Nur jede dritte Führungskraft bisher ist eine Frau. Unsere Wirtschaft ist nach wie vor überwiegend männlich geführt, besonders in technischen Branchen. Für die Frauen, die heute in Vorständen und auf Management-Ebene tätig sind, war der Weg dorthin nicht immer leicht. Die vier führenden Frauen, die wir gesprochen haben, sehen aber ihre Position heute als selbstverständlich an und inspirieren damit auch andere.
Das Foto von der Münchner Sicherheitskonferenz Anfang des Jahres sorgte für Aufsehen. Es zeigte die Chefs von rund 30 wichtigen Wirtschaftsunternehmen beim Business-Lunch – ausnahmslos Männer. Doch es geht auch anders. Beim Deutschen Gewerkschaftsbund ist mit Aysmin Fahimi kürzlich zum ersten Mal eine Frau an die Spitze gewählt worden, Andrea Nahles wird neue Vorstandsvorsitzende der Bundesagentur für Arbeit, das Chemie- und Pharmaunternehmen Merck in Darmstadt wird seit einem Jahr von der Spanierin Belén Garijo geführt und der Frankfurter Zoo hat mit Christina Geiger nun eine Direktorin. Was sagt das über unsere Gesellschaft aus? Zum einen, dass sich etwas bewegt in den oberen Etagen deutscher Unternehmen und Institutionen. Zum anderen, dass es noch lange nicht selbstverständlich ist, dass Frauen in Führungspositionen tätig sind.
In den besonders männlich geprägten technischen Branchen und im Finanzwesen sind sie noch nicht allzu weit verbreitet, aber es gibt sie, wie Dr. Sigrid Nikutta, die Vorstandsvorsitzende der DB Cargo AG, Dr. Ingrid Hengster, die Barclays Bank Deutschlandchefin, Stephanie Wüst, die Frankfurter Wirtschaftsdezernentin oder Jessica Bethune, Geschäftsführerin der Schneider Electric Systems Deutschland GmbH, beweisen. Sie sehen sich selbst meist nicht gerne als Beispiel dafür, wie man sich in einer von Männern geprägten Welt durchsetzt. Doch für viele sind sie es.
„Die normalste Sache der Welt“
„Es wäre einfach zu sagen, Männer haben es mir schwer gemacht, aber das wäre nicht ehrlich. Ich hatte auch tolle männliche Unterstützer“, räumt Jessica Bethune, Chefin der deutschen Niederlassung des französischen Elektrounternehmens Schneider Electric Systems, das Lösungen vom simplen Schalter bis zur Prozessautomatisierung der Industrie anbietet, ein. Es gab allerdings auch wenige Frauen in höheren Positionen, die sie sich zum Vorbild hätte nehmen können. Dafür erlebte sie, wie vermutlich viele andere, mehrfach die Situation, dass sie als einzige Frau im Raum als diejenige betrachtet wurde, die den Kaffee kocht und die Notizen macht. „Noch vergangene Woche hatte ich ein Kundengespräch, bei dem diese vorwiegend mit meinen männlichen Mitarbeitern gesprochen haben, bis sie verstanden hatten, dass ich die Geschäftsführerin bin.“
Dr. Sigrid Nikutta, DB-Cargo-Chefin, hat ebenfalls erlebt, dass eine Frau in der Führungsposition nicht selbstverständlich ist: „Für mich persönlich war es die normalste Sache der Welt. Ich musste aber im Laufe meiner Karriere feststellen, dass es das für mein Umfeld nicht war“, bestätigt sie. „Zum ersten Mal damit konfrontiert wurde ich, als der Inhaber des Unternehmens, bei dem ich mich beworben hatte, mir sagte: Ich nehme Sie, obwohl Sie eine Frau sind.“ Fast 30 Jahre sei das her. Was sie dabei besonders ärgert, ist die Tatsache, „dass wir 30 Jahre später immer noch solche Diskussionen führen.“
Althergebrachte Stereotype
29,4 Prozent der Führungspositionen in Handel, Produktion und Dienstleistungen waren 2019 weiblich, errechnete das Statistische Bundesamt. Seit 2012 hat sich der Anteil um gerade mal 0,8 Prozentpunkte erhöht. Bei den 100 größten Familienunternehmen liegt der Frauenanteil aktuell sogar nur bei 8,3 Prozent, wie die AllBright Stiftung gerade bekanntgab. Die Gründe dafür sind vielfältig.
„Es liegt nicht an der Arbeit selbst, es sind eher grundsätzliche Themen wie die Work-Life-Balance oder die fehlende Kinderbetreuung“, glaubt Jessica Bethune. Für Ingrid Hengster und Sigrid Nikutta muss sich vor allem in den Köpfen von Männern und Frauen etwas ändern, damit althergebrachte Stereotype verschwinden. „Frauen sollten sich selbst mehr zutrauen“, sagt die Bankerin. Die DB-Cargo-Chefin kritisiert, dass bei Frauen immer auf Äußerlichkeiten geschaut werde, auch in den Medien. „Sie werden dann gerne als klein, zierlich, mit leiser Stimme sprechend beschrieben, die „dennoch“ durchsetzungsstark sind.“
Auch beim Thema Familie schaut die Gesellschaft bei Frauen häufig anders hin. Gerade erst wurde bei der neuen Außenministerin Annalena Baerbock diskutiert, ob sie diese Aufgabe als zweifache Mutter bewältigen könne, während das bei ihrem Vorgänger Heiko Maas kein Thema war. Wie Ingrid Hengster und Sigrid Nikutta ist auch Jessica Bethune Mutter und spricht aus eigener Erfahrung, wenn sie sagt: „Gleichberechtigung beginnt zuhause.“ Wenn sie das Haus verlasse, sei sie sicher, dass ihr Mann und ihre Kinder ohne sie klarkommen. Stephanie Wüst sieht in der fehlenden Vereinbarkeit von Arbeit und Familie einen Hinderungsgrund für den Aufstieg von Frauen. „Es muss keine langen Ausschüsse am Abend geben, Frauen wollen effiziente Sitzungen, vieles geht auch digital.“
Auf einem guten Weg
Die 1989 geborene Frankfurterin hat als Wirtschaftsdezernentin mit vielen Unternehmern zu tun oder hält Reden bei Veranstaltungen wie dem European Banking Congress, bei dem sie neben der EZB-Chefin Christine Lagarde eine der wenigen Frauen ist. Sie habe sich bisher nicht anders behandelt gefühlt als ihre männlichen Kollegen, sagt sie. „Ich hatte es ehrlich gesagt erwartet, aber ich bin überall mit sehr viel Interesse empfangen worden, es geht bei den Gesprächen um Inhalte.“ Zur Sicherheit hatte sie sich für solche Situationen extra coachen lassen, auch, weil sie als 19-Jährige in ihrem ersten Aushilfsjob als Kellnerin Erfahrungen mit Sexismus machen musste. Als sie eine reine Männerrunde im Restaurant bediente, hatte die sie aufgefordert, einen Knopf an ihrer Bluse zu öffnen. Die Erkenntnisse aus dem Coaching über männliche Verhaltensweisen helfen ihr heute: „Ich habe etwa gelernt, dass Männer oft frühzeitig zu Sitzungen kommen und vorab schon Dinge klären.“
Ingrid Hengster sieht bei den Führungskräften der Banken heute den Willen, Chancengleichheit herzustellen. „Wir sind auf einem guten Weg.“ Frauen hätten sich vor 25 Jahren sehr viel stärker beweisen müssen. Die DB-Cargo-Chefin Sigrid Nikutta sieht das etwas kritischer: „Frauen müssen deutlich mehr leisten. Bei Männern wird die Kompetenz quasi per Geschlecht unterstellt, Frauen müssen die Kompetenz permanent beweisen. Und dazu stehen Frauen noch immer viel mehr im Fokus und werden sehr, sehr häufig besonders kritisch beurteilt. Das wird Ihnen, glaube ich, jede Frau bestätigen.“
„Es müsste eine Selbstverständlichkeit sein, dass Frauen Karriere machen.“ – Sigrid Nikutta
Sie nennt ein Beispiel aus einem ihrer Teams, für das sie zwei neue Mitarbeiter bekam. Obwohl die junge Frau besser ausgebildet gewesen sei als der junge Mann, habe der Fokus bei ihr ausschließlich auf den Fehlern gelegen, während es beim Mann hieß, er entwickle sich schon. „Sie wurde mit anderen Maßstäben gemessen. Da musste ich auch als Vorgesetzte die Nerven behalten, denn sie haben sich am Ende beide gut entwickelt.“
Eine Quote, wie es sie seit 2016 in Deutschland für Aufsichtsräte gibt, könnte da Abhilfe schaffen. Nikutta ist eine Verfechterin des Zweiten Führungspositionen-Gesetzes, weil sie es als Verpflichtung ansieht, klar Position zu beziehen. Ingrid Hengster, die anfangs eine solche Quote eher ablehnte, sieht sie heute positiv. „Sie ist dazu geeignet, Veränderungen anzustoßen, da viele Unternehmen sich dadurch bereits vorausschauend anders aufstellen. Es ist eben noch immer kein Selbstläufer.“ Die FDP-Politikerin Stephanie Wüst dagegen hält gar nichts von einer solchen Verpflichtung. „Ich will nicht auf mein Geschlecht reduziert werden, sondern an meinen Fähigkeiten gemessen werden“, sagt sie. Viel wichtiger sei es, dass sich die Voraussetzungen für Frauen verbessern.
Mehrwert für Unternehmen
Sigrid Nikutta ist allerdings eine erklärte Gegnerin des Begriffes „Frauenförderung“, der für sie negativ besetzt ist. „Wer geht zum Förderunterricht, die, die das Klassenziel nicht erreichen“, stellt sie fest und spricht sich stattdessen für mehr Transparenz in der Stellenbesetzung aus, und dafür, alle fähigen Nachwuchskräfte unabhängig vom Geschlecht zu trainieren. „Wir müssen es möglich machen, dass jegliche Lebensführung mit der Karriere vereinbar wird. Das ist kein einfacher Weg, aber alles ist machbar.“
Das sieht Ingrid Hengster ähnlich: „Nicht zuletzt die Pandemie hat gezeigt, dass Frauen immer noch die Hauptlast in der Familienorganisation tragen, sich um die Kinder oder kranke Eltern kümmern. Das darf man nicht unterschätzen.“ Sie selber habe das große Glück gehabt, Unterstützung von ihrer Familie zu erfahren, sagt die Mutter eines Sohnes. „Es ist sehr wichtig, dass auch Unternehmen die Familien in schwierigen Phasen begleiten.“ Es müsse darüber einen offenen Austausch geben, man könne mit Teilzeit- oder Sharing-Modellen darauf reagieren und mit jungen Eltern im Gespräch bleiben, damit sie nach dieser Phase wieder einsteigen könnten. In Zeiten des Mangels an Fach- und Führungskräften kann das sogar ein Mehrwert sein. „Unternehmen, die das gut machen, können sich die besten Kräfte heraussuchen.“
Mentoring & Sponsoring
Die vier Frauen in Spitzenpositionen setzten sich auch persönlich für andere Frauen ein. Stephanie Wüst arbeitete bereits in der Stadtverordnetenversammlung daran mit, parteiübergreifend ein frauenpolitisches Netzwerk zu gründen. Sigrid Nikutta vernetzt sich bewusst mit Frauen in vergleichbaren Positionen. Sie ist, wie auch Jessica Bethune, aktiv in der Organisation „Mission Female“, die sich auf Frauen im exekutiven Management im deutschsprachigen Raum konzentriert. Bethune ist zudem als Mentorin aktiv, sowohl in der eigenen Firma als auch über „Mission Female“. Und sie ist Mitglied weiterer Netzwerke wie der Valence Community, die für die Sichtbarkeit nicht weißer Menschen in der Arbeitswelt eintreten. „Diversifizierung hört nicht mit dem Geschlecht auf. Für mich als nicht weiße Frau reicht es nicht, eine weiße Frau neben den buchstäblichen „alten weißen Mann“ zu setzen.“
Die Barclays Bank bietet ebenfalls Mentoring für weibliche Führungskräfte an. „Im Investmentbanking haben wir auf der Ebene des Managing Directors bereits eine Quote von 30 Prozent Frauen.“ Daneben gebe es das sogenannte Sponsoring. Jede Mitarbeiterin, die sich entwickeln will, bekommt eine Führungskraft an die Seite gestellt, die ihr hilft, ein Netzwerk aufzubauen. „Das ist neben der persönlichen Weiterentwicklung ein weiterer wichtiger Baustein für die Karriere.“ Ingrid Hengster steht auch selbst als Mentorin und Sponsorin zur Verfügung. „Es macht mir viel Freude, die eigenen Erfahrungen weiterzugeben.“
Wie lange es noch dauern könnte, bis eine Frau als Chefin so selbstverständlich ist wie ein Mann, darauf will sich Ingrid Hengster nicht festlegen, auch wenn sich bereits viel getan habe. „Es ist gerade mal zwei Generationen her, dass Frauen noch die Erlaubnis ihrer Männer brauchten, um arbeiten zu gehen.“ Gleichzeitig ist sie zuversichtlich: „Wenn wir weiter an dem Thema dranbleiben, dann wird es permanent besser.“
Dr. Ingrid Hengster
Deutschlandchefin Barclays Bank
„Wenn ich heute noch einmal auf die Welt käme, würde ich wieder Bankerin werden wollen.“
Wenn sie heute noch einmal auf die Welt käme, würde sie wieder Bankerin werden wollen, sagt Ingrid Hengster. Der Beruf fasziniert die gebürtige Österreicherin auch nach mehr als 30 Jahren, die sie im Investmentbanking und Firmenkundengeschäft tätig ist, „weil ich dort Menschen und Unternehmen begleiten kann bei der Umsetzung ihrer Ziele, etwa beim Kauf eines Unternehmens, beim Börsengang oder bei der Umsetzung eines großen Infrastrukturprojekts. Weil wir mit vielen unterschiedliche Branchen arbeiten, ist das unglaublich vielseitig und natürlich international.“
Seit fünf Monaten ist sie die neue Deutschlandchefin der Barclays Bank und hat es sich zum Ziel gesetzt, die Bank, die international im Investmentbanking zu den Top 5 gehöre, im Lande noch sichtbarer zu machen und das Geschäft weiter auszubauen.
Mit der neuen Aufgabe schließe sich ein Kreis für sie, betont sie. Denn zuvor war sie gut sieben Jahre lang bei der öffentlich-rechtlichen Kreditanstalt für Wiederaufbau, weltweit eine der führenden Förderbanken, tätig. „Sie können als Förderbank sehr viel anstoßen bei gesellschaftlichen Trends wie der Digitalisierung, der Energiewende, aber sie benötigen auch im großen Stil privates Kapital, um diese Projekte umzusetzen“, sagt sie und sieht sich als Brückenbauerin zwischen beiden Systemen. Sie habe durch ihre Tätigkeit ein gutes Verständnis dafür, was die öffentliche Hand und die Politik bräuchten und wie es gemeinsam mit der Privatwirtschaft umgesetzt werden könne.
Ursprünglich wollte Hengster Anwältin in einer Wirtschaftskanzlei werden, absolvierte ihr Jurastudium und die Promotion in Salzburg. Doch dann begann sie ihre Laufbahn bei der Österreichischen Kontrollbank, wechselte zur Commerzbank und zu internationalen Instituten wie der UBS, der Credit Suisse und der Royal Bank of Scotland. Seit über 30 Jahren ist sie in Frankfurt tätig und sieht die Stadt als ihre Heimat, auch wenn sie noch oft nach Wien und Salzburg reist. In Frankfurt engagiert sie sich für die Alte Oper, das English Theater und ist Mitglied der Eintracht. „Und das schon seit 16 Jahren.“
Dr. Sigrid Nikutta
Vorstandsvorsitzende DB Cargo AG
„Ich habe die BVG zum coolsten Nahverkehrsunternehmen gemacht, das Deutschland hat.“
Seit gut zwei Jahren ist Sigrid Evelyn Nikutta Vorstandsvorsitzende der DB Cargo AG. Sie selbst zählt sich zu den führenden Schienengüter-Experten Europas. Und das betrifft nicht nur die Theorie. Die orangefarbene Sicherheitsweste hängt immer griffbereit, denn ihr Credo lautet: Mitarbeiten vor Ort, damit man weiß, was es heißt, einzelne Arbeitsschritte vorzunehmen. So hat sie nicht nur mit angepackt, sondern sich auch tief in die Fachlichkeit eingearbeitet und in Diskussionen immer die passenden Argumente parat. Die Technik ist ihre persönliche Leidenschaft. Aber sie gibt auch zu, dass dieser Führungsansatz eine Reaktion darauf ist, dass Frauen immer noch von vielen männlichen Kollegen weniger technischer Sachverstand zugetraut wird.
Sigrid Nikutta wurde in Polen geboren und zog als Kleinkind mit ihren Eltern nach Ostwestfalen, wo sie aufwuchs. Nach ihrem Studium der Psychologie mit Schwerpunkt Arbeits-, Betriebs- und Organisationspsychologie machte sie zunächst bei einem mittelständischen Unternehmen in Bielefeld Karriere. Das Psychologiestudium sei eine gute Vorbereitung aufs Management gewesen, sagt sie heute. „Je höher sie in der Hierarchieebene kommen, desto stärker geht es darum, Menschen zu bewegen, Dinge zu tun und Veränderungsprozesse zu gestalten. Die Psyche spielt da eine entscheidende Rolle.“ 1996 wechselte Sigrid Nikutta zur Deutschen Bahn, leitete unter anderem in Dresden ein Bildungszentrum mit bis zu 60 Mitarbeitern und war fünf Jahre lang in Frankfurt tätig. 2001 wurde sie Personalleiterin bei DB Cargo.
Eine Herausforderung suchte sie ab 2010 als Vorstandsvorsitzende der Berliner Verkehrsbetriebe, die unter ihrer Führung erstmals seit Jahrzehnten schwarze Zahlen schrieben. „Ich habe die BVG zum coolsten Nahverkehrsunternehmen gemacht, das Deutschland hat“, sagt sie selbstbewusst. Zur DB Cargo sei sie sehr bewusst zurückgekehrt, „weil wir jetzt das historische Zeitfenster haben, um den umweltfreundlichen Transport auf der Schiene voranzubringen.“ Ein Güterzug ersetze bis zu 52 LKW, gegenüber dem Straßentransport hinterlasse der Güterzug 80 bis 100 Prozent weniger CO2, argumentiert sie sofort. Auch diese Herausforderung hat sie angenommen.
Stephanie Wüst
Wirtschaftsdezernentin der Stadt Frankfurt
„Ich will die vielen interessanten Frankfurter Unternehmen sichtbarer machen – auch die Unternehmerinnen.“
In Stephanie Wüsts Leben hat sich einiges verändert, seit sie im Jahr 2013 begonnen hat, sich bei der FDP zu engagieren. Sie sei parteipolitisch aktiv geworden, weil das ein Weg sei, eine verantwortungsvolle Aufgabe zu übernehmen, sagt sie. Dass diese so schnell kommen würde, daran hat sie selbst nicht geglaubt. Es sei Zufall gewesen, dass sie als Junge Liberale direkt in den Kreisvorstand geschickt wurde, in dem sie heute stellvertretende Vorsitzende ist.
Dass sie 2016 als relativ unbekannte Kandidatin in die Stadtverordnetenversammlung einzog, überraschte sie erst recht. „Ich habe es erfahren, als mich die Presse anrief.“ Als die FDP schließlich in die Stadtregierung rückte, machte man sie zur Wirtschaftsdezernentin. Es mache einen großen Unterschied, dass sie nun ihre eigene Chefin sei, betont sie.
Während sie zuvor neben ihrer Anstellung als Referentin bei der Vereinigung der hessischen Unternehmerverbände ehrenamtlich in der Stadtverordnetenversammlung saß, kann sie sich nun darauf konzentrieren, die Stadt und das Rhein-Main-Gebiet zukunftsfähig zu machen. Mit diesem Ziel ist sie angetreten. „Mir ist es wichtig, den Branchenmix zu erhalten und die regionalen Strukturen zu stärken.“ Sie will die vielen interessanten Frankfurter Unternehmen, die die Stadt bereits beherbergt, sichtbarer machen – auch die Unternehmerinnen.
Stephanie Wüst war schon in ihrer Jugend ehrenamtlich aktiv. Sie spielte leidenschaftlich Handball, engagierte sich im Vorstand, war Jugendtrainerin, bis der zweite Kreuzbandriss im Knie sie ausbremste. Sie entschied sich daraufhin, sich parteipolitisch zu engagieren. Bis heute ist sie die einzige in der Familie, die in der FDP ist.
Ihre berufliche Karriere begann sie 2016 beim Wirtschaftsrat der CDU als Referentin für PR und Marketing. Dafür legte sie ihr Studium der Germanistik, Soziologie und Politikwissenschaften auf Eis. „Ich habe beides nicht unter einen Hut bekommen. Heute würde ich es anders machen und lieber mein Studium beenden und ein Jahr später mit dem Job anfangen.“ Auch derzeit ruht ihr Studium weiter, doch aufgeben will sie es nicht. „Ich werde es nachholen. Ein Abschluss ist wichtig, ich habe da auch eine Vorbildfunktion als Dezernentin.“
Jessica Bethune
Geschäftsführerin der Schneider Electric Systems Deutschland GmbH
„Spaß darf bei der Arbeit nicht zu kurz kommen. Es ist nur ein Job, in 24 Stunden bist du ersetzt. Das haben mir übrigens Männer beigebracht.“
Seit fast einem halben Jahr ist Jessica Bethune Chefin von knapp 300 Mitarbeitern in Deutschland und Österreich. Bei der Tochter des französischen Elektrounternehmens ist sie für die Automatisierung aller elektronischen Prozesse für Kunden der Öl- und Gasbranche zuständig. Eine echte Männerdomäne, der Frauenanteil liege bei rund 15 Prozent. „Dass ich als Nichtingenieurin mit einem Software- und IT-Hintergrund diesen Bereich betreue, sagt aber auch viel darüber aus, wo es hingehen soll.“ Diese Branche müsse, wie viele andere, möglichst schnell Nachhaltigkeitslösungen durch Digitalisierung finden.
Studiert hat Bethune Wirtschaftsrecht. „Ich wusste lange nicht, was ich machen wollte“, sagt sie. Ihren ersten Job trat sie im Vertrieb von Peregrine Systems an, wo kurz darauf Bilanzbetrügereien öffentlich wurden. „Ich hatte plötzlich FBI-Agenten in meinem Büro in Niederrad“, erzählt sie. Eineinhalb Jahre lang habe sie jeden Vertrag nach amerikanischem Börsenrecht umgestellt. Sie wechselte schließlich zu anderen Softwareunternehmen, dann zu einem finnischen Start-up, für das sie das Vertriebssystem aufbaute und führte zuletzt den Vertrieb des Rechenzentren-Anbieters Equinix.
Doch die Möglichkeit, Prozesse zu transformieren, reizte sie. „Die Aufgabe bei Schneider war so spannend und innovativ, dass ich nicht auf meinem gemütlichen Stuhl sitzenbleiben wollte.“ Es mache ihr großen Spaß, Teams durch Veränderungsprozesse zu führen. Sie sei ehrgeizig und leistungsgetrieben, sagt sie, und sie habe keine Lust mehr, ständig beweisen zu müssen, dass sie eine Frau sei und trotzdem gut. Doch der Spaß dürfe bei der Arbeit nicht zu kurz kommen. „Es ist nur ein Job, in 24 Stunden bist du ersetzt. Das haben mir übrigens Männer beigebracht.“
Für ihre Stärke und ihr Durchhaltevermögen nennt sie ein Vorbild: ihre Mutter. Bethune ist in den USA geboren, ab ihrem 3. Lebensjahr im Rhein-Main-Gebiet aufgewachsen. „Ich bin ein deutsch-amerikanisches Militärkind, mein Vater ist früh verstorben, deshalb war meine Mutter alleinerziehend und berufstätig.“ Sie habe ihr beigebracht, dass man als Frau eigenständig sein Leben meistern können muss.
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