„Bewaffnet“ mit Korb und Messer, streifen Pilzjäger durch die heimischen Wälder. Im Herbst ist Pilzsammel-Hochsaison. Suchenden Blickes nach den natürlichen Zutaten für einen der köstlichsten Gaumenschmäuse der Welt, stapfen sie in aller Herrgottsfrühe durchs Unterholz. Nur, wer einmal die Glückseligkeit erfahren hat, einen stattlichen Steinpilz zu entdecken, weiß, warum Pilze sammeln so faszinierend ist. So wie ich. Von Kitti Pohl
Inhalt
Ich hab einen!
Den Duft von feuchtem Moos in der Nase, knackende und knirschende Zweige unter den Schuhen; das Zwitschern, Rascheln, Piepen und Plätschern, das die Ruhe des Waldes mit Leben füllt: Schon als Kind liebte ich es, mit meinen Eltern und Schwestern „in die Pilze“ zu gehen. Spazieren gehen? Käselangweilig, keine Lust. Pilze sammeln? Sofort! Ein Abenteuer, bei dem schon der Fund eines einzigen Exemplars für einen Moment puren Glückes sorgt. Das erregende Gefühl, jede Sekunde etwas Großartiges entdecken zu können. Der Mix aus Überraschung, Freude und Stolz, wenn plötzlich die braunglänzende Kappe eines Steinpilzes im Laub oder Moos hervorschimmert. Erst völliger Unglaube, dann schlägt das Herz schneller, dann der triumphierende Aufschrei: „Ich hab einen!!!!!“
Wahre Schatzjäger
Ich sehe meinen Vater noch vor mir, wie er dann angestiefelt kam. In der Hand unser altbewährtes Küchen-Kneipchen mit dem abgewetzten Holzgriff, um den wertvollen Fund kurz über dem Waldboden sauber abzuschneiden: „Bloß nicht rausreißen, wir wollen doch, dass unser Freund im nächsten Jahr wiederkommt“, mahnte er. Vorsichtig strichen wir Erde, Blätter und Nadeln ab. Die kleinen Schneckchen setzten wir wieder ins Moos, damit sie sich ein neues Pilzhäuschen zum Wohnen suchen konnten.

Wenn ich das Prachtexemplar vorsichtig in den Korb legen durfte, platzte ich fast vor Glück und Stolz. Später wurde die kunterbunte Pilzmischung – dicke, dünne, runde, glatte, große, kleine, längliche, braune, weiße, gelbe, violette – achtsam auf der Küchenplatte ausgebreitet, und wir Mädchen wollten uns als wahre Schatzjäger übertrumpfen, zankten uns bei besonders prächtigen Exemplaren: „Der gehört mir! Den hab ICH gefunden!“ Schon beim Abbürsten der Pilze lief mir das Wasser im Munde zusammen, wenn ich mir vorstellte, wie mein kostbarer Fund, in Butter mit Zwiebeln angebrutzelt und mit frischer Petersilie verfeinert, vor mir auf dem Teller duftet.
Pure Entdeckerlust
Wenn ich heute durch den Wald oder eine Wiese streife, die Augen gespannt auf den Boden gerichtet, erlebe ich immer noch diese Momente purer Entdeckerlust. Der Odenwald, der Taunus und der Spessart sind perfekte Orte für solche Entdeckungsreisen. Steinpilze, Maronen, Butterpilze, Pfifferlinge landen, mal mehr, mal weniger, im Korb. Jeder einzelne, noch so mickrige, eine Kostbarkeit – ein ganz persönliches i-Tüpfelchen. Pure Freude, wenn um das erspähte Exemplar plötzlich eine ganze Steinpilz-Familie strammsteht.

Sogenannte Hexenringe, eine meist kreisförmige Anordnung von Pilzen, haben mich schon als Kind fasziniert. ich sah vor meinem geistigen Auge die Hexen in der Nacht wild im Kreis um den Feuerschein tanzen – die spitzen Schuhe genau da den Boden berührend, wo ein Pilz gewachsen ist, so die schaurig-schöne Geschichte, die mein Vater uns erzählte.
Meditatives Abenteuer
Die beste Zeit, um sich auf Pilzsuche zu machen, ist der frühe Herbstmorgen. Die Wälder strahlen golden, gelb, rot und grün, Nebel wabert noch über Laub, Moos, abgestorbene Baumstämme und Gräser – eine Szenerie, deren mystischer Zauber mich immer wieder aufs Neue fasziniert. Bereits beim ersten Schritt, bei dem ich auf dem feuchten Waldboden abseits des Weges wie auf einem Polster einsinke, durchströmt mich ein unbeschreibliches Glücksgefühl. Die Luft ist frisch und klar, mit Adleraugen den Waldboden scannend, tauche ich in diese stille, magische Welt ein.
Buch-Tipp
Unter mir ein lebendiger Teppich aus winzigen Käfern und Ameisen, aus Gräsern, Ästen, Moosen, Baumrinden, Tannenzapfen, Tierspuren. Und eine unendliche Vielzahl von kleinen Pilzen, die nicht essbar sind. Aber wo die wachsen, fühlen sich auch essbare wohl. Wenn die Waldluft besonders erdig, aromatisch und würzig riecht, sind sie meist nicht weit. Ein nahezu meditatives Abenteuer, welches das „In-die-Pilze-gehen“ für mich so beglückend macht: Weit entfernt vom Lärm des Alltags und unabhängig davon, ob ich einen Korb voll finde oder gar keinen.
Eiserne Regeln
Von Weitem schon zu sehen sind Riesenschirmpilze oder Parasole, deren schuppige Kappe gewürzt, paniert und in der Pfanne gebraten besser schmeckt als jedes Schnitzel. Die Freude darauf wird bei jedem Schritt, den man dem Prachtkerl näherkommt, größer. Beim Pilze sammeln befolge ich zwei eiserne Regeln meiner Eltern. Erstens: Nimm nur Pilze mit, bei denen du dir zu 100 Prozent sicher bist.

So manchen prachtvollen Champignon habe ich schon stehen lassen, weil er allzu leicht mit dem tödlich giftigen grünen Knollenblätterpilz verwechselt werden kann. Auch wenn ich mir zu 99 Prozent sicher bin, lasse ich die Finger weg –schweren Herzens. Zweitens: Nimm nur so viele Pilze mit, wie du heute verzehren kannst – andere Pilzsammler nach dir wollen auch noch ihre Freude haben.
Der wildromantische Anblick leuchtendroter Fliegenpilze mit ihren weißgetüpfelten Hüten lässt mein Herz hüpfen. Ich lasse sie gerne stehen, weil sie, wie jedes Kind weiß, giftig sind – und wunderschön anzusehen
Spontane Freudenausbrüche
Pilze sammeln bedeutet für mich viel mehr als nur Suchen und Finden. Es ist ein Abenteuer für alle Sinne. Jeder urplötzlich entdeckte Pilz ist ein Quell spontaner Freude. Ein wohlschmeckender Schatz, den dir die Natur in diesem besonderen Moment schenkt. Der wildromantische Anblick leuchtendroter Fliegenpilze mit ihren weißgetüpfelten Hüten lässt mein Herz hüpfen. Ich lasse sie gerne stehen, weil sie, wie jedes Kind weiß, giftig sind – und wunderschön anzusehen. In einer frisch aufgeworfenen Wildschweinkuhle stelle ich mir das sich in der Nacht grunzend wälzende Borstenvieh vor und bin erleichtert, dass es sich ganz offensichtlich aus dem Matsch gemacht hat.
Die kunstvollen Spinnennetze zwischen den wild wuchernden Farnblättern und den Zweigen der Sträucher gespannt, teilweise noch mit winzigen Tautropfen bedeckt, kommen mir wie Wunderwerke der Natur vor – und das, wo mich doch jede einzelne ihrer langbeinigen Bewohnerinnen in den eigenen vier Wänden in panikartige Hysterie versetzt. Auch wenn ich keinen einzigen Pilz finde: Für diese friedvollen und beglückenden Stunden im morgendlichen Wald hat sich das frühe Aufstehen allemal gelohnt.
Wenn ich Pilze gefunden habe, ob drei, fünf oder einen ganzen Korb voll, fahre ich mit einer kaum zu bändigenden Vorfreude nach Hause. Gleich werde ich mir einen kulinarischen Hochgenuss zubereiten – obwohl ich gar nicht kochen kann. Angebraten in Butter mit ein wenig Knoblauch, Zwiebeln und frischen Kräutern ist meine herbstliche Pilzpfanne ein Gedicht. Da kann kein noch so raffiniertes Gericht aus gekauften Zutaten mithalten.
Leckere Pilzgerichte zum Nachkochen
Keine frische Zutat schmeckt im Herbst besser als selbst gesammelte Pilze. Wir verraten Ihnen drei ungewöhnliche Rezepte mit Pilzen aus heimischen Wäldern. Wer sich nicht selber auf die Suche machen möchte, kann Steinpilze, Pfifferlinge, Hallimasch & Co. sicher und bequem auf dem Markt, in der Kleinmarkthalle oder in Feinkostgeschäften kaufen. Das Buch Pilze sammeln und zubereiten“, dem wir die folgenden Rezepte entnommen haben, gibt wertvolle Hinweise und Tipps vom Sammelspaß bis zum kulinarischen Genuss.
Pilz-Bolognese mit Pappardelle

Zutaten für 4 Personen
1 Zwiebel
2 Knoblauchzehen
1 Bund gemischte Kräuter der Saison
(z. B. Petersilie, Kerbel, Basilikum)
250 g Hallimasche
4 EL Olivenöl
250 g gemischtes Hackfleisch
2 EL Tomatenmark
250 ml Fleischbrühe
1 Dose (212 g) stückige Tomaten
500 g Pappardelle
Salz, Pfeffer
50 g geriebener Käse
Zubereitung
Die Zwiebel und Knoblauchzehen schälen und in feine Würfel schneiden. Die Kräuter waschen, trocken schütteln, die Blättchen von den Stängeln zupfen, und hacken. Die Hallimasche putzen, mit einem Pinsel säubern und die zähen Stiele abschneiden. Die Pilze grob hacken, in einem Sieb mit kochendem Wasser übergießen und abtropfen lassen.
2 EL Olivenöl in einem Topf erhitzen. Die Pilze ca. 3 Minuten darin scharf anbraten und herausnehmen. Das restliche Öl im Topf erhitzen und das Hackfleisch darin ca. 5 Minuten krümelig braten, die Zwiebel- und Knoblauchwürfel zugeben und mitbraten. Das Tomatenmark einrühren und mit der Brühe ablöschen. Die stückigen Tomaten zum Hackfleisch geben und alles ca. 30 Minuten köcheln. Die Pappardelle nach Packungsanweisung in ausreichend Salzwasser bissfest garen.

5 Minuten vor Ende der Garzeit die Pilze zur Bolognese geben. Mit Salz, Pfeffer und den gehackten Kräutern abschmecken. Die Pappardelle auf tiefen Tellern anrichten, die Bolognese darauf verteilen und mit geriebenem Käse bestreuen.
Windbeutel mit Pfifferlingen pikant gefüllt

Zutaten für 12 Stück
Windbeutel
125 ml Milch
125 ml Wasser
1 Prise Zucker
60 g weiche Butter
Salz, Muskatnuss
200 g Weizenmehl
3 Eier
Füllung
250 g Pfifferlinge
1 Frühlingszwiebel
1 EL Butterschmalz
Salz, Pfeffer
250 g Frischkäse
Zubereitung
Den Backofen auf 180 °C Ober- und Unterhitze vorheizen. Ein Backblech mit Backpapier auslegen. Für die Windbeutel die Milch zusammen mit Wasser, Zucker, Butter, je einer Prise Salz und frisch geriebener Muskatnuss in einem Topf aufkochen. Das Mehl sieben und zugeben. Die Masse so lange rühren, bis sich am Topfboden ein Kloß bildet und eine flaumige Schicht entsteht. Den Teigkloß in einer Schüssel auskühlen lassen. Dann nach und nach die Eier mit den Knethaken eines Handrührgeräts unterkneten, bis eine glatte Masse entsteht.
Den Teig in einen Spritzbeutel mit großer Sterntülle füllen und 12 Teighäufchen auf das Backblech spritzen. Im Backofen auf der mittleren Schiene ca. 25 Minuten backen. Während der ersten 15 Minuten der Backzeit die Ofentür nicht öffnen, da das Gebäck sonst zusammenfällt. Die fertigen Windbeutel aus dem Ofen nehmen, sofort einen Deckel abschneiden und auf einem Kuchenrost abkühlen lassen.

Für die Füllung die Pfifferlinge putzen und mit einem Pinsel säubern. Die Frühlingszwiebel putzen, waschen und in feine Ringe schneiden. Das Butterschmalz in einer beschichteten Pfanne erhitzen und die Pfifferlinge darin ca. 7 Minuten braten. Auskühlen lassen. Mit Salz und Pfeffer würzen. Den Frischkäse mit einem Handrührgerät oder Schneebesen etwas aufschlagen. Die Frühlingszwiebelringe unterrühren und mit Salz und Pfeffer abschmecken. Die Käsecreme mit einem Spritzbeutel auf die untere Hälfte der Windbeutel spritzen, jeweils einige Pfifferlinge darauf verteilen und den Deckel aufsetzen. Sofort servieren.
Tipp: Probieren Sie dieses Rezept auch mit Ziegenfrischkäse oder pikant angemachtem Ricotta.
Blätterteigtaschen mit Pilz-Ragout Fin

Zutaten für 4 Personen
4 Scheiben quadratischer tiefgefrorener Blätterteig
2 EL Sahne
100 g tiefgefrorene Erbsen
200 g Rauchblättrige
Schwefelköpfe
1 Zwiebel
2 Stängel Petersilie
200 g Kalbsfilet
2 EL Sonnenblumenöl
Salz, Pfeffer
Weißwein
150 ml Fleisch- oder Gemüsebrühe
100 ml Sahne
Speisestärke
nach Belieben Zitronensaft
Zubereitung
Den Backofen auf 200 °C Ober- und Unterhitze vorheizen. Den Blätterteig auftauen lassen und die Scheiben auf ein mit Backpapier ausgelegtes Backblech legen. Mit Sahne bepinseln und im Backofen ca. 10–15 Minuten backen. Die Erbsen auftauen. Die Rauchblättrigen Schwefelköpfe putzen, die Stiele abschneiden und wegwerfen, die Hüte mit einem Pinsel säubern. Die Zwiebel schälen und fein würfeln. Die Petersilie waschen, trocken schütteln, Blättchen von den Stängeln zupfen und hacken. Das Kalbsfilet waschen, trocken tupfen und in Würfel schneiden.
Das Sonnenblumenöl in einer beschichteten Pfanne erhitzen und die Fleischwürfel darin ca. 2–3 Minuten anbraten. Mit Salz und Pfeffer würzen und herausnehmen. Im Bratfett die Zwiebelwürfel und die Pilze unter Rühren anschwitzen. Die Erbsen zugeben und mit einem großzügigen Schuss Weißwein ablöschen.

Die Brühe und die Sahne angießen und aufkochen. Nach Belieben mit in kaltem Wasser aufgelöster Speisestärke zur gewünschten Konsistenz binden. Die Kalbfleischwürfel wieder zufügen und erwärmen. Mit Salz, Pfeffer und Zitronensaft abschmecken. Von den Blätterteigkissen waagerecht die Deckel abschneiden. Das Pilz-Ragout fin hineingeben, mit Petersilie bestreuen und mit dem Deckel servieren.
Tipp: Wem das Herstellen von Blätterteigtaschen zu aufwendig ist, kann auch fertige Blätterteigpasteten kaufen.
Top-Adressen für frische Pilze in Frankfurt

Nicht jeder hat Zeit und Muße, im Morgengrauen auf Pilzjagd zu gehen. Wer dennoch nicht auf frische Pilze verzichten möchte, nimmt sein Körbchen und besucht statt des Waldes einfach den Wochenmarkt. Wir zeigen Ihnen die besten Anlaufstellen in Frankfurt.
Kubach Speisepilze

Wer donnerstags oder samstags über den Erzeugermarkt an der Konstablerwache schlendert, sollte unbedingt bei den Pilzprofis von Kubach vorbeischauen. Hier finden sich nicht nur frische Champignons und saisonale Wildpilze wie aromatische Pfifferlinge und edle Steinpilze, sondern auch exotische Delikatessen wie Maitake und Shiitake aus eigener Zucht. Wer seine Pilzgerichte perfektionieren möchte, findet auf der Homepage von Kubach zahlreiche Tipps und kreative Rezepte – für den vollendeten Pilzgenuss daheim.
Edelpilze Kroll

Nicht nur in Frankfurt, sondern auch auf den Wochenmärkten in Offenbach und Wiesbaden locken samstags Stände mit erstklassigen Pilzen. Ein echter Geheimtipp ist Mathias Kroll von Edelpilze Kroll in Offenbach. Hier finden Pilzliebhaber alles, was das Herz begehrt: von zarten Kräuterseitlingen über japanische Stockschwämmchen bis hin zu saftigen Austernpilzen – alles frisch aus eigener Zucht. Kein Wunder, dass renommierte Frankfurter Restaurants wie das Lafleur und das Kabuki auf Krolls exquisite Pilze setzen. Diese werden in einem über 100 Jahre alten Kellergewölbe in Offenbach kultiviert. Wer die Köstlichkeiten lieber bequem nach Hause geliefert bekommen möchte, kann dies jetzt ganz einfach über den Online-Supermarkt Knuspr erledigen.
Pilzberatung beim Gesundheitsamt
Wer nach einem Streifzug durch den Wald mit einem prall gefüllten Pilzkörbchen nach Hause kommt und sich nicht sicher ist, ob alles im Korb essbar ist, sollte die Pilzberatung im Gesundheitsamt Frankfurt aufsuchen. Vom 28. September bis zum 17. November steht dort jeweils sonntags von 17 bis 20 Uhr der erfahrene Pilzsachverständige Dieter Gewalt bereit. Mit geschultem Blick prüft er die gesammelten Schätze, gibt wertvolle Tipps zum Sammeln und Kochen und warnt vor möglichen Gefahren. Ein Muss für alle, die auf Nummer sicher gehen wollen – denn Pilzsammeln soll Freude machen und nicht im Krankenhaus enden. (Gesundheitsamt, Breite Gasse 28, keine Anmeldung erforderlich)
Buch-Tipp
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