Investieren in Kunst floriert. Nach Corona boomt es wieder. Höchstpreise machen Schlagzeilen. Viel Geld ist auf dem Markt, auch für neue Trends. Immer mehr Anleger diversifizieren ihr Vermögensportfolio mit dem Kauf von Malerei, Skulpturen, Installationen, Videos oder NFTs. Nicht alles, was gehypt wird, erweist sich jedoch als wertbeständig. Spezialisten stehen kapitalkräftigen Investoren und Sammlern als Berater zur Seite, auch in Frankfurt. Man muss jedoch nicht reich sein, um bei Kunst einzusteigen und am Wertzuwachs zu partizipieren. Von Thomas Zorn
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Im Holbeins neben dem Städel treffen wir die Berater Matthias Batz und Manuela Scheubel. Die beiden gebürtigen Franken sammeln privat selbst Kunst, kommen aber aus der Finanzbranche. 2015 haben sie die Truffle Art Advisory GmbH gegründet. Sie sitzen mit ihrem Team – Finanzmarktexperten und Kunsthistorikern – in Sachsenhausen. Der Kunstmarkt werde immer schnelllebiger, sagen sie. Viele wollten Kunst erwerben, seien aber unsicher. „Der Beratungsbedarf ist groß.“
Bildnis des Simon George of Cornwall, ca. 1535–1540
Das Werk wurde 1870 vom Städel Museum erworben und ist in der aktuellen Ausstellung „Holbein und die Renaissance im Norden“ zu sehen
Wer keine Ahnung hat, ist schnell aufgeschmissen. Wie Silvio Berlusconi. Der frühere italienische Ministerpräsident kaufte wie besessen alles, was ihm gefiel. Als er in diesem Jahr starb, hinterließ er eine riesige Sammlung mit 25.000 Einzelstücken. Seine Erben hofften, das Ganze für gutes Geld zu verscherbeln. Doch nun stellt sich heraus, dass der Kunsthaufen des Bunga-Bunga-Milliardärs kaum etwas wert ist.
Kunst als Kapitalanlage
Das Beispiel des skandalumwitterten Politikers und Unternehmers ist für Manuela Scheubel ein Argument dafür, wie wichtig eine kompetente Unterstützung sei. „Kunst ist, wenn man es richtig macht, eine sehr gute alternative Geldanlage und weniger volatil als die Börse.“ In Zeiten von Inflation und globalen Krisen mache es Sinn, in Sachwerte zu gehen. „Eigene Vorlieben sind etwas sehr Schönes. Preisbildende Faktoren sollte man aber auch im Blick haben, und da kommen wir ins Spiel.“
Früher war die gebürtige Bambergerin im Private Banking tätig. Investitionen zu bewerten, ist sie gewohnt. Auch ihr Kollege Matthias Batz kennt sich auf den Finanzmärkten bestens aus. Schon nach dem Wirtschaftsstudium hatte er 1998 eine eigene Börsenhandelsfirma eröffnet.
Truffle sei vor acht Jahren in eine Marktlücke gestoßen, die von einigen wenigen Platzhirschen besetzt gewesen sei, führt Batz aus. „Wir sind mittlerweile eine international agierende Gesellschaft mit einer Vielzahl von Kontakten. „Wir beraten sowohl institutionelle als auch private Kunden und unterstützen sie beim Kauf und Verkauf hochklassiger Kunst.“ Diskretion sei dabei Ehrensache.
Stabilität in der Krise
„Die Zeiten sind ruppig“, konstatiert Manuela Scheubel. „Aber Spitzenkunst ist wertstabil.“ Auch sei der Kunstmarkt durch das breite Online-Angebot und Marktdatenbanken transparenter geworden. Mit letzteren könne man den Wert häufig gehandelter Kunstwerke ziemlich genau taxieren. „Das vermindert die Gefahr von Fehlinvestitionen.“ Je öfter ein Werk zirkuliert, desto genauer könne der zu erwartende Preis geschätzt werden. Obgleich in der Branche niemand ganz vor Überraschungen gefeit sei.
Die Truffle Art Advisory agiert in einem weltweiten Netzwerk aus Sammlern, Künstlern, Galerien, Museen, Händlern, Auktionshäusern und Finanzmarktakteuren. „Wir wollen Expertise bündeln und Bluechips im Kunstmarkt auftun“, führt Matthias Batz aus. Man habe sich auf die westliche Kunst der Neuzeit bis zur etablierten Kunst nach 1945 fokussiert. „Unser Motto ist Qualität, Qualität und nochmals Qualität.“
Eine Kernfrage sei, wie sich ein Kunstportfolio mit Blick auf den Ruhestand aufbauen lasse. Natürlich wisse jeder, der sich für den Kunstmarkt interessiere, wie hoch bewertet Werke weltberühmter Maler wie Paul Gauguin, Leonardo da Vinci oder Vincent van Gogh seien. Die wechselten schon mal für dreistellige Millionensummen den Besitzer. „Um in werterhaltende Kunst zu investieren, sind aber keine Millionenbeträge notwendig“, erklärt der 51-Jährige.
Gespür für Gelegenheiten
„Ein sinnvoller Einstieg in die Assetklasse Kunst ist ab mittleren bis hohen fünfstelligen Summen möglich“, meint Manuela Scheubel. Sie empfiehlt Kunstwerke mit einem hohen Wiedererkennungswert. Objekte mit „Markencharakter“ seien begehrt und könnten leichter veräußert werden. Gewinne seien nicht von einem Tag auf den anderen zu realisieren. „Wer aber wie wir gut vernetzt ist, kriegt ein Gespür für die richtigen Gelegenheiten.“
Steuerliche Aspekte spielen eine Rolle. In Deutschland unterliegt der Gewinn aus dem privaten Verkauf eines Kunstwerks schon nach einem Jahr nicht mehr der Besteuerung. Und wenn ein Beckmann oder ein Baselitz 20 Jahre in der Familie gehangen hat und das Werk auch noch der Denkmalpflege sowie der Öffentlichkeit zur Verfügung steht, dann kann der Fiskus für die Erben die Befreiung von der Erbschaftssteuer aussprechen.
„Kunst ist mobil und nützlich wie eine harte Währung.“ – Matthias Batz und Manuela Scheubel, TRUFFLE Art Advisory
Kunst ist mobil und nützlich wie eine harte Währung“, bilanzieren die beiden Truffle-Gründer zum Abschluss des Gesprächs. Sie sei „ein sinnvoller Vermögensbaustein für die Altersvorsorge mit einer täglichen emotionalen Rendite“.
In der Regel steigt der Wert. Für zeitgenössische Kunst hat die Wirtschaftsberatung Deloitte einen Index entwickelt, der in den vergangenen 50 Jahren pro anno durchschnittlich um mehr als zehn Prozent zugelegt hat – stärker als Aktien im selben Zeitraum.
Übervorteilung vermeiden
Aber sind vermögende Kunstsammler nun eher Rechner oder treibt sie vor allem die Leidenschaft für Schönheit und Kreativität an? Tatsächlich speist sich das Engagement wohl aus beiden Motiven. Laut einer Studie bezeichnet sich allerdings nur eine Minderheit von elf Prozent als „investitionsorientiert“.
Begeisterung beflügelt. Wer würde nicht gern mit Freunden durchs eigene Haus schlendern und anhand originaler Werke das Genie Picassos, die provozierend wilde Straßenkunst Basquiats oder die forschende Vielseitigkeit Richters preisen? Das bleibt allerdings nur wenigen vorbehalten. Sie sollten eine Übervorteilung vermeiden. Viele agieren denn auch strategisch.
Investoren mit einem Nettovermögen von mehr als eine Million Dollar berichteten laut einer Umfrage, dass sie bis zu zwei Drittel ihres Kunstbestands wieder abgeben. 43 Prozent räumten ein, dass sie beim Verkauf eine Rendite erzielen wollten. Nur 19 Prozent bestritten finanzielle Motive. Sie trennen sich demnach nur von einem Werk, weil beispielsweise ein Bild oder eine Plastik nicht mehr zur Sammlung passe oder weil nicht mehr genügend Ausstellungsfläche vorhanden sei.
Trendsetter im Kunstmarkt
Spektakulär und spannend wird es, wenn nach einer Scheidung, einer Pleite oder dem Tod eines großen Sammlers eine wertvolle und umfangreiche Kollektion auf den Markt kommt. Oft werden dann die Objekte nur sehr dosiert verkauft, damit die Preise hochgehalten werden können.
Die Madonna des Bürgermeisters Jacob Meyer zum Hasen (1526-1528)
Das Werk gilt als eines der größten Meisterwerke der deutschen Renaissance und ist auch bis zum 18. Februar 2024 in der großen Ausstellung „Holbein und die Renaissance im Norden“ im Städel Museum präsentiert
Kapitalanleger wollen die Stimmungen und Moden des Kunstbetriebs frühzeitig für sich nutzen. Nach Ansicht von Eliane Ganz, Kunsthändlerin aus Zürich, sind die Präsentationen der international bedeutendsten Galerien ausschlaggebend für die aktuellen Strömungen. „Die Künstler, die dort gezeigt werden, sind dann en vogue.“
Starken Einfluss hat beispielsweise Larry Gagosian mit seiner Galerie in New York. Der Kunsthändler ist eng verbandelt mit berühmten Künstlern und Sammlern. In Manhattan befinden sich auch die tonangebenden Galerien Leo Castelli und David Zwirner. Gute Preise können aber auch über edle oder hippe Häuser in London, Paris oder Hongkong generiert werden. Angesagt ist auch Sprüth Magers in Berlin. Und natürlich garantieren die Auktionen von Sotheby’s und Christie’s aufsehenerregende Umsätze. Für Megadeals sind ebenfalls einige Kunstmessen rund um den Erdball bekannt.
Picasso geht immer
Lange dominierten Käufer aus Westeuropa und den Vereinigten Staaten. Inzwischen ist es unübersichtlicher geworden. Chinesen und Russen drängen nach vorn, auch wenn die aktuellen Krisen die Nachfrage aus den beiden Staaten gedämpft hat.
Der Wunsch nach abrufbaren Bewertungen im Netz hat stark zugenommen. Der Franzose Thierry Ehrmann hat den Artprice100-Index konzipiert. Er wird unabhängig von persönlichen Präferenzen erstellt. Bewertet wird die Auktionsleistung der besten 100 Künstler in den vergangenen fünf Jahren. Bedingung ist, dass von ihnen geschaffene Werke über eine Dekade mindesten sieben Mal pro Jahr auf einer namhaften Auktion veräußert worden sind.
Bei den Käufen ist Pablo Picasso auch in diesem Jahr wieder unangefochtener Spitzenreiter mit einem 8,6-Prozent-Anteil am Erlös. Es folgen Andy Warhol (5,0 Prozent) und Claude Monet (4,7 Prozent). Der Deutsche Gerhard Richter liegt 2023 nur auf Platz acht (2,8 Prozent), eingerahmt von chinesischen Künstlern, deren Namen in Europa nur noch Spezialisten kennen. Über den Aussagewert solcher Listen kann man sicher streiten. Offensichtlich ist aber das Vordringen neuer Investoren aus Ländern, die nicht dem klassischen Westen zugerechnet werden.
Steigende Kunstumsätze
Nach dem Market Report von Art Basel und der Bank UBS stieg der Kunstumsatz der Händler und Auktionshäuser im vergangenen Jahr gegenüber dem Superjahr 2021 noch einmal um drei Prozent auf weltweit 67,8 Milliarden US-Dollar.
Kunstexperten verkünden jetzt, dass die digitale Welle samt NFT-Kunst abgeebbt sei. Dafür sei Malerei mit greifbaren Texturen wieder sehr beliebt. Authentizität ist das Schlagwort der Stunde. Gern schmückt man sich mit feministischen Themen. Davon profitieren die Künstlerinnen. Bei den Bluechips sind sie aber weiter dramatisch unterrepräsentiert. Mit künstlicher Intelligenz erstellte Werke bilden noch einen Nischensektor.
Wer auf eine Abenteuerreise voller Eindrücke gehen möchte, der sollte sich vielleicht erst einmal von einem Besuch der Galerien im Rhein-Main-Gebiet inspirieren lassen. Hier kann man sich an vergleichsweise noch moderaten Preisen erfreuen.
Entdeckungsreisen nebenan
Wir sind im Westend bei Barbara von Stechow. Seit fast 30 Jahren stellt sie in ihren Räumen vor allem Street- und Pop-Art aus. Sie ist eine Institution in der Stadt. In New York aufgewachsen, ist sie mit der Frankfurter Gesellschaft eng verbunden. Sie sitzt auch in Jurys und wird von Sammlern als Beraterin hinzugezogen.
Die Berechtigung, Kunst vor allem als Investment zu betrachten, bestreitet sie nicht. „Doch ich habe eine völlig andere Herangehensweise. Ich will Künstler entdecken und fördern. Auch Baselitz, Richter oder Neo Rauch mussten ihren Weg erst finden und brauchten Galerien, die an sie glaubten.“
Wer Kunst früh zu einem günstigen Preis kaufe, könne damit später Geld verdienen. Die Bilder von US-Künstler Tom Christopher, den sie erst in Deutschland bekannt machte, seien heute dreimal mehr wert als vor dreißig Jahren. Ähnlich verhalte es sich mit seinen Landsleuten Joe Stefanelli oder Hunt Slonem.
Ideelle Werte
Beim Deutsch-Iraner Alireza Varzandeh, den sie kürzlich wieder ausstellte, rühmt sie die „einzigartige Pinselführung“, das „Gespür für Dynamik“ und die Fähigkeit, einen speziellen Moment festzuhalten. Sie zeigt Varzadehs Werke auch bei der Art Miami und hat für ihn den US-Markt erschlossen. „So entstehen Dynamiken, die sich dann im Marktwert ausdrücken.“
„Ich freue mich auf jede Vernissage, weil Kunst verbindet. Sie nur online und kalkuliert an den Mann oder die Frau zu bringen, wäre mir viel zu wenig.“ – Barbara von Stechow
Barbara von Stechow hat neben Kunstgeschichte und Germanistik auch Betriebswirtschaft studiert. Doch ökonomische Aspekte spielen für sie nur eine Nebenrolle. „Ich mag es, mit Künstlern und Kunstinteressierten zusammen zu sein. Und ich freue mich auf jede Vernissage, weil Kunst verbindet. Sie nur online und kalkuliert an den Mann oder die Frau zu bringen, wie es heute schon manche praktizieren, wäre mir viel zu wenig.“
River at Dusk, 2018
Das Gemälde des 2019 verstorbenen kanadische Künstlers erzielte bei einer Auktion von Sotheby´s im April 2023 in Hong Kong 6,662,115 US-Dollar. Matthew Wong zählt damit zu den Top 10 Ultra-contemporary artists laut artprice.com
Es bewegt sie, wenn sie in Gesprächen hört, was die gezeigte Kunst den Kunden bedeute. „Nicht jeder besitzt Millionen, um Blue Chips zu kaufen“, fährt sie fort. „Wer mit 5.000 Euro bei mir einsteigt, um ein Bild einer Städelabsolventin mitzunehmen, bedeutet mir genauso viel wie jemand, der für ein Gemälde meiner Stars einen hohen fünfstelligen Betrag bezahlt.“
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