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Ackern fürs eigene Gemüse liegt im Trend. In und rund um Frankfurt gibt es mittlerweile zahlreiche Möglichkeiten, auf einer gepachteten Parzelle selbst Gurken und Kürbis zu ziehen. Die Nachfrage nach diesen Saisongärten ist besonders seit Corona groß. Von Sabine Börchers
Inhalt
Sabine Rock kniet vor dem Beet mit Kartoffeln und gräbt mit beiden Händen in der Erde. Die Lektorin und Redakteurin arbeitet hauptberuflich vor allem mit dem Kopf. Ihre Finger tippen tagsüber auf der Tastatur, da ist es eine willkommene Abwechslung, nach Feierabend zu ernten und zu gießen. Ihr Lohn dafür: Gemüse, das intensiver schmeckt, und der Luxus, sich während der Sommermonate nahezu durch die eigene Ernte versorgen zu können.

Bereits im zweiten Jahr hat sie gemeinsam mit drei Freundinnen eine knapp 50 Quadratmeter große Parzelle in Oberrad gepachtet, die die Familiengärtnerei Jung anbietet. „Ich habe im Jahr zuvor für eine Freundin mal zwei Wochen lang ihre Parzelle gegossen und fand das Konzept toll“, erzählt Sabine Rock, wie sie auf die Idee kam, selbst Gemüse zu ziehen. Besonders für Gartenanfängerinnen wie sie sei das Angebot geeignet. „Die Jungpflanzen und das Saatgut werden zur Verfügung gestellt. Es gibt einen Beetplan, man weiß also, wo was hin soll und bekommt dazu Tipps, etwa, dass manche Pflanzen zu dritt in einer Reihe stehen können, andere, wie der Schwarzkohl, viel Platz brauchen, weil er gefühlt einen Meter breit wird.“
Gemüse selbst anbauen: Betreutes Gärtnern im eigenen Garten
Saisongärten liegen im Trend. Rund um Frankfurt werden mittlerweile auf mehreren Feldern Flächen von 20 bis 90 Quadratmetern verpachtet –je nach persönlichem Bedarf (siehe Kasten). Die Preise dafür liegen zwischen 159 und 500 Euro. Im Gegensatz zum Kleingarten gibt es die Parzellen immer nur für eine Saison. Im folgenden Jahr muss wieder neu gepachtet werden. Meist können Gartengeräte gemeinschaftlich genutzt werden, auch ein Wasserzugang ist wie die Saat und die Jungpflanzen im Preis inbegriffen.
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Selbstversorgung als Vorsorge
Der Anbieter bereitet zudem im Frühjahr den Boden vor, meist nach Bio-Kriterien, düngt und sät auch in vielen Fällen. Ende April/Anfang Mai wird die Parzelle in der Regel an die Hobbygärtner übergeben, dann wird unter Umständen noch gemeinsam gepflanzt, so wie in Oberrad. 2014 legte Julia Jung die Oberräder Krautgärten auf dem Gelände der Familiengärtnerei an, nachdem sie die Gärten zum Selbsternten beim Studium in Wien Anfang der 2000er-Jahre kennengelernt hatte.
Die Nachfrage nach den 50 Quadratmeter großen Parzellen ist kontinuierlich hoch, bestätigt sie. Anfangs säte sie alles ein. Mittlerweile lässt Jung die Hobbygärtner ihre Beete selbst nach Pflanzplan gestalten, „nicht, weil ich faul geworden bin, sondern, weil sie dann genau wissen, wo was steht und sie es nicht mit dem Unkraut rausziehen, und weil sie so selbst entscheiden können, welches Gemüse sie haben wollen.“
„Wir sind beide Stadtkinder. Wir wussten nicht so genau, wie zum Beispiel Brokkoli wächst, deshalb wollten wir es ausprobieren.“ – Anke Hillebrecht
Früher war die Selbstversorgung für viele Haushalte notwendig und normal. Ein Gemüsegarten gehörte dazu. Die heutige Generation hat das Wissen um den Anbau eigener Lebensmittel häufig verloren. Doch der Trend zur Nachhaltigkeit und damit zu kurzen Transportwegen sorgt dafür, dass sich viele Menschen wieder auf die Selbstversorgung besinnen. „Wir sind beide Stadtkinder. Wir wussten nicht so genau, wie zum Beispiel Brokkoli wächst, deshalb wollten wir es ausprobieren“, sagt Anke Hillebrecht.
Gemeinsam mit ihrer Lebensgefährtin Corinna Braunsdorf mietet die Journalistin seit acht Jahren eine Parzelle, meist auf dem Hofgut Oberfeld in Darmstadt. Auf den gepachteten 80 Quadratmetern ernten die beiden Salat, Tomaten, Gurken, Zucchini, Erbsen, Bohnen, Kartoffeln, Kohl, Kürbis und mehr. „Wir fanden die Idee gut, zu testen, ob das etwas für uns ist, ohne gleich langfristig einen Schrebergarten mieten und uns die Geräte kaufen zu müssen. Dazu hat man immer Ansprechpartner, es ist so was wie betreutes Gärtnern“, ergänzt Corinna Braunsdorf. Und dass sie sich heute, mit der gewonnenen Erfahrung, in Krisenzeiten unter Umständen selbst versorgen könnten, finden beide beruhigend.
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Neugier & Nutzen
Zur Neugier kam dann noch der Nutzgedanke hinzu. „Wir essen vegetarisch und kochen gerne, nur mit Biogemüse. Da ist es auch eine Preisfrage, selbst anzubauen. Es ist erstaunlich, welche große Ernte auf so wenigen Quadratmetern zusammenkommt“, sagt Hillebrecht. Die Crew des Vereins Stadtacker, die in Frankfurt Höchst seit 2020 Saisongärten anbietet, hat sogar mal eine Rechnung aufgemacht und den Ertrag mit Bio-Waren im Einzelhandel verglichen: Bislang habe sie auf einer Parzelle von 45 Quadratmetern pro Saison durchschnittlich Bio-Gemüse im Wert von knapp 700 Euro ernten können, stellte sie fest. Da können in der Ernte-Hochzeit die Familie, Nachbarn und Freunde gleich mitversorgt werden, damit nichts verdirbt. „Wir kochen einiges ein, auch das haben wir mittlerweile gelernt“, sagt Anke Hillebrecht.

Selbst die Handelskette tegut aus Fulda mit einem großen Sortiment an Biogemüse macht sich quasi selbst Konkurrenz und vermittelt seit 2009 Saisongärten. Heute bietet sie mehr als 20 Gelände hauptsächlich in Hessen an und legt dabei vor allem Wert darauf, dass die Flächen gemäß den Bio-Richtlinien der EU bewirtschaftet werden. Das Unternehmen wurde bereits mehrfach für das Saisongartenprojekt ausgezeichnet, unter anderen von der Deutschen UNESCO-Kommission. „tegut engagiert sich im Bereich Selbstversorgung mit Gemüse, weil alle Menschen, die sich gesund und mit Gemüse in Bioqualität versorgen wollen, das können sollten“, begründet das Unternehmen sein Engagement. Es sehe seine Aufgabe nicht nur im Betreiben von Läden, sondern im Versorgen mit guten Lebensmitteln.
„Als Mutter ist es mir wichtig, Kindern zu vermitteln, wie einzigartig unsere Natur ist, wie arbeitsintensiv es sein kann, bis unser Gemüse auf dem Tisch landet, und wie schön das Erlebnis der Ernte mit den eigenen Händen ist.“ – Andrea Thoma
Vom Beet auf den Teller
Im Rhein-Main-Gebiet liegt der nächste tegut-Saisongarten nahe dem Hofgut Neuhof in Dreieich-Götzenhain, das viele vom Golfen kennen. Doch auch Gärtnern ist in der idyllischen Umgebung möglich. Seit 2010 bietet die Landwirtstochter Andrea Thoma dort Parzellen zwischen 40 und 80 Quadratmetern Größe an. Sie lebe aus beruflichen Gründen im Raum Frankfurt und habe die Liebe zur Natur nie verloren, schreibt Thoma, die aus dem Taubertal stammt. Sie freue sich auf die Begegnungen mit ebenso naturverbundenen Mitmenschen. „Als Mutter ist es mir wichtig, Kindern zu vermitteln, wie einzigartig unsere Natur ist, wie arbeitsintensiv es sein kann, bis unser Gemüse auf dem Tisch landet, und wie schön das Erlebnis der Ernte mit den eigenen Händen ist“, stellt sie fest.
Das kann auch Anke Hillebrecht nur bestätigen. „Wenn man sieht, wie viel Arbeit es ist, eine Tomatenpflanze aus einem Körnchen zu ziehen, sie immer wieder umzupflanzen, nach den Eisheiligen dann aufs Feld zu bringen, regelmäßig zu gießen, kann man nur schwer nachvollziehen, wie günstig Tomaten im Supermarkt verkauft werden.“
Parzellen deutschlandweit
Neben tegut gibt es mittlerweile auch große Anbieter, die Saisongärten bundesweit vermitteln. Etwa die Ackerhelden, ein Unternehmen aus Essen mit Parzellen in ganz Deutschland und Österreich, darunter eine in Darmstadt auf dem Alnatura-Campus. Oder das 2009 gegründete Unternehmen Meine Ernte aus Bonn mit mittlerweile rund 30 Standorten bundesweit, das einen landwirtschaftlichen Partnerbetrieb in Nieder-Erlenbach hat.
Seit 2010 bietet Sven Kötter dort auf seinem Land Saisongärten zwischen 20 und 90 Quadratmetern Größe an. Sogar auf der kleinsten Parzelle findet sich Platz für mindestens acht verschiedene Gemüsesorten, wirbt Meine Ernte. Dafür liege die Arbeitszeit pro Woche nur bei ein bis drei Stunden. Kötter bereitet zu Saisonbeginn die Erde vor und sät auch die meisten Pflanzen schon aus. Nur ein Viertel der einzelnen Parzellen bleibt in der Regel frei als sogenanntes Wunschbeet, auf dem die Pächter nach eigenem Geschmack pflanzen können.
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Große Nachfrage nach Saisongärten
Seine Saisongärten hätten sich schnell etabliert, berichtet Sven Kötter. Sie seien fast jedes Jahr ausgebucht. „In den beiden Coronajahren hätten wir sogar das Doppelte der Fläche vergeben können. Und die Nachfrage ist auch danach noch gut.“ Familien mit Kindern sind ebenso unter seinen Hobbygärtnern wie ältere oder jüngere Ehepaare oder Omas und Opas mit ihren Enkeln. „Ich habe sogar einen Kinderhort, der seit Jahren eine Fläche betreut.“
„Man muss sich ausreichend Zeit nehmen für sein Feld, dann klappt es auch gut mit der Ernte – wenn nicht gerade das Wetter so verrückt spielt wie in diesem Jahr.“ – Sven Kötter
Mit der Belegung seiner Gärten hat Kötter nichts zu tun, die Kommunikation und die Einteilung übernimmt „Meine Ernte“ von Bonn aus. Kötter ist nur Ansprechpartner, wenn beim Pflanzen Fragen auftauchen. Oder wenn es Probleme gibt. Immer wieder erlebt er Pächter, die sich mit dem Saisongarten zu viel vorgenommen hätten. Seit er die Mietgärten anbiete, habe er das erste Mal blühende Radieschen gesehen, weil sie nicht pünktlich geerntet wurden, erzählt er und betont: „Man muss sich ausreichend Zeit nehmen für sein Feld, dann klappt es auch gut mit der Ernte – wenn nicht gerade das Wetter so verrückt spielt wie in diesem Jahr.“
Saisongärten: Schweiß & Lehrgeld
Wer eine reiche Ernte haben will, den kostet es reichlich Schweiß. „Erst kämpft man gegen die Trockenperiode und muss ständig gießen, dann kämpft man gegen das Unkraut. Das unterschätzen viele“, stellt Julia Jung fest. Sabine Rock kann das nur bestätigen und ist froh, dass sie sich die Arbeit mit ihren drei Freundinnen teilen kann. Kaum sei im Frühjahr alles gepflanzt, müsse Unkraut gejätet werden. „Wenn man das am Anfang nicht macht, kann man später nur noch schwer erkennen, welches die Pflanzen und welches die Unkräuter sind.“ Hinzu kommen Schädlinge, die man bekämpfen muss, durch Abdecken oder mit Hausmitteln. „Und man muss regelmäßig die Erde auflockern, damit das Wasser besser eindringt, wenn man gießt.“
„Wenn es heiß ist, müssen wir jeden zweiten Tag aufs Feld und die Pflanzen gießen“, berichtet Anke Hillebrecht. Am Wochenende verbringen sie und Corinna Braunsdorf mindestens einen halben Tag auf dem Darmstädter Oberfeld. „Es ist aber eine idyllische Umgebung, die Kühe muhen im Hintergrund, man hört kein Auto und keinen Fluglärm. Und die Menschen sind alle freundlich.“ Rückschläge lassen sich da leichter als Erfahrungsgewinn wegstecken.
Denn Lehrgeld zahlen die Hobbygärtner anfangs alle. Etwa bei der Zuckererbsen-Ernte, wenn zum wiederholten Male die Mäuse schneller waren als die Menschen und der Versuch, Schwarzwurzeln anzubauen, mit klebriger Ernte und Durchfall nach dem Essen endet. Wenn die Rüben viel zu riesig und die Radieschen holzig wurden. Oder wenn die zahllosen Kartoffelkäfer einzeln per Hand abgesammelt werden müssen. „Es macht aber total Freude, Kartoffeln auszugraben, das ist wie die Suche nach Goldnuggets.“
Kleingarten als Alternative
Von der Idee, einen Kleingarten zu übernehmen, haben sich Anke Hillebrecht und Corinna Braunsdorf längst verabschiedet. Er sei meist kleiner und mehr reglementiert. „Außerdem ist man stärker angebunden. Beim Saisongarten kann man jedes Jahr entscheiden, ob man weitermacht“, sagt Braunsdorf. Zudem ist die Nachfrage nach Kleingärten groß, auch in Frankfurt, wo es mehr als 100 Kleingartenvereine gibt, die mittlerweile Wartelisten führen.
Sabine Rock hatte sogar mal einen solchen Garten, vor allem als Spielwiese für die Kinder. Den hat sie aufgegeben und findet das gemeinsame Gärtnern auf dem Feld, wo man sich nebenan mal Rat holen kann, mittlerweile attraktiver. „Uns würde außerdem die Hilfe des Landwirts fehlen, der ja auch mit Mist düngt und damit für beste Öko-Erde sorgt“, ergänzt Hillebrecht.

Die Parzellen in Oberrad und auf dem Oberfeld stehen den Pächterinnen bis in den Winter zur Verfügung. Bis dahin kann noch Grünkohl oder Mangold geerntet werden. Erst dann wird die Pacht beendet und die Pflanzen werden untergepflügt, damit im nächsten Jahr neu eingesät werden kann. Dass sie ihre Parzelle wieder übernehmen, steht für Anke Hillebrecht und Corinna Braunsdorf bereits fest. „Es ist ein toller Ausgleich zur Arbeit, auch wenn man von der Erde ständig Trauerränder unter den Fingernägeln hat.“
Saisongärten in Frankfurt Rhein-Main: Die besten Adressen
Oberräder Krautgärten
Familiengärtnerei Jung, Standort Oberrad
Parzellen mit rund 50 Quadratmetern, Kosten: 195 Euro pro Saison.
▶︎ www.facebook.com/Krautgaerten
Die Kooperative
Standort Oberrad, nahe dem alten Bahnhof
Die Genossenschaft bringt Bio-Lebensmittel aus eigener Erzeugung sowie von regionalen Partnerbetrieben direkt zu den Verbrauchern. Sie bietet Parzellen mit 30 und 60 Quadratmetern an, Kosten: 160 und 290 Euro pro Jahr
(261 bzw. 144 Euro für Mitglieder der Genossenschaft).
▶︎ www.diekooperative.de
Stadtacker Frankfurt
Standort Frankfurt Höchst am Stadtpark
Der Verein, der sich zum Ziel gesetzt hat, vor allem alte Gemüse- und Obstsorten zu erhalten, bietet Parzellen von 22,5 und 45 Quadratmetern an,
Kosten: 300 und 500 Euro für die Saison.
▶︎ www.stadtacker-frankfurt.de
Meine Ernte
Standorte in Nieder-Erlenbach und in Wiesbaden-Nordenstadt
Drei Alternativen mit 20, 45 oder 90 Quadratmeter. Kosten: 479 Euro, 259 Euro und
159 Euro für die Saison.
▶︎ www.meine-ernte.de
Tegut Saisongarten
Standorte in Dreieich, Schöneck-Oberdorffelden und auch in Darmstadt
auf dem Oberfeld.
Parzellen mit 30 bis 80 Quadratmetern, Kosten: zwischen 160 und 350 Euro
für die Saison.
▶︎ www.tegut.com/saisongarten
Ackerhelden
Standort in Darmstadt, Alnatura-Campus
Parzellen von 40 Quadratmetern, Kosten: 249 Euro für die Saison.
▶︎ www.ackerhelden.de
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