Extravagante Fassaden und außergewöhnliche Entwürfe: Baukünstler Ole Scheeren gilt weltweit als Ausnahme-Architekt. Mit dem „Riverpark Tower“ realisiert er sein erstes Deutschlandprojekt – in Frankfurt. Der Quartiersentwickler GEG German Estate Group beauftragte ihn mit der Umgestaltung des Union Investment-Hochhauses am Mainufer, das den Spitznamen „Blauer Turm“ trägt. Ein Wohnhochhaus mit Ausstrahlung soll entstehen.
Den Frankfurtern ist das schmucklose Union Investment-Hochhaus neben dem Hotel InterContinental schon lange ein Dorn im Auge. 1977 hatte ihn der kürzlich verstorbene Albert Speer Jr. im Stil des Brutalismus für die DG Bank am Mainufer gebaut. Es war sein erster nationaler Großauftrag.
Jetzt wird aus dem tristen knapp 95 Meter hohen Gebäude der exklusive Wohnturm Riverpark Tower. Eine offene und schwebende Architektur wird das ehemalige Bürogebäude in einen ansehnlichen Wolkenkratzer verwandeln. Die verschlossene Fassade wird komplett entfernt und der Turm bis auf seinen Kern zurückgebaut.
Großflächige, gestaffelte Panorama-Etagen mit riesigen Glasflächen anstelle von Fenstern und drei Meter hohe Räume sollen nicht nur für einen ungestörten Blick auf Main und Stadt, sondern auch für ein außergewöhnliches Wohnerlebnis sorgen. Unregelmäßig rundum herausragende Balkone und Loggien geben dem Bau zudem etwas Besonderes. Sie öffnen das Gebäude nach außen und brechen die vertikale Struktur auf.
Die ersten fünf Stockwerke wird ein Boardinghouse mit knapp 100 Appartements belegen. In den 17 Etagen darüber entstehen 130 Premium-Eigentumswohnungen, die über einen getrennten Lobby-Bereich erreichbar sind.
Weltweit ausgezeichneter Architekt
Geplant hat die Komplett-Erneuerung Ole Scheeren, der für seine Baukunst bereits mit zahlreichen international renommierten Preisen ausgezeichnet wurde. Der 1971 in Karlsruhe geborene Architekt gilt als Mann, der in der Architektur das Unmögliche möglich macht. Bei dem sich Hochhäuser in Luft aufzulösen scheinen. In China nennt man ihn den „Herren der Türme“.
Weltweite Beachtung erlangte er bislang vor allem mit seinen Bauten in Asien. In seiner Wahlheimat Beijing baute er die futuristische Sendezentrale des chinesischen Staatsfernsehens als einen in die Höhe ragenden verdrehten Komplex. Eines der größten und kompliziertesten jemals gebauten Gebäude der Welt, für das er 2013 den CTBUH Best Tall Building Award erhielt.
Mit dem Wohnkomplex „The Interlace“ in Singapur erfand er den Siedlungsbau neu. Statt Wohnblocks einfach nebeneinanderzustellen oder einen Solitär zu bauen, oder zwei oder drei, verteilte er 1.000 Apartments auf 31 sechsstöckige Blocks und stapelte sie in einem achteckigen Muster um acht Höfe übereinander.
Es entstand ein vertikales Dorf, das, trotz der Menge an Wohnraum, den sozialen Austausch unter den Bewohnern fördert. 2014 wurde dieses Konzept als weltweit bestes Hochhausprojekt für städtischen Lebensraum ausgezeichnet. Das „World Architecture Festival“ – sozusagen die Architektur-Oscars – verliehen ihm 2015 den Preis „World Building of the Year“.
Auch der mit 313 Metern höchste Wolkenkratzer Thailands in Bangkok Maha Nakhon, das Angkasa Raya-Projekt in Kuala Lumpur sowie ein Kunstzentrum für das Guardian Auktionshaus in Peking zählen zu seinen Werken.
Derzeit arbeitet der der 46-jährige noch an einem Hochhaus in Vancouver, dessen Äußeres an „Jenga“ erinnert. Wie bei dem Geschicklichkeitsspiel, bei dem Bausteine wild aufeinandergestapelt werden, ragen die Etagen ungeordnet und seitlich aus dem Gebäude.
Ein Zeichen für die Zukunft Frankfurts
Mit dem Riverpark Tower in Frankfurt ist Scheeren zum ersten Mal in Deutschland tätig. „Dieses anspruchsvolle Projekt zeigt, dass qualitätsvolles Leben im Hochhaus in Deutschland möglich ist“, unterstreicht der Architekt. Er hebt hervor, wie wichtig die nachhaltige und intelligente Nutzung bereits bestehender Gebäude ist: „Ein verschlossener Büroturm der Siebziger Jahre wird in ein offenes, lichtdurchflutetes Wohnerlebnis umgewandelt.“ Dies bereichere nicht nur die Lebensqualität im Bau selbst, sondern auch die des städtischen Lebens. Scheeren ist sich sicher: „In seiner prominenten, innerstädtischen Lage am Ufer des Mains wird der Riverpark-Tower ein Zeichen für die Zukunft Frankfurts setzen.“
Geförderter Wohnungsbau direkt am Main
Der Turm ist jedoch nicht die einzige Neuerung auf dem 4.100 Quadratmeter großen Areal, das sich von der Wilhelm-Leuschner-Straße bis zum Untermainkai erstreckt. Direkt neben dem Wohnturm werden zwei weitere Wohnanlagen entstehen. Ein sechsgeschossiges Haus mit 22 Eigentumswohnungen sowie ein sieben Stockwerke zählendes Gebäude mit 34 von der Stadt geförderten Mietwohnungen, die auf freiwilliger Basis entstehen. Das zum Turm zugehörige Gebäudeensemble präsentiert sich mit dem Namen „Riverpark Suites“ und wird planerisch von dem Frankfurter Architekten Jo. Franzke verantwortet.
„Ich freue mich sehr, dass die GEG hier geförderten Wohnraum errichtet – an einer so prominenten Stelle und im Kontext einer spektakulären Architektur“, so Planungsdezernent Mike Josef.
Städtebaulicher Akzent
In den Komplettumbau investiert der Quartiersentwickler GEG German Estate Group über 220 Millionen Euro. „Mit dem Riverpark Tower setzt die GEG einen weiteren ungewöhnlichen städtebaulichen Akzent“, betont der GEG-Vorstandsvorsitzende Ulrich Höller, der die Immobilie 2014 von der DZ Bank erworben hat. „Ich freue mich sehr, dass wir diese besondere Architektur mit Ole Scheeren realisieren können.“
Die Frankfurter Immobiliengesellschaft entwickelte und belebte bereits das neue Maintor-Viertel am Frankfurter Schauspielhaus, dem ehemaligen Degussa-Areal. In der vergangenen Woche sorgte die Unternehmung mit der Umgestaltung des ehemaligen Commerzbank-Hochhauses zum „Global Tower“ für Aufsehen.
Die Arbeiten für den Turm beginnen im Spätherbst 2018. Riverpark Tower und die Riverpark Suites sollen dann ab 2021 bezugsfertig sein.