Keine Jubelarien, kein Selbstlob. Zum 75. Jubiläum zieht der Wirtschaftsclub Rhein-Main Bilanz. Präsident Thomas Kremer spricht über zu teure Feste, die Macht der Jugend und warum er jetzt gehen will, wo es am schönsten ist. Frankfurt hat wieder ein Kraftzentrum. Kein Museum.
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Wer zum 75. Jubiläum des Wirtschaftsclubs Rhein-Main das übliche Defilee aus Champagner und Anekdoten erwartete, erlebte eine Überraschung. Statt in Nostalgie zu schwelgen, nutzte eines der einflussreichsten Netzwerke Frankfurts den Abend für eine Generalinventur. Und präsentierte sich jünger und entschlossener als je zuvor.
Das Gesicht entscheidet, nicht der Algorithmus
Laudator Matthias Mang, Präsident der hessischen Unternehmerverbände beschrieb eine Region der Kontraste. In ihr sei der Club kein Lautsprecher, sondern ein „Ermöglicher“. In einer Welt der Algorithmen sei ein solches Netzwerk das entscheidende Korrektiv: „Google hat mir noch nie einen Auftrag erteilt. Alexa noch nie einen Vertrag unterschrieben.“ Ein Netzwerk wie dieses, so Mang, schaffe, was keine KI vermag: Es mache aus einem Kontakt eine offene Tür. Sein trockenes Fazit: „Beziehungen schaden nur dem, der keine hat.“

Vom Sanierungsfall zum Kraftzentrum
Als Präsident Thomas Kremer das Wort ergriff, war es nicht für eine Festrede, sondern für einen Manöverbericht. Offen sprach er von der Zeit vor zehn Jahren, als er den Club als „Sanierungsfall“ übernahm. Opulente Galas mit sechsstelligen Budgets, abhängig von einzelnen Sponsoren, passten nicht mehr in die Zeit. „Tolle Formate, aber sie funktionieren heute nicht mehr“, so Kremer. Er und sein Team mussten alte Zöpfe abschneiden.
Die neue Strategie: weg von wenigen, teuren Prestige-Events, hin zu vielen, dichten Themenabenden. „Wir machen heute mehr Rednerabende als alle anderen Clubs in Frankfurt zusammen“, erklärte Kremer. Der Club wandelte sich vom Repräsentieren zum aktiven Gestalten. Das sicherte nicht nur sein Überleben, es gab ihm neue Kraft.

Wo Dax-Vorstände um Talente werben
Den entscheidenden Erfolg sieht Kremer in der Verjüngung. Der Vorstand öffnete den Club für die nächste Generation. „Wir mussten das demografische Problem lösen“, so Kremer. Allein in den letzten zwei Jahren seien über 200 Mitglieder unter 35 Jahren beigetreten. Sie bringen neue Ideen und ziehen etablierte Entscheider an.
Das Gesicht dieser neuen Generation ist Christian Kalonji, Vorstand der Young Professionals. Kremer erzählt von einem DAX-Vorstand, der einen ganzen Abend nutzte, um unter den jungen Talenten für sein Unternehmen zu werben. „Wo haben Sie das sonst in Frankfurt?“, fragte Kremer.

Abgang zur besten Zeit
Zuletzt blickte Kremer nach vorn – und auf seine eigene Rolle. Nach zehn Jahren an der Spitze sei es Zeit, den Weg freizumachen, sobald ein passender Nachfolger gefunden ist. Er wünsche sich einen echten Generationenwechsel, keine Amtszeit bis ins hohe Alter. „Man soll gehen, wenn es am schönsten ist, nicht erst mit 86“, sagte er mit einem Augenzwinkern. Ein eleganter Seitenhieb auf seinen Vorgänger.
Wer den Abend auf dem Heimweg überdachte, verstand die Botschaft: Dieser Club ist kein Museum. Er hat seine Vergangenheit nicht vergessen, aber weigert sich, in ihr zu leben. Er ruht nicht. Er gestaltet. Und bleibt gerade deshalb das, was er immer sein wollte: ein Kraftzentrum in Rhein-Main.
