Das Reisen am Himmel gehörte früher zu den ganz exklusiven Vergnügungen. Das hat sich gründlich geändert. Die Fluggesellschaften transportierten im Jahr 2017 weltweit 4,1 Milliarden Passagiere. Damit wurde wieder einmal ein Rekord aufgestellt. Das rapide Wachstum – zuletzt der Anstieg von 7,1 Prozent gegenüber dem Vorjahr – ist auf die Billigangebote von Low-Cost-Carriern zurückzuführen. Inzwischen sind sie für knapp 30 Prozent des zivilen Luftverkehrs verantwortlich.
Europa führt bei den zurückgelegten Passagierkilometern deutlich. Mit der Folge, dass es hier immer häufiger zu Verzögerungen oder Flugausfällen kommt. Für diejenigen, die sich mehr Luxus wünschen, bieten die Privatflieger eine Alternative zum Massenverkehr. Der Freiheitsgewinn ist offensichtlich: Der Kunde kann zum Zeitpunkt der eigenen Wahl fast jeden Ort der Welt ohne Stress erreichen. Verführerisch sind auch das unkomplizierte Einchecken, die freundliche individuelle Behandlung an Bord und das komfortable Ambiente. Von Thomas Zorn
Zu Beginn der Passagierluftfahrt zelebrierten die Betreiber eine gehobene Lebensart. Die 1908 gegründete Deutsche Luftschifffahrts-Aktiengesellschaft (DELAG) setzte auf Zeppeline. Die erste Passagierluftfahrtgesellschaft der Welt knüpfte in wenigen Jahren ein Verkehrsnetz zwischen Düsseldorf, Oos bei Baden-Baden, Berlin, Gotha, Hamburg, Dresden, Leipzig und Frankfurt. In Luftschiffen wie der „Schwaben“ wurden in holzgetäfelten Gondeln feine Speisen und korrespondierende Weine gereicht. Einen Monat vor Ausbruch des Ersten Weltkriegs zählte die DELAG schon 34.028 Passagiere auf 1.588 Fahrten. Dann führte das blutige Kräftemessen der Großmächte und ihrer Verbündeten zu einem Bruch in der Zivilluftfahrt.
Aber bei den Flugzeugen, die als Jagdflieger, Aufklärer und Bomber eingesetzt wurden, sorgte der Krieg für einen Entwicklungsschub. Mit dem Frieden begann ihre kommerzielle Verwendung. Die Deutsche Luftreederei, ein Vorläufer der Lufthansa, eröffnete in Deutschland den Personenflugverkehr am 5. Februar 1919. Der Jungferntrip führte von Berlin nach Weimar. Die eingesetzten Propellermaschinen waren schneller und sicherer als die Zeppeline, auch wenn das Reisen in den Gondeln höchst angenehm war.
Zeppeline gegen Flugzeuge
Das europäische Passagierflugnetz wuchs in den zwanziger Jahren schnell. Mit der Gründung der Lufthansa, ein Zusammenschluss der Deutschen Aero Lloyd und der Junkers Luftverkehrs AG, entstand 1926 die größte Luftverkehrsgesellschaft Europas. Mit der Junkers Ju 52 ging sechs Jahre später das erste Passagierflugzeug in hohen Stückzahlen in Serienfertigung.
Die Konkurrenz der Zeppeline endete 1937. Als das in Frankfurt gestartete Luftschiff Hindenburg bei der Landung in Lakehurst bei New York in Flammen aufging, hatten die mit leicht entflammbarem Wasserstoff gefüllten zigarrenförmigen Flugkörper ihren Kredit verspielt. Sie galten als technisch überholt.
Nun beherrschten die Flugzeuge allein die Lüfte. Rund um den Globus wurden Flughäfen gebaut. Der Siegeszug der Düsenflugzeuge begann in den 50er-Jahren. Sie waren noch einmal viel schneller unterwegs als die Propellermaschinen und wurden für Geschäftsleute im Wirtschaftsboom nach dem Zweiten Weltkrieg unentbehrlich. Vermögende Müßiggänger hatten auch etwas von der technischen Revolution. Sie jetteten aus purer Lust durch die Welt. Damals entstand der Begriff „Jetset“ für die neue internationale Oberschicht.
Mit Großraumflugzeugen wie der Boeing 747, die Hunderte von Fluggästen aufnehmen konnte, verbilligte und popularisierte sich die Fliegerei in den 70er-Jahren. Ein Prozess, der bis heute anhält. Der Massentourismus eroberte fast jeden Winkel der Erde. Jetzt saßen kleine Angestellte und Arbeiter oft im selben Flugzeug wie ihre Chefs, nur hinten in der Holzklasse. Lediglich ein Vorhang trennte sie von Business und First.
Exklusivität der Concorde
Die Concorde, die ab 1976 von der Air France und British Airways in den Dienst genommen wurde, machte eine Ausnahme. In dem Überschallflugzeug gab es nur eine Klasse – die erste. Die Tickets waren noch einmal rund 20 Prozent teurer als in der Topkategorie eines Unterschallflugzeugs.
In dem Überschallflugzeug Concorde gab es nur eine Klasse – die erste.
Vorzugsweise flog die Concorde die Strecke von Paris Charles de Gaulle beziehungsweise London-Heathrow zum John F. Kennedy International Airport in New York. Die Flugzeit betrug nur 3 bis 3,5 Stunden. Heute brauchen herkömmliche moderne Maschinen noch immer das Doppelte. Für die maximal 128 Passagiere war der Genuss in dem aerodynamischen Vogel – trotz der bequem gepolsterten Ledersessel – nicht ungetrübt. Die Concorde machte einen Höllenlärm und verbrauchte reichlich Kerosin. Doch dafür ging es hoch hinaus, auf bis zu 18.000 Meter.
Das Aus für das unwirtschaftliche Flugzeug nahte nach dem Absturz der F-BTSC am 25. Juli 2000 kurz nach dem Take-off in Paris. Ein Metallteil auf der Startbahn hatte zu einer Kettenreaktion geführt, durch die der Treibstofftank an der linken Tragfläche in Brand geraten war. Alle 109 Menschen Bord und vier Bewohner eines Hotels starben an der Unglücksstätte. 2003 wurde der Flugverkehr mit der Concorde eingestellt.
Sehnsucht nach Luxus
Die Sehnsucht nach dem Besonderen endete damit nicht. Menschen mit hohen Ansprüchen wünschen sich oft mehr, als selbst die erste Klasse liefern kann. Wer über Vermögen verfügt, kauft dann schon mal einen Privatjet. Der ist nicht nur ein Statussymbol für Multimillionäre. Auch größere Unternehmen schaffen sich gern ein solches Flugzeug für ihr Topmanagement an. Der Vorteil: Man kann darüber jederzeit disponieren.
Die praktische Cessna Citation Longitude bietet Platz für zwölf Personen. Annehmlichkeiten wie eine Espressomaschine, eine Mikrowelle und ein Gepäckabteil sind vorhanden. Mehr Eindruck schindet die Embraer Lineage 1000. Das in Brasilien entworfene Geschäftsflugzeug, das mit kurzen Landebahnen zurechtkommt, bietet fünf große Kabinenzonen. Sie können mit gemütlichen Sofas und Sesseln für rund 20 Personen eingerichtet werden. Die Master-Suite lockt mit einem großen Bett und einem schicken Badezimmer inklusive Dusche.
Der wohl schnellste Privatjet der Welt ist die zweistrahlige Gulfstream G650, die bis zu 18 Personen fasst. Meist reisen mit ihr nicht mehr als acht Fluggäste. Das auf 65 Millionen Dollar taxierte Modell passt zu einem mächtigen Finanzinvestor, der sehr eilig einen Deal abschließen will. Die Spitzengeschwindigkeit liegt bei 965 Kilometern in der Stunde. Die Reichweite ist hoch.
Privatjets der Lufthansa
Doch Privatfliegerei bleibt nicht einem Kreis von globalen Lenkern und Superreichen vorbehalten. Man braucht keinen Flieger zu kaufen: Zahlreiche Gesellschaften bieten privaten Kunden einen praktischen und bezahlbaren Service an, der das Fliegen von A nach B zu eigenen Wünschen ermöglicht. Lufthansa Private Jet ist der Topanbieter in Europa. Seit Gründung des HON Circles 2005, der die höchste Statusstufe umfasst (circa 8.000 Mitglieder weltweit), bietet der Edeldienstleister der Lufthansa maßgeschneiderte Annehmlichkeiten. Das Ziel: Jeder noch so kleine Flughafen, den sich der Kunde wünscht, soll angesteuert werden.
Drei Kategorien von Maschinen unterhält Lufthansa Private Jet: Small (mit maximal sechs Sitzplätzen), Mid (acht Sitzplätze) und Large (zehn Sitzplätze). Kooperationspartner ist Netjets, einer der weltweit größten Anbieter von privaten Jets. Verfügbar ist der jeweils gewünschte Flugzeugtyp bis zu zehn Stunden vor Abflug in Europa und bis zu zwölf Stunden in Nordamerika. Auch eine kostenfreie Stornierung ist bis 48 Stunden vor dem geplanten Start machbar.
Mehr als 1.000 Flüge führt Lufthansa Private Jet im Jahr durch. Businesskunden schätzen die Flexibilität sowie die persönliche Betreuung. Mit 70 Prozent stellen Geschäftsleute den größten Anteil der Gäste. Jeder dritte Flug findet in Kombination mit einem Lufthansa oder Swiss Interkontinentalflug statt. An verkehrsreichen Tagen sind mehr als zehn Lufthansa Private Jets in der Luft. Zu den beliebtesten Zielen zählen Frankfurt, München, London, Wien, Zürich, Paris, Mailand, Rom oder Genf.
Nicht nur für Superreiche
Operiert wird mit Festpreisen. Der Flug mit einer Phenom 300, die zur unteren Größenkategorie gehört, kostet von München nach Mailand 8.452 Euro, inklusive Fuel-Aufschlag und italienischer Luxussteuer. Umgerechnet auf sechs Kunden wären das rund 1.408 Euro – keine astronomische Summe. Wenn gewünscht, holt eine Limousine den Gast zuhause ab und fährt ihn bis aufs Rollfeld. Hinzu kommt die Begrüßung per Handschlag durch den Piloten und eine unkomplizierte Buchung per E-Mail oder über Telefon.
Auch Sonderwünsche werden erfüllt. Dass Tierfreunde ihren Hund oder ihre Katze mitnehmen und die Vierbeiner mit Wassernapf, Decke oder Futter versorgt werden, ist beinahe schon normal. „Ungewöhnlicher war schon die Bitte, 500 Rosen für einen Flug zu besorgen“, sagt Stephan Grandy, Senior Manager für Lufthansa-Premium- Produkte. Es klappte. Der Hochzeitstag konnte an Bord gebührend gefeiert werden.
Feine Reisen mit Start-ups
Beim Arrangement von Flugreisen mit kleinen Gruppen tummeln sich inzwischen auch viele kleine Start-ups. AC Navigator aus Darmstadt bietet seine Leistungen Geschäftskunden wie Urlaubern an. Die CEOs Sabine Tillett, 53, und Pascale Naske, 30, waren seit jeher von der Fliegerei fasziniert. Naske besitzt sogar einen Pilotenschein. Die beiden tatkräftigen Unternehmerinnen wollen den Kunden mit einer kompetenten Rundumbetreuung soviel Arbeit wie irgend möglich abnehmen. „Wir organisieren sämtliche Travel Arrangements von Visa- Anträgen bis hin zur kompletten Luxusreise mit dem Privatjet.“
Man erfülle auch andere Bitten, von der Traumvilla bis hin zu einem VIP-Ticket für ein Sport-Event oder eine Konzert-Gala, sagen die Chefinnen von AC Navigator. Neu im Programm sind sechstägige Mallorca-Reisen für einen Kreis von bis zu 20 Personen, die sich einmal etwas Besonderes gönnen wollen. AC Navigator verfügt über „exzellente Kontakte“ auf der Insel und arbeitet dort auch mit dem Insider Stefan Loiperdinger zusammen, der über „Mallorcas schöne Seiten“ geschrieben hat. Jeder Tag soll unvergesslich sein, vom Ausflug mit einer Yacht auf hoher See über eine Oldtimer-Rallye bis zu einem Besuch auf einem renommierten Weingut, das normalerweise seine Türen für Besucher nicht öffnet. Übernachtet wird in einer alten Finca mit modernstem Hotelstandard und viel Charme.
Alternative: Mitflugzentrale
Generell haben Reisen mit dem Flugzeug wieder viel von dem zurückgewonnen, was früher ihren Zauber ausmachte: Abenteuer und Überraschung, Luxus und Bequemlichkeit. Natürlich muss man bereit sein, dafür zu zahlen. Wenn alles so günstig sein soll wie auf einer Bahnfahrt dann bleiben solche Genüsse ausgespart. Der Flug und auch das, was folgt, können zur Pein werden.
Doch in den Lüften gibt es durchaus nicht nur die Alternative zwischen persönlich gestalteter Qualität und Massenabfertigung. Der dritte Weg heißt Mitflugzentrale. Über den Wolken muss die Freiheit wohl grenzenlos sein, sang der Berliner Barde Reinhard Mey. Die Freiheit, Flüge zum Selbstkostentarif zu offerieren, nehmen sich jetzt die Mitflugzentralen seit der Legalisierung vor drei Jahren. Sie funktionieren wie beim Auto. Gegen Kostenbeteiligung ist man dabei.
Die trickreiche Einrichtung macht Sinn: Privatpiloten müssen eine gewisse Anzahl von Flugstunden nachweisen, um ihre Fluglizenz behalten zu dürfen. Das Chartern eines Flugzeuges ist jedoch teuer. Die Mitfluggelegenheit mindert die Kosten pro Person (Ausleihen einer Maschine, Flugbenzin sowie Flughafen- und Landegebühren) erheblich. Und so geht es: Der Pilot erstellt einen Flug und trägt ihn auf einer Internetplattform ein. Anschließend wird der Preis auf alle Mitflieger – Pilot und Passagiere – umgelegt.
Das bekannteste Unternehmen der Branche ist Wingly. Die Firma wurde 2015 von dem Deutschen Lars Klein und den Franzosen Bertrand Joab-Cornu und Emeric de Waziers gegründet. Schon ein Jahr später erhielt sie den Innovationspreis der Deutschen Luftfahrt, ausgelobt vom Bitcom, dem Bundeswissenschaftsministerium und dem Bundesverband der Deutschen Luftund Raumfahrtindustrie. Inzwischen hat Wingly in ganz Europa 150.000 Kunden, darunter 10.000 Piloten.
Letzte Abenteuer
Bequem ist eine solche Mitflug-Tour nicht unbedingt. Aber ein Erlebnis. Die Autorin Wlada Kolosowa beschrieb einmal ihre Erfahrung mit der „wahrscheinlich einzigen Chance“ ihres Lebens auf einen Privatpiloten. Bei der Anmeldung musste sie ihren Ausweis hochladen und ihr Körpergewicht angeben. Und dann ging es auch schon los – für 120 Euro von Berlin nach Frankfurt. Als sie in die Kabine hineinkletterte, erhielt sie vom 28-jährigen Piloten im Hoodie statt eines Kelches mit Champagner eine „Kotztüte“ in die Hand gedrückt. Der Flug kam ihr ziemlich „krass“ vor, „wie ein Roadtrip“ im Vergleich zu einer organisierten Fahrt im Reisebus. Aber heil aus dem „Babyflugzeug“ kam sie schon. Und die wackligen Momente einige hundert Meter über dem Boden wird sie wahrscheinlich nie vergessen. Für die Journalistin war es ein Kick. Andere können gern darauf verzichten. Die Auswahl bei luftigen Trips ist jedenfalls inzwischen riesengroß.
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