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Krosse Kruste, herzhafter Geschmack, gute Zutaten: Immer mehr Menschen wünschen sich leckeres und bekömmliches Brot. In Frankfurt muss man dafür nicht mehr allzu weit laufen. An vielen Orten bieten Bäckereien wieder handwerklich Gebackenes an.
Inhalt
Brot kann man heute an jeder Ecke bekommen, beim Bäcker, im Supermarkt, beim Discounter. Im Durchschnitt kaufen die Deutschen mehr als 43 Kilogramm Brötchen und Brot im Jahr. Immer mehr Menschen achten dabei wieder darauf, wie und mit welchen Zutaten es hergestellt wird. Brot aus handwerklicher Herstellung liegt im Trend. Mehl, Wasser, Salz – möglichst puristisch soll es heute sein, gerne mit Produkten aus der Region und nach alten Rezepturen, etwa mit dem für Deutschland typischen Sauerteig oder aus Urgetreidesorten wie Dinkel, Einkorn, Emmer oder aus Hülsenfrüchtemehlen.
In Großstädten wie Frankfurt eröffnen neue Handwerksbäcker, die nach der starken Industrialisierung des Grundnahrungsmittels zur Handarbeit zurückkehren. Sie verkaufen einen neuen Kult ums Brot, das bei ihnen mehr ist als reines Nahrungsmittel: gesunder kulinarischer Genuss.
„Gutes Brot muss eine ausgeprägte Kruste haben, denn die schützt nicht nur die Krume, sie macht den guten Geschmack aus. “ – Kai Schröer, Brot-Sommelier
Brotsommeliers und Brotfluencer
„Nachdem in den 2000er-Jahren vor allem eine Geiz-ist-geil-Mentalität vorherrschte, ist die Bereitschaft heute wieder da, für gutes Brot mehr Geld auszugeben“, stellt Kai Schröer fest. Der Bäckermeister aus Mainz-Kastel ist einer der wenigen Brot-Sommeliers Deutschlands. Rund 40 Prozent der Brote heute würden wieder beim Bäcker gekauft, berichtet er.
Gutes Brot müsse für ihn eine ausgeprägte Kruste haben, denn die schütze nicht nur die Krume, sie mache den guten Geschmack aus. „80 Prozent der Aromen entstehen beim Backprozess. Wenn der nicht richtig ist, entsteht zu wenig Geschmack.“ Doch gutes Brot sei noch viel mehr, dabei gehe es schließlich auch um Emotionen. „Es hat einen hohen kulturellen Stellenwert. In Deutschland ist das Abendbrot, bei dem die Familie zusammenkommt, sogar danach benannt.“

Das Brotbacken ist eines der ältesten Handwerke überhaupt. „Brot ist seit Beginn der Menschheitsgeschichte ein Hauptnahrungsmittel“, erzählt Kai Schröer. Vor rund 200 Jahren hätten die Menschen noch ein Kilogramm davon pro Tag gegessen. „Heute sind es nur noch 80 bis 100 Gramm, weil es so viele Alternativen gibt.“ Überall auf der Welt gebe es Brot in unterschiedlichen Formen, mal als Fladen oder Naan, mal als Baguette oder Ciabatta. Es verfüge außerdem über ein sehr ausgewogenes Nährstoffprofil und viele Ballaststoffe.
Deutsche Brotkultur Unesco-Kulturerbe
Die Deutschen gelten als Weltmeister im Brotbacken. Die Brotkultur wird seit 2014 als immaterielles Kulturerbe bei der Unesco Deutschland geführt und gilt als besonders vielfältig. Mehr als 3.000 Sorten gibt es. Doch das, was in Backshops, Supermärkten und Discountern angeboten wird, hat mit dem traditionsreichen Gewerbe nur noch wenig zu tun. Bisher aßen die Deutschen vor allem Industriebrot. In den Großstädten ändert sich das gerade.
Das Unternehmen „Zeit für Brot“ ist seit 2009 der Vorreiter dafür. Bereits in der ersten Bäckerei des Frankfurter Unternehmens im Oeder Weg wurde vor Ort, ohne chemische Hilfsmittel und in Handarbeit gebacken. Am Konzept hat sich seit Tag Eins nichts geändert. Mittlerweile betreibt man ein gutes Dutzend Filialen in deutschen Großstädten, ist Bioland zertifiziert und weiterhin bekannt für seine Zimtschnecken.
Seit Corona boomt das Handwerk noch mehr. In Gourmetrestaurants gibt es mittlerweile zu jedem Gang die passenden Brote oder Gebäcksorten. An der Akademie Deutsches Bäckerhandwerk in Weinheim werden Brot-Sommeliers wie Kai Schröer ausgebildet. Auf Social-Media-Plattformen wie TikTok und Instagram gibt es „Brotfluencer“ wie Ricardo Fischer, selbst Bäckermeister und Brot-Sommelier, der als „Brotprofi“ 400.000 TikTok-Follower und 136.000 auf Instagram verzeichnet, oder Jo Semola, eigentlich Event-Manager, der mit seinen Tipps und Büchern 750.000 Menschen auf TikTok und 309.000 auf Instagram erreicht. Sie alle wirken als Botschafter für das Handwerk und wollen die Wertschätzung für gutes Brot steigern.
Brot von Hand gebacken
Dafür sorgen in Frankfurt auch Marius Hörle und Eike Becker. Die beiden Schulfreunde haben im Sommer 2022 die Bäckerei „Ouwe“ eröffnet, was in ihrem Heimatdialekt aus dem Westerwald schlicht Ofen heißt. Der steht in dem kleinen Laden auf der Rohrbachstraße im Mittelpunkt. Das davor platzierte offene Holzregal mit aktuell neun verschiedenen Brotsorten leert sich in der Regel schnell. Durch die Regalbretter hindurch können die Kunden sehen, wie das Brot für den nächsten Tag angesetzt wird.

Die beiden Bäckereibesitzer und ihre fünf Mitarbeiter stellen alles per Hand her. Sie verstehen sich zwar als Stadtteilbäckerei im Nordend, am Wochenende reiche der Einzugsbereich aber auch bis in den Taunus, Main-Kinzig-Kreis oder bis nach Bad Vilbel. „Zu uns kommen von jungen Eltern und Studierenden bis zu Senioren unterschiedliche Leute, aber viele Stammkunden.“ Auch Gastronomien wie das nahe gelegene „Blumen“ beliefert das „Ouwe“.
„Wir verwenden ausschließlich Sauerteig – ein Organismus, der langsamer arbeitet als Hefe. Damit hat er Zeit, die Zuckerketten natürlich abzubauen, die dem Magen des Menschen Probleme machen.“ – Eike Becker, Ouwe
Bäckerei-Öffnung um 12 Uhr mittags
Weil der Laden erst um 12 Uhr mittags öffnet, beginnt das Team gegen 6.30 Uhr, die Brote für den Tag in den vier Öfen frisch zu backen. „Ab etwa 10 Uhr starten wir mit den Broten für den nächsten Tag“, erläutert Marius Hörle. Er arbeitet ausschließlich mit Sauerteig – wegen seines mild-säuerlichen Geschmacks, der Aromenvielfalt, der längeren Haltbarkeit und der Bekömmlichkeit. „Sauerteig ist ein Organismus, der langsamer arbeitet als Hefe. Damit hat er Zeit, die Zuckerketten natürlich abzubauen, die dem Magen des Menschen Probleme machen“, erklärt sein Partner Eike Becker.

„Lange Teigführung“ lautet das Zauberwort. Bei Ouwe ruht der Brotteig mindestens 24 Stunden, bevor er gebacken wird. Während im industriellen Prozess vor allem der Leitspruch „Zeit ist Geld“ gilt, also möglichst viel Brot möglichst schnell produziert wird und dafür Zusatzstoffe wie chemische Hilfsmittel verwendet werden, kommen ins Ouwe-Brot nur Mehl, Wasser und Salz. Roggenvollkorn-, Weizenvollkorn-, Weizen- und Dinkelmehl, um genau zu sein. Alle aus der Mühle Kruskop, einer Traditionsmühle aus Windesheim bei Bad Kreuznach, die regionales Bio-Getreide verarbeitet. Auch über alle weiteren Zutaten geben die beiden Firmenchefs auf ihrer Internetseite genau Auskunft.
Anspruchsvoller Sauerteig für das Brot
Gelernt haben Marius Hörle und Eike Becker das Handwerk übrigens nicht in der klassischen Ausbildung. Hörle studierte Maschinenbau, Becker Physik. Er habe schon während des Studiums gebacken und schließlich bei den „Brotpuristen“ in Mainz ein halbes Jahr in den Job hineingeschnuppert. „Es hat mich nicht wieder losgelassen“, sagt Eike Becker. Er absolvierte sogar noch eine meisterähnliche Prüfung vor der Handwerkskammer.
Marius Hörle, der ebenfalls verschiedenen Profibäckern über die Schulter schaute, experimentiert bereits seit 2015 mit Sauerteig. Denn der ist besonders anspruchsvoll und verlangt je nach Mehl eine exakte Wassermenge und -temperatur. Hörle nennt ein Beispiel, was das bedeutet: „Wenn das Mehl nach der neuen Kornernte etwas anders ausfällt, macht uns das vier Wochen Kopfschmerzen, bis der Teig wieder so ist, wie wir ihn brauchen.“

Wie anspruchsvoll Sauerteig ist, hat auch Dennis Aukili erfahren müssen. Der gelernte Koch, der gemeinsam mit Milan Müller das Restaurant „Chairs“ im Stadtteil Bornheim betreibt, interessierte sich ebenfalls für den Trend, mit Sauerteig zu backen. „Es war ein halbes Jahr lang eine komplette Katastrophe“, erzählt er. Dann aber gelang ihm das Hausbrot im Restaurant so gut, dass seine Gäste es nach dem Essen unbedingt kaufen wollten.
Irgendwann entschieden die beiden Restaurantbesitzer, zusätzlich eine Bäckerei aufzumachen. Heute betreiben sie neben dem „Chairs“ das „mehlwassersalz“ im Museum für Moderne Kunst – eine Bäckerei mit Café und acht Öfen im hinteren Teil des langgezogenen Raumes.
Lange Teigführung wichtig für’s Brot
Dort ist der Name Programm. Zwei Bäckermeister und zwei Gesellen produzieren täglich unterschiedliche Sorten Sauerteigbrot aus Mehl, Wasser und Salz. Die Mehlsorten kommen ebenfalls aus der Bio-Mühle Kruskop. Die regionale Produktion und jegliche Müllvermeidung sei ihnen wichtig, sagt Aukili. Ebenso eine lange Teigführung. „Unsere Brote gehen mit Vorteig 36 bis 48 Stunden.“
Mit ihren Backwaren beliefert das Unternehmen neben dem „Chairs“ auch namhafte Gastronomien in Frankfurt. „Wir sind mit unserem Platz hier aber an der Kapazitätsgrenze angelangt“, sagen die beiden Chefs und denken bereits über eine ausgelagerte Backstube nach, auch um ihren Bäckern mehr Ruhe bei der Arbeit zu ermöglichen.
Bäckereien in Frankfurt fehlen Fachkräfte
Während auf der einen Seite in den Großstädten junge, hippe Bäckereien neu eröffnen, müssen auf der anderen Seite viele traditionelle Bäckereien in Deutschland aufgeben, oft aufgrund von Personalmangel und Nachtarbeit. Müller und Aukili lassen ihren Bäckern, was den Arbeitsbeginn angeht, daher möglichst freie Hand. „Einer unserer Bäcker beginnt um 10 Uhr, wenn wir öffnen. Die anderen kommen zwischen 5 und 8 Uhr. Teilweise haben sie eine Vier-Tage-Woche.“

Anfangs sei es nicht einfach gewesen, Personal zu finden, bestätigen sie. „Da muss man schon einiges an Geld in die Hand nehmen“, aber mittlerweile sprächen sich die guten Arbeitsbedingungen herum. Ähnlich geht es auch dem Ouwe-Team, das dank der späten Öffnung sozialverträgliche Arbeitszeiten bieten kann.
Um 1 Uhr nachts geht’s los mit Brot backen
Bei Kai Schröer geht es bereits um 1 Uhr nachts in der Backstube los. „Es gibt immer weniger Leute, die so früh arbeiten wollen“, bestätigt er. Der Fachkräftemangel insgesamt sei aber das Problem, „wir suchen händeringend“. Schröer beschäftigt in seinem Unternehmen 28 Bäckermeister und -gesellen.
Er brauche Leute, die das Handwerk beherrschen, betont er. Denn obwohl er in dritter Generation mehr als 50 Fachgeschäfte im Rhein-Main-Gebiet betreibt, stellt er mehr als ein Dutzend Brotsorten weiterhin handwerklich her. „Wir setzen auf Personal und Qualität, nicht auf große Maschinen. Wir machen unseren Sauerteig selber und achten auf lange Teigruhe.“
Brot ist Geschmackssache
Doch nicht bei jedem Handwerksbäcker gebe es gleich gutes Brot, räumt Kai Schröer ein und gibt ein paar Tipps, worauf der Kunde achten sollte. „Man kann schauen, ob es Informationen gibt, woher die Rohstoffe kommen und ob das Personal weiß, was in den Broten drin ist.“

Oder man liest das Gourmet-Magazin „Der Feinschmecker“, der jedes Jahr die besten Bäcker kürt. Für 2024 führt er in Frankfurt neben dem „Ouwe“ und „mehlwassersalz“ auch alteingesessene Handwerksbetriebe auf, wie die 80 Jahre alte Bäckerei HansS im Brückenviertel oder die Bäckerei Seipler in Harheim, die es seit 1880 gibt. Klaus Denninger mit seiner Mühlenbäckerei in Bornheim, die er in vierter Generation führt, ist ebenso dabei wie die Bäckerei Kronberger und die Vogelsbergbäcker aus dem Nordend. „Zeit für Brot“ und die Bäckerei „Liebesbrot“ aus dem Westend stehen für junge Konzepte. Als einzige französische Bäckerei hat es „Baguette Jeanette“ mit ihrem typischen Weißbrot in die Liste geschafft, das ebenfalls lange Teigruhezeiten erfährt.
„Für mich soll Brot Charakter haben, eine gute Kruste und eine relativ große Porung. Auch ein guter Salzgehalt gehört dazu. “ – Dennis Aukili, mehlwassersalz
Doch für viele Menschen ist gutes Brot vor allem eines: Geschmackssache. „Für mich sollte es Charakter haben, eine gute Kruste und eine relativ große Porung. Auch ein guter Salzgehalt gehört dazu“, sagt Dennis Aukili. „Dann braucht man, um das Brot genießen zu können, als Auflage nicht mehr als ein bisschen gute Butter.“
Ungewöhnliche deutsche Brotsorten
In Sachen Brot hat Deutschland aber abgesehen von den traditionellen Brotsorten noch einiges mehr zu bieten. Egal ob regionale Spezialitäten oder kreative Neuerfindungen, wir zeigen Ihnen fünf ungewöhnliche Brotspezialitäten.
Schwarzwälder Kirschtortenbrot
Wie der Name schon verrät, wird es hier süß und abenteuerlich. Das Schwarzwälder Kirschtortenbrot wird mit Kirschen und Schokolade im Teig gebacken. Danach ein bisschen Sahne dazu und guten Appetit. Der perfekte Mix aus Kuchen und Brot.
Zitronen-Ingwer-Brot
Der Mix aus saurer Zitrone und leicht scharfem Ingwer macht das Brot besonders. Schmeckt sowohl mit süßem als auch herzhaften Belag.
Bierbrot
Dieses Brot schmeckt überall unterschiedlich, es kommt immer drauf an welches Bier verwendet wird. Manche mögen es lieber leicht malzig und herb, andere süßlicher. Eignet sich perfekt für eine zünftige Brotzeit.
Schneebrot (Schwäbische Schneeklöße)
Der Name leitet sich von der hellen Krume ab. Zum Backen verwendet man helles Weizenmehl und Hefe. Das Besondere am Schneebrot ist der besonders locker-leichte Teig. Besonders lecker als Sandwich oder nur mit frischer Butter
Kartoffelbrot
Das Kartoffelbrot ist ein echter Geheimtipp. Die Kartoffeln im Teig machen das Brot super saftig und lassen es leicht süß schmecken. Vor allem im Süddeutschland wird dieses Brot oft und gerne zu deftigen Eintöpfen oder Schmorgerichten gegessen.
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