Für viele Unternehmen gleicht der Weg in die digitale Zukunft einem kräftezehrenden Marathonlauf. Accenture – eines der weltweit führenden Beratungshäuser – hilft ihnen, neue Energie freizusetzen und schneller ins Ziel zu kommen. Am Campus Kronberg sitzen knapp 3000 Mitarbeiter des Tech- und Beratungsunternehmens. Ihre Aufgabe: den großen Unternehmen der Region und darüber hinaus durch den klugen Einsatz von Technologie zu mehr Wachstum verhelfen. Top Magazin sprach im Taunus mit Frank Riemensperger, dem Deutschland-Chef des Konzerns.
Inhalt
Der Campus Kronberg liegt mitten im Grünen mit Blick auf die Frankfurter Skyline. Der transparente Gebäudekomplex wirkt wie eine Einladung, seinen Gedanken freien Lauf zu lassen. Die Arbeitslandschaften von Accenture sind hell und inspirierend mit vielen informellen Meetingpoints. Dort kommen Berater, Entwickler und Kunden zusammen, um Ideen auszutauschen und gemeinsam an kreativen Lösungen für die Herausforderungen unserer Zeit zu arbeiten.
Im Augenblick jedoch arbeitet ein großer Teil des Teams nur von zu Hause. Homeoffice ist für Accenture zwar keine Kulturrevolution wie für manch anderes Unternehmen. Doch dass es hier im Moment so menschenleer ist, liegt an Corona. Geht es nach Frank Riemensperger, dann wird in die Büros wieder mehr Leben einziehen, sobald die Pandemie im Griff ist. „Menschen haben das Bedürfnis, sich physisch zu begegnen“, sagt er. „Im Homeoffice bleibt vor allem die Kreativität auf der Strecke, da die gegenseitige Inspiration fehlt.“
Ob nun in Heimarbeit oder am Büroarbeitsplatz; eines steht laut Riemensperger fest: „Wir wachsen als Unternehmen und suchen Verstärkung.“ Allein seit vergangenem Herbst habe man im deutschsprachigen Raum knapp 1000 neue Mitarbeiter eingestellt. Accenture ist aber weiterhin auf der Suche, verrät der Deutschland-Chef: „Von Cloud-Experten bis hin zu Security-Spezialisten haben wir noch zahlreiche Stellen zu besetzen.“
„Neues wagen“
Das Geschäft bei Accenture entwickelt sich gut – und das liegt vor allem an den neuen Prioritäten der Kunden. „Die Pandemie hat Veränderungen vorangetrieben, die sich nicht mehr zurücknehmen lassen“, stellt der Spitzenmanager fest. Wirtschaft und Gesellschaft müssten den aktuellen Digitalisierungsschub nutzen, um mutiger nach vorne zu schauen. In seinem gerade erst veröffentlichten Buch mit dem Titel „Neues wagen“ beschreibt Riemensperger gemeinsam mit Svenja Falk, Managing Director Accenture Research, warum Deutschland und Europa ohne ein klares Bekenntnis zur Digitalisierung den Anschluss an die USA und China verlieren werden.
Buch-Tipp
- Neuer Wagen
- Produkttyp: ABIS-BUCH
- Sprache: Englisch
Das Plädoyer des Buches: Um im Wettbewerb zu bestehen, müsse Europa seinen eigenen Platz zwischen den beiden Supermächten finden und technologisch wieder souveräner werden. „Wir müssen unsere eigene digitale Infrastruktur aufbauen; das ist die Voraussetzung für selbstbestimmtes Handeln im 21. Jahrhundert“, kommentiert Riemensperger. Die Ausgangslage der deutschen Wirtschaft, die traditionell von großen Fertigungsunternehmen geprägt ist, schätzt er optimistisch ein: „Unsere Produkte vom Auto bis zum Industrieroboter sind in aller Welt gefragt; wenn es uns gelingt, diese digital ‚aufzurüsten‘ und damit intelligent zu machen, sind wir unschlagbar.“
Dafür brauche es weiterhin neue Geschäftsmodelle und enge Kooperationen in digitalen
Ökosystemen, fügt der Manager hinzu. Das könnten etwa sogenannte Datenplattformen sein, auf denen verschiedene Unternehmen ihre Daten und Algorithmen austauschen, um digitale Anwendungen noch besser zu machen. Der Accenture-Manager nennt ein Beispiel: „Wenn ich vorhersagen will, ob und wann ein Fahrstuhl in meinem Hochhaus stecken bleibt, brauche ich nur genügend Betriebsdaten von anderen Fahrstühlen anzuschauen.“ Dabei gilt: Je mehr Sensoren, desto mehr Daten – umso genauer lässt sich bestimmen, wann ein Bauteil ausgetauscht werden muss, um größeren Schaden zu verhindern.
Riemensperger ist sich sicher, dass nicht nur in der Digitalisierung großes Potenzial für die Wirtschaft steckt. „Die zunehmende Bedeutung von Nachhaltigkeit eröffnet der gut organisierten deutschen Wirtschaft mit ihren hochqualifizierten Arbeitskräften riesige Chancen.“ Um den Klimawandel zu stoppen, braucht es nämlich eine Vielzahl an technischen Lösungen, die helfen, den CO2-Ausstoß in der Produktion oder in der Logistik – zum Beispiel durch algorithmengesteuerte Routenplanung – zu reduzieren. „Und der Energieverbrauch einer ganzen Großstadt ließe sich erheblich senken, wenn wir zum Beispiel sensorgesteuerte Straßenbeleuchtung hätten.“
Vom Programmierer zum Deutschland-Chef
In den 80er-Jahren kam Riemensperger nach dem Informatik-Studium ins Rhein-Main-Gebiet. Er hatte sich beim Vorgängerunternehmen von Accenture auf eine Stellenanzeige in der F.A.Z. beworben. Damals wurden für den Aufbau der Deutschen Terminbörse Programmierer gesucht. Riemensperger heuerte an und ist nun seit 32 Jahren an Bord; seit 2009 als Deutschland-Chef. In den 2000ern führte ihn die Karriere mitsamt seiner Familie in die Nähe von New York. Noch heute setzt er sich für ein enges transatlantisches Verhältnis ein und baut als Vice President der deutsch-amerikanischen Handelskammer AmCham Brücken für die Unternehmen beider Länder.
„Wir müssen in Europa unsere eigene digitale Infrastruktur aufbauen; das ist die Voraussetzung für selbstbestimmtes Handeln im 21. Jahrhundert.“ – Frank Riemensperger
Der Vater von drei Kindern schätzt Frankfurt und Umgebung mit ihren vielfältigen Möglichkeiten – vom regen Kulturleben in der Stadt bis hin zu ruhigen Wanderungen durch den Stadtwald. Der Digitalisierungsfan liebt das Reisen, treibt Sport und gewinnt Einschätzungen gern aus eigener Anschauung – jedenfalls in normalen Zeiten. „Wer nach Asien kommt und die Situation dort mit Deutschland vergleicht, merkt schnell, woran es uns hier fehlt: Geschwindigkeit.“
Dass nun in der Corona-Krise plötzlich ein ganz anderes Tempo angeschlagen wird, findet Riemensperger erfreulich. „Auf einmal gehen Dinge, die früher undenkbar gewesen wären, wie etwa der digitale Fernunterricht.“ Dass dabei nicht alles reibungslos verlief, sieht der Informatiker gelassen: „Mir ist lieber, wir machen einfach mal was, statt immer nur nach Ausreden zu suchen, warum etwas nicht klappen wird.“ In der Improvisation entstünden nicht selten die innovativsten Lösungen; man dürfe das kreative Talent der Menschen nicht unterschätzen, so der Manager weiter.
Begeisterung für Technologie wecken
Für Riemensperger ist klar, dass die Digitalisierung in den nächsten Jahren jeden Bereich der Wirtschaft von Grund auf verändern wird. Aufgeschlossenheit gegenüber Technologie sei deshalb eine wichtige Voraussetzung, um im Beruf weiterzukommen. Folglich richtet sich das gesellschaftliche Engagement von Accenture in der Rhein-Main-Region darauf, Menschen für die Digitalisierung zu begeistern. Gerade jungen Frauen, so der Manager, wolle man mit Mentoring-Programmen und Aktionstagen wie dem Girls’ Day oder Goes School zeigen, dass die IT-Welt längst keine Männerdomäne mehr ist. Bei Accenture gelte das ohnehin nicht mehr, freut sich Riemensperger, denn fast die Hälfte aller Neueinstellungen in der deutschsprachigen Region sind mittlerweile Frauen.

Um als Unternehmen für Technologie-Talente attraktiv zu bleiben, genüge es aber nicht, allein mit hohen Löhnen und anspruchsvollen Aufgaben zu locken. „Die ganze Arbeitswelt wie auch die Führungskultur in Unternehmen müssen sich ändern“, so Riemensperger. Wie diese Zukunft aussehen könnte, hat Accenture kürzlich gemeinsam mit mehreren Partnern – unter anderem dem Möbelhersteller Vitra und namhaften Unternehmen aus dem deutschsprachigen Raum – im Rahmen des Projekts „Work.Lead.Space.“ untersucht. Die Ergebnisse: Büros werden als Orte des kreativen Austauschs weiter eine Rolle spielen, man werde sich aber von überall mit anderen in virtuellen Räumen verbinden können. Künstliche Intelligenz gehöre zum Alltag. Alte Hierarchien hätten ausgedient und neue Leader wären gefragt, weniger dominant, dafür einfühlsamer und kreativer.
Ob es so kommt? Das hängt auch von uns und unserem Willen zur Veränderung ab, so Frank Riemensperger. „Nur wer dem Wandel offen gegenübersteht und die Chancen darin sieht, erreicht auch etwas.“
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