Die Goldene Bulle gilt als das wichtigste Verfassungsdokument des mittelalterlichen Reiches. Jetzt hat Unesco-Generaldirektorin Irina Bokova auf Empfehlung des Internationalen Komitees für das Programm „Memory of the World“ bei einer Konferenz in der südkoreanischen Stadt Gwangju die Goldene Bulle, den größten Schatz des Instituts für Stadtgeschichte, in die Liste des Weltdokumentenerbes und damit ins Universalgedächtnis der Menschheit aufgenommen.
Ernst-May-Siedlung, Dom, Paulskirche. Jahrelang haben sich Frankfurts Politiker, Tourismus-Fachleute, aber auch Kenner und Liebhaber Gedanken darüber gemacht, was man der Unesco vorschlagen könnte. Alles wurde schon durchgespielt und aus diversen Gründen wieder verworfen.
Nun hat Frankfurt doch seinen ersten Welterbe-Titel erhalten. Und das ziemlich überraschend. Als die Konferenz der Organisation entschied, die Goldene Bulle in die 299 Einträge umfassende Liste „Memory of the World“ aufzunehmen, war es in Frankfurt schon tiefe Nacht. Umso größer der Jubel bei der eilig anberaumten Pressekonferenz in der äußerst selten zugänglichen Privilegienkammer des Instituts für Stadtgeschichte.
Kulturdezernent Felix Semmelroth (CDU) sagte, er erhoffe sich zusätzliche Aufmerksamkeit für Frankfurt als Kulturstadt mit einer großen Geschichte. Auch die Leiterin des Instituts für Stadtgeschichte Evelyn Brockhoff unterstrich, „damit ist die globale Bedeutung des wichtigsten Dokumentes in unseren reichen, bis in das 9. Jahrhundert zurückliegenden Beständen offiziell anerkannt worden“. Die Ehrung habe auch für Frankfurt-Reiseführer eine weitreichende Bedeutung. Diese müssten jetzt allesamt überarbeitet werden.
Die Goldene Bulle, inhaltlich das Ergebnis zweier Reichstage im Jahr 1356, ist das wertvollste Dokument des Instituts für Stadtgeschichte und zugleich eines der folgenreichsten Privilegien der Stadt.
Sie gilt als das „Grundgesetz“ des Heiligen Römischen Reiches Deutscher Nation und gehört zu den zentralen Zeugnissen deutscher Geschichte. Kaiser Karl IV., der viele Privilegien der Stadt bestätigte, sicherte Frankfurt 1356 mit der Goldenen Bulle bis zum Untergang des Alten Reiches 1806 den Status als Wahlort der deutschen Könige zu. Die Stadt Frankfurt ließ sich 1366 ein eigenes Exemplar der Goldenen Bulle ausfertigen, das heute unter der Signatur „Privileg 107“ im Institut für Stadtgeschichte zu finden ist.
Obwohl das Frankfurter Exemplar zehn Jahre jünger ist als die sechs anderen überlieferten kurfürstlichen Ausfertigungen von 1356/57 war es rechtlich voll gültig. Da es bei jeder Königs- oder Kaiserwahl zu Rate gezogen wurde, erlangte es als bekannteste und am häufigsten verwendete Ausfertigung der Goldenen Bulle bald das Ansehen eines „Reichsexemplars“.
Heute ist es eines von sieben erhaltenen Exemplaren, die auf Deutschland und Österreich verteilt sind. Beide Länder haben sich deshalb gemeinsam und erfolgreich um die Ankerkennung als Weltdokumentenerbe beworben. Dazu gehören nun als Originale das „Böhmisches Exemplar“ (Österreichisches Staatsarchiv, Haus-, Hof- und Staatsarchiv, Wien), das „Frankfurter Exemplar“ (Institut für Stadtgeschichte, Frankfurt am Main), das „Kölner Exemplar“ (Universitäts- und Landesbibliothek Darmstadt), das „Mainzer Exemplar“ (Österreichisches Staatsarchiv, Haus-, Hof- und Staatsarchiv, Wien), das „Nürnberger Exemplar“ (Staatsarchiv Nürnberg,), das „Pfälzische Exemplar“ (Bayerisches Hauptstaatsarchiv, München), das „Trierer Exemplar“ (Landesarchiv Baden-Württemberg, Abteilung Hauptstaatsarchiv Stuttgart) sowie die prachtvolle handschriftliche Kopie „Goldene Bulle des Königs Wenzel“ (Österreichische Nationalbibliothek, Wien).