Die Statistiken weisen stetig neue Rekorde aus: Whisky boomt weltweit. Gute Qualitäten steigen schnell im Wert. Absolut im Mittelpunkt stehen die Single Malts aus Schottland und Irland. Sie werden aus gemälzter Gerste hergestellt und stammen immer von einer einzigen Brennerei. Zungenbrecher wie Bruichladdich, An Cnoc oder Laphroaig klingen für Kenner wie ein süßes Versprechen. Nun will der Frankfurter Investmentbanker Andreas Thümmler, eine Kultfigur der Techszene, dem großen Publikum mit seiner 2016 gestarteten Destillerie im Odenwald beweisen, dass auch die Deutschen Whisky der Weltklasse produzieren können.
Thümmlers Single Malt heißt schlicht St. Kilian. Er ist überzeugt, mit den Kelten im nebligen Nordwesten Europas mithalten zu können. Sein Whisky soll bald zu den Top Ten der Welt gehören. Die ersten Flaschen sind jetzt auf dem Markt und werden schon in Whisky-Shops und Feinkostläden verkauft. Jeder kann bei ihm auch direkt ein ganzes Fass kaufen. „Langfristig gibt es kaum eine bessere Verzinsung“, schwärmt er. Von Thomas Zorn
Hinter Miltenberg scheint der Weg im Nirgendwo zu enden. Tief im Odenwald taucht plötzlich ein alter Fabrikschornstein wie eine Verheißung auf. Whisky steht dort in großen, von oben nach unten verteilten Lettern. Wir denken für einen Moment an eine Kinowerbung. Doch wir sind nicht auf den Hebriden oder im schottischen Hochland gelandet, sondern in einem Dorf in Unterfranken. Die Realität hat uns schnell eingeholt: Der Mann, der uns in der 750-Seelen-Gemeinde Rüdenau begrüßt, ist kein zauseliger Spirituosenbrenner aus einem Promotion-Movie, sondern ein höchst erfolgreicher Geschäftsmann.
Andreas Thümmler, ein jungenhafter Typ, empfängt uns lässig, doch recht seriös mit schwarzem Hemd über dunkler Hose. Er hat schon andere Auftritte hingelegt. Unvergessen ist sein Erscheinen als Darth Vader in einer Veranstaltung, bei der Start-ups vor Investoren ihre Geschäftsideen präsentierten. Der Mann, den alle Andi nennen, fuchtelte mit einem Lichtschwert herum und entkrampfte die Bewerbungsshow. Das Unkonventionelle ist sein Markenzeichen.
Legende für Start-ups
Als Einfädler von Milliardendeals besitzt der studierte Computerwissenschaftler und Betriebswirt einen legendären Ruf. Mit Venture Capital hat der 49-Jährige ein Vermögen gemacht. Eigentlich könnte er es nun mit seinem Whisky ruhig angehen lassen. Denn als Mitbegründer und Teilhaber der M&A-Boutique Acxit nutzt er weiterhin die Chancen, die Internet, neue Medien, Telko und Technologien bieten. Warum sich also damit stressen, einen Whisky in die Champions League zu bringen?
Der Andi ist zwar ein großer Spaßvogel, macht aber ungern halbe Sachen. Schon gar nicht beim Whisky, der für ihn seit seiner Zeit als junges Finanzgenie in England und den USA zur Leidenschaft geworden ist. „Ich sammele seit 20 Jahren“, bekennt er und führt uns in seine Schatzkammer gleich neben dem Probierraum.
Rund tausend Flaschen aus aller Welt hat er dort gehortet. Gut gelaunt deutet er auf den Glen Mortlach von 1936, den er einmal vergleichsweise günstig erworben hat. „Der ist heute 30.000 Dollar wert“, erzählt er mit breitem Grinsen. „Eine Granate.“ Aber auch der 40 Jahre alte „Highland Park“, vor zehn Jahren für 200 Euro gekauft, sei immerhin schon 3.000 Euro wert.
Whisky sei eine optimale und solide Wertanlage, so der Wagnis-Unternehmer. „Momentan geht der Verkauf durch die Decke, vor allem auch in Asien.“ Anders als beim Wein verliert Whisky auch nach Jahrzehnten nichts von seiner Kraft. Begehrte Abfüllungen werden mit der Zeit zu kostbaren Raritäten.
Das richtige Glas
Zu einem guten Whisky gehört auch das entsprechende Glas. Master Distiller Jim McEwan hat mit dem Norlan Whisky Glass versucht, ein Nosing Glas mit der typischen Tumblerform zu verschmelzen. Durch die besondere Form ist es gelungen, den störenden Ethanolgeruch zu vermindern und die Aromen hervorzuheben.
Sammler mit Mission
Der Unterfranke hat eine Mission. Er will mit seinen Drinks „made in Germany“ Furore machen. Der wuchtige Finanzjongleur platziert sich unter eine kleine vergoldete Figur aus dem Barock, die an einer Mauer hängt, und erzählt zur Einstimmung eine Geschichte. „Dieser Heilige da oben stammt aus Irland und heißt St. Kilian“, fängt er an. Nach ihm sei die Brennerei benannt.
Im 7. Jahrhundert wollte er mit den Kollegen Kolonat und Totnan das Frankenland christianisieren. Das hätten vorher schon andere versucht, fährt Thümmler fort. Die seien aber auf dem Scheiterhaufen gelandet. Dann macht er eine dramatische Kunstpause – „St. Kilian aber hatte eine Brennblase im Gepäck.“
Es ist klar, was nach der Pointe folgt: Fürsten und gemeinem Volk überreichte der Abgesandte des Himmels sein Aqua Vitae oder Lebenswasser (auf Irisch „uisce beatha“, aus dem die Engländer später die eingängigere Bezeichnung „Whisky“ machten). Die Wirkung der „Medizin“ aus dem Kupferbehälter war durchschlagend. Die Heiden – auch in Rüdenau – entflammten sich für das Christentum.
Einen solch überwältigenden Erfolg wünscht sich der bodenständige Kosmopolit auch für sein Produkt. Thümmler hat deutsche Ingenieurskunst mit schottisch-irischem Whisky-Know-how vermählt. Entstanden ist die größte Destillerie Deutschlands. Seit einigen Monaten werden die ersten Abfüllungen verkauft. Die Fachwelt ist beeindruckt.
Mit Single Malt zur Weltspitze
Schon 2009 hatte das Multitalent, das als Kind die Programme von Computerspielen knackte, eine ehemalige Textil-Fabrik in seinem Heimatort Rüdenau erworben. Er ahnte noch nicht, was er damit anfangen würde. Doch er wusste um die drei Quellen der kleinen Gemeinde, die jahrhundertelang als Heilwasser gedient hatten. Eine lag auf seinem neuen Grundstück. 2011 lernte er dann den berühmten Brennmeister David Hynes bei einem Besuch auf der grünen Insel in der ältesten Destille der Welt kennen. Sie wurden Freunde.
Was sich danach ereignete, klingt im Rückblick irgendwie logisch. 2011 diskutierten Thümmler und Hynes nach der InterWhisky im Hotel Intercontinental bei einem feucht-fröhlichen Abend über das Potenzial, das eine gut ausgerüstete Brennerei im Odenwald haben könnte. Schnell waren sie sich einig, dass sie das Vorhaben zusammen stemmen sollten. Der erfahrene Whisky-Tüftler aus dem Land der Barden hatte Lust, sein Wissen für etwas ganz Neues einzubringen. Nicht wenige hielten die Idee für einen Spleen.
Im einzigen Gasthof von Rüdenau mietete sich der Ire ein, um das Projekt eng zu begleiten. Durch seine Vermittlung konnte St. Kilian zwei Kupferbrennkessel zu je 6.000 Litern von der schottischen Traditionsfirma Forsyths – dem Rolls Royce der Branche – erwerben. „Normalerweise kommst du als deutscher Einsteiger an solche Pot Stills gar nicht ran“, wirft Thümmler ein.
Die Whisky Bibel
Jim Murray zählt zu den weltweit bekanntesten Whisky-Experten. Seine jährlich erscheinende „Whisky Bible“ wird meist kontrovers diskutiert, so auch in diesem Jahr. Über 4.700 Whiskys werden beschrieben, die Top-3 Plätze belegen Whiskys aus Amerika.
Sie seien jetzt das „Herz“ der Brennerei, erläutert er beim Rundgang. Die Luft in der Halle ist mit Alkohol gesättigt. Es herrscht konzentrierte Ruhe. Chef-Destiller Mario Rudolf überwacht mit Kollegen die Prozesse per Computer. Am Rande befinden sich zwei Malzsilos mit je 20 Tonnen Kapazität, gefüllt mit Braumalz aus Franken und aus Schottland, das man in der angrenzenden Mühle schrotet.
„Das Torfmalz beziehen wir von ganz speziellen Firmen, die uns nur wegen David Hynes beliefern“, sagt der Boss. Das Ganze wird dann gemaischt, geläutert und schließlich mit schottischer Hefe vergoren. Die vier Gärbottiche oder „Washbacks“ aus dem Oregon-Holz der Douglastanne verfügen über ein beachtliches Fassungsvermögen von jeweils 10.800 Litern.
Zwei Pot Stills im Gral
Im „Heiligen Gral“, dem Ort der beiden Pot Stills, entsteht anschließend das eigentliche Whisky-Destillat. Beim ersten Brennen steigert sich der Alkoholgehalt von 7 auf 25 Prozent. Im zweiten Destillationsvorgang wird ein Extrakt mit 68 Prozent Alkohol erzeugt. Die Kessel mit dem hohen schlanken Hals sorgen dafür, dass die schwereren öligen Geschmacksstoffe auf dem Grund zurückbleiben. Der Whisky erhält dadurch eine besonders weiche Note. „Wir haben die geilste Anlage und das beste Team“, verkündet der Besitzer von St. Kilian enthusiastisch.
Bevor das Destillat mit 63,5 Prozent Alkohol in die Fässer gelangt, wird noch etwas Wasser zugesetzt. Danach gönnt man ihm drei Jahre Zeit. „Nur gute Fässer machen einen guten Whisky“, erwähnt Mastermind Rudolf die Grundregel für die Herstellung eines herausragenden Single Malts.
Für die in 20.000 Flaschen abgefüllte Signature Edition „One“, seit einigen Monaten im Handel, hatte der Vater von drei Kindern unter anderem Rhum-Agricole-Fässer aus Martinique ausgewählt – „für reife Noten tropischer Früchte wie Mango und Ananas“. Ein hoher Anteil von Ex-Bourbon-Barrels, kleine Quarter-Casks, Pedro-Ximénez-Sherryfässer und etwas Kastanienfass rundeten den intensiven Geschmack mit Vanille und feiner Holzwürze ab.
St. Kilian schon im KaDeWe
Beim fruchtig-frischen Whisky der Signature Edition „Two“ – limitiert auf 6.600 Flaschen – wurde mit einer Variation von Malzsorten experimentiert. „Unser Two reifte ausschließlich in Amarone-Fässern, der zu den angesehensten Rotweinen Italiens gehört“, berichtet der Geschmackskompositeur aus dem nahen Amorbach, der im früheren Leben Braumeister war.
Die nächsten beiden Editionen werden bis zum kommenden Frühjahr erscheinen. Der Spannungsbogen verläuft von mild zu torfig. Der Alkoholgehalt liegt – nach dem Zusatz von destilliertem Wasser – bei 45 Prozent. Was Thümmler und Rudolf erfreut: St. Kilian wird mittlerweile sogar in der exquisiten Lebensmittelabteilung des Berliner KaDeWe angeboten.
Unterdessen schaut die deutsche Whisky-Szene ziemlich gebannt auf das, was der Banker und sein Team im Odenwald so treiben. Warum sollte in Deutschland nicht gelingen, was die Japaner schon vor Jahrzehnten geschafft haben: den Anschluss an die Weltspitze.
Lange Zeit galt deutscher Whisky bei vielen Verbrauchern als No Go. Das ändert sich gerade. Auch andere bemühten sich inzwischen um überzeugende Qualität, referiert Gregor Haslinger, der seit 20 Jahren den Laden „Whisky Spirits“ führt. Aber die Konsequenz, mit der Andreas Thümmler eine Destillerie nach schottischem Vorbild aufgebaut habe, sei imponierend. Seinen Kunden empfiehlt der Ambassador der Scotch Malt Whisky Society deshalb den kurzen Trip nach Rüdenau: „Dort können sie eins zu eins erleben, wie auch in Schottland gearbeitet wird.“
Für Andi Thümmler ist St. Kilian praktisch eine Frankfurter Destillerie. „Von der City sind es mit dem Wagen nur 60 Minuten zu uns und vom Flughafen ist man schon in 45 Minuten da.“ Jährlich pilgern bereits rund 10.000 Whisky-Liebhaber zu St. Kilian nach Unterfranken. Sie wollen erfahren, was die Pioniere aus dem Odenwald wirklich leisten. Führungen mit Tastings „and more“ kosten zehn Euro. Wie man hört, kehren die meisten von der Besichtigungstour mit Verkostung beseelt zurück.
Eigenes Fass als Weg zum Glück
Für manch einen ist die eigene Abfüllung im 30-Liter-Fass der Clou. Mit rund 2.000 Euro ist der Whisky-Fan dabei. Dabei muss er sich zwischen den Basisrezepturen „rauchig“ oder „mild“ entscheiden. Sechs Fassvariationen stehen zur Auswahl: Ex-Bourbon, Ex-Rum, Ex-Portwein, Europäische Eiche, Ex-Sherry und Amerikanische Weißeiche. „Das ist ein Supergeschenk, auch für Weihnachten“, preist Andi Thümmler die Offerte an.
„Rund 700 Leute haben sich schon ein Fass bei uns gesichert“, sagt er. Nach drei Jahren wird der Inhalt in 50 Flaschen abgefüllt. Die Form der St. Kilian-Flaschen erinnert übrigens an die beiden Pot Stills, in denen der Trank destilliert wurde. Während der Lagerzeit kann man sein Fass mit Freunden besuchen und überprüfen, wie sich der eigene Whisky entwickelt. Die Fässer sind nummeriert und häufig auch mit Widmungen versehen. Bisweilen ergeben sich sogar kleine Feten, wenn in der Nachbarschaft auch andere nach ihrem Fass-Baby schauen. So etwas gefällt Andreas Thümmler natürlich, der als Feierbiest bekannt ist.
Spektakulär statt bieder
Noch ist die St. Kilian Distillers GmbH ein kleines mittelständisches Unternehmen mit 25 Beschäftigten. „Für schottische Verhältnisse wäre unser Output mit 250.000 Litern im Jahr extrem gering“, gibt Thümmler zu. „Dort produziert eine durchschnittliche Brennerei um drei Millionen Liter.“ Aber in Deutschland liege man damit weit an der Spitze. Eine Steigerung auf 500.000 Liter sei mit dem gegenwärtigen Equipment ohne weiteres möglich.
Auch für eine weitere Brennblase wäre in der ehemaligen Textilfabrik noch Platz, sodass dann eine Million Liter im Jahr produziert werden könnten. „Mal sehen, was die Zukunft bringt“, meint Andi vielsagend. Er ist optimistisch. „Wir sind die Hippies der Whisky-Branche und echte Explorer.“ Thümmlers Motto ist ganz einfach: „Wir brauchen es nicht bieder, sondern spektakulär.“
Das St. Kilians Whisky-Sortiment
- Volumen: 0,5l in Pot Still Flasche
- Alkoholgehalt: 53,8% vol.
- rauchig / torfig
- Region: Deutschland
- Alkohol: 45,0 % / Nettofüllmenge: 0,5 Liter
- Aussehen : Helles Stroh
- Aroma : Ein süß-fruchtiges Bouquet von cremiger Vanille, sahnigem Toffee und frischen Aprikosen, begleitet von würzigen Eichenspänen mit einem Schuss Kräuterlimonade
- Geschmack : Eine wunderbare Süße von Bourbonvanille mit Toffee, begleitet von Kräuterlimonade und etwas Aprikosenmarmelade, umhüllt von frischen, wärmend-würzigen Eichennoten und garniert mit...
- Farbe: Strohgold. Nase: Mild, Torfrauch, Vanille, geröstetes Malz, reife Bananen, Zitrusaromen, Aprikosen, trockene Aschennoten. Geschmack: Mild-fruchtig, süß, Vanille, frische Zitrusnuancen,...
- Perfekt als Geschenk
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