Piwis? Nie gehört? Für Weinliebhaber kann sich das bald ändern. Denn das Interesse an Piwis ist groß wie nie. Hinter dem Kürzel verbirgt sich die etwas sperrige Bezeichnung „pilzwiderstandsfähige Rebsorten“ und die erleben gegenwärtig eine bisher unbekannte Aufmerksamkeit. Dabei sind sie gar nicht so neu – inzwischen aber richtig gut und dabei ihren klassischen Kollegen Chardonnay und Co. in mancher Hinsicht haushoch überlegen.
Tief hängt der Nebel in den Reben, darüber ziehen graue Wolken am Himmel – auch am Ende der Traubenlese zeigte das Wetter sein typisches Gesicht für das Jahr 2021: kalt, grau, nass. Knapp 49 Grad Celsius wurden im Juli auf Sizilien gemessen, europäischer Rekord. In Deutschland hingegen ein fast schon ungewohnt typisch deutscher Sommer: Ein Tief folgte dem nächsten und stellte die deutschen Winzer vor große Herausforderungen. Für Pflanzen, Tiere und das Grundwasser war der ausgiebige Regen nach drei trockenen und heißen Sommern ein Segen. In den Weinbergen hingegen herrschte Daueralarm. Feuchtigkeit bei lauwarmen Temperaturen sorgte für Idealbedingungen für den schlimmsten Feind der Reben: den Mehltau. Als Falscher und Echter Mehltau macht er den Blättern, Trauben und dem Winzer das Leben schwer und muss kompromisslos bekämpft werden.

In Europa war Mehltau bis weit ins 19. Jahrhundert völlig unbekannt. Erst als amerikanische Reben nach Europa eingeführt wurden, begann im Weinbau eine neue Zeitrechnung. Bis man endlich die Ursache für das plötzliche Sterben der alten Reben gefunden hatte, waren 75 Prozent der Weinberge von Bordeaux bis an die Mosel und in die Rioja den neuen Schädlingen zum Opfer gefallen und dem europäischen Weinbau drohte das Ende. Zum Glück entdeckte man in letzter Minute ein Mittel, um dem Pilz den Garaus zu machen: Kupfer. Bis heute wird er gegen den Echten Mehltau eingesetzt, dem Falschen Mehltau rückt man mit Schwefel zu Leibe. Dazu gibt es inzwischen jede Menge synthetische Pflanzenschutzmittel, um gegen die beiden Pilzkrankheiten und zahlreiche andere Schädlinge im Weinberg vorzugehen.
Im Zeichen von Klimawandel, Umweltschutz und Nachhaltigkeitsgedanken sind allerdings weder die Fungizide der Pflanzenschutzmittelindustrie noch die im Bio-Weinbau ausschließlich zugelassenen Schwefel- und Kupferpräparate eine langfristige Zukunftsperspektive.
Nicht nur in schwierigen Jahren wie diesen schlägt deshalb die Stunde der Piwis. Die neue Generation der pilzwiderstandsfähigen Reben vereint die geschmacklichen Eigenschaften europäischer Sorten mit der hohen Resistenz amerikanischer, asiatischer oder russischer Wildreben gegen Mehltau und andere Pilzkrankheiten wie Botrytis. „Wir sparen in diesen Weinbergen bis zu 80 Prozent Pflanzenschutzmittel ein“, sagt Andreas Schnürr vom rheinhessischen Weingut Wohlgemuth-Schnürr. Und das auch in Jahren wie diesen. Knapp 60 Prozent seiner Rebflächen hat der Winzer mit den neuen Rebsorten bepflanzt und ist von deren Qualität und Zukunftsfähigkeit überzeugt. Dass deutlich weniger Traktorfahrten nötig sind, spart neben Zeit auch viel CO2 und reduziert die Bodenverdichtung in den Weinbergen. Viele der neuen Sorten haben auch den zunehmenden Wetterextremen etwas entgegenzusetzen und kommen viel besser mit Trockenheit und Frost klar als ihre klassischen Vorfahren.
Doch die Piwis leiden unter einem Imageproblem. Zu Unrecht, ist man sich in Fachkreisen einig. Der Schweizer Agrarökonom und Winzer Valentin Blattner ist ein Vorreiter der Züchtung pilzwiderstandsfähiger Reben und hat erfolgreiche Sorten wie Cabernet Blanc, Pinotin oder Satin noir auf den Markt gebracht. Von der geschmacklichen Qualität der neuen Sorten ist der Züchter nicht nur aus Eigennutz überzeugt. „Man hat schon vor Jahren Blindproben mit Konsumenten gemacht, und die Behauptung, dass die Sorten schlecht seien, wurde eben nicht bestätigt“, sagt er in einem Online-Interview.
„Die Qualität dieser Sorten ist in mehreren Zuchtgenerationen immer besser geworden. Die Weine werden immer interessanter, aromatischer und zugänglicher“, sagt auch Andreas Schnürr. Der rheinhessische Winzer beschäftigt sich immerhin schon seit 2009 mit den Neuzüchtungen und hat schon einige Sorten der ersten Generationen wieder verworfen, weil sie sich in der Praxis nicht bewährt haben.

Im Dienstleistungszentrum Ländlicher Raum in Neustadt an der Weinstraße werden Piwis gezielt auf verschiedene Arten ausgebaut, um ihr geschmackliches und qualitatives Potenzial schmeckbar zu machen. „Selten hat mich ein Forschungsprojekt so beeinflusst. Wir können immer selbstbewusster sagen, dass Piwis mit den bewährten Rebsorten qualitativ mithalten können“, sagt Professor Dr. Ulrich Fischer, Abteilungsleiter Weinbau und Oenologie am DLR Rheinpfalz, im Rahmen einer Stilistik-Verkostung mit interessierten Winzern. Für den Professor für Oenologie und Sensorik ist diese Art der Überzeugungsarbeit auch ein zwingend notwendiger Schritt im Hinblick auf die Anforderungen des europäischen Green Deals. Der sieht vor, den Einsatz von synthetischen Pflanzenschutzmitteln bis ins Jahr 2030 um 50 Prozent zu reduzieren. „Wir werden gar nicht an Piwis vorbeikommen, wenn wir diese Anforderungen erfüllen wollen.“
In die gleiche Richtung argumentiert auch Randolf Kauer. Der Oenologe betreut als Projektleiter das Programm „VITIFIT“ an der Fachhochschule Geisenheim, das unter anderem eine deutliche Reduktion des Kupfereinsatzes gerade auch im biologischen Weinbau im Fokus hat. „Wenn man über Kupferreduzierung beim Pflanzenschutz spricht, muss man auch über Piwis sprechen“, so der Projektleiter. Auch qualitativ spreche alles für die resistenzstarken Reben. „Es gibt viele tolle neue Sorten und es würde dem deutschen Weinbau gut stehen, wenn jeder Betrieb fünf Prozent Piwis anbauen würde“, ist er überzeugt. In Deutschland belegen Piwi-Sorten aktuell gerade mal 2,4 Prozent der rund 110.000 Hektar Rebfläche.

Doch wie schmecken die neuen Sorten? Als Züchtungspartner bringen die klassischen Reben ihren geschmacklichen Charakter in die neuen Weine mit ein. Der rote Prior kann seine Verwandtschaft mit dem Spätburgunder ebenso wenig verleugnen wie der Cabernet Blanc mit seiner grünlichen Paprika-Aromatik den Einfluss des Cabernet Sauvignons. Im kleinen Barrique ausgebaut entwickelt er einen cremigen Körper und kann stilistisch mit einem Chardonnay oder einem Grauburgunder problemlos konkurrieren. Mit Riesling und Sauvignon Blanc als Kreuzungspartner ist die weiße Sauvignac aktuell eine der vielversprechendsten Neuzüchtungen. Sie duftet intensiv nach Cassis, aber auch nach Apfel und Aprikose – und ist dabei extrem resistent gegen Mehltau und den Botrytispilz.
Es lohnt sich in jedem Fall, diese Weine zu entdecken. Orientierung bieten beispielsweise die von einer Fachjury ausgezeichneten Weine des Internationalen Piwi-Weinpreises. Der wird in jedem Jahr von Piwi International ausgeschrieben. Der im Jahr 2000 gegründete Verband vereint Winzer, Wissenschaftler und Züchter, die sich für die neuen Rebsorten einsetzen. Im Fokus stehen der Austausch zum An- und Ausbau der neuen Rebsorten, aber auch Informationsvermittlung für Verbraucher zu den Charaktereigenschaften der Weine und Empfehlungen für interessierte Weintrinker. Unter den ausgezeichneten Weinen findet sich die ganze Bandbreite der neuen Sorten in verschiedenen Varianten vom Sekt bis zum edelsüßen Wein, vom Edelstahlausbau bis zum Orangewein und beweist, dass Piwis längst im internationalen Weinbau angekommen sind.
Fine Club – Der feine Unterschied

Eine exklusive Welt des Genusses und Außergewöhnlichem eröffnet der „FINE CLUB“ seinen Mitgliedern. Gründer Ralf Frenzel (Tre Torri Verlag) und Pascal Zier richten sich mit einzigartigen Angeboten und handverlesenen Services an „anspruchsvolle Weinliebhaber und progressive Genießer“: Vom Gala-Dinner über hautnahe Begegnungen mit internationalen Wein-Koryphäen, Wine-Tastings in den schönsten Weingütern der Welt über Unterstützung bei der Bestückung des heimischen Weinkellers und der Ausrichtung privater Events bis zu Workshops und Reisen zu den berühmtesten Orten der Weinwelt. „Eine lebendige Community, die Einstellung und Lifestyle teilt und den feinen Unterschied lebt. Hier kommen Menschen zusammen, um das Hier und Jetzt perfekt und stilvoll zu genießen und ein herausragendes Business-Netzwerk zu pflegen“, erklärt Frenzel das Konzept, „bei dem das Beste nur das Minimum ist“.
Zu Events in den Clubhouse genannten Partner-Restaurants (im Rhein-Main-Gebiet derzeit Günter Gollners „Das Goldstein“ in Wiesbaden und Francesco Puglieses „Alter Haferkasten“ in Neu-Isenburg) erhalten FINE CLUB Member besondere Services. Außerdem veranstaltet der FINE CLUB dort regelmäßig Veranstaltungen.
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