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Stellen Sie sich vor: Es ist 1942, Edward Hopper malt gerade sein Lebenswerk „Nighthawks“ (Nachtfalken), und drei einsame Seelen hocken an einer Theke, umgeben von Stille und Melancholie. Klingt deprimierend? Vielleicht. Aber genau dieses Bild trifft einen Nerv, denn plötzlich entdecken Millennials und GenZ nostalgische Bars wieder für sich. Warum? Nun, vielleicht weil man in einer klassischen Bar noch echte Menschen trifft, statt nur deren Profilbilder zu liken. Weil man hier Menschen beobachten und in Gesellschaft auch wunderbar alleine sein kann. Hier agieren elegante Barkeeper, die aussehen, als wären sie einem James Bond-Film entsprungen. Sie kennen nicht nur jeden Drink, sondern auch jeden Kummer ihrer Gäste – und wissen beides perfekt zu mixen.
Inhalt
Viele Gäste haben sich in Schale geworfen. Hier wird der Abend zelebriert, als wäre es eine Oscar-Verleihung – nur mit besserem Alkohol und weniger peinlichen Dankesreden. Wir stellen Ihnen fünf dieser Zeitkapseln vor, inklusive ihrer Chef-Bartender. Diese Typen sind nicht nur Meister ihres Fachs, sondern wahre Alleskönner: Sie mixen Drinks, hören zu, plaudern und schaffen eine Atmosphäre, in der sich selbst der größte Miesepeter wohlfühlt. Kurzum: Sie sind die Superhelden der Nacht, nur mit Cocktail-Shaker statt Cape. Tauchen Sie mit uns ein in diese Oasen der Kultiviertheit, die ebenso zeitlos sind wie der klassische Cocktail mit dem bezeichnenden Namen „Old Fashioned“, der auf keiner gut kuratierten Getränkekarte fehlen darf. Von Kitti Pohl
Rote Bar, Innenstadt

Die Rote Bar am Mainkai ist nicht nur Frankfurts älteste, sondern auch eine der beständigsten Bars der Stadt. „Unsere Karte ist seit 30 Jahren nahezu unverändert, ebenso wie unser Anspruch: Privat, intim, klassisch“, sagt Barchef Edward Bellen, der die Rote Bar 1995 eröffnete. Seit nunmehr drei Jahrzehnten trägt er Smoking und Fliege als Arbeitskleidung eines Gentleman-Barmanagers – jeder Handgriff sitzt, jeder Drink wird mit Präzision und Hingabe zubereitet.
Die Rote Bar ist kein Ort für schnelle Drinks, sondern ein Refugium für all jene, die das Besondere suchen. Hier trifft man sich zum Bargeflüster auf rotsamtenen Hockern, die aus dem Nachlass eines Bonner Bordells stammen. Bei gedämpftem Lüsterlicht und umgeben von roten Lichterpunkten versucht man, die Getränkekarte zu entziffern – was im Dreivierteldunkel nahezu unmöglich ist. Doch auf Bellens Empfehlungen ist blind Verlass.
Von den langstieligen Lilien auf dem Tresen bis hin zu den alten Ölgemälden ist alles echt. Eines der Gemälde zeigt La Jana, eine Frankfurterin, die in den Dreißigerjahren zu den bekanntesten Revuetänzerinnen Europas zählte. Dieses Bild hat Bellen zu einem gleichnamigen Cocktail auf Holunderlikörbasis inspiriert, der ebenso zartgrün wie das Höschen von La Jana schimmert.
Bellen fühlt sich der Tradition und dem Stil des geschichtsträchtigen Gastraumes verpflichtet: „Hier wird seit 200 Jahren getrunken. Und seit 30 Jahren reift die Rote Bar hier wie ein schöner Rotwein oder Whisky vom Fass.“ Kürzlich, erzählt Bellen, rief ein Stammgast an und fragte, ob er mit seiner Enkelin kommen könne, die leider noch nicht volljährig sei. Ihm sei aber extrem wichtig, dass die erste Bar, die das Mädchen in seinem Leben betritt, die Rote Bar sei. „Er kam am Abend tatsächlich mit seiner Enkelin“, sagt Edward Bellen. „Sie war anderthalb Jahre alt.“
Signature Drink: La Jana

Zutaten:
4 cl London Dry Gin (min. 43 %)
2 cl St-Germain Holunderlikör
2 cl Lillet Blanc
1,8 cl frischer Zitronensaft
4-5 helle Trauben
6-8 Minzblätter
Zubereitung:
Trauben und Minze im Shaker anpressen. Zutaten und Eiswürfel dazugeben und kräftig ca. 10 Sekunden shaken. Durch ein feines Sieb in ein gekühltes schönes Glas abseihen.
Embury Bar, Innenstadt

In der Embury Bar, versteckt im Schatten des imposanten Commerzbank-Towers, hat Dominic Falger ein wahres Paradies für Spirituosen-Liebhaber geschaffen. Mit stolzen 1.800 verschiedenen Spirituosen, die auf zwei wandfüllenden Regalen thronen, bietet die Bar ein Sortiment, das im deutschsprachigen Raum einzigartig ist. Hier schimmern Bourbon, Whiskey, Gin, Rum, Tequila und Scotch in Glasflaschen dicht an dicht im gedämpften Licht – nur die feinsten Tropfen aus dem unendlichen Reich der hochprozentigen Trinkkultur. Um auch die obersten Flaschen aus dem Regal zu holen, gleitet der Barchef auf seiner schienengeführten Leiter elegant hinter dem Tresen hin und her. Die Preisspanne der edlen Tropfen reicht von acht Euro bis hin zu stolzen 800 Euro für Whisky-Raritäten aus seiner beeindruckenden Sammlung – pro Glas, versteht sich.
Falger setzt ausschließlich auf Clear Ice, das er mit immensem Aufwand in einem ausgelagerten Labor selbst herstellt und auch an andere Bars vertreibt. „Meine Idee war immer, eine Bar mit gehobenen Dienstleistungen anzubieten“, erklärt Falger, der das klassische Hotelfach in einem Superior-Hotel im Allgäu gelernt und unter anderem im legendären Burj-al-Arab in Dubai gearbeitet hat, bevor er vor sieben Jahren die Embury Bar eröffnete.
„Wir arbeiten nach Fünf-Sterne-Leading Hotels of the World Standard, was Service, Beratung und Drinks betrifft“, betont Falger. Und das merkt man: Die Barcrew mixt jeden Drink auf höchstem Niveau und die einmalige Drink-List lockt viele internationale Gäste an. Hinzu kommen Stammgäste, Studenten und etliche Geschäftsleute, die die besondere Atmosphäre der Embury Bar zu schätzen wissen. „Die besten Deals werden in Bars gemacht“, sagt Dominic Falger mit einem wissenden Lächeln. „Das war schon immer so.“
Signature Drink: Islay Monkey

Zutaten:
5 cl Ileach Islay Single Malt
2 cl Cold Drip Kaffee
1 cl Embury Falernum
2 cl Tempus Fugit Bananenlikör
3 dsh Rote Sandelholz-Tinktur
Zubereitung:
Lange gerührt im Tumbler auf Clear Ice servieren. Mit Bananen-Chip dekorieren.
Logenhaus, Nordend

Wohnzimmeratmosphäre? Nein, das wäre Understatement pur: Das Logenhaus im Frankfurter Nordend ist mehr als nur ein Wohnzimmer – es ist ein Refugium, ein Ort, an dem die Zeit stillzustehen scheint und die Welt draußen für einen Moment in Vergessenheit gerät. Ornamenttapeten, dicke Teppiche, Stehlampen, Bücher, Vasen, Ölgemälde und herrlich antiquierte Deko-Objekte umrahmen verschieden große Tische und unterschiedlich bespannte Vintage-Sofas, -Sessel und -Stühle, auf denen Samtkissen zum entspannten Niederlassen einladen. Hier findet jeder Nachtschwärmer, jedes Pärchen, jede Gruppe ihr Plätzchen in absoluter Privatsphäre.
„Die Verweildauer bei uns ist sehr lange. Besonders die jungen Leute lieben das Logenhaus, da sie sich hier aufgehoben fühlen. Dazu gesellen sich auch viele ältere Stammgäste, die seit 12, 13 Jahren regelmäßig kommen. Bei uns gibt es kein ‚schnell, schnell‘, alles ist sehr bedacht“, erzählt Barchef Martin Mack.
Fast drei Jahrzehnte war er Gastgeber in der legendären Jimmy’s Bar im Hessischen Hof, wo sein meisterhafter Whisky Sour in die Geschichte eingegangen ist. Auf die aufwändigen und qualitativ hochwertigen Drinks, die das professionelle Barpersonal im Logenhaus zubereitet, warten die Gäste gerne auch mal etwas länger. An der Bar gibt es nur acht Plätze, die meisten Gäste möchten den Abend lieber in intimer Atmosphäre an den gemütlichen Tischen genießen. Das Logenhaus ist äußerst beliebt für exklusive Hochzeiten und Empfänge, denn es ist die einzige klassische Bar mit romantischem Innenhof im Sommer – einem verwunschenen Gartensalon mit Vintage-Tresen, der bis 22 Uhr geöffnet ist. Für größere Veranstaltungen kann die stilvolle Freimaurerloge im ersten Stock dazu gemietet werden.
Signature Drink: Fleur de Jerez

Zutaten:
2 cl Dark Rum
2 cl Sherry Amontillado
1 cl Zuckersirup
2 cl Zitronensaft
1 cl Eiweiß
Zubereitung:
Shaken, in der Coupette mit Orangenzesten servieren.
Hopper’s, Sachsenhausen

Edward Hoppers Meisterwerk „Nighthawks“ stand Pate für den Gründer der „Hopper’s Cocktail Bar“ in Sachsenhausen, als er seiner Bar diesen ikonischen Namen verlieh. „Die Thematik ‚Einsamkeit des modernen Menschen‘ ist heute aktueller denn je“, sinniert Barkeeper Stephan Finke, der das Hopper’s 2016 übernahm. „Ich bin vom Stammgast zum Spüler und schließlich zum Barchef aufgestiegen“, erzählt Finke lachend. „Das ist wohl die steilste Gastro-Karriere Frankfurts!“ Anfangs half er nur an den Wochenenden aus, wenn der Laden brummte. „Ich war ja sowieso immer da, da konnte ich auch ein paar Gläser spülen“, erinnert er sich. Inzwischen hat der ehemalige Marketingkommunikationswirt die Inhaberin geheiratet und eine beliebte Nachbarschaftsbar mit zahlreichen Stammgästen etabliert.
Eine Bar, philosophiert Finke, sei einer der schönsten Orte, um in Gesellschaft alleine zu sein: „Wo man sich nach Feierabend auch mal mit einem Buch hinsetzen kann, wie ich das oft hier gemacht habe. Wenn man Lust hat, sich zu unterhalten, unterhält man sich. Wenn nicht, dann nicht.“ Eine klassische American Bar sei immer ein Ort der Kommunikation.
Im Hopper’s wechselt die Getränkekarte alle drei Monate, Klassiker gibt es immer. Die Auswahl an anspruchsvollen alkoholfreien Drinks ist riesig. „Einer ist immer der Fahrer, und der soll auch seinen Spaß haben“, betont Finke. „Wir verkaufen nicht nur Getränke, sondern auch die Atmosphäre: Es gibt Paare, die sich im Hopper’s kennengelernt haben und die jetzt hier ihre Abende genießen, wenn der Babysitter mal Zeit hat.“
Signature Drink: Negroni from the Barrel

Zutaten:
4 cl Fords London Dry Gin
3 cl Carpano Vermouth Antica Formula
3 cl Campari
Zubereitung:
Vorgemixt und mindestens 40 Wochen im 10-Liter-Holzfass gelagert. Das Holz des Ex-Jägermeister-Fasses verleiht dem Negroni eine zusätzliche Kräuternote.
Nassauer Hof, Wiesbaden

Grande Dame – für keine andere Bar passt dieser schmeichelhafte Titel besser als für die Bar im Hotel Nassauer Hof in Wiesbaden: eine wahre Old-School-Wonne in Leder, Holz und Messing mit Piano-Musik, einem knisternden Kamin und einem hervorragend sortierten Humidor. Ein Zuhause für Nachtschwärmer, die ein edles Ambiente zu schätzen wissen.
Seit 2014 sorgt Patrick Wokan dafür, dass jeder einzelne Gast sich hier wie im Wohnzimmer Wiesbadens fühlt: „Wir haben ein großes Stammklientel. Plus die internationalen Hotelgäste plus junge Leute, die die klassische Bar wieder für sich als Dating Location entdecken.“ In den letzten Jahren hat sich die Hotelbar mit ihrem eher gediegenen Flair zu einem Treff für junge Menschen entwickelt, ohne ihren klassischen Charme zu verlieren: „Die Pianisten und Musiker spielen mittlerweile auch mal aktuellere Sachen. Gerade am Wochenende, wenn viele Jüngere auch zum Tanzen herkommen“, sagt Wokan.
Am kommunikativen Bartresen mit seinen 15 Plätzen und in den gemütlichen Sitzgruppen lassen die Stammgäste weiterhin den Tag stilvoll ausklingen. Am prasselnden Kaminfeuer entfalten sich die Aromen der über 70 Sorten Single Malts besonders gut und eine edle Zigarre macht den Genuss perfekt. Unterhaltsamer als Fernsehen ist es, den erfahrenen Bartendern bei der Zubereitung ihrer Drinks zuzuschauen, die sie mit viel Liebe zum Detail zelebrieren.
Signature Drink: Chocolate Rum

Zutaten:
6 cl Ron Botucal Reserva
2 dsh Chocolate Bitter
1 cl Tonkabohnen-Infusion
3 cl Geschlagene Sahne
Zubereitung:
Build Up (im Tumbler aufgebaut). Mit Schokoraspeln dekorieren.
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