Die Frankfurt University of Applied Sciences (Frankfurt UAS) feiert 2021 ihre 50-jährige Erfolgsgeschichte. Der international renommierte Hochschultyp findet hierzulande immer noch zu wenig Beachtung, meint Präsident Prof. Dr. Frank E. P. Dievernich. Im Interview mit Top Magazin erklärt er, wieso er in Dubai eine Dependance eröffnen würde und appelliert an die Stadt Frankfurt, ihr Zukunftspotential endlich voll auszuschöpfen.
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Die Jubiläumsflaggen sind gehisst, der Campus im Nordend leuchtet in der Dämmerung – für jeden sichtbar stolz begeht die Frankfurt UAS ihr 50. Gründungsjahr. Geplant sind Aktionen und Events in der ganzen Stadt. Es gibt auch allen Grund zum Feiern: Mit vier Fachbereichen, 70 vielseitigen Studiengängen und 16.000 Studierenden aus über 100 Nationen ist sie für die unterschiedlichsten Organisationen und Unternehmen ein wichtiger Entwicklungs- und Forschungspartner, der qualifiziertes Fachpersonal sicherstellt.
Aus der Wirtschaft erntet die Institution viel Zuspruch. „Ob Studien zu unserem autonomen Fahrzeug ‚Easy‘ oder die Vision einer Logistik-Straßenbahn – die Frankfurt UAS bereichert den Nahverkehr im ganzen RMV-Gebiet“, lobt etwa RMV-Geschäftsführer und VDV-Vizepräsident Prof. Knut Ringat.

Ständig steht die familiengerechte Hochschule im engen Austausch mit der Stadt und setzt sich, anders als ihr Name zunächst vermuten lässt, auch für gesellschaftliche Belange fernab von Mobilität, Technik und Logistik ein. Etwa wenn es um das Thema Kinderrechte oder Hebammenknappheit geht – dafür hat sie sich unter anderem mit allen Geburtskliniken der Region vernetzt. Was immer noch zu wenige wissen: Die Frankfurt UAS besitzt den größten Fachbereich für Soziale Arbeit in Deutschland.
Frankfurt UAS hat 200 Partnerhochschulen im Ausland
Zu dieser thematischen Breite gesellt sich ein weltoffener und internationaler Anspruch, den die Hochschule bereits seit 2014 mit ihrer Umbenennung betont. 2021 pflegt die Frankfurt UAS, die zu den größten Hochschulen für angewandte Wissenschaften (HAW) zählt, Kontakte zu 200 Partnerhochschulen im Ausland. Und bleibt dennoch in der Stadt, in der sie viele noch als „FH Frankfurt“ kennen, verwurzelt.
Planungsdezernent Mike Josef etwa sagt: „In 50 Jahren ist die Frankfurt UAS zu einer wichtigen Institution geworden. Ich bin seit meinem ersten Tag in Frankfurt mit ihr verbunden.“ Der Stadtrat, dem unter anderem Bauaufsicht und Stadtplanungsamt unterstehen, hat nicht nur selbstverständliche berufliche Überschneidungen mit der Bildungsstätte am Nibelungenplatz. Er selbst studierte hier von 2003 bis 2004 Sozialarbeit.

Ebenfalls seit 2014 wird die Hochschule von Prof. Dr. Frank E. P. Dievernich als Präsident geleitet. 2019 wurde er mit deutlicher Mehrheit in seine zweite Amtszeit gewählt. Er fördert und fordert den intensiven Dialog mit Partnern aus Wissenschaft, Verbänden und Institutionen und stellt sich den Herausforderungen der Gegenwart: So verabschiedete die Frankfurt UAS unter seiner Führung als erste Hochschule in Hessen eine Nachhaltigkeitsstrategie. Bis 2030 soll der gesamte Betrieb CO2 neutral geführt werden. Nur konsequent, dass die Hochschule den ersten Frankfurter Zukunftskongress initiierte und damit ins Jubiläumsjahr startete.
Interview mit Präsident Prof. Dr. Frank E. P. Dievernich
Herr Präsident Prof. Dr. Dievernich, welches Ziel streben Sie in Ihrer zweiten Amtszeit an?
Die Frankfurt UAS soll die Würdigung erfahren, die sie verdient. Sie wurde finanziell saniert, wird renoviert und ich darf im Rahmen des neuen Hochschulpaktes über 70 neue Professuren schaffen. Wir sind aber mehr als oberflächlicher Hochglanz und Politur – das wollen wir zeigen und unser neues Selbstverständnis als „Hochschule des lebenslangen Lernens“ etablieren. Wir wollen Chancen- und Entwicklungspartner für alle unsere Stakeholder sein, die Hochschule der Interdisziplinarität! Nur aus der Interdisziplinarität heraus können Herausforderungen und Probleme der Zukunft gelöst werden. Klassische Kamin-Karrieren und Einzelfächer-Logiken sind out. Ich wünsche mir, dass die Telefone gar nicht mehr still stehen, weil Unternehmen, vor allem regional und national, mit uns Antworten auf wissenschaftliche Fragen suchen, so wie es in der Schweiz bereits der Fall ist.
Welchen Stellenwert hat die Frankfurt UAS?
Wir, wie auch andere HAWs, sind Partner des Mittelstandes, aber auch der Big Player dieser Welt und sichern den Unternehmen qualifizierte Fachkräfte. Dennoch bin ich sehr verwundert, dass diese Wertigkeit der HAWs deutschlandweit oftmals nur so beiläufig registriert wird.

Ist das im Rest der Welt anders?
In Ägypten, Dubai, Mexiko oder Thailand reißt man sich darum, unser Hochschulsystem zu adaptieren. In Dubai sagte mir ein Scheich: „Wir brauchen die Deutschen und diesen Hochschultypen, um die Wirtschaft und Gesellschaft weiterzubringen“. Meiner Meinung nach spricht nichts dagegen, als Frankfurt UAS beispielsweise in den Emiraten eine Zweigstelle aufzumachen, um dort unser System zu etablieren. Das birgt ein riesiges unausgeschöpftes Potenzial, aus Frankfurt heraus einen echten Exportschlager zu machen. Zumindest die Nachfrage ist da – aber wir müssen das immer im staatlichen Gefüge aller Hochschulen betrachten.
Wieviel Zukunftspotenzial steckt in Frankfurt?
Frankfurt ist ein weltweiter Knotenpunkt: Wir haben den Flughafen, den Bahnhof, die Banken, die Messe, den internationalen Internetknotenpunkt, einen gigantischen Wissenschafts- und Kulturapparat und eine engagierte Bürgergesellschaft: Alles, um mindestens on the top in Deutschland zu sein. Aber wir haben ein Problem! Frankfurt macht zu wenig daraus. Mein Appell: Die Stadt sollte die Wissenschaft, die Top-Unternehmen, die Entrepreneurs und Politiker zusammenbringen und einen ernsthaften „Zukunftsrat“ bilden. Es muss ein Bündnis geben, wo wir Politik neu denken, Hochschule politisch denken, um diese Stadt zukunftsfähig und damit krisenfest zu gestalten. Jeder Manager, jede Organisation kann etwas dazu beitragen, unsere Stadt zu gestalten und voranzubringen. Dafür kämpfe ich, seit ich 2014 mein Amt angetreten habe.

Wie geht die Frankfurt UAS mit der Pandemie um?
Die Hochschule wäre niemals so schnell digitalisiert worden, wenn es diese Krise nicht gegeben hätte. Aber diese Zeit kostet enorm Kraft und mein Herz blutet, wenn ich die Situation der Studierenden betrachte – denn die sind in erster Linie die Leidtragenden. Die Bildungsstätten sind ja Räume, wo Menschen sich sozialisieren. Wenn sich die Gesellschaft weiter ins Digitale zurückzieht, geht die Diskursfähigkeit und die Face-to-Face-Auseinandersetzung verloren. Zu denken, wir können nach dem Lockdown alles über online weiterführen, ist ein Trugschluss. Wir brauchen Räume der echten Begegnung.
Wie feiert die Hochschule das Jubiläumsjahr?
Wir wollen in der Stadt noch sichtbarer werden. Dafür gestaltet zum Beispiel der Street-Art-Künstler Philipp Schäfer die zur Nibelungenallee zugewandte Fassade von Gebäude 8, das einst die ehemalige Vorgängerinstitution „Königliche Maschinenbauschule“ beherbergte, völlig neu. Eine tolle Aktion mit zeitgemäßen Motiven, wie eine hell- und eine dunkelhäutige Hand, die gemeinsam ein Herz formen. Wir wollen zeigen, was Frankfurt und die Hochschule ausmacht: „Vielfalt stärkt“. Ein 50 x 20 Meter großes Kunstwerk, welches auch unsere anderen zwei Slogans „Chancen durch Bildung“ und „Wissen durch Praxis“ trägt – auf diese Weise werden die Werte und Inhalte der Hochschule in und für Frankfurt sichtbar. Alle weiteren geplanten Events und Veranstaltungen live, hybrid und digital findet man auf unserer Jubiläums-Homepage.
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