstraße in der City West besucht, erhält einen Eindruck von der Findigkeit, mit der das städtische Unternehmen unterwegs ist. Sensoren zur Messung der Feinstaubbelastung und der Kohlendioxidmenge sind an einem Beleuchtungsmast installiert. An einem anderen hängt ein Mikrofon, um Straßenlärm zu erfassen. Eine Laterne demonstriert, wie gut sie sich mit dem Mobilfunk verträgt. Unter einer holzverkleideten Sitzbank versteckt sich allerlei Technik. Hier arbeitet Mainova mit dem Telekommunikationsanbieter Telefónica Germany GmbH & Co. zusammen, um das 5G-Netz zu verstärken.
Findige Projekte
Der Empfang elektronischer Kommunikationssignale soll in der Smart City überall gewährleistet sein. „Es ist sinnvoll, auf Dächern installierte Antennen mit Standorten in Bodennähe zu verdichten. Die Datennutzung steigt rapide“, konstatiert Christian Borg-Krebs. Mainova will für die Zukunft und für Technologien gerüstet sein, die das Metaverse und autonomes Fahren ermöglichen.

Der Wasserverbrauch soll künftig flächendeckend digital gesteuert werden. Deshalb werden beispielsweise an Baumwurzeln Sensoren angebracht. Sie zeigen, ob der Baum in Trockenphasen Wasser benötigt. Ein anderes Beispiel aus der Smart City-Welt: Auch der Grundwasserpegel könne schon jetzt per Smartphone überwacht werden.

Überwiegend werde jedoch noch „händisch“ gearbeitet, sagt Mainova-Manager Borg-Krebs. „Mitarbeiter halten also ein Lichtlot in die Schächte und lesen auf diese Weise den Wasserpegel ab.“ Verfüge man aber in einer Smart City über einen großen digitalen und schnell abrufbaren Datenbestand, könne die Wissenschaft stark profitieren, wagt der gebürtige Wiesbadener einen Blick nach vorn. Prognosen würden besser und Schutzmaßnahmen könnten präziser gesteuert werden. Das Gleiche gelte für Luftschadstoffe.

Intelligente Mobilität in der Smart City
Bei der zielgenauen Analyse von Verkehrsströmen helfen der Stadt Frankfurt bereits Kameras an Kreuzungen – neben Messschleifen im Boden. „Aber die anfallenden riesigen Datenvolumen müssen auch verarbeitet werden“, stellt Prof. Dr.-Ing. Petra Schäfer von der Frankfurt University of Applied Sciences (Frankfurt UAS) fest. Dazu benötige man Künstliche Intelligenz. „Es ist dabei wichtig, die Menschen mitzunehmen und Transparenz herzustellen“, hebt die Professorin für Verkehrsplanung hervor.
„Wir wollen das Vorhaben mit Hochdruck puschen. 2.600 Verwaltungsleistungen müssten koordiniert und Konzepte initiiert werden.“ – Ralf Sagroll
Unterdessen möchte die Stadtverwaltung nach und nach auf Papier verzichten. Traditionen seien nicht leicht über Bord zu werfen, weiß Ralf Sagroll, der die Stabsstelle Digitalisierung im Dezernat V leitet. Aber die Ausrichtung ist klar. „Wir wollen das Vorhaben mit Hochdruck puschen.“ 2.600 Verwaltungsleistungen müssten koordiniert und Konzepte initiiert werden. „Wir sind hier aber nur die Schnittstelle für die Digitalisierung. Die fachlichen Zuständigkeiten liegen bei den jeweiligen Dezernaten.“
Verwaltung digitalisieren
Carsten Bobe vom Smart City-Team der Stabsstelle will die unterschiedlichen Akteure technologiebasierter Veränderungen im urbanen Raum zusammenbringen. Auf jährlich von der Stadt veranstalteten Foren trifft man sich mit Unternehmern, Wissenschaftlern und IT-Fachleuten. Und nicht zuletzt mit den Bürgerinnen und Bürgern. Sie wünschten sich im vorigen Jahr WLAN an allen Schulen. „Das haben wir geschafft“, konstatiert Stadträtin Eileen O’Sullivan. Demnächst werde hoffentlich auch kostenfreies WLAN mit Internetzugriff auf dem Römerberg, dem Paulsplatz, der Hauptwache und der Konstablerwache durch die Stadt Frankfurt zur Verfügung stehen.

Die Stabsstelle Digitalisierung hat einiges erreicht. So hat sie Förderanträge an das Land gestellt, um richtungsweisende Pilotvorhaben zu realisieren. Die Landesregierung unterstützt nun in Frankfurt eine automatisierte Kontrolle des Straßenpflasters, damit Schäden frühzeitig erkannt und behoben werden können.
Auch das Projekt für rund um die Uhr zugängliche Büchereien erhält Geld aus Wiesbaden. Außerhalb der regulären Öffnungszeiten sollen registrierte Besucher mit ihrem Ausweis als elektronischem Schlüssel zunächst zwei Stadtteilbibliotheken betreten können. Schließlich wird die Stadt mit hessischer Finanzhilfe unter anderem digital messen, wie sich der Einfluss von Niederschlag und Vegetation auf den Grundwasserspiegel auswirkt.
Frankfurt holt als Smart City auf
Dezernentin O’Sullivan versichert, dass Frankfurt beim Thema Smart City aufgeholt habe. „Wir sind inzwischen weit besser, als uns nachgesagt worden ist.“ Zum neuen Schwung dürfte auch die „Urbane Datenplattform“ beitragen. Seit einem Jahr stellt man dort vor allem Informationen zu Mobilität und Umwelt online. Die Neuerung ist mit dem internationalen „Smart 50 Award“ ausgezeichnet worden. Mit einem Klick erfährt man, ob dicke Luft herrscht. Und welche E-Ladesäule in der Nähe gerade frei ist.
Die Infrastruktur für E-Mobilität hat sich verbessert. Die Mainova kooperiert mit der Parkhaus Betriebsgesellschaft und will in den von der PBG betriebenen öffentlichen Parkhäusern 300 Ladesäulen bis zum Jahresende aufstellen. Auch in den Tiefgaragen der Bürohäuser und auf Parkflächen entlang der Straßen passiert eine Menge, damit Autofahrern der – möglichst grüne – Strom nicht ausgeht. Auf diesem Feld herrscht mittlerweile reger Wettbewerb.
Daheim mit Robotern in der Smart City
Das gilt auch für intelligentes Wohnen. In immer mehr Häusern und Apartments werden bereits Heizung, Herd und Leuchten via Smartphone aus der Ferne gesteuert. Der Energieverbrauch lässt sich dadurch optimieren. Sensoren erkennen außerdem Einbruchsversuche: Bewohner werden alarmiert, das Licht wird eingeschaltet und das Geschehen aufgezeichnet.

Die Unternehmen, die solche klugen digitalen Systeme anbieten, weisen auch auf soziale Aspekte hin, die in einer älter werdenden Gesellschaft immer wichtiger würden. Senioren und Pflegebedürftige könnten gefährliche und lebensbedrohliche Situationen rechtzeitig erkennen und im Notfall selbst Hilfe rufen.
Neue Märkte
Die Hersteller von Smart-Living-Lösungen sind dabei, sich in Deutschland einen neuen starken Markt zu erschließen. Laut einer vom Bundeswirtschaftsministerium in Auftrag gegebenen Studie wird der Umsatz im Jahr 2025 schon 19 Milliarden Euro betragen. Die Anforderungen der Verbraucher sind klar: Die Technik muss vor allem leicht zu handhaben sein. Außerdem sollen die Daten nicht gehackt werden können. Damit Smart Living funktioniert, sind Wassersensoren, Bewegungssensoren, Tür- und Fenstersensoren, Rauchmelder und Kameras im Einsatz.

Nach einer im August 2021 vom Digitalverband Bitcom veröffentlichten Umfrage nutzten schon damals vier von zehn Personen Smart-Home-Anwendungen. Am weitesten verbreitet waren hierzulande smarte Lampen (29 Prozent), Videoüberwachung (23 Prozent) und smarte Alarmanlagen (21 Prozent). Aber auch die kleinen Helferlein im Haushalt sind demnach auf dem Vormarsch wie der Rasenmähroboter (16 Prozent) und sein Kollege, der Staubsaugerroboter (13 Prozent).
Erfindungen für die Familie
Das Internet der Dinge (auch IoT genannt – Internet of Things) kann sogar Streit in der Familie vermeiden. Eltern müssen nicht mehr vorzeitig von einer Party nach Hause fahren, weil ihre Tochter oder der Sohn den Hausschlüsseln vergessen haben. Wer daheim klingelt, kann identifiziert werden. Eine kurze Berührung mit dem Finger auf der App des Handys und schon öffnet sich für die Kinder die Haustür. Anhänger der schönen neuen Welt schwärmen bereits vom „Peace of Mind“ durch die ausgetüftelten Anwendungen. Früher hätte man wohl von Seelenruhe gesprochen.
Auch die Bauwirtschaft stellt sich auf den Fortschritt ein. „Eine der ersten Fragen bei der Planung lautet, wie vernetzte ich ein Gebäude mit seinem Umfeld“, sagt José Martinez, Geschäftsführender Gesellschafter bei Groß & Partner. Der Projektentwickler bereichert die Skyline gerade mit „FOUR“, einem Ensemble von vier Türmen, mit dem die City ins 21. Jahrhundert wächst. „Digitale Lösungen haben wir von vornherein mitgedacht. Konnektivität entscheidet letztlich über Nachfrage und Erfolg.“
Vorreiter Singapur
Lange spielte Deutschland beim Thema Smart City eher die Rolle des Bedenkenträgers. Die Pioniere kommen vor allem aus Asien. Weltweit steht Singapur an der Spitze des Smart City Index. Der Stadtstaat, in dem auf engem Raum fast sechs Millionen Einwohner leben, hat bereits 2014 den nächsten Schritt zur „Smart-Nation-Strategie“ ausgerufen.
Singapur nutzt sämtliche Ressourcen, um die Digitalisierung auf allen Gebieten zu beschleunigen. Überwachungskameras stellen kein großes Problem dar. Daten werden von Regierungsämtern gebündelt, die vertikale Themen wie Umwelt, Sicherheit oder Energie verzahnen. China lässt grüßen. Bei solcher Schrankenlosigkeit steigt bei Europäern ein mulmiges Gefühl auf.
„Ich warne vor übertriebenen Ängsten. Lange hat sich von Flensburg bis München wenig bewegt. Wir haben einen gesetzlich fest verankerten Datenschutz.“ – Christian Borg-Krebs, Mainova
Christian Borg-Krebs, der Fachmann von Mainova, warnt aber vor übertriebenen Ängsten. „Wir haben einen gesetzlich fest verankerten Datenschutz.“ Lange habe sich von Flensburg bis München wenig bewegt. „In Deutschland tut sich jetzt allerdings eine ganze Menge“, konstatiert der 35-jährige Manager.
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