„Ein Herr von 30 Jahren mit ansehnlichem Besitz sucht eine junge Dame mit einem Vermögen von etwa 3.000 Pfund.“ Mit dieser Heiratsannonce in einem landwirtschaftlichen Mitteilungsblatt suchte im Jahr 1695 ein gut situierter Engländer sein Pendant. Es war die erste Kontaktanzeige überhaupt. Klar und pragmatisch. Heute, über 300 Jahre später, ist die Suche nach dem Partner fürs Leben noch immer ein zentrales Thema. Leichter ist die Suche nicht geworden, erst recht nicht in der Single-Hochburg Frankfurt. Die Quote allein geführter Haushalte beträgt hier stolze 53,2 Prozent. Endlich Topf und Deckel sein, neudeutsch das perfekte Match, ist ein „big deal“ im Leben von modernen Singles. Und immer mehr suchen und finden einander über Online-Portale oder eine Smartphone-App – für gewisse Stunden oder vielleicht für das ganze Leben. Schon jetzt entstehen so über 30 Prozent der Beziehungen. Historisch gesehen stellt das eine Revolution dar. Anders formuliert, es deutet sich an, dass das klassische Kennenlernen – etwa über Kontakte am Arbeitsplatz – ausstirbt. Aber das hat nicht nur Nachteile, liebe Traditionalisten!
Willst Du mit mir gehen?
Was haben wir nicht alles versucht? Fisch sucht Fahrrad, Annonce in einer überregionalen Tageszeitung, Blind Dating, Speed Dating und Single-Reisen. Gekrönt von privaten Einladungen, die ohne Schwimmweste in die kalte See katapultieren: „Wir haben für Dich einen netten Tischnachbarn eingeladen, der sucht auch.“ Da sitzt ein Fremder, mit viel Glück hat er nicht seine Mutter mitgebracht, redet nicht über Bausparverträge und riecht gut. Wir wissen im Grunde nichts über ihn. Weitaus strategischer kommt die Anbahnung über Online-Partnervermittlungen daher, denn vor dem ersten echten Treffen stehen hier der Persönlichkeitstest und das eigene Profil – obligatorisch auch bei den drei führenden deutschen Anbietern Parship, ElitePartner und eDarling. Aber Hand aufs Single-Herz, die Flut an privaten Vorab-Informationen durch Multiple-Choice-Verfahren (z.B. „Wie reagierst Du auf nasse Lappen im Spülbecken?“) ist Segen und Fluch zugleich. So kann es passieren, dass sich zwei Menschen beim ersten Treffen schweigend gegenübersitzen („Noch Fragen?“) oder einem potentiellen Partner mit Ecken und Kanten von vornherein keine Chancen eingeräumt werden. Online müssen Worte bewirken, was offline Mimik und Gestik – schneller – erledigen. Es kann aber auch der Blitz einschlagen. Boom! Verliebt. Alles passt, und sogar die Körperchemie stimmt. Der Eigengeruch ist nämlich für die Liebe eine absolute Voraussetzung – der „Duft“ meldet unserem Gehirn, wie es um die Gesundheit des anderen steht. Riech mich, nimm mich! Schnuppern sich zwei Menschen mit unterschiedlichen Immunsystemen, kreisen ihre Schmetterlinge im Bauch. Das evolutionäre Programm funktioniert, wissenschaftlich gestützte Online-Partnersuche hin oder her. Am Ende entscheidet die „Steinzeit“ mit.
Flirten per App im Trend
Seit den Anfängen seiner zivilen Nutzung wird das Internet für die Pflege aller Arten von Intimbeziehungen genutzt, ob für Liebesbeziehungen oder familiären Austausch. Aktuell buhlen allein im deutschen Internet über 2.500 Singlebörsen, Partnervermittlungen, Singlechats, Seitensprung-Dienste und Sextreffs um Kunden (Quelle: Singlebörsen Vergleich). Am meisten monatliche Nutzer verzeichnen mit 4,2 Millionen die Social-Dating-Plattformen vor den klassischen Kontaktanzeigen-Portalen (3,1 Millionen) und den Online-Partnervermittlungen (1,7 Millionen). Einen Hype erlebt derzeit das Flirten und Chatten per Smartphone-App. Vor allem der unverkrampfte Ansatz der amerikanischen App Tinder kommt hierzulande an, laut Selbstauskunft vermittelt sie täglich mehr als 10 Millionen virtuelle Dates. Nicht ganz so erfolgreich ist die weltweit aktive Dating-App Lovoo aus Leipzig (9,5 Millionen Nutzer). Dahinter steht wie bei den beliebten Flirt-Chat-Apps Badoo (239 Millionen Mitglieder weltweit, 13 Millionen in Deutschland) und Zoosk (750.000 deutsche Neumitglieder jährlich) ein Freemiummodell. Das heißt, nur Basisfunktionen der App sind kostenfrei. Wer optimierte Flirtfunktionen will, muss zahlen. Etablierte Dating-Portale (z.B. FriendScout24) bedienen diesen Trend inzwischen mit. Aus gutem Grund, denn über 50 Prozent aller Logins bei Dating-Portalen erfolgt bereits auf mobilen Endgeräten. Kurzum, bei der Liebes- und Sex-Partnersuche wird immer häufiger zum Smartphone gegriffen. Auch beim Branchenpionier Parship reagiert man, CEO Tim Schiffers: „Allein die Anzahl der Registrierungen über das Smartphone hat sich seit 2014 fast verdreifacht. Der Trend geht eindeutig zu einer zunehmend mobilen Gesellschaft. Hier liegt ein enormes Wachstumspotential, das wir durch den fortlaufenden Ausbau unseres mobilen Angebots zukünftig noch stärker bedienen möchten. Wir werden unseren Mitgliedern über alle Kanäle und Altersgruppen hinweg die idealen Bedingungen für ihre Partnersuche bieten und damit auch Singles abholen, die ihr Glück bisher bei rein mobilen Anbietern oder Dating-Apps versucht haben.“
Trau, schau, wem
Augmented Reality
Hot or not?
Eintritt bezahlt, Flirtname, Passwort, Bestätigungsmail – und schon kann es losgehen mit dem Fragebogen. Bis zu 80 Fragen zur eigenen Person sind der Hirsebrei, durch den man sich bei der klassischen Online-Partnersuche durchfuttern muss. „Fünf Worte, die mein Äußeres beschreiben“, lautet eine Frage. Nach etwa einer Stunde ist man durch und psychologisch durchleuchtet. Und dann? Zack, da sind sie schon – gefiltert und hübsch aufgereiht: Männer. Oder Frauen. Menschen auf Partnersuche. Menschen, die was wollen. Eventuell mich. Immerhin, die anderen beschreiben sich auch nicht viel origineller als man selbst, viele Allgemeinplätze sind da zu lesen. Bei den „Dein-schönster-Tag“-Auskünften dominiert Altbackenes: Strand, blauer Himmel, Sex, Wein vor Kamin. Und erst die Fotos. „Umkreissuche“, „Kontaktgarantie“, verbindliche Ansagen und schräger Humor. Aber dennoch, wir sehen Menschen, die uns gefallen. Denen wir gefallen. Da geht vielleicht was. Wer es gratis, schneller und auch unverbindlicher möchte, dem hilft eine App wie Tinder. Mit einem „Wisch“ ist der Mann, die Frau, weg oder im Rennen. Kaum aufs Handy geladen, will die App lediglich wissen, welches Geschlecht man sucht, gewünschtes Alter und in welchem Umkreis er oder sie sich aufhalten soll. Gut zu wissen: Die Anmeldung funktioniert über das eigene Facebook-Profil, die App zieht sich die dort gespeicherten Fotos, Interessen und die Freundesliste. It’s a match: Dank GPS-Ortung schlägt Tinder dem Nutzer Singles in einem Radius von fünf Kilometern vor, was die komplette Frankfurter City abdeckt. Dann, der erste potenzielle Kandidat erscheint auf der Bildfläche. Ein Wisch nach rechts bedeutet „hot“, nach links „not“. Man zieht das fremde Foto mit dem Finger nach links und es verschwindet mit einem „Nope“. So kann es hunderte Male gehen. Erst wenn zwei sich gegenseitig gut finden, können sie sich schreiben. „Dein Beliebtheitsbarometer steht auf Null“, mahnt die Dating-App Badoo. Das tut weh. Und das lässt sich nur auf eine Art ändern: Je mehr Fotos man hochlädt, desto höher der eigene Marktwert. Fairerweise muss man erwähnen, dass „Fleischbeschau“ beim Flirten schon immer das A und O war, ob auf der Dorfkirmes oder eben jetzt mobil. Bei Badoo kann man sich entweder Personen vorschlagen lassen wie bei Tinder, oder man schaut gezielt, wer gerade in der Nähe ist. Doch erst wenn User die Funktion „Super Powers“ freischalten (8,99 Euro/Monat), können sie „beliebten“ Personen Nachrichten senden.
Das digitale Selbst
Mr. & Mrs. Right
Stimmt da grundsätzlich mit der Ideologie der Passung etwas nicht, Herr Dröge? „Wir kennen den Topos des ‚einzig Richtigen‘ oder der ‚füreinander bestimmten Seelen‘ aus der romantischen Literatur, Filmen und Liebesliedern. Auch hier geht es um eine Art von Passung. Nur ist es in der klassischen Erzählung eben das Schicksal, das zusammenführt, und nicht ein Computeralgorithmus, der Daten aggregiert, vergleicht und daraus den perfekten Match berechnet. Es gibt gute Gründe anzunehmen, dass gerade das Unerwartete und Überraschende konstitutiv zur Liebe dazugehört. Genau deshalb, so würde ich behaupten, müssen Strategien der Passung, die dieses Unerwartete zu vermeiden versuchen, systematisch scheitern.“ Dennoch gibt es glückliche Internetehen, sogar immer mehr, Herr Dröge. „Aktuelle Statistiken sind wirklich erstaunlich. Das Netz ist heute weit mehr als eine Spielwiese für kurzfristige Affären oder One-Night-Stands. Vielmehr hat es sich auch für langfristige Liebesbeziehungen einen festen Platz neben den klassischen Orten des Kennenlernens wie Schule, Beruf oder Freundeskreis erobert. Und die Chancen auf eine glückliche Beziehung sind im Netz offenbar nicht kleiner als andernorts – vielleicht sogar geringfügig besser.“
Dating alternativ!
Hipster
Die Macherinnen Jule und Anni aus Berlin betonen, keine klassische Singlebörse zu sein. Wöchentlich stellen sie Singles vor, die „Bock haben, jemanden kennenzulernen“.
www.imgegenteil.de
Oldie but Goldie
Alleinstehende über 50 Jahre, die mit einem Partner über Jimi Hendrix und Rente mit 63 diskutieren möchten.
www.50plus-treff.de
Veganer & Vegetarier
Für Rohköstler, die bis jetzt kein Glück bei der Partnersuche hatten. Fakeprofile von Carnivoren nicht ausgeschlossen.
www.veggiecommunity.org
Millionäre
Wem Geld und Erfolg nicht egal sind, der wird hier vielleicht fündig. Auch wenn tatsächliche Millionäre und Schönheitsköniginnen Seltenheitswert haben.
www.millionaertreffen.de
Frauchen & Herrchen
Flotter Käfer sucht Froschkönig. Mann mit Dackelblick sucht verrücktes Huhn. Tierfreundschaft als Lebensphilosophie.
www.tierfreund.com
Größe
Alle, die der Meinung sind, dass es doch auf die Größe ankommt.
www.bingross.de
Bauer sucht Frau
Landwirte und Naturliebhaber oder Singles, die wissen möchten, ob es Typen wie den „zärtlichen Ziegenhirt“ oder „kernigen Kartoffelbauern“ tatsächlich gibt.
www.flirt.landwirt.com