Wer einen Kredit braucht, den freut die derzeitige Niedrigzins-Politik der EZB. Doch für Anleger ist beim Tagesgeld nichts mehr zu holen. Die Inflation frisst die geringen Renditen fast wieder auf. Bundesanleihen bringen Verluste ein. Und am Zinsniveau scheint sich so schnell nichts zu ändern. Wo kann man sein Geld also noch gewinnbringend anlegen? Von Sabine Börchers
Bei allem Auf und Ab der wirtschaftlichen Entwicklung in Deutschland ist eine Konstante zu erkennen. Seit 1990 bewegt sich das Zinsniveau in die gleiche Richtung: nach unten. Seit dem Ausbruch der Finanz- und Weltwirtschaftskrise 2008/2009 pumpen die Zentralbanken zusätzlich Geld in die Märkte und setzen die Zinsen weiter unter Druck. Durch die Anleihe-Käufe der Europäischen Zentralbank und deren Zinspolitik war der Nullpunkt bei der Realverzinsung sogar bereits unterschritten. Der Zins lag zeitweise unter der Inflationsrate, sodass am Ende weniger vom Ersparten übrig blieb als angelegt wurde. Die stets als besonders sicher geltenden Bundesanleihen bringen gar negative Renditen. Selbst achtjährige Papiere des Bundes erlebten im April ein historisches Tief und brachten erstmals eine Rendite von minus 0,001 Prozent. Diese Entwicklung kostete die deutschen Sparer in den vergangenen fünf Jahren 190 Milliarden Euro. Damit habe durchschnittlich jeder Einwohner 2.300 Euro weniger Zinsen bekommen, hat Michael Stappel, Volkswirt der DZ Bank, in einer Analyse errechnet. Zwar sind auch Darlehen günstiger geworden, sodass bei Kreditzinsen insgesamt 78 Milliarden Euro eingespart werden konnten. Doch unter dem Strich bleibt ein dickes Minus. Nach den Berechnungen Stappels lagen die Zinserträge auf Sparkonten in den vergangenen fünf Jahren um 112 Milliarden Euro niedriger als wenn sie so verzinst worden wären wie im Durchschnitt in den Jahren vor der Krise, also von 1999 bis 2009.
Vermögen wachsen langsamer
Durch die niedrigen Zinseinkünfte wachsen die Vermögen deutlich langsamer als zuvor. Allein 2014 sei das Wachstum um 0,9 Prozent gedämpft worden, stellt die DZ-Bank weiter fest. Gerade wer Geld anlegt, um privat für das Alter vorzusorgen, zählt zu den Verlierern. Denn die Jahre ohne Zins sind nicht nachzuholen. Der Zinseszinseffekt, der auf langfristige Anlagen besonders stark wirkte, fällt ebenfalls weg. Kein Wunder, dass die Begeisterung der Bundesbürger, ihr Geld zu sparen, schwindet. Denn 80 Prozent von ihnen glauben nicht an ein baldiges Ende der Niedrigzinsphase. Eine Studie der Comdirekt, der Direktbanktochter der Commerzbank, hat rund 1.600 erwachsene Verbraucher zu ihrer Einstellung zum Sparen befragt. Danach befürchten 38 Prozent von ihnen sogar, dass die Zinsen noch weiter fallen. Nur ein Fünftel rechnet damit, dass sie bald wieder steigen könnten. Derzeit lege nur noch jeder Zweite mehr als 100 Euro monatlich auf die hohe Kante, fand die Studie heraus. Damit sparten die Verbraucher nur noch sieben Prozent ihres Nettoeinkommens.
Risikoscheu kostet Geld
Dabei gibt es durchaus Möglichkeiten, sein Geld anzulegen und höhere Renditen zu erzielen. Wettmachen könnten die Bundesbürger die Zinsnachteile durch alternative Anlagen wie Aktien. Diversifizieren lautet dabei das Zauberwort. Markus Neumann, stellvertretender Vorsitzender der Schutzgemeinschaft der Kapitalanleger e.V., rät dazu, seine Ersparnisse auf unterschiedliche Laufzeiten und Anlageformen wie Sparbriefe, Tagesgeld und offene Immobilienfonds aufzuteilen, um das Risiko zu minimieren und dennoch eine gute Rendite zu erzielen. Ein vernünftiger Aktienanteil gehöre ebenfalls dazu. Denn der Deutsche Aktienindex erklimmt derzeit nie erreichte Höhen. Seit Jahresanfang hat er mit einem Plus von um die 20 Prozent einen außergewöhnlichen Aufstieg hinter sich. Dass mehr Rendite für die Anleger immer mit mehr Risiko einhergeht, ist ein alter Hut. Aber genau dieses Risiko scheuen die deutschen Sparer offenbar und stehen dem Aktienmarkt eher skeptisch gegenüber. Die Zahl der Sparer, die ihr Geld in Aktien oder Anteilen an Aktienfonds investierten, sei im vergangenen Jahr um rund eine halbe Million Menschen gesunken, gab das Deutsche Aktieninstitut bekannt. Und das bei den derzeit niedrigen Zinsen. Nur noch 8,4 Millionen Menschen, das entspricht 13,1 Prozent der Bevölkerung über 14 Jahre, seien danach am Aktienmarkt engagiert. Die konservative Struktur der Geldanlage koste die Menschen im Ergebnis viel Geld, warnt das Institut. Warum das so ist, führt Markus Neumann, der auch Wirtschaftshistoriker ist, vor allem auf psychologische Gründe zurück. „Der deutsche Aktienmarkt war zwischen 1870 und 1914 hoch entwickelt, es gab mehr gelistete Aktiengesellschaften als in den USA“, blickt er zurück. Doch durch Kriege und Krisen sei die Stimmung gekippt. „Seither wollen die Deutschen vor allem Sicherheit.“
Sicherheit ist relativ
Was sie darunter verstehen, ist dabei nicht immer objektiv nachvollziehbar. „Sicherheit ist ein relativer Begriff“, sagt Neumann. Lange habe man europäische Staatsanleihen für absolut sicher gehalten. Dann kam die Finanzkrise. Offene Immobilienfonds, bei denen ja in Sachwerte investiert wurde, seien früher sogar mündelsicher gewesen. Sie kamen also für die Anlage von Geldern infrage, die ein Vormund von Gesetzes wegen verlustsicher anlegen muss. Selbst die Bonität der Bundesanleihen könne irgendwann leiden, wenn Deutschland Ausfälle bei seinen Bürgschaften zur Rettung der Europäischen Währungsunion verkraften müsse. Der Aktienmarkt gilt bei vielen Deutschen dagegen als unsicher und offenbar zugleich als unattraktiv. Gerade einmal 14 Prozent der Befragten der Comdirekt-Studie legten einen Teil ihrer Ersparnisse in Aktien an. Die meisten, nämlich 57 Prozent, hatten ihr Erspartes auf dem Girokonto, gefolgt vom klassischen Sparbuch (52%) und Tagesgeldkonten (39%) oder Lebensversicherungen (35%). „Dabei ist das, was die Menschen als Risiko ansehen, nichts anderes als Volatilität“, sagt Neumann. Über einen langen Zeitraum gesehen sei der deutsche Markt trotz einiger Einbrüche seit den 50er Jahren stetig gestiegen. Schaut man sich den 1988 eingeführten DAX an, so ist der Aktienindex seitdem trotz einiger Schwankungen von unter 1.000 auf derzeit über 12.000 Punkte geklettert.
Langfristig denken
Man müsse den Aktienmarkt immer langfristig betrachten und auch so investieren, betont Neumann. „Es sollte unbedingt überschüssiges Kapitel sein, das man für mindestens fünf Jahre anlegen will. Und natürlich ist es Arbeit, sich mit dem Markt zu beschäftigen.“ Viele Anleger bevorzugen es daher offenbar, ihr Erspartes als Tagesgeld anzulegen, statt sich zu informieren. „Oder die Leute verlassen sich auf Tipps des Nachbarn und auf komplizierte Bankprodukte, an denen nur die Bank verdient.“ Der Rat des Experten lautet daher: „Kaufe nichts, was Du nicht verstehst.“ Vergleichsweise beliebt sind derzeit börsengehandelte Indexfonds, so genannte ETF, die, so werben die Anbieter, besonders leicht zu verstehen sind. Sie bilden exakt die Wertentwicklung des jeweiligen Index, also etwa des DAX, nach. „Man braucht nur abends in der Tagesschau zu sehen, wo der DAX steht, und weiß, wie die Wertentwicklung seiner Anlage ist.“ ETF gibt es auf fast jede Börse der Welt, auf weltweite Aktien, sogar auf europäische Staatsanleihen oder Firmenanleihen – mit den entsprechend unterschiedlichen Risiken. Auch die unterschiedlich hohen Gebühren sollte man vergleichen, rät der Aktienexperte. Nicht wenige Anleger befürchten allerdings, dass der derzeit sehr hoch stehende DAX demnächst wieder auf Talfahrt gehen wird. „Es gibt viele Stimmen, die das sagen. Der DAX steht hoch, die Unternehmen sind sicherlich nicht unterbewertet, aber sind sie schon hoch genug bewertet?“ fragt Neumann. Selbst wenn die Kurse derzeit nicht unbedingt zum Kaufen anregten, die Anleger müssten schließlich nicht ihr gesamtes Kapital auf einmal am Aktienmarkt investieren. Da derzeit die Inflation niedrig sei, könne man durchaus einen Teil in Tagesgeld anlegen und abwarten, ohne etwas zu verlieren, sowie einen anderen Teil in Aktien.
Alternative „Betongold“
Wem das noch zu unsicher ist, dem bleibt die Möglichkeit, bei den niedrigen Kreditzinsen sein Erspartes in ein Haus oder eine Eigentumswohnung zu stecken. Im Zuge der Eurokrise fürchten sich viele zudem vor einer Entwertung des Geldes und sehen ein Eigenheim als idealen Inflationsschutz. „Selbstgenutzt sind Immobilien ein großer Mehrwert, sie sind aber als Kapitalanlage für Vermögen bis zu einer Viertelmillion Euro eher nicht geeignet“, sagt Neumann. Die Faustformel laute, dass man zwei Eigentumswohnungen vermieten müsse, um seine eigene Wohnung zu bezahlen. Das Risiko eines Mietnomaden, der die Rendite platzen lässt, könne zudem niemand ausschließen. Wer sich Eigentum zum Selbstnutzen und als Wertanlage anschaffen möchte, muss in der Stadt mittlerweile mit hohen Kosten rechnen, denn die Nachfrage ist groß. Das Handelsblatt hat die Preisentwicklung bei Wohnimmobilien seit der Eurokrise in den Blick genommen. Seit dem zweiten Quartal 2009 bis zum zweiten Quartal 2012 sei der Preis für eine 30 Jahre alte Durchschnittsimmobilie pro Quadratmeter in Frankfurt um 17 Prozent auf 2.427 Euro gestiegen. Dabei bewegt sich Frankfurt noch im Mittelfeld. In Berlin, Hamburg und München liegen die Steigerungen zwischen 24 und 33 Prozent.
Die Bundesbank warnte im Januar 2015 davor, dass sich das Risiko einer Immobilienblase vergrößere. Kreditnehmer sollten sich von niedrigen Zinsen nicht blenden lassen, betonte damals das Bundesband-Vorstandsmitglied Andreas Dombret und warnte, dass eine Investition schlüssig sein müsse. Bei einer eventuellen Anschlussfinanzierung müssen die Käufer sich später auch höhere Zinsen leisten können.
Edelmetall als sicherer Hafen?
Anteile an einem offenen Immobilienfonds können eine Alternative sein. Doch auch bei ihnen besteht ein Risiko, sein Kapital zu verlieren. Nach Angaben des Branchenverbands BVI wurden zum Stichtag 28. April 2014 in Deutschland insgesamt rund 81,2 Milliarden Euro in offenen Publikumsfonds investiert. Davon steckten 15,68 Milliarden Euro in eingefrorenen oder in Abwicklung befindlichen Fonds. 19 Prozent der offenen Immobilienfonds wurden zu dem Zeitpunkt vor einem Jahr aufgelöst. Bleibt als sicherste Anlageform dann doch nur das echte Gold? Die Anlage in dem Edelmetall bringe nur etwas, wenn man mit dem Zusammenbruch des gesamten Wirtschaftssystems rechne, sagt Neumann. Gold gilt dann als sicherer Hafen für Anleger. Darüber hinaus bringt es weder Zinsen noch Dividende. Mit Gold-Schuldverschreibungen, -Aktien oder -Fonds lässt sich aber durchaus auf die Wertentwicklung des Edelmetalls spekulieren. Mit dem entsprechenden Risiko.
Anlagealternativen
Mit Toren Geld machen
Wer in seinen Lieblingssport investieren will, beim Hanseatischen Fußballkontor gibt es die Rendite auf die Beteiligung an Fußballvereinen. Der Investor vergibt ein Nachrangdarlehen und erhält dafür Einnahmen aus Zinsen und Tilgungen. Die Anlage bietet, wie alle folgenden, aber keinen Kapitalschutz.
Anleihe für kluge Köpfe
Die Privatuni Witten-Herdecke hat eine zehnjährige Anleihe aufgelegt, mit der sie die Studiengebühren für ihre Studenten finanziert. Die Wertpapiere werden an der Börse in Düsseldorf gehandelt und stellten Ende 2014 eine Rendite von 3,6 Prozent in Aussicht. Auch die Deutsche Bildung AG mit Sitz in Frankfurt finanziert die an Studenten vergebenen Darlehen durch Unternehmensanleihen.
Holz-Papiere
Der Index für internationale Investments in Wald hat in den vergangenen 20 Jahren eine bessere Entwicklung vorzuweisen als der DAX. Die Nachfrage ist hoch und soll weiter steigen. In offene und geschlossene Holz-Fonds kann man investieren. Risiken durch Schädlingsbefall, Naturkatastrophen, politische Unruhen oder schwankende Wechselkurse sind zu bedenken.
Klingende Wertanlage
Für Musikfans kann es sich lohnen, sein Geld in eine Gitarre von Fender oder Gibson zu investieren. Bei guter Pflege erhalten sie nicht nur ihren Wert, manche Instrumente erzielen nach 40 oder 50 Jahren Preise im sechsstelligen Bereich. In Amerika gibt es dazu das Fachmagazin „Vintage Guitar“.
Comics bringen Mäuse
Für die Erstausgabe der Abenteuer des Comic-Helden „Superman“ kassierte ein Dachdecker in den USA kürzlich 175.000 US-Dollar. Etliche Hefte lägen heute als Geldanlage im Banktresor, sagen Experten. Auf der jährlichen Comic-Auktion in Friedrichsdorf im Taunus können diese dann bare Münze bringen.
Katastrophenanleihen
Mit Catbonds investiert man nicht etwa in Katzen, sondern in so genannte Katastrophenanleihen, also diejenigen, die vor allem von Rückversicherern wie Allianz oder Münchener Rück ausgegeben werden. Sie sollen für Börsenschwankungen kaum anfällig sein. Bei Naturkatastrophen kann es im schlimmsten Fall aber zum Totalverlust kommen.
Gesunde Umwelt
Wer bewusst sein Geld in eine sauberere Umwelt investieren möchte, kann das mit Umwelttechnologiefonds tun, die in Unternehmen der Solarenergie- oder Windkraftbranche investieren. Zudem gibt es Ethikfonds, die den Schwerpunkt auf Firmen legen, die sich sozial korrekt verhalten. Einen Überblick gibt www.nachhaltiges-investment.org.